Anne Jacobs: Die Tuchvilla

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Anne Jacobs: Die Tuchvilla
Verlag
ET (D)
2014
Ausgabe
Taschenbuch
ISBN-13
9783442381371

Informationen zum Buch

Seiten
704

Serieninfo

Sonstiges

Originalsprache
deutsch
Erster Satz
Nachdem sie das Jakobertor hinter sich gelassen hatte, waren ihre Schritte immer langsamer geworden.

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Handlungsort

Kontinent
Handlungsorte
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Ein Herrenhaus. Eine mächtige Familie. Ein dunkles Geheimnis …

Augsburg, 1913. Die junge Marie tritt eine Anstellung als Küchenmagd in der imposanten Tuchvilla an, dem Wohnsitz der Industriellenfamilie Melzer. Während das Mädchen aus dem Waisenhaus seinen Platz unter den Dienstboten sucht, sehnt die Herrschaft die winterliche Ballsaison herbei, in der Katharina, die hübsche, jüngste Tochter der Melzers, in die Gesellschaft eingeführt wird. Nur Paul, der Erbe der Familie, hält sich dem Trubel fern und zieht sein Münchner Studentenleben vor – bis er Marie begegnet …

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Die Tuchvilla und ihre Bewohner
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Augsburg 1913: Die junge Waise Marie Hofgartner tritt nach schwerer Krankheit ihre neue Stelle als Küchenmädchen in der Tuchvilla der Industriellenfamilie Melzer an. Mit ihrer sturen Art macht sie sich nicht nur Freunde bei ihrer Arbeit, aber aus einem unbekannten Grund scheint sie unter dem Schutz von Alicia und Johann Melzer zu stehen. Während sich Marie in den Melzerschen Haushalt einlebt, fiebern die Töchter des Hauses, Elisabeth und Katharina, der winterlichen Ballsaison entgegen. Paul, der Sohn und Erbe der Melzers, hat dagegen andere Sorgen: sein Berufswunsch stimmt leider nicht mit dem Wunsch seines Vaters überein, was zu Streitereien führt. Als er an Weihnachten nach Hause kommt und Marie begegnet, ist er von von ihr sehr angetan.

Ich habe einige Seiten gebraucht, um mit den Figuren warm zu werden, da sie viele Ecken und Kanten haben, aber das hat sich dann gewandelt und für mich waren gerade die Figuren die große Stärke dieses Familienromans. Der Leser erlebt hautnah die Geschehnisse rund um die Augsburger Familie Melzer, die sich in der Tuchherstellung europaweit einen Namen gemacht hat. Was mir gut gefallen hat, daß der Leser die Ereignisse nicht nur aus einer Perspektive wahrnimmt, sondern sowohl aus der Sicht der Herrschaft als auch aus der der Dienstboten. Da wird miteinander gelästert, gelitten und gefreut.

Auch wenn der Roman zwar zeitlich am Vorabend des Ersten Weltkrieges spielt, bekommt man davon sehr wenig im Roman mit. Obwohl ich in solchen Büchern zwar gerne historische Ausflüge mag, hat es mich hier überhaupt nicht gestört, da die Tuchvilla mit ihren Bewohnern und Geheimnissen genügend Spannung bot.

Wie erwähnt, sind für mich die Charaktere die große Stärke dieses Buches: sie sind alles andere als eindimensional gezeichnet, sie haben neben liebenswerten Seiten auch Ecken und Kanten, dadurch konnten sie mich auch immer wieder mit ihrem Handeln überraschen.

Marie ist Vollwaise und hat schon mehrere Arbeitsstellen verloren, weil sie ziemlich starrsinnig sein kann. Eigentlich eine Figur, mit der man direkt Sympathie verspüren möchte, aber das Gegenteil war bei mir der Fall: ich habe einige Zeit gebraucht, um mit ihr warm zu werden, weil sie sich anfangs häufig selber im Weg steht, dennoch konnte ich auch einige Mal sie voll und ganz verstehen. Und so ging es mir auch mit den anderen Figuren, man lernt sie erst nach und nach kennen. Am Ende des Buches habe ich bedauert, die Bewohner der Tuchvilla gehen zu lassen, umso mehr hat mich die Ankündigung der Autorin gefreut, daß es eine Fortsetzung geben soll.

