Bewertungsdetails

Gegenwartsliteratur 3261
Wann ist ein Mann ein Mann?
Gesamtbewertung
 
4.3
Plot / Unterhaltungswert
 
4.0
Charaktere
 
4.0
Sprache & Stil
 
5.0
1962. Nelson Doughty, ein sensibler, stiller Junge mit einem ausgeprägten Sinn für Verantwortung und Gerechtigkeit, fährt wie jeden Sommer mit seinem Vater ins Pfadfinderlager, wo er als Signaltrompeter morgens zum Weckruf und abends zum Zapfenstreich bläst. Im Lager versteht er sich am allerbesten mit dem alten Lagerleiter, unter seinen Altersgenossen ist er eher der Prügelknabe, der verspottet und gedemütigt wird. Dabei wünscht er sich nichts mehr als einen echten Freund, am liebsten so einen wie den drei Jahre älteren Jonathan Quick, der sportlich, gescheit und beliebt ist, und Anerkennung durch seinen Vater, der seinen ruhigen Sohn für einen Waschlappen hält und ihn bei jeder Gelegenheit seinen Gürtel oder den Stock spüren lässt.

1996. Jonathan ist mit seinem Sohn Trevor auf dem Weg in eben jenes Camp, doch zuvor ist noch eine Zwischenstation eingeplant - ein Essen mit seinem alten Bekannten Nelson sowie eine weitere Begegnung, von der Trevor noch nichts ahnt, die er aber nie vergesen wird.

2019 ist Trevors Sohn Thomas dann derjenige, der ins Pfadfinderlager fährt, jedoch ohne väterliche Begleitung, und auch er wird dort Erfahrungen machen, die sich tief ins Gedächtnis einbrennen.

Drei Generationen von Jungen, drei Generationen von Vätern, drei Kriege, die diese Väter geprägt haben, und ein Pfadfindercamp als verbindende Klammer über die drei Abschnitte des Buches. Einfühlsam und gleichzeitig unverblümt widmet sich Nickolas Butler in seinem zweiten Roman dem Verhältnis zwischen Vätern und Söhnen, der Frage, was Männlichkeit bedeutet (oder ob es dafür überhaupt eine allgemeingültige Definition geben kann), der Unfähigkeit, empfundene Liebe auch auszudrücken und dem mangelnden Verständnis der älteren Generation für die Bedürfnisse und Emotionen der jüngeren.

Butler versteht es meisterhaft, Umgebungen, Sinneseindrücke und Stimmungen zu schildern und sich in seine halbwüchsigen Protagonisten hineinzuversetzen, die beim Erwachsenwerden nicht nur mit Problemen unter Gleichaltrigen konfrontiert werden, sondern auch die Auswirkungen der jeweiligen Vergangenheit ihrer Eltern, insbesondere der Väter, zu spüren bekommen. Gleichzeitig nimmt er mit den Perspektiven von Jonathan im zweiten Abschnitt und von Thomas' Mutter Rachel im dritten auch äußerst gekonnt zwei sehr unterschiedliche elterliche Blickwinkel ein.

Seine Figuren sind nicht immer sympathisch, aber durchweg authentisch, sicher auch ein Grund dafür, dass sie beim Leser starke Gefühle - negativ wie positiv - wecken.

Doch das Buch funktioniert nicht nur als psychologische Studie seiner Protagonisten ausgezeichnet, sondern auch als minutiöses Spiegelbild der Gesellschaft. Butler legt den Finger zielsicher in Wunden, die 1962 genauso vorhanden waren wie heute, nur vielleicht in etwas anderer Ausprägung: Machotum und daraus resultierende Auswüchse wie an Mobbing grenzendes Verhalten und Missbrauch sowohl von Macht als auch von Menschen, ein falsches Verständnis für "Männlichkeit", das Generationen von Männern hervorbringt, die ihre Gefühle unterdrücken und sich stattdessen durch markige Sprüche, Sex und Alkohol hervortun wollen, und nicht zuletzt auch die fatalen Spuren, die die Teilnahme an einem Krieg bei einem Menschen hinterlässt.

Gegen Ende trägt Butler vielleicht ein klein wenig dick auf, was den guten Gesamteindruck des Romans jedoch nicht trüben kann.
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