Sayed Kashua - Tanzende Araber

Es gibt 12 Antworten in diesem Thema, welches 4.277 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Aldawen.

  • Hallo!


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    Inhalt laut Amazon:


    In ein jüdisches Internat wird der Held dieses ungewöhnlichen Erstlingsromans eines jungen palästinensischen Israeli gesteckt. Als hochbegabter Schüler erhält er den begehrten Platz und sitzt nun als einziger Araber in einer Klasse voller jüdischer Kinder, die alles anders machen als er - selbst wenn es darum geht, wie man ein Hühnchen isst. Aufgewachsen ist er in dem arabischen Dorf Tira, mit der Legende seines 1948 ums Leben gekommenen Großvaters und einem ehrgeizigen Vater, der in seiner Jugend die Universitätscafeteria in die Luft gejagt und dafür zwei Jahre im Gefängnis gesessen hat und nun hofft, dass sein Sohn Pilot wird oder zumindest der erste Araber, der eine Atombombe baut. Der Sohn stellt sich allerdings als "Feigling" heraus, genau wie seine Brüder.
    Der Erzähler flüchtet sich hinter eine Vielzahl von Masken und muss doch verzweifeln an dem unauflösbaren Konflikt der Identitätsfindung - weder in der arabisch en noch in der jüdischen Welt findet er eine innere Heimat. Ein mutiges und hellsichtiges Buch, dessen sanfte Selbstironie und melancholischer Witz überraschen.


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    Teilnehmer:


    Dubh?
    Aldawen?
    Tina
    Thanquola
    Saltanah


    Viel Spaß, fairy

    [size=9px]&quot;I can believe anything, provided that it is quite incredible.&quot;<br />~&quot;The picture of Dorian Gray&quot;by Oscar Wilde~<br /><br />:leserin: <br />Henry Fielding - Tom Jones<br /><br />Tad Williams - The Dragonbone Chair<br /><br />Mark Twai

  • Für die ersten 40 Seiten hat es heute abend gerade noch gereicht. Bis hierhin kommt es mir so vor, als müßte oder wollte Kashua erst einmal seine Personen positionieren wie Figuren auf dem Schachbrett. Er erzählt, wie der Vater zu dem Menschen wurde, der er ist, ohne es wirklich erklären zu können. Da der Erzähler dabei aus seiner Kindheit berichtet, finde ich das angemessen, denn in dem Alter hätte er die Ereignisse tatsächlich nicht anders reflektiert und jene vor seiner Geburt entziehen sich sowieso seiner Bewertung.


    Der Vater ist enttäuscht über seine Söhne, weil sie nicht seine Einstellungen zur „palästinensischen Sache“ teilen, aber sind sie dafür nicht auch einfach noch zu jung? Das Krieg-„Spielen“ haben sie immerhin schon verinnerlicht, und der Vater tut selbst einiges dazu, dies zu fördern wie durch die Auswahl des Video-Programms. Was mich überrascht hat: Der Erzähler gilt als bester Schüler der vierten Klassen seiner Schule, aber bislang gab es offensichtlich kaum Hebräisch-Unterricht, wenn die angeführten Sätze repräsentativ sind. Ob das nur ein Versäumnis des Lehrers ist, der sich mit seinem Fach nicht besonders zu identifizieren scheint. Und aus dieser Gegenüberstellung läßt sich schon ein wenig ablesen, wie Worte und Verhalten auf beiden Seiten zur Ausbildung bzw. Verfestigung von Einstellungen, zum gegenseitigen Bestätigen von Vorurteilen beitragen. Ich bin gespannt, wie sich der Erzähler mit der Zwickmühle arrangiert, den ganz herauskommen wird er wohl nicht.


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Die ersten 6 Kapitel habe ich ja schon gestern früh gelesen, konnte aber seitdem (die Arbeit ist im Moment die Hölle, ich bin körperlich und psychisch fix und alle) nicht weiter lesen und hatte auch noch keine Energie, etwas zu schreiben. Da ich morgen und übermorgen nacht wieder arbeiten muss, kann es gut sein, dass ich erst nächste Woche "richtig" einsteigen kann.


