Friedrich Dürrenmatt - Der Verdacht

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  • Der Verdacht


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    Kommissär Bärlachs zweiter und leider auch letzter Fall. Im Schatten seines quasi Vorgängers, nämlich "Der Richter und sein Henker" steht dieses Buch, das nochmals mit alltbekannten Protagonisten und neuen Antagonisten aufwartet.


    Bärlach, nach seiner Operation noch etwas Schwach auf der Brust, fällt während dem Lesen eines alten "Life" Magazins ein Foto auf, das den Nazi Arzt Nehle zeigt, der einen Jüdischen Gefangenen ohne Narkose operiert. Als er das Foto seinem Freund und Arzt Hungertobel zeigt, merkt er anhand dessen erschrockener Miene, das etwas nicht stimmt, es war fast so als hätte der Freund die Person auf dem Foto erkannt. Wiederwillig gibt Hungertobel schliesslich zu, dass die Person auf dem Bild eine verblüffende Ähnlichkeit mit seinem alten Freund Emmenberger zu haben scheint. Dieser könne es jedoch nicht gut sein, da dieser während des Krieges in Chile gewesen sein soll und dort auch immer wieder medizinische Erkenntnise in Ärztemagazinen publiziert haben soll. Zudem hat sich der Arzt Nehle nach Ende des Krieges in einem Hotelzimmer selbst das Leben genommen. Der Verdacht des eben erst in den Ruhestand versetzten Bärlachs keimt trotzdem nicht ab. Er vermutet, dass Nehle und Emmenberger, welche sehr ähnlich aussehen, die Rollen getauscht haben. Emmenberger, der nach Ende des Krieges wieder in die Schweiz zurückgekehrt ist, leitet seitdem eine Privatklinik in Zürich und so kommt Bärlach der Gedanke, sich selbst einliefern zu lassen um die Spuren zu verfolgen.


    Für das Lesen dieses Buches braucht man keine Vorkentnisse, obwohl es unmittelbar nach "Der Richter und sein Henker" spielt, sind fast alle Charaktere neu und es weisst eine völlig eigene, abgeschlossene Handlung auf. Das Buch ist für mich sogar noch ein kleinwenig besser als der Richter, sagt mir zum Beispiel auch die Hintergrundthematik um einiges mehr zu. Ansonsten ist das Buch wieder ähnlich, es sind nicht neue Erkenntnisse im Fall die die Geschichte vorantreiben und so zu ihrer Dynamik verhelfen, sonden die Gespräche der Protagonisten über Gott und die Welt. Kleiner Wermutstropfen sind lediglich die Kürze, obwohl vielleicht gerade das das Gute ist, so entstehen nämlich in diesem Buch keine Längen und das etwas entäuschende Ende. Alles in allem aber ein sehr lesenswertes Buch wie ich find und darum gebe ich an dieser Stelle: 4ratten.

  • Der Verdacht


    Inhalt:


    Bern, Nachkriegszeit. Kommissär Bärlach wurde operiert, Diagnose Krebs, eventuell noch ein Jahr Lebenserwartung. Aus diesem Grund schickt man ihn schnell in den Ruhestand.


    Im Krankenhaus liest er zufällig einen Artikel über Kriegsverbrechen. Ein Foto zeigt einen Arzt mit Mundschutz, der den behandelnden Arzt Dr. Hungertobel, ein alter Bekannter von Bärlach, an einen Studienkollegen erinnert.


    Bärlach riecht Lunte: Kann der bekannte Arzt und Chef eines luxuriösen Sanatoriums in Zürich, Dr. Emmenberger, identisch sein mit dem Naziarzt Nehle, der KZ-Häftlinge ohne Narkose operierte? Um der Sache auf den Grund zu gehen, lässt er sich kurzerhand in das Sanatorium einweisen.


    Meine Meinung:


    Das Buch enthält zwar einige interessante philosophische Textstellen, hat mich im ganzen aber enttäuscht. Die Szene zwischen dem Juden Gulliver und dem Zwerg ist haaresträubend doof!


    2ratten

    Bücher sind Magie zum Mitnehmen.

  • Ohwei, ich wusste gar nicht, dass es einen zweiten Fall von Bärlach gibt :redface:
    Und rauf auf die Wunschliste :breitgrins:

    Books are the ultimate Dumpees: put them down and they’ll wait for you forever; pay attention to them and they always love you back.<br />John Green - An Abundance of Katherines<br /><br />:lesewetter: Caprice

  • Zitat


    Die Szene zwischen dem Juden Gulliver und dem Zwerg ist haaresträubend doof!


