Simone de Beauvoir - Eine gebrochene Frau

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  • Hallo!


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    Simone de Beauvoir: «Glückliche Menschen haben keine Geschichte. Erst in der Zerrüttung, in der Trauer, wenn
    man sich gebrochen fühlt, wenn man merkt, daß man sich selbst entgleitet, hat man das Bedürfnis, von sich zu erzählen.
    Ich habe in diesem Buch drei Frauen sprechen lassen, die sich aus ausweglosen Situationen mit Worten zu befreien versuchen.
    Diese Geschichten haben keine Moral; Lektionen werden nicht erteilt; ich wollte etwas ganz anderes. Man lebt nur ein Leben, aber durch intensives Mit-Erleben, Nach-Erleben gelingt es einem manchmal, in die Haut eines anderen zu schlüpfen. Ich wollte meine
    Leser an den Erfahrungen teilnehmen lassen, die ich auf diese Weise gemacht habe. Ich fühle mich mit allen Frauen verbunden,
    die ihr Leben auf sich nehmen und dafür kämpfen, daß es glücklich wird; aber das hindert mich nicht daran, mich
    besonders für jene Frauen zu interessieren, die dabei mehr oder weniger gescheitert sind, und darüber hinaus für
    all die Niederlagen, die es in jedem Leben gibt. »


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    Teilnehmer:


    Zoe
    Phistomefel
    nachttraum
    Inge


    [hr]



    Eine kurze Bitte: Damit das ein bisschen angenehmer zu lesen ist, postet erst, wenn ihr angefangen habt. Die Beiträge "Buch liegt bereit, ich fange heute Abend an" ziehen das ganze immer so sehr in die Länge.


    Interessant für Leserunden-Neulinge ist sicherlich die Leserunden-FAQ. Dort findet ihr auch Informationen z.B. zu Spoilern etc.


    Viel Spaß, fairy

    [size=9px]&quot;I can believe anything, provided that it is quite incredible.&quot;<br />~&quot;The picture of Dorian Gray&quot;by Oscar Wilde~<br /><br />:leserin: <br />Henry Fielding - Tom Jones<br /><br />Tad Williams - The Dragonbone Chair<br /><br />Mark Twai

  • Hallo an alle Mitlesenden! Ich freue mich auf diese Runde und bin schon sehr gespannt, wie ihr das Buch wahrnehmen werdet. :smile:


    Vielleicht wäre es besser gewesen, das schöne Wetter für einen Spaziergang zu nutzen, aber ich war ein bisschen zu neugierig auf das Buch, also habe ich die erste von den drei Geschichten gelesen. Hier also meine ersten Eindrücke.


    Sie hat mich gleich in den Bann gezogen, so dass ich auch nicht aufhören wollten bis zum Ende. Ich muss sagen, der Umschlagtext stimmt haargenau, es gibt keine Moral, die man herauszuhören gewohnt ist. Auf den ersten Blick scheint es leicht, sich dennoch eine daraus zu basteln, die aber schon beim zweiten Gedanken wieder zerfällt, denn es gibt fürs und widers.


    Dafür gelingt es schnell, "in die Haut" der Ich-Erzählerin zu schlüpfen und die schlimmen Stunden angesichts des plötzlichen Zerfalls von Illusionen und Lebensperspektiven nachzuvollziehen. Für die pensionierte Lehrerin und Literaturwissenschaftlerin scheint auch alles auf einmal schief zu laufen, der Ehemann verliert angesichts zunehmenden Alters an Lebensfreude, der Sohn geht seine eigenen Wege, die den Eltern Kummer bereiten, das veröffentlichte Buch erweist sich als Fehlschlag und .... lest selbst!


    Ich fand die Geschichte anstrengend und die Identifikation mit der Frau teilweise recht unangenehm, so tyrannisch, cholerisch, überspannt und ungerecht wie sie sich anderen gegenüber aufführt. Aber da ist auch ihre große Fähigkeit, Dinge, Gedanken und Gefühle zu benennen und sich darüber mit ihrem Mann auszutauschen, eine große Ehrlichkeit gegenüber sich selbst und im Umgang miteinander. Puh, aber anstrengend wars dennoch! :schwitz:

