Im Sommer 1998 gestand mir mein Nachbar Coleman Silk - der, bevor er zwei Jahre zuvor in Ruhestand gegangen war, über zwanzig Jahre Professor für klassische Literatur am nahe gelegenen Athena College und darüber hinaus sechzehn Jahre Dekan gewesen war -, dass er, im Alter von einundziebzig Jahren, eine Affäre mit einer vierunddreißigjährigen Putzfrau hatte, die in der Universität arbeitete.
Coleman Silk, Professor an einer noblen Ostküsten-Universität, wird wegen einer unbedeutenden Äußerung als Rassist abgestempelt. Eine glanzvolle Karriere endet abrupt. Jahre später holt die Liebesaffäre mit einer sehr viel jüngeren Frau den gebrochenen Mann ins Leben zurück. Doch das Glück ist nur von kurzer Dauer. Eine Hexenjagd beginnt, die tragisch endet, und ein unheilvolles Geheimnis tritt zutage, das Coleman Silk über fünfzig Jahre gehütet hatte.
Autoren-Bewertung
1 Bewertung
Man muss die Hauptfigur nicht mögen um diesen Roman toll zu finden
Gesamtbewertung
5.0
Plot / Unterhaltungswert
5.0
Charaktere
5.0
Sprache & Stil
5.0
Es gibt Romane, die berühren einen auf eine Weise dass, man es kaum beschreiben kann. Vielleicht, weil sie in so vielfältiger Weise auf einen wirken dass, man sich auch selbst fragt: warum eigentlich?
Roths Roman beschreibt nicht einfach nur einen alten Mann, der scheinbar einen unverzeihlichen Fehler gemacht hat. Er beschreibt viel mehr einen Ausschnitt der amerikanischen Gesellschaft schlechthin, verdichtet verschiedenste Klischees - über alte Männer und junge Frauen (und deren Sexualleben) genauso wie über Rassismus, latenten und offenen Antisemitismus, Feminismus, Vietnam... Irgendwie scheint der Roman erfunden und dann wieder so wahr wie es nur geht. Literarische Wirklichkeit wie aus dem Lehrbuch abgeschrieben.
Sperrig, das ist wohl die recht treffende Bezeichnung für "Der menschliche Makel". Roth beschreibt hier das Menschlichste das es gibt und zeigt mir als Leser zugleich auf, dass ich trotzdem nicht alles daran gut finden muss. Im Gegenteil, ich muss ja nicht einmal Coleman selbst mögen. Letztendlich entlarvt Roth uns alle mit unseren Masken und zeigt uns was hinter allem stecken kann... für mich ist das vielleicht sogar die Essenz des Romans, das man durch die eigene Konstruktion des Lebens erst die Interpretation der Anderen heraufbeschwört und das sie sich in allem spiegelt was zwischenmenschliches Verhalten erst ausmacht.
Ich habe das Gefühl Roth hat alles gesagt was er zu sagen hatte und wer weiß ob ich jemals wieder einen Roman von ihm lesen werde, ich habe das Gefühl es könnte nur noch ein müder Versuch dabei herauskommen, diesen Roman hier zu übertreffen.
"Der menschliche Makel" ist ein grandioses Werk. Dies liegt vor allem an den sehr detailliert und mehrdimensional beschriebenen Charakteren. Selbst mit solchen Personen, die zunächst unsympathisch erscheinen - wie beispielsweise die ehrgeizige Professorin Delphine Roux -, entwickelt der Leser im Verlauf des Romans Mitgefühl. Auch der eindeutig als "bad guy" fungierende Lester ist so differenziert gezeichnet, dass seine Handlungen wenn auch nicht billigenswert, so doch zumindest menschlich nachvollziehbar erscheinen. Dagegen erscheint der Protagonist des Romans, Coleman Silk, nur anfangs uneingeschränkt als der "weiße Ritter". Eine Grundaussage des Buches dürfte deshalb sein, dass niemand ohne "menschlichen Makel" ist, auch wenn die - scheinheilig - angeklagten und die tatsächlich vorhandenen "Makel" sich nicht immer decken.
Der "Makel" des alter ego des Autors, der die Rolle des Erzählers übernimmt, ist beispielsweise Inkontinenz und Impotenz - die gänzliche Uneitelkeit von Philip Roth in dieser Hinsicht ist ein weiteres Plus des Romans. Hinzu kommt, dass sich das Buch wegen der geschickt aufgebauten Spannungskurve sehr leicht lesen lässt, vor allem über die ersten zwei Drittel mag man es kaum aus der Hand legen. Nur auf den letzten etwa sechzig Seiten gewinnt man den Eindruck, dass die Stringenz des Erzählflusses etwas leidet. Insgesamt jedoch ein Werk, dass die Facetten menschlichen Fühlens und Handelns beeindruckend aufzeigt.