    Ja, die erste Szene wo Gulliver vorkam, fand ich sehr interessant, aber die zweite, die war wirklich schlecht und hat den ganzen Schluss ruiniert. Aber dennoch ist das Buch, abgesehen von dem, imho sehr Lesenswert.

  • Kleiner Wermutstropfen sind lediglich [...] und das etwas entäuschende Ende.


    Die Szene zwischen dem Juden Gulliver und dem Zwerg ist haaresträubend doof!


    Ja, die erste Szene wo Gulliver vorkam, fand ich sehr interessant, aber die zweite, die war wirklich schlecht und hat den ganzen Schluss ruiniert.


    Ich fürchte, das war Dürrenmatts Absicht und er hat Euch voll erwischt und Eure Erwartung an ein "richtiges" Ende ad absurdum geführt ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • :breitgrins:
    Mir hat gerade gut gefallen das eben nicht alles so lief wie man es gerne gehabt hätte. Es kann eben auch nicht immer alles Friede Freude Eierkuchen sein. Das Ende war wenn man alles genau betrachtet zwar oberflächlich enttäuschend wenn man es sich aber genau überlegt, passender als alles andere was möglich gewesen wäre.

  • Mir hat "Der Verdacht" sogar noch um eine Spur besser gefallen als "Der Richter und sein Henker". Dürrenmatt nimmt hier seinen Leser noch eine Etage tiefer auf eine Horrorfahrt in die Abgründe von menschlichen Urängsten mit. Er zerlegt dabei das Gefühl der Hoffnung in all ihre Bestandteile, zeigt in der Figur des Gullivers wie trügerisch sie sein kann, wenn sie sich erfüllt und in der Figur der morphiumabhängigen Ärzten ihre zerstörischere Kraft, wenn man sie fahren lässt.


    Das hier von einigen kritisierte Ende ist für mich das einzig mögliche.



    War für mich schon "Der Richter und sein Henker" ein Buchtipp, so ist es "Der Verdacht" umso mehr.


    :tipp:

    Einmal editiert, zuletzt von dodo ()

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    Kurzbeschreibung:

    Kommissär Bärlach liegt im Krankenhaus. Todkrank liest er in der Zeitschrift ›Life‹ einen Artikel über den berüchtigten Nazi-Arzt Nehle, der im KZ Stutthof ohne Narkose operierte. Einem Freund von Bärlach, der gleichzeitig sein Arzt ist, kommt der Mann auf dem Foto unheimlich bekannt vor.


    ***


    Noch mehr als in "Der Richter und sein Henker" steht in "Der Verdacht" die Motivation des Bösen im Mittelpunkt, weniger die tatsächliche Suche nach dem Verbrecher. Auch in "Der Verdacht" sind es vor allem die philosophischen Gespräche zwischen Bärlach und den anderen Protagonisten die fesseln und deren Stimmung man sich nicht entziehen kann. Die Grundthematik ist entsetzlich, mir lief mehr als einmal das kalte Grauen den Rücken hinunter. Insofern fand ich dieses Geschichte stellenweise schwerer auszuhalten, als das dagegen beinahe noch klassische Kriminalstück "Der Richter und sein Henker", wobei auch darin schon die eigentliche Tätersuche schon kaum eine Rolle spielte .


    "Der Verdacht" wirkte auf mich fast wie ein Theaterstück, ein Kammerspiel, was sicherlich mit dem abgegrenzten räumlichen Rahmen und den vergleichsweise wenigen Protagonisten in den beiden Krankenhäusern zusammenhängt.

    Vor allem Gulliver und auch der Zwerg sind beeindruckende literarische Gestalten, sicherlich überspitzt und insbesondere in der Gestalt des Gulliver beinahe übermenschlich. Das teilweise kritisierte Ende wirkt auf mich ebenfalls wie aus einemTheaterstück, erinnert mich vage an antike Dramen oder Shakespearestücke. Die Auflösung ist nicht ganz irdisch, sie ist einen Hauch phantastisch, wie es auch die ganze Gestalt des Gulliver ist.


    Bei dem Gespräch zwischen Gulliver, Bärlach und dem Zwerg und auch bei der Uhr-Szene, kam mir glaub ich sehr entgegen, daß ich die Lesung von Hans Korte gehört habe, - er war der perfekte Sprecher für dieses Buch. Ich kann jedem nur empfehlen die Bärlach-Bücher in dieser Hörbuchfassung zu erleben. "Der Verdacht" wird mir sicher intensiv in Erinnerung bleiben.

    Von mir klare


    5ratten



    dodo

    Das Ende hab ich ganz ähnlich empfunden.

    Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir.

    Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde.”

    (aus: "Die Stadt der träumenden Bücher")