    Liebe Grüße!<br />Zoe

  • Hallo Zoe ! Hallo Miteinander !
    Ich hatte gestern leider nicht sehr viel Zeit und habe mir nur einmal die ersten Seiten angeschaut. Leider war mein erster Eindruck ein enttäuschter. Die Sprache kam nicht ansatzweise an das heran, was ich zuvor von Beauvoir gelesen habe ("Memoiren einer Tochter aus guten Hause", "Eine Frau in den besten Jahren", "Die Mandarins von Paris" & Auszüge aus "Das andere Geschlecht") ...
    Die Ich- Perspektive erscheint mir unreflektiert gewählt und die Bilder schlecht aneinandergereiht. Ich habe sie als oberflächlich empfunden... als wäre der Satz geschrieben, weil er auch irgendwie dazu gehört und irgendwie halt mal gesagt werden muss.
    Aber ich werde weitersehen, schließlich war das nur der erste Eindruck !
    Ich freue mich schon auf Eure Empfindungen & Meinungen ,
    lg.,
    n.

  • Hallo Nachttraum!


    Jetzt, wo du es sagst, fällt mir auf, dass ich das am Anfang auch gedacht habe. Zumal ich gerade die "Memoiren einer Tochter..." gelesen habe. Nachher hat sich der Eindruck wieder verflüchtigt, vielleicht habe ich mich dran gewöhnt, oder es zum Inhalt und Titel passend empfunden. Hier gibt es keine Heldin, nur eine gebrochene Frau, in vielen Bildern, Ansprüchen, Widersprüchen und Beziehungen gebrochene Frau.


    Übrigens scheint mir der Schluss auch nicht aus dem ganzen Handlungsablauf hervor zu gehen. Noch mal ein Bruch.
    Einen schönen Sonntag noch!

    Liebe Grüße!<br />Zoe

  • Hallo :winken:,


    ich hab jetzt die ersten beiden Geschichten gelesen. Die erste scheint mir sehr angelehnt an das eigene Milieu von Simone de Beauvoir: linke Intellektuelle aus dem Lehrer-/Universitätsmilieu. Es ist wahr, die Sprache erscheint zunächst gestelzt und distanziert, allerdings ist mir dieser Stil aus mehreren Büchern von Simone de Beauvoir vertraut, gerade bei der Beschreibung innerer Prozesse in Beziehungsgeschichten (z.B. die Beziehung von Henry und Pauline in den Mandarins, aber auch ihre eigene Geschichte dort mit Lewis, oder das Verhältnis zwischen Francoise und Pierre oder auch zwischen Francoise und Xaviere in "Sie kam und blieb": Immer diese eigenartige analysierende Kühle. Ich hab mich im Verlauf der ersten Geschichte aber daran gewöhnt.


    Zum Inhalt: Es war für mich faszinierend, diese Geschichte nach ca. 30 Jahren nun noch einmal zu lesen. Ich denke, gerade bei linken Intellektuellen ist die Gefahr, eine eher bürgerliche Entwicklung der eigenen Kinder als Verrat zu erleben, besonders groß. Während ich beim damaligen Lesen die Position der Ich-Erzählerin (weiß man überhaupt, wie sie heißt??) noch einigermaßen nachvollziehen konnte, war ich jetzt mehr auf Seiten Philippes und Andrés: Wie hart sie urteilt, wie sehr sie andere (Iréne) nach Äußerlichkeiten beurteilt und abwertet!! Wie sehr sie an alten Bildern klebt, wie wenig Leben und Entwicklung sie zulässt!


    Bei der zweiten Geschichte staune ich vor allem über die völlig andere Sprache - sie kann also auch anders! Man ist unweigerlich in den Redestrom mit hineingezogen, es fällt schwer, sich von Murielle zu distanzieren und sie mit den Augen der andern zu sehen. Dann aber - was für eine gestörte Hysterikerin! Ob sie sich tatsächlich umbringt?

  • Wo seid ihr denn alle??? :schulterzuck:


    Na, ich lese inzwischen natürlich schon an der dritten Geschichte, arme Monique, schließlich


  • Hallo zusammen !
    Ich habe gerade meinen kompletten Eintrag aus Versehen gelöscht. :grmpf:
    Das Gleiche also nochmal in Kurzform & ohne euch zu zitieren (das ist so anstrengend noch einmal herauszusuchen :rollen::(


