Franz Kafka - Der Prozess

Es gibt 56 Antworten in diesem Thema, welches 22.232 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Kiba.

  • Die Suche hat mir keinen Thread zu diesem Buch ausgespuckt, obwohl ich es mit drei verschiedenen Schreibweisen von "Prozess" versucht habe. Deshalb erlaube ich mir hiermit, einen zu eröffnen. :zwinker:


    Dies ist meine 7. Rezi für den SLW 2007.


    Franz Kafka - Der Prozess


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    Endlich habe ich mich einmal an "Der Prozess" gewagt. Das war das erste Mal, dass ich etwas von Kafka gelesen habe und sicherlich wird es nicht das letzte Mal gewesen sein.


    Da ich keine Literaturwissenschaftlerin bin, kann ich natürlich keine wissenschaftliche Abhandlung über das Buch verfassen, sondern lediglich meine Gefühle wiedergeben, die es in mir ausgelöst hat. Deshalb wird meine Rezension wohl nicht sehr qualifiziert klingen, ich bitte dafür um Nachsicht.


    Kurzbeschreibung (von Amazon):


    "Jemand mußte Josef K. verleumdet haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet." So beginnt die Geschichte des Josef K., dem an seinem 30. Geburtstag von einer mysteriösen Behörde der Prozeß gemacht werden soll. Und je mehr er seine Unschuld verteidigen will, um so tiefer sinkt er ins Gestrüpp undurchschaubarer Gesetze und menschlicher Verwirrungen. Josef K. muß schließlich erkennen, daß der "Sinn dieser großen Organisation, dieser korrupten Bande", der Sinn dieses geheimnisvollen Prozesses die "Sinnlosigkeit" ist. Der Prozeß, der erste Roman Franz Kafkas, zwischen 1914 und 1915 entstanden und 1925 zum ersten Mal erschienen, ist zwar Fragment geblieben, aber dennoch ein großes Werk der Weltliteratur. Die Bedeutung für das 20. Jahrhundert kann nicht überschätzt werden: Denn der Prozeß, den Josef K. über sich ergehen lassen muß, ist auch ein Prozeß, den er - unschuldig-schuldig - sich selbst macht und verlieren muß.


    Meine Meinung:


    "Der Prozess" hat mich sehr beeindruckt und zum Grübeln (und zu abenteuerlichen Interpretationen) verleitet. Das Buch ist auf eine seltsame Weise packend und ich bezweifle, dass es mich so schnell wieder loslassen wird.


    Die Sprache Kafkas ist nicht zu kompliziert, da er überwiegend einfache Sätze verwendet. Sie lässt sich daher meiner Meinung nach flüssig lesen, so dass ich nicht lange über die Bedeutung der einzelnen Sätze rätseln musste, sondern mich stattdessen der Bedeutung der Geschichte widmen konnte.


    Die Absurdität dieses Gerichtswesens, mit dem der Protagonist Josef K. konfrontiert wird sowie die bedrückende, beklemmende und zum Schluss hin auch hoffnungslose Stimmung, die Kafka hier erzeugt, machten für mich den besonderen Reiz und die Faszination dieser Geschichte aus.


    Josef K. wird als pflichtbewusster, fleißiger und vor allem ganz gewöhnlicher Mensch beschrieben, der beruflichen Erfolg als Prokurist bei einer Bank und daraus resultierend recht hohes Ansehen genießt. Zunächst neigt er dazu, den Prozess nicht ernst zu nehmen und denkt zuversichtlich, seine Unschuld wäre schnell zu beweisen. Doch als immer mehr Menschen aus seinem Umfeld ihn auf den Prozess ansprechen, ihm seine Hilfe anbieten und versuchen, ihm Ratschläge zu erteilen, beginnt K. allmählich, sein bisheriges Leben und seinen Beruf zu vernachlässigen. Immer weiter dringt nun dieser geheimnisvolle Prozess in sein Leben ein und er ist fest entschlossen, all seine Kräfte dafür einzusetzen, da er die Bedrohung wahrzunehmen beginnt.


    Recht schnell wird klar, dass er selbst mit Hilfe eines Advokaten oder beim Gericht einflussreichen Bekannten kaum die Aussicht hat, jemals einen Freispruch zu erlangen.
    Das gesamte Gerichtswesen ist sehr bürokratisch aufgebaut, doch bekommen Angeklagte und Verteidiger die Gerichtsakten nie zu Gesicht und auch die mit dem Fall befassten Richter und Gerichtsdiener schweigen sich aus. Aus diesem Grunde gelingt es Josef K. nicht, zu erfahren, worin seine Schuld nun eigentlich besteht.


    Die Gerichte befinden sich vorwiegend auf Dachböden oder auch in Nebenzimmern ärmlicher Wohnungen, es scheint aber dennoch eine große Macht zu haben und weithin bekannt zu sein, da viele Figuren über seine Existenz Bescheid wissen. Dennoch scheint es weitgehend im Verborgenen zu arbeiten.


