Harald Zoschke war Geschäftsführer einer Software-Firma und lernte auf Geschäftsreisen in den USA nicht nur Land und Leute kennen, sondern auch die ethnisch und historisch begründete Vielfalt der dortigen Küche, in deren Mittelpunkt häufig Chili Peppers stehen. Neben Rezepten, Hot Sauces und Salsa brachte er auch Samen zahlreicher Pepper-Arten mit nach Hause und gründete die Suncoast Peppers GmbH.

Literaturschock: Mit Ihrer Seite Pepperworld.com starteten Sie zuerst in Florida einen Siegeszug, um dann in Deutschland die Suncoast Peppers GmbH zu gründen. Erzählen Sie uns doch noch ein bißchen mehr über sich und Ihre Familie.

Harald Zoschke: 1989 gründeten wir (d.h. meine Gattin Renate und ich) die Zoschke Data GmbH, eine EDV-Firma, die sich auf Programmierwerkzeuge für Software-Entwickler spezialisierte. Die angebotenen Produkte stammten größtenteils aus den USA. Auf Geschäftsreisen dorthin lernten wir auch die scharfe Küche des amerikanischen Südwestens und der Südstaaten kennen und lieben, und außer Software brachten wir als Souvenirs auch scharfe Gewürze, Kochzutaten und Chilis mit nach Hause. Das Interesse an den scharfen Schoten wuchs ständig, und als Ausgleich für die aufreibende EDV-Arbeit wurde in Sachen Chilis so intensiv geforscht, dass im Jahre 1997 ein Buchprojekt daraus wurde: Das Chili Pepper Buch - siehe Literaturschock-Rezension. Es schildert die spannende Geschichte der Chilis, informiert über die wichtigsten Sorten, liefert Rezepte und vieles mehr.

Literaturschock: Die feurigen Schoten kommen seit einigen Jahren in Deutschland schwer in Mode. Ihr Leitspruch "Klasse statt Masse" zeugt von viel Idealismus. Was ist das Besondere an Chilis, dass sie so eine "feurige" Leidenschaft bei Ihnen und vielen anderen Menschen hervorrufen können?

Harald Zoschke: Chilis sprechen alle Sinne an - die Farbe das Auge, das Aroma Nase und Geschmackssinn, und dann ist da natürlich die Schärfe. Von einer ordentlichen Dosis feuriger Chilis oder scharfer Hot Sauce gibt's sogar einen milden und harmlosen "Rausch" - ähnlich wie das Jogger-High, nur mit weniger Anstrengung. Das alles zusammen ermöglicht kulinarische Abenteuer, wie sie eigentlich kein anderes Gewürz bieten kann. Durch die historische Verbreitung der Chilis rund um den Globus bieten die Schoten, Salsas und andere Spezialitäten zudem die Möglichkeit einer kulinarischen Weltreise, ohne die heimische Küche verlassen zu müssen. Man denke nur an karibische Hot Sauces wie Lottie's aus Barbados, oder Melinda's Mango! Und Chilis im Garten anzubauen ist einfach aufregender als Stiefmütterchen zu ziehen oder Rasenmähen...

Literaturschock: Wie können wir uns Ihren Arbeitsalltag vorstellen?

Harald Zoschke: Genauso arbeitsreich wie zu EDV-Zeiten, nur lustiger! Wer Chilis mag, ist in der Regel auch sonst gut drauf, und so telefoniert und emailt man eigentlich jeden Tag mit vielen netten Leuten (wobei es auch die Mischform gibt: EDV-Spezialisten, die zugleich Chiliheads sind und oft ganze Abteilungen zu ebensolchen konvertieren). Vom Arbeitsablauf ist es der einer jeden Versandfirma: Lagerhaltung, Fakturierung, Verpackung. Und da wir Pepperworld und den Online-Shop komplett selbst pflegen, kommt noch jede Menge Web-Arbeit dazu.

Literaturschock: Wie sieht es in Ihrem Garten / auf dem Balkon oder gar in Ihrem Haus aus? Ein Leben für Chilis? Oder haben da auch noch andere Pflanzen einen Platz?

