Bewertungsdetails

Humor & Satire 1738
Lasse's passiern - wie wahr!
Gesamtbewertung
 
4.3
Plot / Unterhaltungswert
 
4.0
Charaktere
 
4.0
Sprache & Stil
 
5.0
Lars Wiesenthal organisiert seit Jahren Rockkonzerte, Bühnenshows und Spektakel. Er ist der Mann, wenn es um Events geht. Mit seiner Agentur „Lasse’s passieren“ hat vor Kurzem wieder ein neues Level erreicht: er hat die Niederkunft einer Celebrity als Event aufgezogen und damit alle Einschaltquoten gesprengt. Als er nun die Nachricht seine Arztes erhält, dass er an einer schweren Krankheit leidet, nach und nach seine Bewegungsfunktionen verlieren und dann sterben wird, ist das also noch lange kein Grund für Lars, genannt Lasse, sich aus dem Business zurückzuziehen. Kurzerhand beschließt er mit seinem letzten Knall zu gehen und macht das Sterben zum Event. Er legt den Grundstein zu „Heaven’s Gate“, einem Center, in dem jeder selbst bestimmen kann, wie und wann er sterben möchte. Und er will selbst sein erster Gast sein.

Ich mache ja gerne mal einen Ausflug in die Zukunft, die uns Autorinnen und Autoren so anbieten. Nun spielt das Buch zwar in die Zukunft hinein, aber das Hauptthema ist es nicht und so zeigt es nur wenig Aspekte, die sich zum Heute hin ändern. Das macht aber gar nichts, denn die Satire von Tommy Schmidt schaut mit einem lockeren Blick auf ein sehr ernstes Thema: aktive Sterbehilfe. Und auch wenn mich das Thema vorher nicht beschäftigt hat, so tut es das nun. Wie sinnvoll ist es, darauf zu warten, zu sterben, wenn man unheilbar krank ist? Nutzt man die Jahre und hofft auf wundersame Rettung? Auf ein Heilmittel, welches doch noch auftaucht? Oder entscheidet man sich hier und jetzt dafür, so Abschied zu nehmen, wie man möchte? Will man sich – oder seinen Angehörigen - Jahre an Schmerzen und Leiden sparen?

Doch das ist nur eine Seite der Medaille. Denn das „Heaven’s Gate“ bietet jedweder Couleur an Sterbewilligen die Möglichkeit, sich zu verabschieden. Auch ohne unheilbare Krankheit. Sinnvoll oder nicht? Nun ja, es wäre kein augenzwinkernder Blick darauf, wenn sich nicht auch die Politik davon Renteneinsparungen versprechen würden und die pensionierten Beamten auf die Barrikaden gingen. Und letztendlich dauert es eine ganze Weile, bevor die letztendliche Entscheidung gefällt ist, da sich der Bau des „Heaven’s Gate“ in das zweite Flughafendesaster wandelt: Demonstranten, Flüchtlinge, Feldhamster, wahnsinnige (und leider falsch rechnende) Architekten, Leichen im Fundament – es scheint als ob das Zentrum nie fertig werden wollen würde. Und derweil all das den Bau verzögert, wird Lasse immer kränker, seine Gliedmaßen werden nach und nach taub, sein Sohn übernimmt die Führung.

„Also, Lasse, du hast da neulich was gemailt zum Thema Phowa-Meditation. Das hat uns nochmal brainstormen lassen, wie wir die Customer Experience noch nach vorn raus erweitern können. Da liegt noch jede Menge Potenzial! Für das Heaven’s Gate bedeutet das, dass wir weit vor einem geplanten Abschied bereits Dienstleistungen anbieten. […] Als Added Values, weitere positive Aufladung des Markenkerns und eigenständiges Profitcenter.“ (S. 56)

Es war richtiggehend gruselig, wie sehr mich manche Stellen an mein eigenes Leben erinnert haben, und auch wenn es mir mitunter den Spiegel vors Gesicht gehalten hat, hab ich doch – zum Glück – meistens darüber schmunzeln und auch einige Male herrlich darüber lachen können. Der Blick auf die Realität sollte immer über eine Satire erfolgen. Es ist einfach zu herrlich. So gelingt dem Autor damit nicht nur, die Business-Welt auf die Schippe zu nehmen, sondern das ernste Thema der Sterbehilfe elegant zu verpacken. Eine Lektüre, die Spaß macht, aber auch gleichzeitig zum Nachdenken anregt.

Das alles wird durch Lasse Wiesenthal getragen, durch den die Geschichte erzählt wird. Sein langsamer Verfall, der nur mehr als langsam voranschreitende Bau des „Heaven’s Gate“ und die gut gemeinte Übernahme durch seinen Sohn lassen Lars reflektieren und bieten eine spannende Vergangenheit, in der er alles mitgenommen hat, aber auch einige zurückgelassen hat. Ein ehrlicher Blick zurück und ein keineswegs unrealistischer Blick in die Zukunft. Mit guten, aber auch mit schlechten Eindrücken über die aktive Sterbehilfe. Segen oder Fluch? Hilfe für Schwerkranke oder kostensparendes Mittel für die überalternde Gesellschaft?

Fazit:
Vom herzhaften Lachen bis zum Kloß im Hals – hier ist alles dabei. Tommy Schmidt präsentiert einen ernsten aber nicht todernsten Blick in die sehr nahe Zukunft. Bedenkenswertes Thema, satirisch verpackt. Sehr gelungen.
War diese Bewertung hilfreich für dich? 0 0

Für eine werbefreie Plattform und literarische Vielfalt.

unterstuetzen books

 

 

 

Affiliate-Programm von LCHoice (lokaler Buchhandel) und Amazon. Weitere Möglichkeiten, Danke zu sagen.

Tassen, Shirts und Krimskrams gibt es übrigens im

Buchwurm-Shop

I only date Booknerds

Mobile-Menue