    Bisher kann ich mit dem Buch noch nicht viel anfangen. Teils liegt das an meinem mangelnden Hintergrundwissen (Wann war noch mal gleich der Sechstagekrieg? Wie war das mit Nasser? Etc.), teils auch an einer starken Abneigung gegen den Vater. Natürlich hat der schlimme Erfahrungen hinter sich, natürlich ist seine Situation und die seiner Mitpalästinenser ganz und gar nicht beneidenswert, aber trotzdem nehme ich es ihm übel, wie verachtend er mit seinen Söhnen umgeht. Die sind ihm viel zu wenig "Helden" :rollen: , ganz und gar nicht so, wie er selbst mal war - oder wie er sich erinnert, als Kind gewesen zu sein, was ja nicht unbedingt übereinstimmt. Aber meine Abneigung ihm gegenüber begann eigentlich schon vorher, und dazu kann er nichts. Seine Mutter (die mir als Oma des Erzählers eigentlich gefällt) tat alles für ihn, nahm die größten Entbehrungen auf sich. Schön und gut - was aber, fragte ich mich gleich, ist mit ihren Töchtern? Wie viel hat sie für die getan? Erfahren tun wir darüber nichts, aber ich sehe deutlich vor mir, wie sie immer und in allem hinter ihrem kleinen Bruder, dem Prinzen, zurückstecken mussten. So was macht mich sauer - andere Kultur hin oder her.
    Auch dass die Kinder (die Jungs zumindestens) von klein auf zu Soldaten trainiert werden, finde ich nur furchtbar, wenn es auch irgendwie verständlich ist.


    Ich werde versuchen, heute nacht noch ein paar Seiten zu lesen und werde mich wieder melden, sobald ich Zeit und Energie genug dafür habe.


    Bis dann,
    Saltanah

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo,


    ich habe gestern mit dem Buch angefangen und musst mich dazu zwingen es auf die Seite zu legen. Mir gefällt es sehr gut, zumal es endlich mal das aufzeigt, was nämlich die Wurzel allen Übels ist. Kinder bekommen schon von frühster Stunde an gezeigt, wer der FEind ist und das man ihn zu hassen hat. Dem erwachsenen Menschen wird quasi die Chance genommen, sich vorurteilsfrei, seine eigene Meinung zu bilden. Zu sehen, dass auch die "andere" Seite Menschen sind wie sie, mit den selben Wünschen und den selben Bedürfnissen; dass die einzige Möglichkeit, mit dem Feind zu kommunizieren Gewalt ist. Das macht mich wütend. Den Kindern wird gar nicht vermittelt, dass es auch friedliche Wege für ein Zusammenleben geben könnte.
    Zudem wird dies verhindert, durch die willkürliche Militärgewalt. Menschen werden eingesperrt, misshandelt und ihnen stehen keinerlei Rechte zu. Da liegt es nahe, dass man nur noch Hass auf die andere Seite bekommt. Leider vergisst man schnell, dass in dieser anderen Bevölkerung, eben der "normale" Mensch eigentlich nichts mit dieser Militärherrschaft zu tun hat und so schaukelt sich ein Hass hoch, der über Generationen weitergegeben wird und man bekommt den Eindruck, dass dieses aus dem Ruder gelaufenen Schiff nie wieder auf den rechte Kurs gebracht werden kann.

  • Ich habe heute den ersten Teil beendet.
    Er war mir zu episodenhaft erzählt, was natürlich gut zu Kindheitserinnerungen passt, denn genau so "fleckenhaft" erinnert man sich ja an seine Kindheit und daran, was einem Eltern/Großeltern aus deren eigener Lebensgeschichte erzählt haben, aber trotzdem ist mir das zu wenig "künstlerisch", zu wenig ausgearbeitet.
    Probleme macht mir auch die große Distanz, mit der der Erzähler erzählt, seine kühle Art, die Ereignisse zu schildern. Trotzdem übt das Buch eine gewisse faszination auf mich aus, die sich zu Anfang des zweiten Teils, in den ich schon mal reingelinst habe, noch verstärkt.



