Adam Johnson: Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

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Adam Johnson: Das geraubte Leben des Waisen Jun Do
Verlag
ET (D)
2013
Ausgabe
Gebundene Ausgabe
Originaltitel
The Orphan Master's Son
ET (Original)
2011
ISBN-13
9783518464250

Informationen zum Buch

Seiten
687

Sonstiges

Originalsprache
amerikanisch
Übersetzer/in
Erster Satz
BÜRGER, versammelt euch um die Lautsprecher, denn wir haben wichtige Meldungen für euch!

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Pak Jun Do hat noch nie einen Film gesehen, kaum je ein Werbeplakat, er findet es merkwürdig, dass woanders Leute Tiere im Haus halten, und wundert sich über Maschinen, die Geld auswerfen. Er kennt keine Ironie, keine Kunst, keine Mode und keine Magazine. Aufgewachsen im nordkoreanischen Waisenhaus »Frohe Zukunft«, ist er ein winziges Rädchen im großen Getriebe der absurd-grausamen Herrschaft des »Geliebten Führers« Kim Jong Il. Nur ein falsches Wort kann jeden sofort ins Lager bringen. Doch mit der Zeit beginnt Jun Do an etwas zu glauben, was stärker ist als Staatstreue: Freundschaft und Liebe. Als er die Schauspielerin Sun Moon trifft, lernt er das bedingungslose Vertrauen in einen anderen Menschen kennen. Und nur dafür lohnt es sich zu überleben. Adam Johnsons kühner Nordkorea-Roman ist ein wahres Feuerwerk der Erzählkunst, eine wahnwitzige Geschichte über Freiheit, Wahrheit und Identität. Er ist ebenso die Geschichte verlorener Unschuld wie Spionagethriller und Liebesroman, bevölkert von eigenwilligen, schrägen Figuren – poetisch, erschütternd und unvergesslich

Autoren-Bewertung

1 Bewertung
Ein aufweckendes und berührendes Buch
Gesamtbewertung
 
4.7
Plot / Unterhaltungswert
 
5.0
Charaktere
 
5.0
Sprache & Stil
 
4.0
Die Kinder im Waisenhaus "Frohe Zukunft" erhalten ihre Namen nach den 114 Großen Märtyrern der Revolution. Auch Pak Jun Do lebt in dem Waisenhaus, doch er ist kein Waise. Sein Vater ist der Waisenhausaufseher, seine Mutter war eine schöne Sängerin - mehr weiß er über sie nicht. Als ältester Junge trägt er mehr Verantwortung als die anderen und übernimmt die Portionierung des Essens oder auch die Zuteilung der Schlafplätze. Mit vierzehn wird er als Tunnelsoldat in der Kunst des lichtlosen Kampfes ausgebildet und schließlich auf Einsätze auf hoher See geschickt. Gemeinsam mit einem kleinen Trupp weiterer Nordkoreaner soll er von nun an Japaner nach Korea entführen.

"Je größer die Lüge, desto mehr Menschen folgen ihr."
(Adolf Hitler, deutscher Reichskanzler und Führer des 3. Reichs, 1889-1945)

Nordkorea ist für die meisten von uns viel zu weit entfernt, um auf größeres Interesse zu stoßen. Nur wenige Nachrichten erreichen uns, denn das Land ist so gut wie abgeschottet gegenüber der restlichen Welt, doch das wenige, das wir über Nordkorea erfahren, klingt erschreckend. Meldungen über Tausende Menschen in Internierungslagern, Zwangsarbeit, Folterungen. Und ganz aktuell ist Nordkorea und dessen "Geliebter Führer" Kim Jong-un in aller Munde. In der ersten Jahreshälfte von 2013 provozierte sein Regime Südkorea und die USA mit Kriegsrhetorik und Atomtests. Inzwischen hat sich die Lage wieder etwas entspannt, doch Nordkorea ist noch weit davon entfernt, ein friedliches Land zu sein.

"Je größer die Lüge, desto mehr Menschen folgen ihr." Propaganda ist alles in Nordkorea. Die Menschen beginnen den Tag mit einem Frühstück unter einem Bild des Staatsgründers Kim Il Sung und seines Sohnes Kim Jong Il. Auf der Straße können sie den Plakaten mit politischen Sprüchen und nordkoreanischen Soldaten nicht entgehen. Auf Briefmarken ist der "Geliebte Führer" abgebildet, jeder norkoreanische Film besteht aus politischer Propaganda, Blumen werden nach den Führern benannt und jeden Tag muss jeder Bürger acht Stunden politische Bildung erhalten. Die Lautsprecher der Häuser bereiten die Menschen auf drohende Angriffe Japans, Südkoreas oder der USA vor.

