Bewertungsdetails

Gegenwartsliteratur 2086
Eine faszinierende Erzählung, die sich nicht in eine Schablone pressen lassen möchte
Gesamtbewertung
 
4.7
Plot / Unterhaltungswert
 
4.0
Charaktere
 
5.0
Sprache & Stil
 
5.0
Patrick Elff hat sich trotz seiner jungen Jahre die Karriereleiter in der Bank hoch hinauf gearbeitet. Im Zuge seiner Arbeit hat er es zu seinem eigenen Vorteil nicht immer ganz genau mit dem Gesetz genommen, was ihm nun auf den Kopf zu fallen droht. Ein mächtiger Kunde könnte ihm aus der Misere helfen. Basierend auf einem vagen Versprechen lässt Elff alles hinter sich und flüchtet nach Marokko. Dort taucht er bei der willenstarken Khadija unter, in einer Welt, in der andere Regeln gelten, als er sie im durchtstrukturierten Deutschland gewohnt ist.

Martin Mosebach vermischt in seinem wortstarken Roman eine kleine Krimigeschichte mit der Seelenreise eines Getriebenen vor der exotischen Kulisse Marokkos. Er gibt seinem charakterschwachen Helden Elff einen starken weiblichen Gegenpart zur Seite. Anders als Elff, der sich durchgehend als Opfer der Umstände betrachtet und kaum zu einer minimalen Einsicht gekommen in die nächste Opferrolle verfällt, hat Khadija ein Rückgrat aus Stahl. Ihr widerfährt nichts, sie widerfährt anderen. Hure und Kupplerin, Zauberin und Mutter, Witwe und Liebende, Khadija trifft ihre eigenen Entscheidungen und lebt mit den Konsequenzen ohne Bedauern.

Mosebachs Protagonisten sind realistisch beschrieben. Man hat sofort eine gute Vorstellung von den einzelnen Personen. Einzig Pilar, Elffs Ehefrau bleibt blass und seltsam verschwommen. Wahrscheinlich beabsichtigt, denn bis fast zum Ende des Romans erlebt man sie nur aus seiner Sicht. Schnell erkennt man, dass dieser schwache und doch sympathische Antiheld seine Frau nicht kennt. So überrascht sie letztendlich ihn und den Leser.

Sprachlich erinnert der Roman an eine orientalische Erzählung. Sehr lebhaft und wortreich, mit einprägsamen Bildern und Vergleichen:

"Die Sonne stand schon tief, in warmen Goldgelb, herrlich anzuschauen; sie geradewegs anzublicken, das war inzwischen möglich - die Farbigkeit hat ihre das Stechende und Verwundende genommen. In Khadijas Welt alles zerbrochen, verschimmelt und vom Schwamm befallen, aber darüber erhob sich jeden Tag dieses Bild der ungetrübten Vollkommenheit, der reine Kreis, von dem die Mathematiker behaupten, er könne nur gedacht werden, kein Mensch könne ihn fehlerlos zeichnen." - Martin Mosebach - Mogador, Zweiter Teil, Kapitel 3, Seite 119

Derartige stilistische Höhenflüge ziehen sich durch die gesamten 370 Seiten des Buches. Sie machen das Lesen zur Freude, verlangen aber auch die Bereitschaft zur Konzentration. Zwischen Traum und Wirklichkeit schwankend, muss jeder für sich selbst entscheiden, was real und was Illusion ist. Popcornunterhaltung darf man sich nicht erwarten, dafür wird man mit einer komplexen Geschichte mit lebendig gezeichneten Charakteren belohnt.
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