Historische Genauigkeit - ein Muss im historischen Roman?

Es gibt 289 Antworten in diesem Thema, welches 69.861 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Teres.

  • Hallo zusammen!
    Hallo Iris!


    Zitat von "Iris"

    Wenn du "nur weniges" kennst, dann frage ich mich ernsthaft, wie du zu deinem Urteil über Ecos Name der Rose kommst.


    Mein Urteil über Eco - ich zitiere mich selber -:

    Zitat von "sandhofer"

    Der aufmerksame Leser sieht allenthalben die Löcher, wo der konstruierende Autor seinen Zirkel eingesteckt hat ...


    Ich werfe Eco ganz einfach vor, dass er zwar nach allen Regeln der Kunst schreibt, aber die letzten Finessen - die, wo der Autor die letzten Spuren seines Baugerüsts verwischt und verwedelt - : die mangeln ihm, imho. Das hat mit seiner oder meiner Kenntnis von mittelalterlicher Literatur nichts zu tun ... imho ...


    Im übrigen möchte ich auch hier nochmals festhalten: Meiner Meinung ist Eco einer der grössten Semiotiker der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, auch eine wichtige Figur im intellektuellen Leben Italiens - aber als Romancier ...


    Grüsse


    Sandhofer


    PS. Danke für die Hinweise auf Troja und Alexander. Werde ihnen bei Gelegenheit nachgehen ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Hallo, sandhofer!


    Zitat von "sandhofer"

    Im übrigen möchte ich auch hier nochmals festhalten: Meiner Meinung ist Eco einer der grössten Semiotiker der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, auch eine wichtige Figur im intellektuellen Leben Italiens - aber als Romancier ...


    Vielleicht ist er ja nur einfach noch nicht tot? :breitgrins:


    Viel Spaß mit Chretien, Hermann, Hartman, Wolfram, Walther und den anderen. ;)
    Liebe Grüße, :blume:
    Iris :sonne:

  • Zwischenmeldung:
    :zwinker: So einem Thread gehen die Anlässe nie aus... Gerade stolperte ich beim Zappen in PRO7 über die Info, dass am Karfreitag eine Dokumentation gesendet werden soll, der die Theorie über einen sog. da vinci Code behandelt. Das Buch Das Sakrileg wurde in diesem Zusammenhang auch gleich genannt - Dan Brown stand hier ja jüngst zur Debatte.
    Wunderbar! sagten die, die diese Diskussion als aufklärerisch schätzen und Ausgerechnet! schimpften wohl auch gleich die Gegner.
    Von Iris geimpft, sollte ich die Sendung glatt gucken um zu schauen, wie ernst es den Machern mit der Auseinandersetzung wahr-falsch ist (ich habe da so aber meine Befürchtungen - man beachte den Sender) :angst:


    [size=9px]das soll kein neuer Diskussionspunkt werden - ich will nur einen aktuellen Anlass nennen, der ein Beispiel für den Hintergrund des Threats liefert - ich lerne hier nämlich ständig dazu :smile:[/size]

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  • Zitat von "Iris"

    Hallo, Bettina!
    Erzähl mal! :) Ich bin ja inzwischen erklärter TV-Boykotteur -- zumindest was Private angeht.
    Liebe Grüße, :blume:
    Iris :sonne:


    Vielleicht reicht Dir das? (Quelle: der Sender selbst)

    Zitat

    Waren Jesus und Maria Magdalena ein Paar und hatten sie womöglich Nachkommen? Wurde dies von der frühen Kirche unterdrückt? Was hat es mit der geheimnisumwobenen Priorei von Sion auf sich? War Leonardo da Vinci eines ihrer Mitglieder und enthalten seine Werke verschlüsselte Hinweise? In einer Zeitreise durch 2000 Jahre geht die Dokumentation den Ursprüngen von Legenden, Vermutungen und historischen Tatsachen nach, aus der Perspektive sowohl der Anhänger als auch der Skeptiker.