Es wird sehr schnell klar, daß es eine Verbindung zwischen Marie und dem Familienpatriarchen Johann Melzer geben muß. Mein erster Verdacht hat sich jedoch nicht bestätigt - die Lösung, mit der die Autorin aufwartet, hat mir deutlich besser gefallen.

Wie im richtigen Leben, gibt es auch hier eine Reihe Zufälle, die den Protagonisten entgegenkommen oder aber ihren Plänen zuwiderlaufen, die ich aber nicht als konstruiert empfand.

Ich habe mich mit diesem Buch sehr gut unterhalten und freue mich nun auf ein Wiedersehen mit der Tuchvilla und ihren Bewohnern.
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Augsburg, 1913.
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3.0
Marie tritt in der Villa des Industriellen Johann Melzer eine Stelle als Küchenmädchen an. Nach einer schwierigen Kindheit im Waisenhaus sucht sie ihren Platz unter den Angestellten und im Leben.
Ganz anders die Melzers: während der Patriarch ganz für seine Tuchfabrik lebt, freuen sich die Frauen der Familie vor allem auf den Beginn der Ballsaison und damit verbunden, das Einführen der jüngsten Tochter Katharina in die Gesellschaft und die Aussicht auf mögliche Heiratskandidaten für die sie und Elisabeth. Auch wenn zwischen den beiden unterschiedlichen Töchtern der Familie nicht immer eitel Sonnenschein herrscht, so nimmt sich vor allem der einzige Sohn der Melzers seinen Freiraum: er bleibt dem Trubel in der heimischen Villa fern und gibt sich lieber dem Studentenleben in München hin.
Doch Marie stellt alle bisherigen Gepflogenheiten und die Gefühlswelt einiger Menschen im Herrenhaus auf den Kopf...

"Die Tuchvilla" ist eine schöne Familiengeschichte, die mit einem Geheimnis aufwartet, dass auch für die LeserInnen wirklich lange spannend bleibt. Dabei entwickelt die Autorin in der Augsburger Tuchvilla einen glaubhaften Mikrokosmos, der mich vor allem wegen der Personen überzeugt hat. Allen voran natürlich Marie, die mit zunehmenden Verlauf der Geschichte immer mehr wächst, reift und sich - ganz wichtig - selbst entdeckt. Vor allem zwei Kinder der Melzers unterstützten sie dabei sehr - auch wenn das alles nicht immer reibungslos läuft. Nicht zu vergessen sind die Intrigen und Wirrungen, die ohne Zweifel in so einem Haushalt - auch unter der Dienerschaft - entstehen müssen und so entspannt sich eine sehr unterhaltsame, flüssig zu lesende Geschichte. Die Geschichte leidet nicht darunter, dass die handelnden Personen weitestgehend auf die Villa beschränkt sind, sondern eine Handvoll Figuren erhalten dadurch eine wesentlich bessere Tiefe, was mir sehr gut gefallen hat.
Auch wenn ich die Serie "Downton Abbey" nicht gesehen habe, drängt sich - bei dem was ich über sie gehört habe - ein wenig der Vergleich auf. Vielleicht ist es die Augsburger Variante - was ich aber auf jeden Fall weiß, ist, dass mich "Die Tuchvilla" kurzweilig und mit den richtigen familiären Spannungsmomenten und der richtigen Prise Liebe und Freundschaft unterhalten hat. Was den Lesegeschmack etwas geschmälert hat, war die Tatsache, dass ich die ein oder andere damals gebräuchliche Bezeichnung anders gewählt oder zumindest erklärt hätte. Außerdem hätte für mich durchaus ein wenig mehr zeitgeschichtlicher Hintergrund dabei sein dürfen - so bleiben die historischen Ereignisse der Jahre 1913 und 1914 doch nur sehr schemenhaft.

Fazit: Für alle, die Geschichten mit Familiengeheimnissen mögen, ist das eine wirklich gute Unterhaltung, die vor allem durch ihre glaubhaften Charaktere überzeugt. Ich hatte damit einige vergnügliche Stunden.
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Die Tuchvilla
Gesamtbewertung
 
4.3
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4.0
Sprache & Stil
 
4.0
Augsburg 1913: Marie tritt ihre neue Stelle als Küchenmagd im Herrenhaus der Familie Melzer an. Hier hat sie es nicht leicht; in der Hierarchie der Dienstboten steht sie ganz unten, was man sie auch spüren lässt. Doch dann wird Katharina, die Tochter des Hauses, auf Marie aufmerksam. Auch Katharinas Bruder Paul ist von Marie fasziniert.