Harald Zoschke: In unserem Garten haben wir diese Saison mal wieder über hundert verschiedene Chili-Sorten. Zum einen müssen wir ja jene Sorten im Testanbau prüfen, die wir auch als Saat verkaufen. Für 2004 waren das rund 50. Dazu kommen Raritäten aus aller Welt. Aus Vietnam brachte uns zum Beispiel jemand Saat für "Hanoi Red" mit; andere Sorten diese Jahres kommen aus Ägypten, von den Seychellen, aus Indien und der Toskana. Im Garten ist aber auch Platz für jede Menge Tees, Küchenkräuter, Beeren und Salat. Ohne unser Dazutun erhalten wir auch feine Spitzmorcheln. Fürs Auge jede Menge Rosen und Hibiskus. Aber das meiste Augenmerk bekommen zweifelsohne die Chilis. Zudem leben wir hier am Bodensee inmitten herrlicher Obstplantagen.

Literaturschock: Haben sie besondere Lieblingssorten unter Ihren Chilis? (Welche) und wieviele Chilis bauen sie im Durchschnitt an?

Harald Zoschke: Wie gesagt, so um die hundert. Was aber eindeutig zuviel ist - nächstes Jahr werden's weniger. Pro Sorte 3-4 Pflanzen sind immerhin 300-400 Pikiertöpfe, und nachher entsprechend viele Pflanzen, die untergebracht werden wollen...

Lieblingssorten sind unter anderem Serrano del Sol, Jalapeno (besonders rot gereift), die großen "New Mexican"-Sorten (geröstet einfach traumhaft!), alles, was sich fein auf dem Grill macht (Cubanelle, Gypsy, Poblano, türkische Dolmalik) und für die volle Dröhnung an Aroma und Schärfe Habanero sowie deren naher Verwandter, Caribbean Red.

Literaturschock: Lassen Sie uns über das brisante Thema Gentechnik reden. Was halten Sie selbst davon? Was glauben Sie, kann die Gentechnik für Pflanzen im allgemeinen - Chilis natürlich im besonderen - bedeuten: Positiv wie negativ?

Harald Zoschke: Man sollte die Gentechnik nicht von vornherein verteufeln. In der Regel wird aber die genmanipulierte Saat oder Frucht nicht vorderrangig zum Wohl des Konsumenten entwickelt, sondern zur Optimierung der Massenproduktion. Wenn die Manipulation zum Beispiel dazu bestimmt ist, in der Pflanze ein Herbizid oder Pestizid zu produzieren, dessen Konzentration oft zigfach höher ist als beim Spritzen, dann hat der Konsument nichts davon - im Gegenteil. Auch ist bisher die genaue Wirkung der Mechanismen, mit denen bei Pflanzen und Tieren das Erbgut verändert wird, zum Teil unbekannt oder nur lückenhaft erforscht - hier herrscht seitens der Gen-Industrie oft eine beängstigende Eile, Dinge auf den Markt zu bringen. Immer wieder tauchen jedoch bei Gen-Pflanzen auch unerwartete (und unerwünschte) Eigenschaften auf, zum Beispiel Allergien bei Gen-Mais.

Auch Antibiotikaresistenzen, wie sie in Gen-Pflanzen oft eingebaut werden, sind höchst bedenklich. Sie können auf Bakterien übergehen und zu resistenten Keimen führen. Zusammen mit den Antibiotikaresistenzen, die wir mit Fleisch"genuss" oft schon aufbauen, könnte dies mal verhängnisvoll werden - SARS war ja nur ein kleiner Vorgeschmack.

Wie schwer es sein wird, die Gentechnik zu beherrschen und ihre Verbreitung einzugrenzen, zeigt ein Bericht der aktuelllen Ausgabe von Ökotest. In diverse Senfsorten wies ein Labor-Warentest Gen-Senf nach. Der Grund: Senfsaat kommt oft aus Kanada, wo auch viel Raps angebaut wird -- inklusive Gen-Raps. Nun sind Raps und Senf so eng verwandt, dass Senf auch von Raps bestäubt werden kann. Das klappt durch Wind und Bienen auch über größere Entfernungen. Und schwupp, sind die Laborgene drin. Wer will/kann da auf lange Sicht garantieren, dass überhaupt noch irgendetwas frei ist von fremdem Genen? Den schwarzen Peter hat der Hersteller, der das auf seinem Etikett garantieren soll.

