Leo Tolstoi: Anna Karenina. Insel Verlag. 1204 Seiten.
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Die 1200 Seiten lange Geschichte gehört zu den großen Werken der Weltliteratur. Es ist eines der großen Liebesromane. Im Mittelpunkt stehen die Geschichten von vier Personen, zwei Männer Lewin und Wronskij sowie zwei Frauen, Anna und Kitty, die miteinander verbunden sind. Die Geschichte konzentriert sich bei den Frauen auf ihr Liebesleben, ein richtiges Berufsleben gab es ja damals auch noch nicht für sie und bei den Männern wird zusätzlich ihr berufliches Leben beleuchtet. Dabei wird in den immer kurzen, 5 - 10 Seiten langen Kapiteln, zwischen den verschiedenen Figuren hin- und hergesprungen. Typisch für Tolstois Stil ist die genaue, detaillierte Beschreibung einer Szene, z.B. ein Ball oder ein Pferderennen, um dann am Ende des Kapitels mit nur wenigen Sätzen, die Handlung mit einem manchmal überraschenden Ereignis voranzutreiben.
Das Buch habe ich trotz des großen Umfangs auf allen Seiten mit Spannung gelesen. Es ist zudem einfach lesbar, da das Buch ohne schwierige Metaphern und philosphische Exkurse auskommt. Es gibt zwischendurch auch Ausführungen zum Wirtschaftssystem oder zur Jagd, aber auch diese Stellen fand ich interessant zu lesen, sie bilden die Grundstimmung des Buches, auf dem dann die ganz unterschiedlichen Liebesgeschichten aufsetzen. Gelangweilt habe ich mich nie, im Gegensatz zu Manns Zauberberg, auch bei Proust fand ich einige Stellen recht langweilig. Das ist die Stärke, aber auch zugleich die Schwäche des Buches. Mich reizt das Buch zumindest derzeit nicht zum Wiederlesen, ich kenne nun die im Vordergrund stehende, ergreifende Handlung, die durch ein sehr gutes Ende den Roman richtig abrundet ohne in Kitsch zu verfallen. Bei Mann und Proust habe ich nach der Lektüre anders empfunden. Da blieb etwas Geheimnisvolles zurück. Zudem klingt die Sprache meiner gewählten Übersetzung nicht immer elegant. Andere Autoren machen auf dieser Ebene erheblich mehr Spaß.
Zur Ausgabe: Ich habe die Insel-Übersetzung gelesen, da ich mehrere Übersetzungen durch meine russische Kollegin habe prüfen lassen und ich diese von der Wortwahl her am nähesten am Original dran war, ob das natürlich auch für die "Stimmung" der Übersetzung gilt, mag ich nicht beurteilen. Bei Diogenes gab es aber beispielsweise zusätzliche Nebensätze, die im Original gar nicht vorkamen. Dennoch war ich mit dieser Ausgabe nicht richtig zufrieden. Zunächst einmal enthält sie keinerlei Anmerkungen, so dass die (wenigen) fremdsprachigen Passagen nicht übersetzt werden. Dann kommen Rechtschreibfehler hinzu. Der gewählte Buchstabensatz wirkt alles andere als schön, an vielen Stellen werden keine Ligaturen gesetzt, so dass zusammen geschriebene Wörter wie getrennt wirken. Ich würde daher eher die neue Ausgabe bei Manesse empfehlen.
Trotz der erwähnten Kritikpunkte gebe ich die Höchstpunktzahl, da das Buch in der 1. Liga mitspielt. In der Champions League würde ich es aber nicht sehen.
Gruß, Thomas
EDIT: Betreff etwas angepasst. LG Seychella