Mein Leseeindruck:

Sehr gerne habe ich die Fernsehserie "Downton Abbey" gesehen. Die Atmosphäre der Serie habe ich in diesem Buch wiedergefunden. Einmal geht es um die Familie Melzer: Vater Johann, Mutter Alicia und die drei Kinder Paul, Elisabeth und Katharina. Die Probleme und Sorgen der Industriellenfamilie lassen sich mit den Problemen der Dienstboten kaum vergleichen. Beide Seiten könnten unterschiedlicher nicht sein; mich haben beide sehr interessiert.

Das Buch hat gute 700 Seiten, und ich habe mich auf keiner Seite gelangweilt. Auch ist es spannend zu lesen, wie Marie ins Herrenhaus kommt und ihre Geschichte immer weiter mit der Geschichte der Familie Melzer verstrickt wird.

Der Schreibstil der Autorin hat mir sehr gefallen. Das Buch lässt sich durchweg flüssig lesen. Die Geschichte ist nach den 700 Seiten zwar durchaus abgeschlossen, dennoch fragt man sich unweigerlich, wie es mit den Figuren weitergehen wird, zumal 1914 auch der Erste Weltkrieg unmittelbar bevorsteht. Daher hat es mich sehr gefreut zu erfahren, dass es einen zweiten Teil geben wird! Auf diesen freue ich mich heute schon sehr!
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Downton Abbey in Augsburg
(Aktualisiert: 30 Januar 2015)
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4.0
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4.0
Sprache & Stil
 
4.0
Die Geschichte spielt in August im Jahr 1913. Der Erste Weltkrieg rückt näher, doch davon spürt man in der Familie Melzer noch nichts. Die Melzers sind Tuchfabrikanten und ihre Villa liegt in einem wunderschönen Park, in direkter Nähe zur Fabrik.

Dorthin kommt nun eines Tages die junge Marie. Die Waise soll als Küchenmädchen in der Tuchvilla arbeiten. Nachdem sie sich schon in einigen Stellungen als aufmüpfig gezeigt hat, ist dies ihre letzte Chance. Auch hier fällt sie nicht gerade durch dienstboten-typisches, demütiges Verhalten auf, sondern zeigt sich selbstbewusst und durchaus zu Widerworten bereit. Freunde macht sie sich damit unter den anderen Dienstboten nicht, doch anscheinend legte die Herrschaft Wert darauf, dass sie eingestellt wurde und so arrangiert man sich mit ihr. Doch warum wurde sie überhaupt in die Tuchvilla geholt, steckt hier ein Geheimnis dahinter?

Im weiteren Verlauf freundet sich Marie immer mehr mit Katharina, der jüngeren Tochter des Hauses, an und auch deren Bruder Paul scheint sich mehr für Marie zu interessieren, als sich das für ein Küchenmädchen geziemt. Wo das wohl alles hinführen wird?
Die Geschichte spielt sich zu großen Teilen in der Villa der Familie Melzer statt. Von der Umgebung erfährt man bis auf kleine Ausflüge wenig, das Zeitgeschehen wird nur selten in Nebensätzen erwähnt, die Handlung konzentriert sich tatsächlich vielmehr auf den Mikrokosmos der Tuchvilla. Doch dies wird in keiner Weise langweilig, denn über allem liegt das Geheimnis um Maries Herkunft und das Motiv der Melzers, sie in ihren Haushalt aufzunehmen.

Die verschiedenen Figuren werden intensiv charakterisiert und dadurch sehr gut vorstellbar. Es ist eine überschaubare Anzahl, die Familie Melzer, bestehend aus Vater, Mutter, den Töchtern Elisabeth und Katharina sowie Sohn Paul und natürlich die Dienstboten, in deren Mitte wir uns mit Marie erst einmal wiederfinden. Ein Vergleich mit Downton Abbey drängt sich hier natürlich geradezu auf. Dazu kommen noch einige Herren von außerhalb, denn die Melzer-Töchter sind im heiratsfähigen Alter und da gibt es natürlich einige amouröse Verwicklungen.

