Cornwall, in den zwanziger Jahren: Eigentlich sieht alles danach aus, als habe sich die Lyrikerin Olivia Marlowe gemeinsam mit ihrem Halbbruder das Leben genommen. Aber Inspektor Rutledge will nicht so recht an Selbstmord glauben - und mithilfe von Olivias Gedichten dringt er immer tiefer in eine Familiengeschichte ein, die gesäumt ist von rätselhaften Todesfällen.
Autoren-Bewertung
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Gesamtbewertung
4.0
Plot / Unterhaltungswert
4.0
Charaktere
4.0
Sprache & Stil
4.0
Manchmal ist es praktisch, kein neues Buch zu lesen, für den kleinen Stammbaum der Familie, den jemand auf einen Zettel notiert und vorne ihm Buch liegen gelassen hatte, war ich nämlich gerade am Anfang ziemlich dankbar. Dadurch, dass aber nur noch wenige Familienmitglieder am Leben sind, ist die Anzahl der Verdächtigen recht beschränkt, sofern es denn überhaupt welche gibt, denn die Unfall-/Selbstmordtheorie weist zunächst keinerlei Löcher auf.
„Englisches Requiem“ ist der zweite Band um Inspektor Rutledge und so kenne ich schon seine Eigenschaft mit der Stimme eines getöteten Kriegskameraden in seinem Kopf zu kommunizieren. Zu entscheiden, inwieweit das nur eine Ausprägung einer Schützengrabenneurose oder doch etwas Übersinnliches ist, bleibt dem Leser dabei selbst überlassen. Der erste Weltkrieg hat aber nicht nur bei Rutledge, sondern auch Verdächtigen, Zeugen und eigentlich allen seine Spuren hinterlassen und so mag sich niemand mit noch mehr Toten (auch wenn diese nichts mit dem Krieg zu tun haben) beschäftigen, sondern alle wollen die Angelegenheit am liebsten einfach nur vergessen wissen. Für Verstörung sorgt dazu noch, dass eine der Toten unter einem (als männlich wahrgenommenem) Pseudonym Gedichte geschrieben hat, die die Gefühle gerade der ehemaligen Soldaten ziemlich gut widerspiegelten.
Rutledges Ermittlungen nimmt man nicht immer als solche wahr, als Leser kann man keine wirkliche Richtung dabei erkennen, er unterhält sich einfach nur mit jedem über alles. Dass mehr hinter den Todesfällen steckt, als es scheint, wird ihm bald deutlich und da lässt uns der Autor auch an seinen Gedankengängen teilnehmen. Welche Schlussfolgerungen er in Bezug auf den Täter daraus zieht, bleibt allerdings offen.
Mir hat auch der zweite Rutledge-Roman ziemlich gut gefallen, die Landleben-Umgebung gefällt mir, Rutledge selber ist sympathisch und recht tiefgründig angelegt und auch dass die Geschichte ein eher gemächliches Tempo vorlegt, aber dabei trotzdem ohne Langeweile auskommt, ist sehr angenehm. Der nächste Rutledge liegt schon bereit.