    Ich habe die erste Erzählung nun zu Ende gelesen. Mein erster Eindruck hat sich leider weitesgehend bewahrheitet. Die Ebene der Reflektion ist nicht auf die Form des Erzählens übertragen worden, wie es mir scheint. "Dann machte ich dies, dachte jenes... ". Ich kann es auch nicht in seiner Schlichtheit kunstvoll finden. Vielleicht liegt es an der Übersetzung ? Leider habe ich keine Muße das zu überprüfen.
    Es werden einfach Substantive in den Raum geworfen, das Geschehen erscheint inszeniert- es kam zumindest für mich zu keiner intensiven Leseerfahrung. Intellektuell nachvollziehbar, aber nicht schön zu lesen. Auch der Versuch gegen Ende, mehr Atmosphäre zu schaffen, ist zwar dankenswert, aber ich bin der Überzeugung, dass de Beauvoir das eigentlich besser kann. (Auffallend natürlich: es beginnt mit einem gemeinsamen Morgen und endet mit dem gemeinsamen Abend- zu auffällig?)
    Die Zitate erschienen mir auch wie aus dem Poesiealbum zusammen gesucht, Intellektuellen- Schmuck. Diese Erzählung ist wie eine Wohnung, in der sich niemand Zuhause fühlt.
    Inhaltlich habe ich nicht ganz so empfunden wie Du, Inge. Eine harte Frau, eine leidenschaftliche Frau - ja. Aber eine der Frauen, "die ihr Leben auf sich nehmen und für ein glückliches Leben kämpfen" (S. d. B. im Klappentext), eine Frau, die durch Ideale stark ist, ohne den damit verbundenen Auseinandersetzungen und dem eigenen Hinterfragen aus dem Weg zu gehen. Eine Moral lässt sich glücklicherweise nicht herauslesen. Außer der, dass man altert und die Welt sich verändert...


    Ich freue mich schon auf die nächste Erzählung. Eure Beiträge dazu klingen ja vielversprechend !
    Liebe Grüße!
    n.

  • Ich habe jetzt auch die zweite Erzählung gelesen. Was für ein wütender, provokanter, kraftvoller & verzweifelter Text.... Ich bin noch ganz mitgenommen.


    Bei der zweiten Geschichte staune ich vor allem über die völlig andere Sprache - sie kann also auch anders! Man ist unweigerlich in den Redestrom mit hineingezogen, es fällt schwer, sich von Murielle zu distanzieren und sie mit den Augen der andern zu sehen. Dann aber - was für eine gestörte Hysterikerin! Ob sie sich tatsächlich umbringt?


    Ja, was für eine ungerechte Frau und doch ist man ihr durch die Erzählweise nah. Ob sie sich umbringt ? Man weiß nie.
    Ich wünsche Euch einen schönen Tag!
    Lg.,
    n.

  • Hallo Nachttraum,




    Diese Erzählung ist wie eine Wohnung, in der sich niemand Zuhause fühlt.


    das ist eine sehr interessante Beobachtung und gut benannt, und ich meine, dass hier doch Stil und Inhalt zusammentreffen könnten: Ihr "Zuhause" ist ein so enges Korsett aus hohen moralischen Ansprüchen, dass man sich dort tatsächlich nicht zu Hause fühlt.


    Wie überheblich wischt sie am Anfang die damalige Modeerkrankung "Kontaktarmut" weg, dabei scheint genau das ihr Problem zu sein: Was weiß sie, was in ihrem eigenen Sohn vorgeht, was lässt sie ihm an Entwicklung? Wie wenig bekommt sie mit, was in ihrem Mann André vorgeht? Ihre ehemalige Schülerin, die beobachtet sie genau, aber die soll ja auch etwas zu ihrem Buch sagen ...


  • Ich meine, dass hier doch Stil und Inhalt zusammentreffen könnten: Ihr "Zuhause" ist ein so enges Korsett aus hohen moralischen Ansprüchen, dass man sich dort tatsächlich nicht zu Hause fühlt.


    Wie überheblich wischt sie am Anfang die damalige Modeerkrankung "Kontaktarmut" weg, dabei scheint genau das ihr Problem zu sein: Was weiß sie, was in ihrem eigenen Sohn vorgeht, was lässt sie ihm an Entwicklung? Wie wenig bekommt sie mit, was in ihrem Mann André vorgeht? Ihre ehemalige Schülerin, die beobachtet sie genau, aber die soll ja auch etwas zu ihrem Buch sagen ...


    Hallo Inge !
    Ich denke auch, dass die Form absichtlich gewählt ist (was sie nicht sehr viel besser macht), aber ich würde in der Beurteilung dieser Figur nicht ganz so weit gehen wie du. Besonders, weil ich gerade die 3. Erzählung lese und da wäre mir eine Figur, wie die aus dem ersten Text, natürlich sympathischer... wenn auch an der Stelle natürlich unpassend, da die Erzählung dann eine andere wäre. Schön ist aber doch, dass in diesen drei Erzählungen drei (zumindest scheint es mir bisher so) vollkommen unterschiedliche Arten (oder doch nicht? darüber wäre zu diskutieren) zu "brechen" beschrieben werden.
    Wo sind denn unsere Mitleserinnen geblieben ?