    Ich habe inzwischen herausbekommen, dass hinter dem da Vinci-Code offensichtlich "nur" eine einzelne Bildinterpretation steckt (ich hätte vom Drumherum her gefolgert, dass es viel wilder sei): Das Abendmahl, auf dem ein Jünger so weiblich dargestellt sei, dass er in Wirklichkeit eher eine Frau sei, nämlich Maria Magdalena. Folglich müsse Jesus mit ihr ein Verhältnis gehabt haben und wenn das so ist? Na dann muss die Kirchengeschichte umgeschrieben werden. Und die Kirche hat dieses Wissen all die Jahre vertuscht. :zwinker: Wie könnte es nach der Lektüre dieses Forums auch anders sein.


    Was unabhängig von diesem Bild zu gelten scheint ist, dass Bilder aus bestimmten Epochen in der Tat eine Symbolsprache hatten. Infolgedessen bleibt offensichtlich Spielraum, was man so alles reininterpretieren kann.
    Speziell beim Abendmahl erinnere ich mich zudem, dass das Bild im Lauf der Jahrhunderte mehrfach übermalt worden sei - als erhaltende Massnahme und auch aus viel profaneren Gründen. Und die Qualität der Übermaler sei nicht immer so prickelnd gewesen. Was wunderts, wenn ein Strich mal daneben landet und die Figur hinterher dicker ist als vorher?
    Ach ja: Und irgendwann im Lauf der Zeit soll eine der Figuren sogar aus Versehen sechs Fingern (oder Zehen?) gehabt haben. Oder war es gar kein Versehen??? Fragen wir mal Dan Brown.


    :zunge: Ich hätte da noch den gerade von mir entdeckten Tischbein-Code: War Goethe "linksherum", nur weil er auf dem Bild von Tischbein so aussieht als hätte er zwei linke Beine??? Hätte gewaltige Auswirkungen auf die Historie seiner Liebschaften, gelle?

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  • Hallo zusammen!
    Hallo Bettina!


    Zitat von "Bettina"

    Ich hätte da noch den gerade von mir entdeckten Tischbein-Code: War Goethe "linksherum", nur weil er auf dem Bild von Tischbein so aussieht als hätte er zwei linke Beine??? Hätte gewaltige Auswirkungen auf die Historie seiner Liebschaften, gelle?


    Wenn Du mit "linksherum" "homosexuell" meinst: Die These wurde erst vor ein paar Jahren in Buchform veröffentlicht. Ich kann mich aber nicht mehr an Titel und Autor(in?) erinnern ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Zitat von "sandhofer"

    Wenn Du mit "linksherum" "homosexuell" meinst: Die These wurde erst vor ein paar Jahren in Buchform veröffentlicht. Ich kann mich aber nicht mehr an Titel und Autor(in?) erinnern ...
    Grüsse
    Sandhofer


    Ach du liebes bisschen! Die Lengenfeld-Schwestern, deren Bio gerade erschienen ist, würden sich im Grabe herumdrehen.
    [size=9px]In der Tat hast Du die Anspielung richtig interpretiert - kein anderer umgangssprachlicher Begriff passte auf das "linke" Bein.[/size]

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  • Hallo, Bettina!


    Zitat von "Bettina"

    Vielleicht reicht Dir das? (Quelle: der Sender selbst)


    Eigentlich reicht das wirklich. :rollen:
    Wenn man mal bedenkt, daß bis zum Jahrhundert der Reformation die Frage nach der menschlichen Seite von Jesus neben den theologischen Aspekten des Christus und Heilands als Teil der Dreifaltigkeit völlig irrelevant war und sich zugleich mal die paranoide Suche vieler Anhänger der Reformation nach weiteren "Verschwörungen" vor Augen hält, dann kann man sich nur an den Kopf fassen. Wieso sollte man etwas unterdrücken, was für die Theologie keine Bedeutung hatte? Dann wären doch sicherlich auch sämtliche Zeugnisse von besagter Maria Magdalena im neuen Testament getilgt worden und nicht nur alle Exemplare einer (nirgends bezeugten) Schrift, die genau das behandelt haben solle, aber vernichtet wurde! :rollen:


    Zitat

    Ich habe inzwischen herausbekommen, dass hinter dem da Vinci-Code offensichtlich "nur" eine einzelne Bildinterpretation steckt


    Es hört ja niemand aus den langweiligen Befund aus der Kunstgeschichte, daß es sich bei der Johannes-Darstellung um eine ziemlich stümperhafte Restaurationsarbeit handelt, ich glaube aus dem 19.Jh. Jedenfalls erscheint mir das wesentlich plausibler als dieses dämliche Geschwätz von den geheimen Botschaften, die Freimaurer und andere Geheimgesellschaften angeblich überall hinterlassen, um ihre gigantische Verschwörung zu organisieren bzw. um eine ebenso geheime wie von bösen Mächten verfolgte Wahrheit zu tradieren. :rollen:


    Zitat

    Was unabhängig von diesem Bild zu gelten scheint ist, dass Bilder aus bestimmten Epochen in der Tat eine Symbolsprache hatten. Infolgedessen bleibt offensichtlich Spielraum, was man so alles reininterpretieren kann.


    Das wilde Heruminterpretieren ist das Problem!
    DaVinci wird fröhlich eine Bildersprache unterstellt, die angeblich eine Tradition von den Ursprüngen der Menschheit bis heute hat. Vermutlich haben wir das von irgendwelchen Aliens, die hier mal getankt haben. Grausam! :rollen
    Zwar lassen sich immer Traditionen und Neuerungen in Bildersprache und Symbolik finden, aber die Erfindung einer durchgängigen Tradition erfordert schon eine Vergewaltigung der längsten Zeit der Menschheitsgeschichte.
    Liebe Grüße, :blume:
    Iris :sonne:

  • Zitat von "Iris"

    Vermutlich haben wir das von irgendwelchen Aliens, die hier mal getankt haben. :rollen:


    :blume: Na, wenigstens sind DIE echt... :spinnen: :totlach:

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  • Hallo zusammen,


    ich finde Eure Diskussion hier hochinteressant und aufschlussreich. Ich kann mir schon denken, dass schlampig recherchierte Bücher, den, der sich mit der Materie auskennt, nerven (nachdem Ihr mich auf die Fehler in "Die Päpstin" hingewiesen habt, regt mich das auch auf :grmpf: ). Leider entgehen vielen Lesern (darunter auch ich :redface: ) mangels Kenntnis diese Verirrungen.


    Und da hätte ich doch auch gleich eine Frage: Wenn ich mal 2 verbreitete "historische" Romane heranziehe, nämlich "Der Medicus" und "Die Säulen der Erde" - was sagt Ihr zum historischen Hintergrund hier? Würde mich echt interessieren - ich hoffe, es ist nicht zu unverschämt :blume:


    Danke schon mal und liebe Grüße
    Manjula

  • Also meine Meinung zu dem Ganzen: Ich liebe historische Roman aber ich lese sie nicht um zu lernen oder alles für bare Münze zu nehmen. Keiner von uns war dabei !


    Ich lese diese Bücher weil ich die Stimmung mag, wenn ich historische Genauigkeit will hole ich mir ein Sachbuch etc. !


    DIE PÄPSTIN gehört zu meinen Lieblingsbüchern und es interessiert mich 0,0000 ob Johanna wirklich existierte oder nicht. Das Buch ist schön, ich hatte Spaß am Lesen und wer alles glaubt was er liest ist selber Schuld. ich glaube ja auch nicht an das schöne Auenland nur weil ich den Herrn der Ringe schon 3 mal gelesen hab... Jeder vernünftige Mensch würde nicht in einem ROMAN nach der Wahrheit suchen oder dort Fakten für Aufsätze etc. suchen, dafür gibt es doch andere Bücher, eben FACHliteratur !!


    So, dies dazu.

  • Hi Julia!


    Zitat von "Jona77"

    Ich liebe historische Roman aber ich lese sie nicht um zu lernen oder alles für bare Münze zu nehmen.


    Jeder nach seiner Fassson, das ist schon OK so. Witzig finde ich Deinen obenstehenden Satz aber in Kombination mit Deiner Signatur ...

