Sabine Gruber - Die Zumutung

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  • Mein Tod – so viel glaube ich zu wissen – ist kein Fassadenkletterer, er arbeitet in meinem Inneren, damit es keiner merkt. Er arbeitet schon lange. Untertags überdeckten die Lebensgeräusche sein Pochen und Klopfen, erst mit den Jahren und Nächten wurde ich hellhörig. Er versteckt sich gerne im Schlaf oder macht sich den Zufall zum Komplizen.


    Marianne hat zeit ihres Lebens gelernt, den Tod als Gefährten zu sehen und sich mit ihm zu arrangieren. Als 4-jährige verlor sie ihren Spielfreund an Leukämie, als 14-jährige wurde ihr Jugendfreund von einem LKW überfahren und als sie 35 war starb ihr Lebensfreund. Und nun ist es eine schwere Krankheit, die in ihr fortschreitet, der Verfall des Körpers, der ihr täglich die Vergänglichkeit und die begrenzte Lebenszeit bewusst macht.


    Während sie in Wien lebt und arbeitet – sie ist in der Kunstszene tätig – lebt ihr Partner Paul berufsbedingt in Rom. Er ist der beruhigende Pol, der verlässliche Partner, doch er agiert im Hintergrund – Kilometer entfernt. Marianne ist eingebettet in einen großen Freundeskreis, der allerdings sehr mit den eigenen Vorhaben, Plänen und Lebenswegen beschäftigt ist. Ihr fehlt ein Zuhörer, jemand, dem sie ihre Ängste, ihre Zweifel, anvertrauen kann. Diesen Zuhörer findet sie in Beppe, einem etwas unbeholfen wirkenden, übergewichtigen Mann, den sie auf einer Party kennenlernt. Ihm – und somit auch dem Leser – erzählt sie ihre Krankengeschichte, ihrer Perspektiven, ihre Hoffnungen. Die Angst vor den regelmäßigen medizinischen Untersuchungen, die leise Hoffnung, dass sich die Blutwerte nicht allzu verschlechtert haben, die Bedrohung, die die Krankheit auf sie ausübt und die langsam zu einer Zumutung wird.


    Ich empfand das Buch als sehr anspruchsvoll zu lesen. Eine chronologische Abfolge gibt es nicht. Wird einerseits immer wieder aus der Perspektive der toten Marianne erzählt, sieht man sie kurz später wieder „mitten im Leben“. Episoden aus der Vergangenheit wechseln sich mit jenen aus der Gegenwart und der Zukunft. Es sind immer nur kurze – eigentlich unzusammenhängende – Bruchstücke, die aber am Ende ein Bild der Lebens- und Leidensgeschichte der Marianne zeigen.


    Sabine Gruber behandelt ernste Themen, doch sie verfällt zu keinem Zeitpunkt in Melancholie, Rührseligkeit oder Sentimentalität. Ihre Erzählungen sind ernst, aber nicht ohne Humor, sie kann selbst dem Tod etwas Positives abgewinnen.


    In „Die Zumutung“ lässt sich schon jener Erzählstil erahnen, den sie meiner Meinung nach in „Über Nacht“ zur Perfektion trieb! Sabine Gruber ist für mich DIE Entdeckung des Jahres, ich wünsche ihren Büchern viele Leser!


    5ratten


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  • Danke für die Rezi.
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