    Kinder bekommen schon von frühster Stunde an gezeigt, wer der FEind ist und das man ihn zu hassen hat. Dem erwachsenen Menschen wird quasi die Chance genommen, sich vorurteilsfrei, seine eigene Meinung zu bilden. Zu sehen, dass auch die "andere" Seite Menschen sind wie sie, mit den selben Wünschen und den selben Bedürfnissen; dass die einzige Möglichkeit, mit dem Feind zu kommunizieren Gewalt ist. Das macht mich wütend. Den Kindern wird gar nicht vermittelt, dass es auch friedliche Wege für ein Zusammenleben geben könnte.
    Zudem wird dies verhindert, durch die willkürliche Militärgewalt. Menschen werden eingesperrt, misshandelt und ihnen stehen keinerlei Rechte zu. Da liegt es nahe, dass man nur noch Hass auf die andere Seite bekommt. Leider vergisst man schnell, dass in dieser anderen Bevölkerung, eben der "normale" Mensch eigentlich nichts mit dieser Militärherrschaft zu tun hat und so schaukelt sich ein Hass hoch, der über Generationen weitergegeben wird und man bekommt den Eindruck, dass dieses aus dem Ruder gelaufenen Schiff nie wieder auf den rechte Kurs gebracht werden kann.


    Das hast du sehr schön gesagt, Tina!

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Den ersten Teil habe ich gestern abend noch beendet. Bis hierhin finde ich es zwar nicht uninteressant, aber ähnlich wie Saltanah war es mir zu episodenhaft erzählt, in einem Roman läßt sich das anders lösen. Außerdem ist mir die Sprache etwas zu simpel, auch in der Beziehung erwarte ich von einem Autor mehr.


    Die Großmutter finde ich schwierig. Einerseits ist sie mir schon sympathisch, gerade auch wie sie sich gegen die Kinder ihres Mannes aus erster Ehe durchsetzt. Andererseits stört mich auch, daß sie ihrem Sohn offensichtlich den Hintern hinterhergetragen hat und die Mädchen sehen konnten, wo sie bleiben. Möglicherweise ist das bei ihr extremer, weil auch sie selbst sich als Waise einigermaßen erfolgreich durchgeschlagen hat und deshalb der Ansicht ist, ihre Töchter würden das dann wohl auch schon irgendwie schaffen. Aber die Bevorzugung des Sohnes, der das als selbstverständlich hinnimmt und nicht einmal die Anstrengungen und Entbehrungen, die seine Mutter für ihn auf sich nimmt, zu würdigen weiß, kann ich auch nicht akzeptieren.


    Ebenso ist mir die Überkreuz-Hochzeit aufgestoßen, nicht wegen der Tatsache als solches, aber wegen der damit einhergehenden Besitzansprüche und tolerierten Behandlungen der Frauen durch die jeweils andere Sippe. Das ist einfach menschenverachtend, und für mich nicht erträglich.


    Tina: Da kann ich Dir nur zustimmen.

  • Nach dem 2. + 3. Teil muss ich weiterhin feststellen, dass mir das Buch nicht besonders gut gefällt, aber trotzdem fesselt es mich mehr und mehr. Es ist mir einfach nicht "literarisch" genug (stilistisch und vom Aufbau her gesehen), zu sehr Autobiographie, zu wenig Roman.


    Inhaltlich stört mich vor allem, dass die Zeitangaben fehlen. Wann spielt es, wann ist der Erzähler geboren, wie alt ist er bei den verschiedenen Ereignissen, etc. Mir ist eine zeitliche Deutlichkeit eines Buches einfach sehr wichtig, und gerade wenn Kindheitserlebnisse geschildert werden, ist es zur richtigen Einschätzung ja wichtig zu wissen, wie alt das Kind jeweils ist.


    Positiv fällt mir auf, dass sich der Autor vor einer Verherrlichung der Palästinenser hütet. Der Vergleich arabische/jüdische Schule fällt z. B. nicht gerade positiv für die arabische Seite aus. Brutale Lehrer, Auto waschen im Unterricht, hochbegabtes Kind in der schwächsten Klasse, weil es dessen Eltern an Beziehungen fehlt ... Nicht gerade schön, das Ganze.


