Bei Iny Lorentz handelt es sich um das Autorenduo Iny & Elmar Lorentz. Seit den frühen achtziger Jahren haben sie gemeinsam mehrere Kurzgeschichten veröffentlicht.

Literaturschock: Iny und Elmar, erzählt uns begeisterten Lesern doch etwas über euch!

Iny Lorentz: Über uns persönlich gibt es eigentlich wenig zu sagen, denn wir sind keine Bohlens und Küblböcks mit buntschillernder Biographie, sondern einfache, hart arbeitende Leute, die eben neben ihrem normalen Beruf schreiben und daher zeitlich so ausgelastet sind, dass ihnen keine Zeit für ein Laster bleibt.

Elmar ist in einem Bauerndorf mit fünf Höfen aufgewachsen und hat bis zu seinem dreißigsten Lebensjahr dort gelebt und als Landwirt geholfen, das deutsche Volk mit Nahrung zu versorgen. Nach einer Ausbildung als Mess- und Regelmechaniker suchte er sich eine Stelle in München und zog mit dort Iny zusammen. Heute arbeitet er im Rechenzentrum eines Versicherungskonzerns als Druckoperator.

Iny ist in Köln geboren, hat dort das Abitur auf dem Abendgymnasium nachgeholt und darf sich nach einer berufsbegleitenden Ausbildung Organisationsprogrammierin nennen. Diesen Beruf übt sie heute noch aus, nur nennt das sich heute neudeutsch advanced IT-Professional.

Wir haben uns schon vor unserem jeweiligen Umzug nach München über einen Verein gekannt, der sich mit Fantasy-Literatur beschäftigte und waren Brieffreunde. In Bayern konnten wir uns dann öfters sehen und haben über unserem Hobby (Lesen und Schreiben) zusammengefunden. Seit 1982 sind wir verheiratet.

Im Urlaub fahren wir mit einem Wohnwagen in Europa herum, für den wir extra Notebooks angeschafft haben, so dass wir auch unterwegs schreiben können.

Literaturschock: Max Barry meinte neulich in einem Interview, ihm reiche es, sein Leben lang zu schreiben und nie etwas zu veröffentlichen. Er sei dann zwar arm, aber glücklich. Als ich euch auf der Buchmesse Frankfurt persönlich kennenlernte, hatte ich den gleichen Eindruck von euch. Was bedeutet euch das Schreiben? Gibt es immer Begeisterung oder auch mal dunkle Seiten?

Iny Lorentz: Schreiben ist einer spöttischen Bemerkung Elmars zufolge das einzige Laster, dem er wirklich frönt. Es ist für ihn wie eine Sucht. Er hat bereits in frühester Jugend mangels anderer Zuhörer sich selbst Geschichten erzählt und später unzählige Stories für Fanmagazine geschrieben. Insofern war bei ihm der Wunsch, zu veröffentlichen, durchaus vorhanden, und das brachte ihn 1981 bei der Buchmesse in Frankfurt dazu, auf einen der Verlage zuzugehen und den verantwortlichen Lektor anzusprechen. Da Iny nach einer Reihe von Fan-Stories bereits eine Geschichte in einem Taschenbuch untergebracht hatte, zeigte der Anthologist, an den der Lektor uns verwies, starkes Interesse und nahm zuerst von Elmar, dann von uns beiden im Lauf der nächsten Jahre Geschichten in seine Anthologien auf. Von den ersten, kleinen Stories, die wir untergebracht haben, bis hin zur 'Kastratin', bzw. den weiteren Romanen, die mittlerweile fertig gestellt sind und beim Verlag auf ihr Erscheinen warten, war es ein weiter und von teilweise derben Rückschlägen geprägter Weg.

Wir haben oft nur noch für uns selbst Geschichten entworfen und sie uns erzählt oder interaktiv in einer Art Rollenspiel ausgebaut. Der Wunsch, etwas Gedrucktes in der Hand zu halten, war jedoch immer latent vorhanden und wurde von Zeit zu Zeit stark genug, um wieder einmal ein Manuskript an Verlage oder Agenturen zu schicken. Sie kamen meistens schneller zurück als wir von der Post nach Hause laufen konnten. Doch wie heißt es so schön in 'Galaxy Quest': Niemals aufgeben, niemals kapitulieren.

