Theodor Fontane - Frau Jenny Treibel

Es gibt 4 Antworten in diesem Thema, welches 25.950 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Kirsten.

  • Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Berlin im ausgehenden 19. Jahrhundert. Das Regiment im Haus von Kommerzienrat Treibel führt seine Frau Jenny, die aus einfachen Verhältnissen stammt, sich daran aber nicht gern erinnert und stets bestrebt ist, sich standesgemäß zu geben. Sie hofft, dass Treibels politische Ambitionen Früchte tragen, produziert sich gerne bei gesellschaftlichen Zusammenkünften und versucht, ihren hoffnungslosen zweiten Sohn Leopold auch noch anständig zu verheiraten.


    Dass die kecke, gewitzte und kokette Professorentochter Corinna Schmidt ein Auge auf Leopold geworfen zu haben scheint, passt der Dame so gar nicht ins Konzept. Leopold soll wie sein älterer Bruder eine Frau von gleichem Stand heiraten, schließlich ist Otto Treibel mit einer Hamburgerin aus sehr gutem Hause verheiratet.


    Fontane zeichnet hier mit Witz und Ironie ein satirisches Gesellschaftsbild, das mir nach einigen Anlaufschwierigkeiten (viel politisierendes Wortgeplänkel bei geselligen Abenden, zahlreiche Bezüge zur damaligen aktuellen Gesellschaftslage, die mir nichts sagten) doch noch Spaß gemacht hat, mit sprechenden Namen (am besten fand ich, wenn er die Töchter von Professor Kuh als Kälber bezeichnet hat :breitgrins: ) und etwas überzeichneten Figuren, den Irrungen und Wirrungen von Liebe und Kalkül bei der Partnerwahl und einer leise durchklingenden Kritik an Standesdünkel und Überheblichkeit, die sich in der Person von Jenny Treibel konzentrieren. Die Titelfigur war somit eine der unsympathischsten Figuren für mich.


    10 Jahre nach Anschaffung als Schullektüre, die nie beendet wurde, bin ich froh, das Buch im Rahmen des SLW endlich mal gelesen zu haben - auch wenn ich mich zumindest anfangs auf die Sprache und die Hintergründe erst mal richtig einlassen musste.


    4ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ich habe das Buch vor ein paar Stunden beendet. So recht begeistert hat es mich nicht. Ich hatte Probleme mit dem Schreibstil, der 100 % Konzentration erfordert, mit den Anspielungen auf Politik und Gesellschaft der damaligen Zeit, und eigentlich auch mit der Handlung selbst, die ich einfach nicht spannend fand. Die eingestreuten englischen, französischen und lateinischen Sätze und Wörter haben meinen Lesefluß gestört, da ich nun mal keine dieser Sprachen spreche.


    ***
    Aeria

  • Inhalt
    Durch ihre Heirat mit dem Kommerzienrat Treibel selbst aufgestiegen ins Großbürgertum, strebt Jenny nach Höherem und wird nicht gerne an ihre Vergangenheit erinnert, auch wenn sie ein sentimentales Gedicht ihres früheren Verehrers, des jetzigen Professors Schmidt, immer wieder gerne hört. Als sie erfährt, dass sich ausgerechnet dessen Tochter Corinna mit ihrem Sohn Leopold verlobt hat, unternimmt sie alles, um diese unstandesgemäße Verbindung zu verhindern, hat sie doch ganz andere Pläne für ihren Jüngsten. Kommerzienrat Treibel selbst ist dagegen voll und ganz damit beschäftigt in die Politik aufzusteigen.


    Meine Meinung
    Am Anfang hatte ich einige Schwierigkeiten, in den Roman hineinzufinden, da die politischen und gesellschaftlichen Diskussionen für mich schwer zu verstehen waren. Mir fehlte dafür einfach der Hintergrund und somit war mir auch wahrscheinlich die ein oder andere Anspielung nicht klar. Nach diesen eher trockenen und schleppenden Abschnitten machte mir die Geschichte aber immer mehr Spaß. Mit viel Ironie und Witz wurde das Bürgertum mit seinem Streben nach Besitz und Einfluss dem Bildungsstand gegenübergestellt. Dabei kam die Familie Treibel gar nicht gut weg. Seine politischen Ambitionen erscheinen lächerlich, doch bleibt er selbst dabei sogar noch sympathisch. Jennys Person zeigt dagegen das Lügnerische und das nur auf Äußerlichkeiten bezogene Verhalten, das durch ihre Schwiegertochter und deren Ansichten noch verstärkt wird.


    Die Professorenfamilie auf der anderen Seite wird dagegen positiv dargestellt. Der Professor wirkt ruhig und sicher und Frau Schmolke, die im Haushalt lebt, wirkt fast mütterlich im Vergleich zur kalten Jenny. Selbst bei Corinna, die zwar nach vermeintlich Höherem strebt und diese Pläne schlau umzusetzen weiß, wird deutlich, worauf es am Ende ankommt.


    Den Anfang habe teilweise mit Mühe gelesen und mich durch einige langweile Seiten gequält, aber die folgenden Abschnitte ließen ein Gesellschaftsbild mit lebendigen Figuren vor mir entstehen, die mich dafür gut entschädigt hat.