Adam Johnson wurde im April 2013 für "Das geraubte Leben des Waisen Jun Do" mit dem Pulitzer-Preis für den besten Roman ausgezeichnet. Er schildert darin eine Fiktion, doch der nordkoreanische Alltag, das Politikgeschehen ist dennoch so real, wie er nur sein kann. Es ist beängstigend, dass so eine Regierungsform auch in unserer eigentlich aufgeklärten Zeit noch existieren kann. Und dies bereits den 50ern.

Das Buch beleuchtete viele mir völlig unbekannte Aspekte. Wurden wirklich in Kim Il Sungs Auftrag Menschen entführt? Ja, das wurden sie. Völlig wahllos wurden Dutzende Japaner und Südkoreaner von Stränden und einsamen Plätzen nach Nordkorea verschleppt und nach Pjöngjang geschickt, wo sie den Spionen von Kim Jong-Il als Informationsquelle dienen sollten.

"Das geraubte Leben des Waisen Jun Do" ist zweigeteilt. Im ersten Teil wird die Geschichte des Waisen Jun Do geschildert, im zweiten Teil schließlich die des Kommandanten Ga, der sich den "Geliebten Führer" zum Feind gemacht hat, weil er dessen Favoritin, die schöne Filmschauspielerin Sun Moon, heiratete. Die Geschichte des Waisen wird geprägt durch Elend, Hunger, der Arbeit im Internierungslager und Folter. Als Jun Do als Übersetzer mit einer Delegation in die USA reist, erkennt man die Kontraste der westlichen und östlichen Welten sehr deutlich:

"Zwei Dinge müsst ihr über die Amerikaner wissen", sagte Dr. Song. "Erstens: Sie können schnell denken und lieben es, sich über alles den Kopf zu zerbrechen. Man muss ihnen irgendein Rätsel vorsetzen, damit sie beschäftigt sind. Dafür haben wir den Herrn Minister. Zweitens müssen sie sich moralisch überlegen fühlen. Sonst können sie keine Verhandlungen führen. Gespräche fangen immer mit Menschenrechten, mit Freiheit des Einzelnen und so weiter an. Der Tiger verändert alles. Die Vorstellung, dass wir ganz nonchalant ein Exemplar einer bedrohten Tierart aufessen, verschafft ihnen augenblicklich einen moralischen Vorsprung. Und dann können wir sofort zur Sache kommen."

Im Gegensatz zu Jun Dos Welt wird die dekadente Welt der Führungsriege, die sich zwar nicht sorgen muss, zu verhungern - die aber doch nie ganz so sicher ist, wie es den Anschein hat, geschildert. Und trotz der Dekadenz und all' der Macht verläuft die Geschichte des Kommandanten Ga gänzlich unerwartet.

Adam Johnson lässt viel Alltägliches einfließen, das manchmal fast grotesk erscheint - wie beispielsweise das Verbot der Hundehaltung in Pjöngjang. Und auch die Propaganda, zu der auch gehört, dass Nordkorea, Tonnen an Hilfsgütern an die hungerleidenden Amerikaner sendet. Das Buch bietet jede Menge Wissen und viele Perlen. Als Jun Do mit seiner Delegation in den USA ist, unterhält er sich mit der CIA-Agentin Wanda:

"Gibt es hier Straflager?", fragte er.
"Nein", sagte sie.
"Zwangsehen, Selbstkritiksitzungen, Lautsprecher?"
Sie schüttelte den Kopf.
"Dann glaube ich nicht, dass ich mich hier jemals frei fühlen könnte", sagte er.
"Was soll das heißen?" Wanda schien fast wütend auf ihn zu sein. "Das erklärt mir überhaupt nichts."
"In meinem Land ergibt alles einen klaren, eindeutigen Sinn. Es ist der unkomplizierteste Ort der Welt", sagte er.


"Je größer die Lüge, desto mehr Menschen folgen ihr." Der Autor fängt die bedrückende Stimmung in der demokratischen Volksrepublik Korea großartig ein und es ergibt sich so mit jeder Seite ein weiteres kleines Puzzleteilchen für das Bild eines unterdrückten Volkes.

Sind wir selbst denn überhaupt frei? Folgen wir nicht ebensolchen Lügen in unserer Gesellschaft? Wir des nicht auch für uns Zeit aufzuwachen? Im Gegensatz zu Nordkorea haben wir jedoch tatsächlich die Freiheit, unsere eigenen Wege zu gehen. Und täglich für oder gegen etwas zu entscheiden, ohne befürchten zu müssen, vom Erdboden zu verschwinden oder den Rest unseres Leben bei der Zwangsarbeit im Internierungslager zu verbringen. "Das geraubte Leben des Waisen Jun Do" ist ein Buch, das aufweckt und berührt. Es ist ein Buch, das mir vor Augen führte, was für ein Glück ich doch habe.
SK
#1 Bewerter 1144 Bewertungen
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