Mir hat die Lektüre gut gefallen, an einigen Stellen fand ich die Geschichte ein klein wenig langatmig, aber insgesamt wurde ich gut unterhalten. Besonders gut fand ich, dass die meisten Figuren nicht ganz einfach einzuordnen waren, jeder hatte positive und negative Seiten und so wurden sie für mich glaubwürdig und realistisch im Gegensatz zu klischeehaften Gutmenschen und Bösewichten, die einem so oft in Romanen begegnen.

Da es sich um einen ersten Teil handelt, dürfen wir Leser uns auf eine Fortsetzung und ein Wiedersehen mit den Figuren freuen.

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Benutzer-Bewertungen

4 Bewertungen
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4.1
Plot / Unterhaltungswert
 
3.8(4)
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4.5(4)
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Kommentare
Augsburg 1913 / 1914
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4.0
Plot / Unterhaltungswert
 
4.0
Charaktere
 
4.0
Sprache & Stil
 
4.0
Die junge Marie Hofgartner wuchs nach dem Tod ihrer Mutter in einem Waisenhaus auf. Durch ihre etwas störrische und auflehnende Art hat sie schon mehrere Stellungen verloren und nun soll sie im Haus der Familie Melzer ihre letzte Chance erhalten. In der Tuchvilla fängt Marie als Küchenmädchen an, aber auch als letztes Glied innerhalb der Dienstboten-Hierarchie schafft es niemand ihren Willen zu beugen. Eigentlich wäre das schon wieder ein Grund für einen Hinauswurf aber Alicia Melzer hält die Hand über Marie und so kann sie bleiben.

Mein Fazit:

Die Autorin Anne Jacobs nimmt den Leser mit nach Augsburg in die Jahre 1913 und 1914.

Jacob Melzer ist der Inhaber einer gut gehenden Tuchfabrik. Er verbringt die überwiegende Zeit des Tages in seiner Fabrik. Seine Frau Alica kümmert sich zu Hause in der Tuchvilla darum, dass alles seine Richtigkeit hat.

Außer Jacob und seiner Frau lernen wir die Schwestern Katharina (Kitty) und Elisabeth (Lisa) sowie deren Bruder Paul kennen. Zwischen Kitty und Marie entwickelt sich eine Art Freundschaft die von Seiten des Vaters Melzer nicht gerne gesehen wird. Auch Paul interessiert sich auffallend für Marie – aber er ist Sohn aus gutem Hause, sie eine Dienstmagd und Elisabeth kann Marie so gar nix abgewinnen.

Neben der Familie Melzer gibt es jede Menge Dienstboten im Haus, die – jeder auf seine Art und Weise – wichtige Rollen spielen im Leben von Marie. Nicht jeder mag Marie und so bekommt sie hin und wieder Steine in den Weg gelegt. Sie hat aber nicht nur Neider sondern auch Gönner.

Das Buch spielt in einer Zeit als Deutschland schon ganz langsam auf den 1. Weltkrieg zusteuert. In der Geschichte selbst wird dieser Umstand nur in wenigen Nebensätzen erwähnt, das Buch endet vor Ausbruch des Krieges im Juli 1914.

Mehr oder weniger spielt sich alles auf den über 700 Seiten in der Tuchvilla und in der Fabrik der Melzers ab. Ausflüge in die Welt vor den Toren gibt es nur ganz wenige. Das stört aber tatsächlich nicht weiter denn die vielen Dinge die innerhalb der Mauern der Villa passieren machen das Buch weder langatmig noch langweilig.

Die Frage, die sich dem Leser immer wieder stellt lautet: Welches Interesse hat Johann Melzer an Marie? Dass er ein Interesse hat zeichnet sich sehr schnell ab – nur welches..? Marie ahnt von alledem nichts.

Anna Jacobs hat einen sehr schönen Schreibstil, das Buch liest sich angenehm und flüssig. Die Sprache und das Auftreten der Personen in dieser Zeit damals ist für mich authentisch beschrieben. Die Charactere sind schön ausgearbeitet und bei der Vielzahl der Leute behalte sogar ich den Überblick und das will etwas heißen.