    Ich wünsche Dir einen schönen Tag !
    LG.,
    n.

  • Hallo Nachttraum,


    Schön ist aber doch, dass in diesen drei Erzählungen drei (zumindest scheint es mir bisher so) vollkommen unterschiedliche Arten (oder doch nicht? darüber wäre zu diskutieren) zu "brechen" beschrieben werden.


    Das sehe ich genauso. Ich leide gerade wieder - wie schon die paar Mal davor, die ich diese Geschichte gelesen habe - mit Monique.


    Wo sind denn unsere Mitleserinnen geblieben ?


    Ja, wo??


    Dir auch einen schönen Tag und bis später :winken:

    Einmal editiert, zuletzt von Inge ()

  • Hiiiiiiieeer! Oh je, so viel zu tun, morgen auch noch arbeiten. Aber dann lese ich am Sonntag die 2. und die 3. Geschichte. :winken:

    Liebe Grüße!<br />Zoe

  • Ich habe die letzte Geschichte am Freitag zu Ende gelesen. Monique ist eine andere Frau als die beiden ersten, aber die Geschichte scheint mir wie die Zusammenführung der beiden ersten: der analysierende Charakter, die fast objektiv formulierte Selbst- Betrachtung und das sich langsamer- Entfaltende hat sie mit der ersten gemein. An Intensität langt sie nicht an die zweite heran - was auch nicht passen würde- , geht aber mehr in die Richtung als Nr. 1. Sie entfaltet ihre Dichte und das Leid langsamer und vielleicht auch quälender, weniger im Rausch als Nr. 2.


    Ich habe vergessen, wie man Spoiler macht, deswegen beim nächsten Mal, wenn Zoe fertig ist, mehr zur inhaltlichen Bewertung.
    Liebe Grüße !
    n.

  • So, die zweite Geschichte habe ich jetzt gelesen. Das ging in einem Rutsch, oder auch Rausch der Wörter. Wirklich ganz anders als die fast hölzern wirkende Sprache in der ersten Geschichte. Ich nehme jetzt an, es ist gewollt. Die beiden Frauen sind sehr ähnlich mit ihrer Kontrollsucht aber auch wieder so unterschiedlich im Temperament.


    Mit Murielle konnte ich mich viel eher identifizieren, nicht wegen der Hysterie, aber die erfrischende Art, die Härtefälle des Lebens und Beziehungskatastrophen und widrigen Umstände mit diesem aufbegehrenden Ich zu beschimpfen und keine Spur von Einsicht in den eigenen Anteil, und auch nicht dieses typische weibliche Baden in Schuld- und Minderwertigkeitsgefühlen. " Ich war für einen anderen Planeten bestimmt und habe den Weg verfehlt" - haha, köstlich! Davon könnte ich ab und zu auch ein bisschen gebrauchen.


    Später gehts weiter mit der letzten Geschichte.

    Liebe Grüße!<br />Zoe

  • So, nun habe ich es auch geschafft, die letzte Geschichte zu Ende zu lesen. Sprachlich fand ich diese Geschichte sehr rund und flüssig. Aber es war doch ein quälender und deprimierender Lese-Abend! Ich konnte mich aufgrund einiger Anteile mit Monique indentifizieren und musste deshalb mitleiden, so wie es auch Nachttraum erging. Allerdings bleibt mir das Ausmaß ihrer Abhängigkeit von ihrem Mann letztlich doch unverständlich. Eigentlich sind alle Frauen in diesem Buch abhängig und jede reagiert auf ihre Weise und jede (selbst)zerstörerisch.


    Auch die beiden Töchter, die sich zwei entgegen gesetzte, ungesunde Lebenseinstellungen zu eigen gemacht haben, bieten keinen Ansatz einer möglichen Lösung der Frage, wie frau zwischen Selbstaufgabe und Verschmelzungswunsch, die sie als Liebe erfährt, und auf der anderen Seite distanzierter chronischer Unzufriedenheit irgendeinen lebendigen Weg finden kann.


    Nun ja, die Geschichten erheben ja ausdrücklich keinen Anspruch auf eine Moral.

