Bewertungsdetails

Gegenwartsliteratur 1986
Ungewöhnliche Geschichte
Gesamtbewertung
 
4.3
Plot / Unterhaltungswert
 
4.0
Charaktere
 
4.0
Sprache & Stil
 
5.0
Der Autor Arno Frank ist in Deutschland ein angesehener Journalist. Seine Artikel erschienen u.a. in der Taz, im Spiegel und im Musikexpress. Dass er nun, im Jahre 2017, seine abenteuerliche Familiengeschichte mit uns Lesern teilt, überrascht und hat meine Neugier entfacht.

Arno Franks Erzählung lebt von seinem ungewöhnlich poetischen wie analytisch treffsicheren Sprachstil, der häufig ins Ironisch-Sarkastische abdriftet. Das ist nur allzu verständlich, wenn man den Inhalt der Geschichte kennt. Denn was der Autor in den 80ern erlebt hat, könnte sich kein versierter Romancier besser ausdenken. Sein Vater Jürgen war ein Hochstapler. Anfangs verdiente dieser sein Geld noch als Autoverkäufer in Kaiserslautern, doch bald darauf prellte er die Firma. Mit den gestohlenen finanziellen Mitteln setzte man sich dann samt Familie – Frau und 3 Kinder – ins Ausland, genauer nach Nizza, ab. An der Côte d’Azur lässt man es sich gut gehen. D.h., dem Luxus sind keine Grenzen gesetzt und Sohn Frank besucht eine internationale Schule. Doch mit der Zeit wird auch dies zum Alltag und Mutter Jutta depressiv. Denn Vater Jürgen ist kaum zu Hause, weil er unlautere Geschäfte tätigt und spielsüchtig ist. Als dann das Geld aufgebraucht ist und die Polizei auf der Matte steht, entscheidet sich die Familie erneut zur Flucht und ein spannendes wie entbehrungsreiches Roadmovie setzt ein. Erst findet man in Portugal Unterschlupf. Die Familie lebt von der Hand in den Mund und vor allem Mutter Jutta hat darunter zu leiden. Infolge traut sie sich nicht mehr nach draußen, weil sie überall Gefahr wittert. Denn Hunger und Polizei setzen der gesamten Familie zu. Aber auch in Portugal kann man nicht bleiben, da das Geld fehlt. Ob und inwiefern die Familie nach Deutschland zurückkehrt, soll an dieser Stelle nicht verraten werden.

Insgesamt schildert der Autor diese/seine Odyssee sehr treffsicher und tragikomisch, was wohl seine persönliche Art ist, mit diesem Kapitel seines Lebens umzugehen. Nach der Lektüre der 352 Seiten war ich ehrlich bass erstaunt über die Tatsache, dass es sich um eine echte und keine fiktive Geschichte handelt. Dadurch haben manche etwas lahme bzw. zu detailliert beschreibende Abschnitte eindeutig an Farbe gewonnen. Obschon mich das apathische und phlegmatische Verhalten der Mutter, die sich so gar nicht um das Wohl ihrer Kinder zu scheren scheint, wütend gemacht hat. Aber der habgierige wie geltungssüchtige Vater ist auch nicht anders. Im Gegenteil, er schlägt seine Kinder und Geborgenheit kennt er nicht. Diese verkorkste Familiensituation macht zugleich betroffen und neugierig, denn als Leser vertraut man auf die späte Einsicht der Erwachsenen. Das Schlimme an dieser Fluchgeschichte ist der Schicksal der Kinder, die alles bewusst miterleben und in der Person des Autors auch kritisch bewerten. An der Erzählperspektive ist auch mein einziger Kritikpunkt angesiedelt. Mich hat es z.T. gestört, dass der Autor, wenn er sich schon in eine kindlichen Erzählperspektive hineinversetzt, dies nicht stringent durchzieht, sondern oftmals altklug bis geistig erwachsen argumentiert. Positiv haben mich hingegen die häufigen Reminiszenzen an die 80er-Jahre (Walkman etc.) gestimmt.

Lieblingszitat, S. 21:
"Und Telekolleg-Sendungen im Dritten, wo blasse Mathematiker in schlammfarbenen Pullovern schleierhafte Grafiken und Vektoren benäselten."

FAZIT
Ein gelungenes Romandebüt, das sich durch die besondere Erzählkunst des Autors von der Masse abhebt.
JH
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