    Auch die Überkreuz-Hochzeit lässt mich nicht gerade von einem arabischen Leben träumen. Schlimmer noch als den Handel "Du kriegst meine Tochter, wenn ich dafür deine Schwester bekomme" fand ich das "Er hat seine Frau schlecht behandelt, also schlage ich meine", ganz unabhängig davon, wie sich meine verhalten hat :entsetzt: :grmpf: .


    Interessant wird es im 3. Teil, als der Erzähler von der Vergeblichkeit aller Anpassungsversuche spricht. Darüber möchte ich unbedingt mehr erfahren. Er jedenfalls versucht sich bisher erfolgreich in Mimikry, sieht zu, wie ein Jude auszusehen, um auf der Straße nicht gleich als Araber erkannt und als solcher behandelt zu werden. So was ist ebenso verständlich wie tragisch. Tragischer aber finde ich noch, dass er z. B. die Freude an arabischer Musik verliert, sie ihm nicht mehr gefällt, sondern nur noch mag, was auch seinen Schulkameraden gefällt.


    Glaubt ihr übrigens dem Vater, wenn er großkotzig behauptet "Also ich habe ja immer mit meinem Pass gewedelt, damit mich die Soldaten auch als Araber erkennen!"? Ich habe da so meine Zweifel. Vor allem frage ich mich, wieso die Soldaten ihn nicht schon an seinem Äußeren, also an seiner Kleidung als Araber identifizieren konnten. Hat er vielleicht ähnliche Mimikry betrieben wie sein Sohn und sich dann eventuell ein Mal (vermutlich in Begleitung von Freunden, vor denen er sich ncht bloßstellen wollte), als Araber "geoutet"? Etwas, das er vor seinem Sohn dann "immer" getan hat. - Ganz abgesehen davon: wie alt war der Vater, als er mit dem Bus fuhr? Doch Student, kein Schüler mehr und damit einige Jahre älter als sein Sohn jetzt, und damit auch in der Lage, mit der Situation ganz anders umzugehen. Ich sehe den Vater als einen Angeber, der seine Schwäche den Juden gegenüber (ich nehme mal an, er muss im alltäglichen Leben einiges an Demütigungen einstecken, und musste das im Gefängnis natürlich noch viel mehr) an seinem Sohn auslebt. Er ist der große Held, der sich nie was gefallen lässt, sein Sohn dagegen ein erbärmlicher Schwächling. Psychologisch zwar verständlich, aber kein Paradebeispiel für einen guten Vater.


    Schockierend fand ich in III/8 (3. Teil, 8. Kap.), dass der Erzähler nun zum ersten Mal auch etwas über die jüdische Seite der Geschichte lernt. Bis dahin war z. B. "Zionist" nur ein Schimpfwort, jetzt bekommt das Wort auch eine Bedeutung. Ganz einseitig wurde ihm zu Hause und in der Schule alles jüdische als abgrundtief schlecht dargestellt, und dazu nicht nur alles verschwiegen, was nicht in das Bild passt, sondern auch die Wahrheit entstellt. So überträgt man seinen Hass auf seine Kinder, sorgt dafür, dass ein Konflikt nicht stirbt. Erschreckend! Jetzt endlich sieht der Junge auch die andere Seite der Medaille.


    Ich bin gespannt, wie es weiter geht in diesem Buch, das mich als literarisches Werk nicht überzeugt, inhaltlich aber zunehmend fasziniert.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo,


    ich fürchte, ich hinke euch total hinterher, mich hat zurzeit mal wieder die Leseflaute erwischt. (Deswegen habe ich mich auch so lange nicht gemeldet, ich dachte immer, vielleicht lese ich ja morgen mehr, und dann wurde natürlich jedesmal wieder nichts daraus.) Ich habe auch angefangen, bin aber gerade mal im zweiten Kapitel.


    Das liegt aber nicht an dem Buch, das gefällt mir nämlich sehr gut (soweit ich das eben nach zwei Kapiteln sagen kann :rollen: ) Nach euren Äußerungen hoffe ich nur, dass es nicht zu episodenhaft ausfallen wird - damit habe ich nämlich auch immer meine Probleme.