Nach Aussage von Anne Jacobs wird es eine Fortsetzung zu „Die Tuchvilla“ geben was mich sehr freuen würde. Aber das Buch ist auch so ein abgeschlossenes Werk das nicht unbedingt eine Fortsetzung haben müsste. Wenn es tatsächlich eine gibt – um so schöner.
BD
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Die Tuchvilla
(Aktualisiert: 09 März 2015)
Gesamtbewertung
 
3.3
Plot / Unterhaltungswert
 
3.0
Charaktere
 
3.0
Sprache & Stil
 
4.0
*Herbst 1913. Es ist das letzte Jahr vor dem Ersten Weltkrieg, der "Urkatastrophe Europas". Während auf dem Balkan zwei Kriege um das Erbe des zerfallenden Osmanischen Reiches toben, die erahnen lassen, welche Schrecken eine Auseinandersetzung mit Waffengewalt birgt, verbringt das übrige (westliche) Europa eine vermeintlich unbeschwerte Zeit in stabiler Ordnung. Hier herrscht seit vierzig Jahren Frieden, der einen technischen Fortschritt, die Hochindustrialisierung (auch als Zweite industrielle Revolution bezeichnet) ermöglicht, der die Nationen wirtschaftlich miteinander verflechtet. Gleichzeitig konkurrieren die europäischen Großmächte um Kolonien und Weltgeltung, instrumentalisieren die Konfliktparteien auf dem Balkan für ihre jeweiligen Interessen und rüsten ihre Flotten und Armeen auf - natürlich nur für den Verteidigungsfall. Das deutsche Kaiserreich erlebt wirtschaftliche Erfolge und baut vor allem gegenüber Großbritannien als einstigem Industriepionier seine Position aus und steht im Vergleich der Industrieländer an zweiter Stelle.*

Von diesem Aufschwung hat auch Johann Melzer profitiert und es als Sohn eines Lehrers im Laufe der Jahre nicht nur zu einer florierenden Tuchfabrik in der Textilstadt Augsburg, sondern zudem zu einer adligen Ehefrau, drei präsentablen Nachkommen und einer mondänen Villa samt Dienstpersonal gebracht.

Hier tritt im Herbst 1913 Marie ihre Arbeit als Küchenmädchen an. Bislang hat ihr das Schicksal übel mitgespielt, für das arme, bemitleidenswerte Waisenmädchen ist der Dienst in der Tuchvilla die letzte Chance. In der Hierarchie der Dienstboten nimmt sie die unterste Stufe ein und wird dementsprechend behandelt.

Doch die jüngste Tochter des Hauses Katharina hat einen Narren an der gleichaltrigen Marie gefressen und bietet ihr die Freundschaft an, die Marie verwundert, aber dankbar annimmt. In relativ kurzer Zeit steigt sie zur Kammerzofe auf.

Noch eine weitere Person des Melzerschen Haushaltes schenkt ihr Zuneigung: Paul. Und obwohl Marie die Gefühle erwidert, weiß sie dennoch, dass sie als Paar keine Zukunft haben. Denn wenn eine Bedienstete sich in den jungen Herrn verliebt, kann daraus nur Unglück erwachsen.

Bald stellt sich heraus, dass Maries Herkunft nicht so unklar und rätselhaft ist, wie man es ihr im Waisenhaus darstellte. Darüber hinaus scheint ihr neuer Arbeitgeber, Johann Melzer, mehr darüber zu wissen, als er preiszugeben bereit ist. Deshalb lässt sich Marie auch von ihm nicht abbringen, Nachforschungen anzustellen, um das Geheimnis zu lüften, während in der Zwischenzeit Katharina mit einem Franzosen davonläuft...

In ihrem Roman "Die Tuchvilla" erzählt Anne Jakobs eine Familien- und Liebesgeschichte, ohne konkret Bezug auf die historischen Gesichtspunkte der Vorkriegsjahre zu nehmen. Im Grunde stellt sie ein Stück heile Welt dar, in der sich das Leben einer Familie gestaltet, die es zu Ansehen und Vermögen gebracht hat. Denn tatsächlich ist es vermutlich für Familie Melzer nicht von großer Bedeutung, was außerhalb ihres Kosmos' geschieht. Leider führt die geringe oder fehlende Einbeziehung geschichtlicher Gegebenheiten dazu, dass die Handlung zeitlich austauschbar ist. Sie hätte so zu jeder anderen Epoche an jedem anderen Ort spielen können.

Ansätze sind durchaus vorhanden. Beispielsweise erhält der Leser eine Beschreibung des Arbeitsgeschehens in der Fabrik, in dem Funktionsweise von Maschinen usw. dargestellt werden. Und Unfälle und Arbeitskampf werden ebenfalls thematisiert. Hingegen wird das hierin liegende Konfliktpotenzial bedauerlicherweise nicht ausgeschöpft. Letzten Endes löst sich alles in Wohlgefallen auf.