Trotz reichlich Frust behielten wir unser Ziel im Auge, selbst wenn es so fern wie ein Fixstern schien, und richteten unseren Kurs darauf aus. Dabei haben wir uns nie der Illusion hingegeben, als Schriftsteller leben zu können und das durch das Schreiben verdiente Geld ist auch eher eine Anerkennung als ein Einkommen. Wir genießen es, ein Ziel vor Augen zu haben, und das Schreiben soll und wird für uns immer ein geliebtes Hobby bleiben.

Literaturschock: Was sind eure derzeitigen Projekte? Gebt ihr uns eine kleine Aussicht auf die nächsten Bücher?

Iny Lorentz: Derzeit arbeitet Iny am Feinschliff eines Romans, der bei uns unter dem Arbeitstitel "Die Fürstin" läuft und der Ende 2004 bei Weltbild und im Sommer 2005 als TB bei Knaur erscheinen soll. Es geht um ein junges Mädchen aus verarmten Hochadel, das an einen sehr eigenartigen Fürstenhof verheiratet wird und sich gegen interne Feinde, wie auch nach dem Tod ihres Gemahls gegen dessen erbgierigen Vetter behaupten muss. Elmar hat die Rohschrift eines weiteren Romans abgeschlossen, der in Russland spielt und wird sich in den nächsten Tagen an die Rohschrift irgendeines neues Romans aus unserem reichen Ideen- und Exposé-Vorrat machen.

Als erster unserer bereits fertigen Romane erscheint "Die Goldhändlerin" Dez. 2003 als HC bei Weltbild und Juli 2004 als TB bei Knaur. Die Hauptperson ist eine junge Jüdin, die sich Ende des 15. Jahrhunderts nach der Ermordung ihres Vaters und älteren Bruders als Mann verkleidet ebenso gegen einen gierigen Landesherrn wie wohlmeinende Glaubensbrüder durchsetzen muss.

Feb. 2004 erscheint "Die Wanderhure" als HC bei Knaur. Dieser Roman handelt von der Konstanzer Bürgerstochter Marie, die von ihrem Verlobten und Heimat und Ehre gebracht wird und als Ausgestoßene über die Landstraßen ziehen muss. Trotz ihrer aussichtlosen Lage sucht sie Mittel und Wege, sich an ihrem Verderber und dessen Spießgesellen zu rächen. Zu diesem Roman gibt es eine Fortsetzung, die 2005 erscheinen wird, deren Titel aber noch nicht feststeht. Die mittlerweile rehabilitierte und wohlhabende Marie gilt, nachdem ihr Ehemann angeblich im Kampf gegen die Hussiten gefallen sein soll, als Witwe und reist, um einer aufgezwungenen neuen Ehe zu entkommen, als Marketenderin bis nach Böhmen, um die Wahrheit über das Verschwinden ihres Mannes aufzudecken.

Literaturschock: Wie geht ihr beim Schreiben eines Buches vor? Wie recherchiert ihr? Wie sieht euer normaler Schreiballtag aus?

Iny Lorentz: Es beginnt mit einer Idee, die Einer von uns entwickelt und dem Anderen mitteilt. Sind wir beide der Überzeugung, dass es sich lohnt, das Ganze auszuformen, beginnt Elmar mit den ersten Recherchen, um die beste Zeit und den Ort für diesen Roman herauszufinden. Manchmal ergibt sich beides aber auch aus der Idee selbst, wie bei "Die Wanderhure", die zur Zeit des Konstanzer Konzils spielt. Wichtig ist vor allem eine möglichst problemlose Eingliederung des Romans in den historischen Hintergrund. So konnte "Die Kastratin" nur in der Zeit Maximilians II. spielen, der als einziger Habsburger der Reformation positiv gegenüber stand.

Die Recherchen selbst bedeuten vor allem das Lesen eines großen Stapels von Sachbüchern, das Studium vieler Landkarten, und oft auch den Besuch der für den Roman ins Auge gefasste Gegenden, um sich mit der Umgebung vertraut zu machen und vor allem Regionalliteratur zu besorgen.

