Anthony Trollope - The Warden/Septimus Harding, Spitalvorsteher

Es gibt 8 Antworten in diesem Thema, welches 4.306 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von finsbury.

  • hallo leute,


    „The Warden“ von A. Trollope, erschienen in der reihe PPC bei Penguin Books.


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    Inspiriert von einem Spaziergang um Salisbury Cathedral, handelt The Warden von Reverend Harding und seiner jüngsten Tochter Eleanor. Das Buch erzählt mit sanftem Humor und subtiler Satire vom moralischen Dilemma, mit dem er konfrontiert wird, als man ihn beschuldigt, von eben jenen Geldern zu leben, die für das Armenhaus gedacht sind, als dessen Aufseher er eingesetzt wurde.


    Einer seiner ärgsten Kritiker ist John Bold, ein eifriger, leidenschaftlicher junger Mann, der diese Ungerechtigkeit - wie er es sieht - der Presse bekannt gibt. Eleanor ist in Bold verliebt und er erwidert ihre Zuneigung, aber sie würde ihn opfern, um ihren Vater vor Schande und Demütigung zu bewahren. Von seinem Schwiegersohn Dr. Grantly dazu gedrängt, die Anklage abzuwehren, versucht Harding couragiert zu handeln, aber gleichzeitig zu verhindern, dass Eleanor und ihr Geliebter sich einander entfremden.


    Als die erste der viel geliebten Chronicles of Barsetshire, ist The Warden eine mitfühlende Darstellung eines Mannes, der darum kämpft, sein Bestes zu geben, während sich die Gesellschaft als unnachgiebig erweist. (inhalt übersetzt vom cover)


    ich habe partout keine dt. übersetzung des buches gefunden… :schulterzuck: hat jemand von euch diesen roman gelesen? welche aussagebe(n) besitzt ihr?


    lg,
    eilan



    Vornamen im Betreff ergänzt. LG Aldawen

    Einmal editiert, zuletzt von Aldawen ()

  • Es gibt tatsächlich eine deutsche Übersetzung dazu, und zwar diese hier vom Manesse Verlag aus dem Jahr 2002, die ich jetzt gelesen habe:


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    Anthony Trollope
    Septimus Harding, Spitalvorsteher
    (The Warden, 1855)

    Der Autor

    Anthony Trollope (1815 - 1882) war ein englischer Schriftsteller, der 47 Romane, zahlreiche Reiseberichte, Biografien und Essays veröffentlichte. The Warden ist das erste Buch der sechsteiligen Barchester Chronicles.


    Klappentext
    Trollopes klerikale Kabale zeichnet ein vergnügliches Porträt der englischen Provinz mit ihren Skurrilitäten und Unvollkommenheiten. Das ironische Spiel kann durchaus bissige Züge annehmen, verrät aber stets eine verständige Anteilnahme am allzu menschlichen Wesen seiner Figuren.

    Inhalt

    Septimus Harding, Vater zweier Töchter, Kantor und Vorsteher einer Stiftung für verarmte ehemalige Kirchendiener, führt ein geruhsames Leben im beschaulichen Städtchen Barchester im Westen Englands. Neben der Leitung der Kirchengemeinde ist er mit der Führung eines Armenspitals betraut, der er mit viel Freude nachkommt, ohne sich konkrete Gedanken darüber zu machen. Er lässt allen Insassen aus eigenem Antrieb einen täglichen Obolus zukommen, der eigentlich gar nicht vorgesehen ist und betrachtet einige von ihnen sogar als Freunde. So weit sind alle zufrieden.
    Bis eines Tages John Bold – junger Arzt, wohlhabender Erbe und seit Jahren mit dem Geistlichen bekannt - auf die Idee kommt, Harding würde sich durch sein Vorsteheramt unrechtmäßig am Erbe der Stiftung bereichern. Mit der Ruhe im Städtchen ist es daraufhin vorbei. Einige Herren, die bisher kaum mit dem Spital zu tun hatten, fühlen sich genötigt, mitzureden. Ein paar der eigentlichen Nutznießer der Stiftung lassen sich aufwiegeln und wittern die Möglichkeit, noch mehr Unterstützung einzustreichen, als ihnen zusteht. Vertreter der Kirche schalten sich ein, um zu verhindern, dass die einträgliche Stiftung wieder in weltliche Hände zurückfällt. Und mittendrin Septimus Harding, der das Spital immer nach bestem Wissen und Gewissen geführt hat und sich keiner Schuld bewusst ist.



    Die Geschichte ist heiter und hinterlässt nur einen kleinen bitteren Nachgeschmack. Der Kampf um die Vorherrschaft wird vor allem auf dem Rücken Hardings ausgetragen, dem seine Integrität wichtiger ist als eine wohlgefüllte Börse. Von außen entsteht Druck durch die Macht der Presse, die schon damals sehr manipulativ auf die Öffentlichkeit einwirkte. Verwandtschaftliche Verstrickungen innerhalb der Parteien sorgen für zusätzliche Brisanz, denn der Weltverbesserer Bold liebt Hardings jüngere Tochter Eleanor und ist naiv genug zu glauben, sein Vorgehen gegen den Vater würde die Beziehung zu Eleanor nicht beeinträchtigen. Am Ende bleiben fast alle als Verlierer zurück, teils in moralischer, teils in finanzieller Hinsicht, oder weil Ansehen und Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit Einbußen erlitten haben. Abgesehen von den verwandtschaftlichen Beziehungen entdeckt man Sachverhalte, die auch heute noch aktuell sind.


