Bewertungsdetails

Historische Romane 3085
.
Gesamtbewertung
 
4.3
Plot / Unterhaltungswert
 
4.0
Charaktere
 
4.0
Sprache & Stil
 
5.0
Paul Benitt wächst in Finkenwerder bei Hamburg auf. Das Familienleben ist geprägt von harter Arbeit auf der eigenen Obstplantage, Paul selbst tritt schließlich auf Wunsch seiner Eltern eine Tischlerlehre an. Doch eigentlich hat er andere Sehnsüchte und schleicht sich mit Hilfe eines Freundes als blinder Passagier auf einem Überseedampfer ein. Er will etwas von der Welt sehen und in Amerika sein Glück versuchen. Davon kann ihn auch die erste Liebe nicht abhalten.

In New York sind die ersten Jahre schwierig. Wohnraum ist teuer, die Arbeit in der Möbelfabrik nicht das, was ihn glücklich macht, die Sprache muss er erst einmal richtig lernen. Doch ein neuer Traum begleitet ihn - er würde liebend gerne Medizin studieren -, und er lernt Antonina kennen, die selbst erst als Elfjährige aus Sizilien zu ihren bereits einige Jahre zuvor ausgewanderten Eltern in die USA gekommen ist, und seine erste ernsthafte Liebesbeziehung beginnt.

Eines Tages muss er sich dann entscheiden: will er seine beruflichen Wünsche in die Tat umsetzen oder darauf verzichten und bei Antonina in New York bleiben? Wie folgenschwer diese Entscheidung sein wird, weiß das Paar zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht, doch der Leser ahnt es, denn in Deutschland sind die Nazis an die Macht gekommen, und bald werden die Familien der beiden auf verschiedenen Seiten eines weltumspannenden Konflikts stehen.

Es ist keine Auswanderergeschichte, wie man sie schon tausendmal gelesen hat, was uns Agnes Krup hier serviert, keine glückstrahlende und ein wenig kitschige vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Story. Zwar beginnt das Buch so ähnlich, doch auf Pauls Ankunft in die USA folgt eben nicht nach wenigen harten Monaten ein kometenhafter Aufstieg. Er muss hart arbeiten, und auch die Beziehung zu Antonina ist nicht eitel Sonnenschein, sondern entwickelt sich manchmal eher holprig.

Die Kriegszeit in Deutschland schildert die Autorin sehr eindringlich und unsentimental, mit nur wenigen Bildern von der Front und umso mehr Augenmerk auf die Zivilbevölkerung. Die Episoden aus den furchtbaren Hungerwintern in den unmittelbaren Nachkriegsjahren sind dann fast noch beeindruckender.

Die Figuren sind knorrig, spröde, oft schwer zugänglich, ein bisschen wie die alten Apfelbäume auf den Wiesen der Benitts, es wird wenig geredet und auch häufig wenig Verständnis füreinander aufgebracht, im Mittelpunkt steht die Arbeit, der Hof, das Überleben.

Paul selbst macht eine eher negative Entwicklung durch, was teils natürlich an den politischen Umständen liegt, er wirkt ständig unzufrieden, fühlt sich fehl am Platz, trifft in Herzensdingen dumme, wenn auch manchmal durchaus nachvollziehbare Entscheidungen. Ein großer Sympathieträger ist er somit nicht, diese Rolle kommt anderen Figuren zu wie Antonina selbst, Pauls einfühlsamem Bruder Johann, der in der Familie ein bisschen aus der Art geschlagen scheint, oder Johanns quirlig-pfiffige Tochter Hella.

Es weht ein kühler Wind der Realität durch dieses ganze Buch, und genau deswegen habe ich es so gerne gelesen. Es erscheint mir als ziemlich getreues Abbild der Zeit, in der es spielt, und porträtiert Land und Leute ohne allzu gefällige Klischees. Dazu passen auch die Dialogpassagen im Hamburger Platt (keine Sorge, diese nehmen nicht überhand) und die Art, wie zwischenmenschliche Beziehungen gezeichnet sind: bei weitem nicht immer idealtypisch, aber gerade deshalb so glaubhaft, mit Charakteren, an denen man sich ein wenig reiben kann, was in diesem Zusammenhang gar nichts Schlechtes ist. Ein bisschen wie im richtigen Leben.
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