Sobald die Recherchen einen gewissen Stand erreicht haben, beginnt Elmar mit dem Rohtext des Romans, für den er zwischen einem halben Jahr und neun Monaten braucht. Iny wird dabei immer einbezogen, sie liest die einzelnen Kapitel und gibt ihre Kommentare ab, die Elmar sowohl bei den folgenden Kapiteln, wie auch bei der Überarbeitung des Rohtextes berücksichtigt. Wenn Elmar mit dieser Überarbeitung fertig ist, nimmt Iny sich den Text vor und überarbeitet ihn so oft, bis wir beide mit dem Inhalt und dem Text zufrieden sind. D.h. Elmar liest jede von Inys Überarbeitungen und wir reden auch immer wieder über den Gesamtzusammenhang und einzelne Stellen, bis wir den Roman als abgeschlossen betrachten.

Literaturschock: Ihr nehmt euch sehr viel Zeit für eure Leser. So habt ihr euch beispielsweise (inter)aktiv an zwei Foren-Leserunden eures Buches "Die Kastratin" teilgenommen und Fragen beantwortet. Ist euch der Kontakt zu den Fans sehr wichtig? Was gibt euch eine solche Leserunde?

Iny Lorentz: Der Kontakt mit unseren Lesern ist uns sehr wichtig, denn wir schreiben in erster Linie ja für sie und da wollen wir schon wissen, ob wir ihren Geschmack treffen. Berechtigte Kritik ist uns ein Ansporn, es besser zu machen, und wir sind auch offen für Lob, denn schließlich braucht jeder Mensch von Zeit zu Zeit ein paar Streicheleinheiten. Aber Scherz beiseite, wir wollen, dass unsere Bücher gekauft werden, also müssen wir den LeserInnen auch das liefern, was sie gerne lesen. Außerdem hat uns der Kontakt viel Spaß gemacht. Da wir keine Homepage besitzen und auf absehbare Zeit auch keine einrichten können, sehen wir die Foren als einen gewissen Ersatz an.

Literaturschock: "Die Kastratin" war eigentlich ein Projekt von euch beiden. Warum hat der Verlag Elmar im Titel unterschlagen? War euch das egal?

Iny Lorentz: Zu Beginn war ja geplant, "Die Kastratin" unter beiden Namen zu veröffentlichen. Allerdings gibt es da Probleme mit einigen Computersystemen des Buchhandels. Ein Buch mit zwei Autorennamen ist darin oft nicht wiederzufinden. Die Namen werden verstümmelt oder es wird nur einer der Autoren eingetragen. Der Verlag entschied sich daraufhin für einen einzigen Namen und wählte aus Verkaufsgründen das weibliche Pseudonym. Es hat uns nicht sonderlich gefallen, gerade, weil Elmar einen mindestens ebenso großen wenn nicht etwas größeren Anteil an dem Geschaffenen hat, aber wir mussten es akzeptieren.

Literaturschock: In der letzten Zeit wurden einige neue deutsche Autoren - vor allem in den Bereichen Fantasy/Krimi/Historisch - entdeckt. Aber nach wie vor müssen Autoren und Autorinnen oft zu englischklingenden Pseudonymen greifen, um mittelmäßigen Absatz zu finden - wenn sie überhaupt einen Verlag finden. Was glaubt ihr, woran das liegt?

Iny Lorentz: Es liegt in erster Linie daran, dass die Verlage bei leichter Unterhaltungsliteratur seit vielen Jahren auf das Angebot des angelsächsischen Marktes zurückgreifen, da deutsche Literatur, von wenigen Ausnahmen abgesehen, eher mit den Begriffen ernst, bedeutungsschwanger und mit erhobenem Zeigefinger gleichgesetzt werden. Die LeserInnen wurden dadurch eher auf Bücher von englischen und amerikanischen AutorInnen gelenkt, denn die versprachen entspannende Unterhaltung. Außerdem war es für die Verlagsverantwortlichen bequemer, Bücher auf den Markt zu werfen, die man den interessierten Käufern als "den neuen großen Erfolgsroman" aus Amerika oder England schmackhaft machen konnte. Viele LeserInnen trauen deutschen AutorInnen zum Beispiel nicht zu, einen guten Regency-Roman zu schreiben. Da bleibt vielen AutorInnen nur, sich hinter einen englisch klingenden Namen zu verstecken, und zu hoffen, die LeserInnen mit ihren Büchern so überzeugen zu können, dass man sie auch weiterhin kauft. Dieser Tendenz zum Trotz gibt es aber auch etliche Autorinnen und Autoren, die sich ihren Platz auch ohne diesen Trick erkämpfen konnten.

Literaturschock: Glaubt ihr, dass sich Bücher mit weiblichen Hauptcharakteren erfolgreicher verkaufen lassen?