    Trollope erzählt die humorvolle Geschichte mit feinem Witz und hat neben den Figuren auch immer ein Auge für Landschaft und Bauwerke, so dass ein schönes Gesamtbild entsteht. Die Übersetzung mutet fasst ein bisschen modern an, aber die teilweise flotten Dialoge sind ein echtes Vergnügen.


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


  • Tatsächlich ein sehr lesenswerter Roman.


    Dann könnte Fortsetzung, "Die Türme von Barchester", auch für dich interessant sein. Ich finde es schade, dass Trollope hierzulande verhältnismäßig wenig Beachtung findet. Entsprechend mager ist die Ausbeute an deutschen Übersetzungen seiner Werke.

  • Den Autor kannte ich bisher gar nicht. Aber mich würde ein Buch von ihm interessieren, setze ihn mal auf meine Liste...


    Das finde ich hier einfach klasse: immer wieder lernt man Neues kennen.

    Das Leben ist das schönste Märchen. Hans Christian Andersen

  • Dann könnte Fortsetzung, "Die Türme von Barchester", auch für dich interessant sein.


    Die habe ich gerade gestern fertig gelesen. Das Buch hat sehr gute Momente, ist aber m.M.n. zu lang und hätte gekürzt werden können. The Warden finde ich bedeutend besser, weil konziser.


    Ich finde es schade, dass Trollope hierzulande verhältnismäßig wenig Beachtung findet. Entsprechend mager ist die Ausbeute an deutschen Übersetzungen seiner Werke.


    Er ist wahrscheinlich der britischste der Viktorianer. Ich meine: Wer in Deutschland weiss überhaupt, dass im 19. Jahrhundert in der anglikanischen Kirche ein Kampf zwischen "High Church" und "Low Church" tobte? Und wer kennt die Unterschiede? Selbst den Briten des 20. Jahrhunderts sind das meist nur leere Begriffe, die sie mit nichts mehr verbinden können. Und ohne eine minimale Idee zu haben davon, ist Barchester Towers über weite Strecken unverständlich.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Und ohne eine minimale Idee zu haben davon, ist Barchester Towers über weite Strecken unverständlich.


    Aber trotzdem noch lesenswert. Wobei ich es selbst auch geringfügig schlechter beurteilt habe als "Septimus Harding".


    Über Passagen, die man mangels Kenntnissen der englischen Kirche nicht versteht, kann man schneller hinweglesen. Es kann durchaus auch ein Anreiz sein, sich mit dem Thema eingehender zu beschäftigen. Deswegen ganz auf die Lektüre zu verzichten wäre schade.

  • Über Passagen, die man mangels Kenntnissen der englischen Kirche nicht versteht, kann man schneller hinweglesen. Es kann durchaus auch ein Anreiz sein, sich mit dem Thema eingehender zu beschäftigen. Deswegen ganz auf die Lektüre zu verzichten wäre schade.


    Oh, auf jeden Fall, das wollte ich keineswegs sagen. Ich versuchte nur eine Erklärung zu finden, warum Trollope von allen viktorianischen Romanciers Grossbritanniens der im deutschen Sprachraum am wenigsten bekannte ist.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Anthony Trollope: The Warden (deutsch: Septimus Harding, Vorsteher des Spitals zu Barchester)


    Dieser Roman, einer der ersten des Vielschreibers Anthony Trollope (1815-1882) eröffnete 1855 die erfolgreiche Reihe der sogenannten Barsetshire-Romane, die alle in dieser fiktiven Grafschaft spielen.

    Septimus Harding, Geistlicher und Freund des Bischofs von Barchester, hat von diesem eine Pfründe von 800 Pfund jährlich für das Amt des Vorstehers einer Einrichtung für zwölf arme alte Männer bekommen, das mit keiner besonderen Arbeit verbunden ist und diese schon über viele Jahre freudig genossen. Durch einen eifrigen jungen Mann, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, gegen Ungerechtigkeit zu kämpfen, wird ihm klar, dass der Stifter des Spitals nicht im Sinn gehabt haben konnte, dass die armen alten Männer zwar genug, um gut zu leben, bekommen, aber nur einen Bruchteil dessen, was er erhält. Obwohl sein eifriger Schwiegersohn Grantly, der Sohn des Bischofs und dessen Stellvertreter, erfolgreich für das Recht der Kirche auf Verteilung ihrer Einnahmen kämpft, wird ihm klar, dass es ethisch falsch ist, sein Amt zu behalten, woraufhin er dieses allem Widerspruch zum Trotz niederlegt und die Stellung eines armen Vorstadtpfarrers annimmt.

    An Handlung passiert nicht viel in diesem Roman, seine Stärke liegt in seinen Dialogen und der Charakterisierung der handelnden Personen. Diese werden differenziert und überzeugend beschrieben: Es gibt keine Idealtypen, und diese Lebensnähe überzeugt auch in den Schilderungen der Haushalte, Restaurants, Hotels und des Spitals und seiner Insassen. Leicht ironische Noten durchziehen gekonnt den auktorial geprägten Erzählstil, der nur dann abfällt, wenn Trollope erklärt satirisch werden will, wie zum Beispiel bei der Darstellung seiner Autorenkollegen Thomas Carlyle und Charles Dickens. Hier wird er schon allein in der Wahl der Namen recht grob (Dr. Pessimist Anticant und Mr. Popular Sentiment) und teilt wenig elegante Hiebe aus. Ansonsten ist aber seine Ironie wohl überlegt und treffend und erreicht bei der Darstellung der Macht der Medien ("Jupiter" als "Times") eine erstaunliche Modernität.


    Ein gut geschriebener Roman mit einem interessanten Thema, der mir Lust auf mehr Trollope-Lektüre macht.

    Einmal editiert, zuletzt von finsbury ()