Oxford, England. Juli 1863. Alle hielten es für Hirngespinste, und sie hatte mehr Hänseleien und Spott von anderen Kindern und mehr Vorträge und Straßmanahmen von Erwachsenen über sich ergehen lassen, als einer Elfjährigen zuzumuten war.
Alyss lebt in einem Land voller Wunder - bis das Böse über ihre Welt hereinbricht. Ihre Familie wird ermordet und Alyss selbst entkommt mit knapper Not in eine unbekannte Gegenwelt: das viktorianische London. Jahre später taucht ein geheimnisvoller Fremder auf und rührt an längst vergessene Dinge.
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Schon gewusst, dass der Klassiker "Alice im Wunderland" die tatsächlichen Ereignisse hinter den Spiegeln für schwache Nerven beschönigt hat?
In diesem Buch erfährt der geneigte Leser, was sich im Wunderland tatsächlich abgespielt hat: am siebten Geburtstag von Prinzessin Alyss überfällt die ihre Tante Redd, die sich um ihren Thronanspruch gebracht glaubt, den Herzpalast, tötet Alyss' Eltern und reißt die Macht an sich. Fortan verbreitet sie im Wunderland Angst und Schrecken, zerstört alles Schöne und schickt ihre gefürchteten Kämpfer aus, allen voran der zu allem fähige Kater.
Alyss gelingt zusammen mit Mac Rehhut, dem kampferprobten Oberhaupt der wunderländischen Polizei, die Flucht durch einen Sprung in den Tränenteich, aus dem noch niemand wiedergekommen ist - und es verschlägt sie (ohne Mac, der in Paris landet) ins viktorianische England, wo sie zunächst auf der Straße landet und über ein Waisenhaus zu Adoptiveltern kommt. Diese glauben natürlich kein Wort von Alyss' Schilderungen über Spielkarten- und Schachfigurenkrieger, magische Kristalle und das Spiegelkontinuum, in dem man sich im Wunderland fortbewegt.
Jahre vergehen, doch sie kann das Wunderland nicht vergessen, und am allerwenigsten Dodd Anders, ihren Freund aus Kindertagen. Kann es nicht doch noch einen Weg geben, der ihr die Rückkehr ermöglicht?
"Alice im Wunderland" habe ich leider nie gelesen, weshalb mir der direkte Vergleich fehlt, aber auch ohne diese Vorkenntnisse hat mir das Spiegellabyrinth großen Lesespaß bereitet.
Das zauberhafte Wunderland, in dem die verwöhnte Prinzessin Alyss von ihren Eltern mit Liebe überschüttet wird und sorglos ihre Späße treibt, verwandelt sich mit Redds Machtergreifung in eine düstere, trostlose Diktatur, in der Meinungsfreiheit und Individualität brutal unterdrückt werden. Ob die Parallelen zur Nazizeit beabsichtigt waren, weiß ich nicht, doch für mich klang das stark an.
Das Wunderland mit seiner Spiegelwelt hat mir außerordentlich gut gefallen, und selbst die kleinsten Nebenfiguren und Handlungsdetails sind originell und ausgefeilt dargestellt.
Es geht hart zur Sache bei den Kämpfen zwischen den Anhängern der Weißen und der Schwarzen Imagination, mit Waffen, die weit über das normale Arsenal von Fantasy-Kriegern hinausgehen (schwarze, gefräßige Rosenranken, Kampfkatzen, messerscharfe Spielkarten ...)
Ein äußerst gelungener Gegenentwurf zu Lewis Carrolls Klassiker (der Schriftsteller spielt übrigens auch eine Gastrolle im Romane) - und der Auftakt zu einer Trilogie um die Spiegelwelt. Man darf auf die Fortsetzung gespannt sein.