Der Schreibstil der Autorin stellt keine große Anforderungen. Er ist einfach und solide. Einigen sehr ausführlichen Schilderungen hätte eine Straffung gut getan. Außerdem ist das Geheimnis um Maries Herkunft recht früh zu erkennen, so dass der Leser der Lösung nicht wirklich entgegenfiebert. Insgesamt fehlt es an aufregenden Momenten, die wahrlich berühren und Herzklopfen bescheren.

In der Figurenzeichnung gibt es gute Ansätze, allerdings auch Klischees.

Marie ist ein Mensch, den der Leser sofort ins Herz schließen kann. Weil sie trotz des Übels, das ihr widerfahren ist, immer Haltung bewahrt, nicht herumjammert, sich nicht einschüchtern lässt und klein beigibt. Sie beobachtet ihre Umgebung und die Menschen intensiv und versucht, eine Wertung vorzunehmen. Sie lässt sich als Mensch nicht erniedrigen, schafft es, ihre Würde zu bewahren und sei es nur im Kampf um die Beibehaltung ihres Vornamens.

Zudem beweist sie außerordentliches Talent beim Zeichnen und ist äußerst geschickt mit der Nadel, was alle Damen der Tuchvilla für sich zu nutzen wissen.

Doch bei allen positiven Eigenschaften hätte es zu Marie mit den wunderschönen Augen, in denen ihre Seele liegt und so viel Trauer und Sehnsucht, so viel Hunger nach Glück, so viel Müdigkeit und so viel Kraft gepasst, auch die eine Ecke oder Kante zu bekommen, um sie von der armen, standhaften und untadeligen Waise zu einer interessanten Figur zu formen, so dass sie eben nicht fehlerlos gewesen wäre.

Bei Paul Melzer ist eine Entwicklung zu erkennen. Zunächst kann er es seinem Vater nicht recht machen. Wiederum bewahrheitet sich im Verlauf der Handlung, dass Paul durchaus Fähigkeiten besitzt, die ihm sein Vater bislang überhaupt nicht zugetraut hat.

Daneben wirken die Schwestern Melzer sehr stereotyp: Elisabeth, unscheinbar und pummelig ist zwar äußerst intelligent, gleichwohl aber intrigant, neidisch und gehässig. Ständig fühlt sie sich im Vergleich zur jüngeren, hübschen, weltfremden Katharina abgewertet. Der durchschimmernden Unsicherheit mehr Raum zu geben, wäre eine Abwechslung gewesen. Oder möglicherweise die Einbeziehung der Tatsache, dass sich gerade in dieser Zeit das Frauenbild verändert. So bleibt es dabei, dass Elisabeth der Euphorie und verklärten Schwärmerei ihrer Schwester nichts entgegenzusetzen hat. Selbst dann nicht, als Katharina diejenige ist, die sorglos und ohne Rücksicht auf andere Menschen handelt, kann sie nicht punkten.

Insgesamt unterhält der Roman, ohne große Anforderungen zu stellen, und wartet zu guter Letzt mit einem zuckrigen Happy End auf. Es bleibt zu wünschen, dass die Autorin diesen Pfad im zu erwartenden Folgeband verlässt und Dramatik in die Geschichte bringt.
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Die Tuchvilla und ihre Geheimnisse
Gesamtbewertung
 
4.3
Plot / Unterhaltungswert
 
4.0
Charaktere
 
4.0
Sprache & Stil
 
5.0
Über das Buch
Die junge Waise Marie kommt als Küchenmädchen in die ehrwürdige Tuchvilla, wo sie von den Angestellten und den Hausbewohnern unterschiedlich aufgenommen wird. Während Paul, der Sohn der Familie, auf Marie aufmerksam wird, versucht die Hausherrin, ihre Töchter zu verheiraten. Während Marie sich langsam in der Villa einlebt, kommt sie langsam ihrer eigenen Vergangenheit auf die Spur.