    Zitat

    Du kannst kein Buch öffnen ohne etwas daraus zu lernen !


    Nichts für ungut, konnte nur der Versuchung nicht widerstehen, das zu bemerken. :breitgrins:
    Nicht aufregen, ich weiß schon, wie es gemeint war.


    Bye,


    Grisel

  • Da muss ich Dir allerdings recht geben... :smile: Aber kann man das Wort "lernen" nicht auch anders auslegen, grübel...


    Allerdings hast Du mich daran erinnert dass ich schon längst meine Signatur ändern wollte !!

  • Hi Julia!


    Ha, gut, daß ich Deine alte Signatur zitiert habe, sonst klänge mein Beitrag jetzt etwas eigenartig. :breitgrins:


    Bye,


    Grinsel

  • Zitat von "Jona77"

    Jeder vernünftige Mensch würde nicht in einem ROMAN nach der Wahrheit suchen oder dort Fakten für Aufsätze etc. suchen, dafür gibt es doch andere Bücher, eben FACHliteratur !!


    So, dies dazu.


    Im Prinzip stimme ich dir zu, aaaber:
    viele AutorInnen historischer Romane brüsten sich damit, wie gut sie recherchiert haben, und dass alles historisch richtig ist. Und wenn das von einem Roman behauptet wird, dann verlange ich auch, dass das stimmt.


    Grüße,
    Saltanah

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Ich liebe historische Romane, aber sehr oft war das Leben einer Person dann doch nicht sooo interessant und dann werden eben oft manche Dinge hinzugedichtet, die so nicht passiert sind.
    Die besten Biographien auf dem trivialen Sektor hat meiner Ansicht nach Stefan Zweig geschrieben. Seine Bücher sind auch sehr gut recherchiert und konstruiert. Das Buch über Marie Antoinette war ein Hammer. Ich hatte das Gefühl ich lebe mit ihr mit.


    Noch ein sehr guter Roman, den ich empfehlen kann ist "Desiree" von Annemarie Selinko. Desiree war die erste Freundin von Napoleon und heiratete später den König von Schweden. Ein sehr gutes Buch, inwieweit die Fakten allerdings 100&% stimmen, kann ich leider nicht sagen.


    Katrin

  • Zitat von "Saltanah"


    viele AutorInnen historischer Romane brüsten sich damit, wie gut sie recherchiert haben, und dass alles historisch richtig ist. Und wenn das von einem Roman behauptet wird, dann verlange ich auch, dass das stimmt.


    Da hast Du sicher Recht, das hatte auch Iris schon reklamiert. Der Knackpunkt ist aber wohl auch, dass Du mit bestimmten Kommentaren zu einem Buch das Marketing gewaltig antreiben kannst. Sei es, dass Du es über den grünen Klee lobst oder dass Du einen Wahrheitsgehalt unterstellst oder denselben übertreibst. Die Zeitungen nehmen so etwas gerne auf und machen statt einer kleinen Rezension vom Waschzettel gleich eine große Geschichte draus. Wenn der Verlag bzw. der Autor Glück hat, wird es ein Selbstläufer.


    Anderer Aspekt: Ich bekomme immer wieder mal mit, was für Pressemeldungen aus den Firmen kommen und was z.T. draus gemacht wird. Und auch Wissenschaftler nehmen den Mund manchmal voll, weil sie mehr Resonanz erhoffen - von der Chemie bis zur Geschichte, von der Physik bis zur Medizin. Und genau die zitierst Du vielleicht, wenn Du zu deren Thema recherchiert hast.

    ☞Schreibtisch-Aufräumerin ☞Chief Blog Officer bei Bleisatz ☞Regenbogen-Finderin ☞immer auf dem #Lesesofa

  • Hallo Jaqui,


    Zitat

    Die besten Biographien auf dem trivialen Sektor hat meiner Ansicht nach Stefan Zweig geschrieben


    Was bedeutet für Dich trivialer Sektor? :confused:


    Marie Antoinette hat mir auch sehr gut gefallen.


    LG
    Manjula