    Es wird recht wenig auf die Gefühlswelt des Protagonisten eingegangen und sein Handeln wird überwiegend auf eine sachliche Art geschildert. Durch die Dialoge wird der Figur jedoch dennoch Leben eingehaucht und der Leser kann sich eine recht gute Vorstellung von K. machen.


    Die Nebenfiguren sind ebenfalls sehr interessant gezeichnet und ihre Lebensumstände sind zum Teil ebenso absurd wie das Gerichtswesen, mit dem sie meist auch in Verbindung stehen. Als Beispiel sei hier nur der Maler Titorelli genannt, welcher als Gerichtsmaler tätig ist und dennoch bettelarm ist und in einer winzigen Dachkammer leben muss, die gleichzeitig auch sein Atelier ist. Direkt nebenan befinden sich (wie übrigens auf fast jedem Dachboden) Gerichtskanzleien, durch welche er oftmals Besuch von den Richtern erhält. Durch diesen Maler erfährt Josef K. auch einige interessante Dinge über das Wesen des Gerichts.


    Das Ende der Geschichte ist nochmals sehr aufwühlend, auch wenn der Leser die ganze Lektüre über ahnt, dass es so und nicht anders kommen muss.


    Das Werk lässt mich ein wenig verwirrt und ziemlich nachdenklich zurück und hat auf jeden Fall großen Eindruck auf mich gemacht.
    Es werden zwar viele Dinge nicht erklärt, allerdings wurde "Der Prozess" ja auch nicht vollendet, weshalb ich das nachvollziehen kann.
    Ich bin entschlossen, weitere Werke von Kafka zu lesen, allen voran "Das Schloss" und "Die Verwandlung". Bis dahin lasse ich "Der Prozess" weiterhin in mir nachwirken und gebe dem Buch


    4ratten und :marypipeshalbeprivatmaus:


    Eine halbe Ratte Abzug für die stellenweise dann doch selbst für mich zu große Absurdität. Aber diese mindert nicht den guten Gesamteindruck, den ich von dem Buch habe.

    :lesen: Joe Navarro - Menschen lesen

  • Ich liebe Kafka ^^ und ich liebe den Prozeß. Für mich immer wieder ein Leseerlebnis und da er so wunderbar skuril und Absurd ist genau das richtige für mich *gg* Irgendwie macht der unvollendete Schluss inzwischen einen Teil des Reizes für mich aus.

  • Der Prozeß ist großartig (wie alles von Kafka), aber irgendwie haben Amerika (das vor allem!) und Das Schloß größeren Eindruck auf mich gemacht. Es ist aber auch schon ein paar Jahre her, daß ich es gelesen habe...ich glaube bei mir wird es Zeit für eine Wiederholung.

    [i]Wir brauchen aber die Bücher, die auf uns wirken wie ein Unglück, das uns sehr schmerzt, wie der Tod eines, den wir lieber hatten als uns, wie wenn wir in Wälder vorstoßen würden, von allen Mensche

  • Ich habe den Prozess auch gelesen und fande es einfach faszinierend auf welch sonderbare Art Kafka alles beschrieben hat.
    erst kam mir alles ziemlich kompliziert und teilweise auch einfach verrückt vor, aber je weiter ich gelesen habe, desto klarer erschien mir alles.


    ein ganz tolles Buch!





    LG

  • An den Prozeß von Kafka kann ich mich noch sehr gut erinnern - ist aber x Jahre her. Noch tiefer ging für mich die Verwandlung. Aber Kafka ist ein Meister der eindeutigen Zweideutigkeit, er überzeugt mit der Vielzahl an Interpretationsmöglichkeiten, wie ich finde. Allein der erste Satz des Buches geht, wie ich finde, sehr unter die Haut: jemand mußte Josef K. verleumdet haben, denn ohne, daß er etwas Böses getan hatte, wurde er eines Morgens verhaftet. Ich finde, hier spiegelt sich wunderbar seine eigene Dualität heraus - die hilflose, rettungslose Verzweiflung, die sich wohl aus seinem Verhältnis zu seinem Vater und seiner Geschichte spiegelt und die große Menschenfreundlichkeit, der Glaube an Menschenfreundlichkeit und Gerechtigkeit schlechthin. Viele beschreiben ihn als vergnügten, ja heiteren Menschen, der stets hilfsbereit war. Setzt man diese beiden Teile zusammen, ergibt sich daraus eine fast unglaubliche menschliche Kontur - das ist es, was mich an Kafka so sehr fasziniert. Und immer wieder sind es diese Einzelbilder, sei es, im Roman eingegliedert, sei es in kurzen kleinen "Anekdoten", die diese Dualität spiegeln.