Meine Meinung
Ein großer Teil des Buches ist aus der Perspektive von Marie erzählt, aber auch andere Charaktere kommen zu Wort. Dabei wird stets die personale Erzählform verwendet. Mir hat der Perspektivwechsel gefallen, denn so hat man nicht nur mitbekommen, was bei Marie so los war, sondern auch, was oberhalb der Dienstbotenquartiere passiert. Wie zum Beispiel bei den beiden Töchtern des Hauses, Elisabeth und Katharina, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Die Charaktere sind sehr unterschiedlich. Zum einen ist da natürlich Marie, die trotz ihrer niedrigen Stellung in der Gesellschaft und der Tatsache, dass sie in einem Waisenhaus aufgewachsen ist, eine erstaunlich stolze Persönlichkeit ist. Sie ist außerdem ziemlich clever, viel weniger naiv, als man vermuten würde, und weiß, was gut für sie ist. Sie war mir mit ihrer besonnenen Art sehr sympathisch. Den beiden Schwestern konnte ich beiden leider nicht sehr viel abgewinnen. Katharina ist eine launische Träumerin, die meiner Meinung nach ziemlich egoistisch handelt, und Elisabeth ist ziemlich intrigant, auch wenn ich Mitleid mit ihr hatte. Unabhängig von ihrer Sympathie haben mir die Charaktere gut gefallen und waren schön gestaltet.

Die Story hat sich zunächst langsam entwickelt. Ein Großteil der Geschichte spielt sich in der Tuchvilla selbst ab und wird durch die alltäglichen Sorgen der Herrschaft und der Dienstboten ausgemacht. Manchmal ist es dabei ein bisschen zu ruhig zugegangen, aber es kamen immer wieder spannende Phasen, in denen man zum Beispiel neue Informationen über Maries Vergangenheit bekommen hat. Man bekommt einen guten Eindruck davon, wie das Leben in so einem Haushalt damals ablief. Starre gesellschaftliche Vorgaben waren an der Tagesordnung und interessant war in der Villa auch, wie die Ansichten von Adel und reichen industriellen in Form von Johann Melzer und seiner Frau aufeinander getroffen sind. Schade war nur, dass man ansonsten von den historischen Gegebenheiten wenig mitbekommen hat.

Fazit
Die Tuchvilla ist ein gelungener Roman, mit einer schönen Story und einem tollen Schreibstil. Die Charaktere haben mir gefallen und haben sich schön weiterentwickelt. Für Fans historischer Romane ist der Roman auf jeden Fall zu empfehlen. Das Ende hat mir gut gefallen und war für mich schön rund. Ich freue mich schon auf die angekündigte Fortsetzung
LL
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Leben und Streben einer Augsburger Familie und ihrer Bediensteten
Gesamtbewertung
 
4.7
Plot / Unterhaltungswert
 
4.0
Charaktere
 
5.0
Sprache & Stil
 
5.0
Zum Inhalt:

Die junge Waise Marie kommt als Küchenmagd in das Haus des reichen Tuchfabrikanten Johann Melzer.
Anfangs tut sie sich schwer, lebt sich aber dann doch recht schnell ein.

Die jüngste Fabrikantentochter frisst einen Narren an Marie, so dass Marie nicht lange Küchenmädchen bleibt...
Wir lernen die Familie und die Dienstboten kennen mit ihren Stärken und Schwächen, auch erfahren wir ein bisschen was über Augsburg, und die Zustände der damaligen Zeit.

Zum Buch:

Wir verfolgen die Schicksale der Protagonistin Marie, einer jungen Vollwaise, und der Tuchhändlerfamilie Melzer in Augsburg, kurz vor Ausbracuh des ersten Weltkrieges.

Die angespannte politische Situation wird zwar erwähnt, aber nicht zum Thema gemacht, was für mich vollkommen in Ordnung ist.

Maries Werdegang verquickt sich relativ schnell mit dem Kittys, der jüngsten Tochter des Hauses.
Das Buch enthält alles, was man von einer Familiengeschichte erwarten kann:

Dünkel, Intrigen, Romanzen, Zerwürfnisse, ein dunkles Geheimnis und die Ahnung von schweren Schicksalen.

Man kann mit Spannung auf die Fortsetzung warten, denn obwohl der Roman in sich abgeschlossen ist, gibt es genügend Stoff für eine ebenso spannende Fortsetzung wie dieser Roman ist.

Er hat mich gleich gefangen genommen und was von Anfang bis Ende spannend und unterhaltsam. Die Charakterisierung der verschiedenen Figuren ist sehr gut gelungen, man kann sie sich alle recht gut vorstellen.

Ein guter Roman den ich uneingeschränkt weiterempfehlen kann.
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