    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Die Hauptakteure dieses Romans, Frau Kommerzienrätin Jenny Treibel und Fräulein Corinna Schmidt, treten gleich zu Anfang auf. Da ist es noch ein lockeres Abtasten, später, als Corinnas Verlobung mit Leopold bekannt wird, ist es ein offener Schlagabtausch mit scharfen Waffen. Frau Treibel ist eine aus kleinen Verhältnissen aufgestiegene, mit Standesdünkeln behaftete bourgeoise Dame, die es sich nur in ihren schwachen, sentimentalen Momenten erlaubt, dem einfachen Leben, das sie an der Seite des Gymnasiallehrers Willibald Schmidt hätte haben können, nachzutrauern - die wichtigen Dinge im Leben bleiben für sie immer Ansehen und Geld. Knallhart kalkuliert war die Heirat mit Treibel, auch wenn sie ihren Verlobten Willibald vielleicht geliebt hat.
    Corinna unterstellt sie ähnliche Motive und hat damit zunächst nicht mal so unrecht. Auch Corinna träumt von einem komfortablen Leben in einer großen Villa mit Abendgesellschaften und teuren Roben. Der Mann, der ihr diese Träume erfüllen soll, ist Leopold Treibel, das schwache Muttersöhnchen. Leopold tritt seiner Mutter zwar gegenüber, klappt dann aber doch zusammen und kuscht. Glücklicherweise geht der cleveren Corinna rechtzeitig auf, dass sie an der Seite des wetterwendischen Leopold nie glücklich geworden wäre und dass der Preis für großbürgerliches Ansehen mit einer lieblosen Ehe und einer in Äußerlichkeiten verhafteten Schwiegermutter doch zu hoch gewesen wäre.


    Ein Nebenkriegsschauplatz ist der Kampf der alten und der jungen Frau Treibel, Schwiegermutter und Schwiegertochter. Helene ist mit dem ältesten Sohn Otto verheiratet, stammt aus einer Hamburger Kaufmannsfamilie und wirkt so steif und vornehm, als hätte sie einen Stock verschluckt. Die beiden Damen sind sich in herzlicher Feindschaft zugetan. Als sich aber mit Corinna ein bildungsbürgerlicher Fremdkörper in ihre großbürgerliche Welt zu drängen droht, besinnen sie sich auf das, was sie verbindet und für Frau Treibel scheint Helenes Schwester Hildegard als Gattin des lieben Leopold doch eher das kleinere Übel zu sein - obwohl sie eine hamburgische Schwiegertochter eigentlich schon reichlich genug fand.


    Diesen ganzen Intrigen stehen die Männer relativ gelassen gegenüber: der alte Schmidt, der seine ehemalige Verlobte Jenny gut kennt und weiß, dass sie einer Verbindung zwischen Leopold und Corinna nie zustimmen wird, kann ruhig abwarten und sein Kind in die Richtung dirigieren, die ihr eine tragfähige Lebenspartnerschaft verspricht: an die Seite ihres Cousins Marcell Wedderkopp, Lehrer und Archäologe. Willibald Schmidt ist eine sehr sympathische, lebenskluge Figur - wie sich Jenny Bürstenbinder wohl entwickelt hätte, hätte sie ihn geheiratet und nicht den Kommerzienrat Treibel?
    Der alte Treibel hält sich aus den ganzen Intrigen heraus und versucht, seine politische Karriere voranzutreiben. Er ist eigentlich ein sympathischer Herr und es ist schon fast tragisch, dass er sich diesen schrecklichen Leutnant Vogelsang zum Wahlkampfhelfer auswählt und daran scheitert. So augeglichen und in sich ruhend Treibel auch ist, vor seiner rechthaberischen Gattin muss auch er kapitulieren. Er hat nichts gegen Corinna als Schwiegertochter und erinnert seine Gattin recht deutlich daran, dass auch sie selbst aufgestiegen ist, resigniert aber dann doch. Gegen die gesellschaftlichen Schranken kommt er auch nicht an.


    Ein wenig überzeichnet sind die Figuren gelegentlich und es geht auch ein wenig schwarz-weiß (Großbürgertum = kalt und steif, Bildungsbürgertum = warm und natürlich) zu, trotzdem ist Frau Jenny Treibel ein amüsanter, ironischer Gesellschaftsroman, den ich mit viel Vernügen gelesen habe.


    4ratten

  • Meine Meinung

    Frau Jenny Treibel ist keine angenehme Person. Sie gönnt ihrem Sohn die lebendige Corinna nicht, die aus ähnlichen Verhältnissen wie sie stammt, aber nicht zu dem Leben passt, das Jenny jetzt führt. Für Corinna ist das sicher die bessere Entscheidung, denn wer weiß, wie sie sich verändert hätte, hätte sie in die Familie Treibel eingeheiratet. Schade finde ich nur, dass der junge Treibel nicht um seine Liebe gekämpft hat, sondern komplett unter dem Fuchtel der Mutter steht und sich von seiner Verlobten... nicht trennt, denn dazu ist er zu passiv. Vielmehr lässt er die Sache einschlafen.


    Die von Aeria erwähnten Anspielungen fand ich teilweise auch anstrengend, die Einwürfe in den unterschiedlichen Sprachen dagegen amüsant. Insgesamt finde ich Frau Jenny Treibel eine nette Geschichte, allerdings mit einer furchtbaren Protagonistin.

    3ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.