    Viele Worte sind lange zu Fuß gegangen, ehe sie zu geflügelten Worten wurden<br />(Marie von Ebner - Eschenbach)<br /><br />http://www.zwergerlhausen.de<br /><br />SUB: 241&nbsp; :-)<br />&nbsp; &nbsp; &nbsp; &nbsp; &nbsp; &nbsp; &nbsp; - 1 (In Swanns Welt v. Marcel Proust)

    Einmal editiert, zuletzt von zwergerl ()

  • Lese es seit heute, bin eben mit dem dritten Kapitel angefangen, der Sprachstil von Kafka absolut famos!!
    Hab in meiner Werksausgabe noch Das Schloss, Amerika, Der Verschollene und Die Verwandlung (Erzählungen), hab aber mit dem Prozess angefangen.



    LG

  • Der Prozess wurde bei uns in der Abschlussklasse vorgestellt. So genau hab ich nicht hingehört, weil der Vortragende ein ziemlich benebelter Typ war, aber ich habe mir heute das Buch gekauft! :klatschen:
    Begonnen habe ich damit noch nicht, aber das werde ich spätestens morgen. :)

  • Hi!


    Kafkas Prozess zählt auch zu meinen Lieblingsbüchern, da mich die düster-zerrissene Atmosphäre darin (oder überhaupt bei Kafka) sehr anspricht und sehr viel Interpretationsspielraum lässt.


    Bei dieser Gelegenheit habe ich auch noch eine Frage. Ein bekanntes Zitat Kafkas lautet (ich kenne es nur in der englischen Version): "The meaning of life is that it stops." Kennt jemand die Quelle dazu?


    Liebe Grüße,
    Phil :winken:

  • Hallo Phil,


    dieses Zitat von Kafka kenne ich, weiß aber die Quelle nicht. Aber es gibt ein Zitat: Mein Leben habe ich damit verbracht, mich gegen die Lust zu wehren, es zu beenden. - das stammt aus den Fragmenten und den losen Schriften.


    LG
    Zwergerl

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  • Hallo zwergerl,


    vielen Dank für das weitere Zitat, kannte ich noch nicht. Das von mir angeführte Zitat Kafkas ist quellentechnisch sehr wichtig für mich, vielleicht weiß es ja irgendwer. :)


    Gruß,
    Phil


    P.S. Netter Nick :zwinker:

  • Ah, ok. Das ist schade, aber vielen Dank für die Information! :smile:


  • wußt ich doch, auf Dich kann man sich verlassen :winken:

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  • Das Zitat: "The meaning of life is that it stops." stammt wohl von Kafka - ist bislang aber ohne Quellenangabe...


    Ohne Quellenangabe heisst leider gar nichts. Da hat irgendeiner mal gesagt: "Kafka hat gesagt ..." - Rein gefühlsmässig würde ich behaupten, dass sowas wie "Die Bedeutung des Lebens ist, dass es aufhört" so gar nicht nach Kafkas Denken klingt.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Mit Deiner Vorsicht hast du natürlich Recht - vom Inhalt her sehe ich dieses Zitat allerdings schon kongruent.


    In den "Betrachtungen über Sünde, Leid, Hoffnung und den wahren Weg" etwa finden sich einige Aussagen in diese Richtung:


    [...]
    Der wahre Weg geht über ein Seil, das nicht in der Höhe gespannt ist, sondern knapp über dem Boden. Es scheint mehr bestimmt stolpern zu machen, als begangen zu werden.
    [/...]

  • Dein Zita, MoosBummerl, beziehe ich auf die Sünde, nicht auf die Bedeutung des Lebens im Ende ;) . Und dieses Thema (die Sünde) ist bei Kafka tatsächlich sehr dominant.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Das ist natürlich legitim und mitunter auch das Schöne an der Möglichkeit der offenen Interpretation wie Kafka sie zulässt - ein jeder spiegelt sich in den Aussagen.


    Ich würde der "Sündenthematik" nicht folgen wollen - die wäre für mich schon aus seiner Abneigung gegenüber Autoritäten und oktruierten Entscheidungen heraus nicht schlüssig:


    [...]
    Wie kann denn überhaupt jemand schuldig sein? Wir sind Gottes Geschöpfe. Wenn wir schuldig sind, was ist er dann? (Der Process)
    [/...]


    Auch in seiner Sicht zur Ehe, als wahren Prüfstein des Lebens, würde ich hier keine Übereinstimmung finden können. Letztlich reflektiert sich für mich in dem Zitat: "The meaning of life is that it stops." eben die Aussichtslosigkeit seines Daseins - die Unausweichlichkeit seiner Krankheit zurück, und das finden wir ja wirklich in vielen seiner Bilder...

  • Das ist natürlich legitim und mitunter auch das Schöne an der Möglichkeit der offenen Interpretation wie Kafka sie zulässt - ein jeder spiegelt sich in den Aussagen.


    Bei keinem Schriftsteller, auch bei Kafka nicht, ist es so, dass jeder einfach drin finden kann, was ihm passt oder ihn spiegelt ... ;)

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Oh - da kam die Antwort viel zu früh, als dass Du darüber nachgedacht hättest. Wenn es Dir wichtig ist lies nochmal was ich geschrieben habe...


    Eigentlich wollte ich auch nur bei dem Originalzitat helfen, nix für ungut.