Iny Lorentz: Es verkaufen sich auch Bücher mit männlichen Hauptcharakteren sehr gut, siehe Rebecca Gablé oder Wolf Serno. Als Neueinsteiger hat man aber Probleme, da dieses Feld schon sehr gut bestellt ist. Daher riet uns ein Agent, an den wir uns vor einigen Jahren wandten, wortwörtlich "ein Buch wie die Päpstin" zu schreiben. Wir haben diesen Roman nie gelesen, kannten aber die Sage um die Päpstin Johanna und haben, um uns davon abzusetzen, die Idee zu "Die Kastratin" entwickelt. Zehn Monate harter Arbeit und eine neue, rührige Agentur, da uns die alte den Stuhl vor die Tür gesetzt hatte, taten dann das ihre dazu, diesen Roman zu verkaufen. Da es uns persönlich sehr viel Spaß macht, mit einer weiblichen Hauptfigur zu agieren, sehen wir keinen Grund, dieses Konzept zu ändern.

Literaturschock: Was macht ein besonderes Buch für euch aus?

Iny Lorentz: Es muss sich gut lesen lassen und uns zur letzten Seite fesseln, ohne dass wir nachher sagen: Das war verschwendete Zeit.

Literaturschock: Ihr schreibt ja schon recht lange. Hat sich eure Einstellung zur Literatur seitdem in irgendeiner Weise verändert? Kann man da überhaupt noch unkritisch, ohne zu denken "Das hätte ich aber besser gemacht", lesen?

Iny Lorentz: Es ist für uns schwieriger geworden, einfach aus Spaß zu lesen. Zum Beispiel legt Elmar teilweise über die Hälfte der Bücher, die er beginnt, noch vor dem Erreichen des ersten Drittels wieder aus der Hand, weil ihm die Art nicht zusagt, mit der die Geschichte erzählt wird. Historische Romane sind für ihn fast tabu, da er sich von keinem fremden Stil beeinflussen lassen will. Daher hat er "Die Päpstin" bis heute nicht gelesen. Am leichtesten fällt es ihm noch, SF und Fantasy oder Seefahrerromane zu lesen.

Iny liest dagegen gerne Krimis und gelegentlich auch wieder Liebesromane. Auch sie meidet Historische Romane, seit sie selbst welche schreibt. Allerdings hat sie vor, demnächst doch Einige zu lesen, und zwar von den Quo-Vadis-Mitgliedern. Die historische Lesenacht am 22.11. in Pforzheim, an der wir uns ebenfalls beteiligt haben, hat sie neugierig gemacht.

Literaturschock: Was lest ihr zur Zeit und was sind eure Lieblingsautoren?

Iny Lorentz: Offen gesagt, wir würden gerne mehr lesen, als wir noch können. Aber ein Fulltimejob und das Schreiben schränkt die freie Zeit doch arg ein, zumal Elmar immer wieder Sachbücher für seine Recherchen wälzen muss. Wenn man tatsächlich mal eine ruhige Minute hat, sollte es schon etwas Besonderes oder sehr Entspannendes sein. Es kommt dabei auf unsere jeweilige Stimmung an. Elmar las zuletzt "Die purpurnen Flüsse" von Jean-Christophe Grangé, "Der schwebende Wald" von Larry Niven und das Buch zum Film Star Trek Nemesis. Die Autoren, die Elmar immer wieder gerne liest, sind vor allem Georgette Heyer, C. S. Forrester, Alexander Kent, J.R.R. Tolkien, sowie Hedwig Courths-Mahler. Früher las er auch gerne die historischen Romane von Vandenberg, traut sich aber, seit wir selber in diesem Genre arbeiten, nicht mehr so an sie heran.

Iny hat ein paar Lieblingsbücher unter denen von Georgette Heyer (z.B. Liebe unverzollt), mag immer noch Raymond Chandler, Alexandré Dumas, Peter O'Donnel, Dorothy Sayers, Jean Auel ... es würde eine sehr lange Liste, alle aufzuzählen, die sie gerne noch einmal lesen würde.

Im Augenblick liest sie u.a. Liebesromane von den DeLiA-Autorinnen, aber beinahe nur seitenweise, weil der Termin für den fünften Roman drängt.

Literaturschock: Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit für das Interview genommen habt! Es hat mir - wie das Lesen eures Buches - sehr viel Spaß gemacht!

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