    Liebe Grüße!<br />Zoe

  • Die dritte Geschichte hat mich auch deshalb am meisten von allen mitgenommen, weil bei Monique alles, wirklich alles nach und nach zerbricht, was sie sich aufgebaut bzw. durch ihre Interpretation der Dinge an sich gebunden zu haben glaubte:


    Maurice liebt an ihr das Tiefe, diese Liebe erfasst alle Wesensbereiche und ist deshalb ewig -> nein, Maurice ist empfänglich für den Charme und die Lebendigkeit einer das Leben genießenden, erfolgreichen Rechtsanwältin.


    Maurice und Monique verbindet die Auffassung von der Medizin als selbstlose Hingabe an den leidenden Menschen -> nein, Maurice ist interessiert an beruflicher Weiterentwicklung, Forschung und auch Ruhm.


    Maurice braucht vor allem das geordnete Heim, er verabscheut wie Monique oberflächliche Zerstreuungen -> gar nicht wahr, er geht mit Noellie aus, amüsiert sich wie schon mit vielen Frauen vorher.


    Nicht nur ihr Mann hat sie verlassen, alles, worauf sie ihr Selbstwertgefühl aufgebaut hat, ist zerbrochen. Im Rückblick war alles falsch: Die frühe Schwangerschaft, die Aufgabe der Berufstätigkeit, die Konzentration auf die Töchter und die bedürftigen Mitmenschen.


  • ... , bieten keinen Ansatz einer möglichen Lösung der Frage, wie frau zwischen Selbstaufgabe und Verschmelzungswunsch, die sie als Liebe erfährt, und auf der anderen Seite distanzierter chronischer Unzufriedenheit irgendeinen lebendigen Weg finden kann.


    Nun ja, die Geschichten erheben ja ausdrücklich keinen Anspruch auf eine Moral.


    Ja, das ist wohl die Frage, und es gibt nur negative Antworten: nicht zu viel Hoffnung, nicht zu viel Bemühen, -> im Endeffekt, nicht abhängig sein. Denn genau das hat am krassesten die letzte Frau getan:


    Nicht nur ihr Mann hat sie verlassen, alles, worauf sie ihr Selbstwertgefühl aufgebaut hat, ist zerbrochen.


    Das erinnert doch an die Frage nach der Freiheit? Wie frei kann, darf, muss ich sein?...aber es gibt, wie Zoe schon sagt, keine Antwort, denn das diese Frauen Liebe wollen und wollen dürfen wird ja nicht in Frage gestellt. De Beauvoir macht es uns nicht leicht (im Unterschied zur oberflächlichen "Frauenliteratur", aber da bin ich keine Expertin). Ich war immer versucht, ihnen zuzurufen: werdet unabhängig ! Vertraut auf euch! ... aber so einfach ist das wohl nicht.


    Erzählerisch halte ich die 1. Erzählung immer noch für misslungen, die zweite für ein Kleinod und die dritte für gut gemacht.


    lg.,
    n.

  • Eine Lesart des Buches sind ja die je unterschiedlichen Möglichkeiten "zu brechen". Und es gab die These, dass alle drei Frauen im Grunde abhängig sind, es also letztlich immer die gleiche "Möglichkeit zu brechen" ist: Die Abhängigkeit.


    Ich glaube dies allerdings nicht (wenn man mal davon absieht, dass Frauen zu de Beauvoirs Zeit insgesamt abhängiger waren als heute, was sicher die Geschichten und ihren Verlauf prägt). In der ersten Geschichte geht es doch mehr um das Scheitern der Ideale (Sohn wird bürgerlich) und des Lebensplanes ("ich habe nichts Neues mehr zu sagen"), in der zweiten Geschichte werden wir m.E. Zeugen einer grandiosen narzisstischen Selbstzerstörung, nur die dritte Geschichte kann man m.E. als Scheitern infolge zu großer Abhängigkeit lesen.



    und es gibt nur negative Antworten: nicht zu viel Hoffnung, nicht zu viel Bemühen, -> im Endeffekt, nicht abhängig sein. Denn genau das hat am krassesten die letzte Frau getan (...)


    Das war für mich die besondere Herausforderung an der dritten Geschichte: Nein, ich will Hoffnung und Bemühen nicht aufgeben, darum geht es doch gerade im Leben. Das kann nicht die Lösung aus der Abhängigkeit sein, dass wir unsere Ziele und unsere Anstrengung, sie zu erreichen, aufgeben.


    Allerdings sehe ich auch nach dem x-ten Lesen noch immer keine Lösung für Monique.