Was Gentechnik und Chilis angeht - viele Sorten sind schon Jahrzente und Jahrhunderte alt und entstanden, als es noch keine Gentechnik gab. Und auch heute wird in der Chili-Züchtung zum Glück wenig mit Genmanipulation gearbeitet. Vom Chile Pepper Institute der Universität in New Mexico, von der ja viele der kommerziellen Züchtungen der letzten drei Jahrzente stammen, weiß ich verbindlich, dass dort nach wie vor nur durch Kreuzung und Auslese, also ohne Gentechnik, gezüchtet wird (bin langjähriges Mitglied des Instituts und erfahre daher vieles aus erster Hand). Das dauert je nach Sorte oft sechs Jahre und mehr. Der Grund für die konventionellen Methoden dürfte sein, dass die Gentechnik-Verfahren einfach kostspieliger sind und sich daher eher für Pflanzen lohnen, die in erheblich größeren Mengen produziert werden, wie etwa Mais, Getreide, Tomaten und Kartoffeln. Und besonders Futterpflanzen - Tieren kann man ja alles Mögliche zu Fressen geben...

Literaturschock: Was sind Ihre gegenwärtigen Projekte? Auf Ihrer Seite konnten wir erfahren, dass ein neues Buchprojekt geplant ist?

Harald Zoschke: Ein kontinuierliches Projekt ist natürlich www.pepperworld.com - die wohl umfassendste deutsche Website zum Thema Chilis und scharfer Küche. Jede Woche kommen hier neue Rezepte, Reiseberichte, Tipps, News etc. hinzu -- als Buch wäre das schon ein ziemlicher Wälzer.

Im Print-Bereich ist gerade ein Werk fertig geworden, das mir schon ein paar Jahre am Herzen lag: der erste deutsche Chili-Kalender. D. h., ein Kalender speziell für Chili-Freunde! Jeden Monat ein Farbbild aus der Welt der scharfen Schoten, dazu heiße Rezepte (übrigens vegetarisch) und "echt scharfe" Infos. Die Motive im A4-Format eignen sich bestens zum Rahmen. Und im Kalenderteil jeden Monat ein scharfes Rezept und interessante Chili-Infos; Januar 2006 als Bonus. Der "Chili Kalender 2005" ist ab sofort lieferbar, hat die ISBN 3-937862-00-5 und kostet € 11,95 (hust, klingt jetzt irgendwie nach Werbung, gell).

Literaturschock: Haben Sie einen ganz speziellen Tipp für Chili-Anfänger?

Harald Zoschke: Ein paar Sorten im Garten oder auf der Fensterbank ziehen und sich an diesem kleinen Wunder der Natur freuen. Gelegenheiten nutzen, frische Chilis zu kaufen (oder bei Freunden zu bekommen) und zu probieren. Sich mit ebenfalls Interessierten zu einer scharfen Party zu treffen. Im jugendfreien Sinne meine ich -- jeder bringt was Chilimäßiges mit, eine Soße, eingelegte Schoten, eine selbstgemachte Salsa, etc. etc., dann gibts für alle was Neues zu probieren. Und sich einfach ein wenig schlau lesen auf Pepperworld.com!

Literaturschock: Da es sich bei Literaturschock um eine sehr belletristiklastige Webseite handelt, darf natürlich nicht die Frage fehlen, ob und was sie ansonsten lesen? Gibt es da Lieblingsbücher und Lieblingsschriftsteller oder bleibt neben den Pflanzen und dem Schreiben dafür keine Zeit?

Harald Zoschke: Leider geht viel Zeit mit Fachzeitschriften und Büchern zum Thema Internet drauf. Ansonsten schwelge ich gerne in unserem umfangreichen Bestand an Kochbüchern, vieles natürlich aus der Kategorie "hot & spicy". Ich liebe die Cartoons von Scott Adams (Dilbert) und Gary Larson; da hab ich wohl alles, was jemals erschienen ist. Alles, was der Populär-Lebensmittelchemiker Udo Pollmer geschrieben hat, hab ich kürzlich ebenfalls gelesen. Ein echter Augenöffner sind auch "Aus Teufels Topf" und "Die Suppe lügt" von Hans-Ulrich Grimm. Die beiden haben bestimmt jede Menge Feinde in der Lebensmittelindustrie. Wenn's die Zeit erlaubt, greif ich mir auch mal eines von meinen Charles-Bukowski-Büchern. Der Typ war herrlich kaputt und schrieb sich echt von der (sicher geschwollenen) Leber weg. Viel Leserei spielt sich durchs Internet inzwischen natürlich auch bei mir am Bildschirm ab. Obwohl ich ein gedrucktes Buch jederzeit vorziehe.

Literaturschock: Vielen Dank, Herr Zoschke, dass Sie sich Zeit für dieses Interview genommen haben!

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