    Das erinnert doch an die Frage nach der Freiheit? Wie frei kann, darf, muss ich sein?...aber es gibt, wie Zoe schon sagt, keine Antwort, denn das diese Frauen Liebe wollen und wollen dürfen wird ja nicht in Frage gestellt. De Beauvoir macht es uns nicht leicht (im Unterschied zur oberflächlichen "Frauenliteratur", aber da bin ich keine Expertin). Ich war immer versucht, ihnen zuzurufen: werdet unabhängig ! Vertraut auf euch! ... aber so einfach ist das wohl nicht.


    Nein, so einfach ist es nicht, und genau deshalb haben diese Geschichten m.E. so viele Jahrzehnte überdauert und sind noch immer interessant und treffen einen Nerv.

  • Ja, Inge, es geht um das Scheitern von Idealen. Mein Hintergedanke war es auch nicht, Ideale abschaffen zu wollen. Aber ich finde, dass Ideale, von denen man so abhängig ist, dass man daran zerbricht, wen ein anderer! sie nicht teilt, bedient und verwirklicht, scheinen mir doch mehr Idole zu sein. Außerdem sind die Frauen abhängig von einer bestimmten Vorstellung, die nicht der Realität entspricht, und die Reaktionen zeigen, eine wie die andere, Merkmale unreifer Persönlichkeiten.


    Ich sehe es wie Nachttraum, die grundsätzliche Vorstellung von Liebe, wird nicht in Frage gestellt. Es wird thematisiert, dass diese Art von Liebe sehr eng mit Kontrolle, Engstirnigkeit und Hilflosigkeit zu tun hat und die Beteiligten in die Flucht, in die Zerstörung bzw. Selbstzerstörung zieht, aber es gibt keinerlei Ansatz für eine andere Sichtweise, ein Erleben, bei dem die Beteiligten ihre Potenziale in Freiheit verwirklichen könnten. Die Möglichkeit der Freiheit tritt nur als das Gegenteil des Ideals der Liebe auf, als Oberflächlichkeit, Vergnügungssucht und Herzlosigkeit, also als ein Rückschritt.


    Vielleicht standen zu dieser Zeit neue Lebensentwürfe als Thema einfach nicht an. Es mag hier darum gegangen sein, diesen Komplex von aussichtsloser emotionaler Verwicklung, Frauenidealen, Hysterie (was heute kaum noch Thema ist), und negativ verstärkenden Verhaltensweisen bei allen Beteiligten sichtbar zu machen.

    Liebe Grüße!<br />Zoe

  • Hallo ihr beiden !


    Hmm... ich glaube durchaus, dass es um Lebensentwürfe ging, die auch in der Luft lagen.
    Diese Geschichten machen die Notwendigkeit neuer Lebensentwürfe deutlich, in dem sie sie negativ implizieren - sie fordern sie doch zwischen den Zeilen, denn wie soll man auf Ratlosigkeit reagieren als mit Neuerfindung ?


    Monique projieziert ihren Lebensentwurf, ihre Hoffnungen auf ihren Mann. Das ist nicht der einzige Grund für ihre Verzweiflung: man kann auch mit eigenem Lebensentwurf an der Liebe und an anderen Menschen verzweifeln. Aber sie hätte mehr Hoffnung auf Lösung ihrer Identitätsfrage, sie hätte die Energie, sich zu erfinden, würde sie ihre Identität in sich selbst finden, statt sie auf ihre Familie, auf ihre Aufopferungs- Rolle zu fußen.
    Zur Rechtfertigung dieser Rolle brauchte sie ihren Mann. Die Gesellschaft hat ihr diese Rolle zumindest(!) angeboten. Sie hatte nicht den Mut, die Energie, die Notwendigkeit ... ihr Leben in sich zu finden.


    Die erste Frau habe ich anders empfunden. Auch sie hat Angst, sie hat nicht die Kraft, alleine für sich & ihre Ideale zu stehen, aber sie begehrt auf. Um die Zweite ist es in ihrer Energie und eigentlichen Lebenslust einfach nur schade.


    Trotz allem werden die Frauen aus sich heraus dargestellt (nicht immer gelungen), aber niemand schaut bewertend auf sie herab. Und auch als Leserin fühlt man doch nicht mehr, als dem Wunsch an Energie & Selbstbewusstsein für sie, einer Durchbrechung des Brechens.


    Wie gesagt, in seiner Uneindeutigkeit interessant !
    Liebe Grüße !
    n.