    Kinder bekommen schon von frühster Stunde an gezeigt, wer der FEind ist und das man ihn zu hassen hat. Dem erwachsenen Menschen wird quasi die Chance genommen, sich vorurteilsfrei, seine eigene Meinung zu bilden. Zu sehen, dass auch die "andere" Seite Menschen sind wie sie, mit den selben Wünschen und den selben Bedürfnissen; dass die einzige Möglichkeit, mit dem Feind zu kommunizieren Gewalt ist. Das macht mich wütend. Den Kindern wird gar nicht vermittelt, dass es auch friedliche Wege für ein Zusammenleben geben könnte.


    Das ist wirklich schlimm. Und diese Kinder werden es später wieder ihren Kindern beibringen. Ich hoffe, dass dieser Kreislauf irgendwann durchbrochen werden kann, jedoch wird das sicher noch lange brauchen, bis es soweit ist.

    Einmal editiert, zuletzt von Thanquola ()

  • Die Abschnitte II und III habe ich inzwischen auch beendet und mich überzeugt das Buch bislang nicht. Noch immer ist es sehr episodenhaft und auch wenn diese Episoden einzelne Punkte im (Nicht-)Zusammenleben von Israelis und Palästinensern wie ein Schlaglicht beleuchten, so fehlt mir doch ein roter Faden darin hinsichtlich der (einer) Entwicklung des Erzählers. Zwar lernt er im Internat, das sich im großen und ganzen schon recht wohltuend von seiner früheren Schule abhebt, die hebräische Sicht kennen, aber bislang habe ich nicht den Eindruck, daß er daraus irgendwelche besonderen Konsequenzen zieht. Sein Assimilierungsversuch scheint mir nicht einem grundlegenden Sinneswandel zu entspringen, sondern vor allem dem Wunsch, nicht aufzufallen und damit Problemen aus dem Weg zu gehen. Das ist zwar ein sehr verständliches Verhalten, aber für einen Roman ist es mir als Aufhänger zu wenig.



    Inhaltlich stört mich vor allem, dass die Zeitangaben fehlen. Wann spielt es, wann ist der Erzähler geboren, wie alt ist er bei den verschiedenen Ereignissen, etc. Mir ist eine zeitliche Deutlichkeit eines Buches einfach sehr wichtig, und gerade wenn Kindheitserlebnisse geschildert werden, ist es zur richtigen Einschätzung ja wichtig zu wissen, wie alt das Kind jeweils ist.


    Ja, das ist etwas störend. Ein Ansatzpunkt war der dezente Hinweis auf den ersten Golfkrieg, aber meist grüble ich auch, in welchem Jahr wir uns wohl ungefähr befinden. Das wird durch die nicht-lineare Erzählweise auch nicht gerade vereinfacht.



    Glaubt ihr übrigens dem Vater, wenn er großkotzig behauptet "Also ich habe ja immer mit meinem Pass gewedelt, damit mich die Soldaten auch als Araber erkennen!"?


    Kein Wort! Er ist m. E. einfach ein Großmaul, der auf seinen Sohn projiziert, was er selbst gern gewesen wäre und getan hätte, und der Junge soll es jetzt statt seiner tun. Ziemlich ärmlich, in meinen Augen, und als Vater ein Versager.




    Ganz einseitig wurde ihm zu Hause und in der Schule alles jüdische als abgrundtief schlecht dargestellt, und dazu nicht nur alles verschwiegen, was nicht in das Bild passt, sondern auch die Wahrheit entstellt. So überträgt man seinen Hass auf seine Kinder, sorgt dafür, dass ein Konflikt nicht stirbt. Erschreckend! Jetzt endlich sieht der Junge auch die andere Seite der Medaille.


    Durchaus richtig, aber mir fehlt da wie gesagt ein Hinweis darauf, welche Konsequenzen er daraus zieht. Bislang gar keine, mit einer Rückkehr in die familiäre Welt würde dieser Lack vermutlich sehr schnell wieder verschwinden, weil er eben nur eine oberflächliche Anpassung darstellt. Aber vielleicht passiert ja noch etwas in der Richtung, ich habe noch Hoffnung :zwinker:

  • Hallo,


    ich habe gestern das Buch zu Ende gelesen. Ich fand es trotz seines einfachen Schreibstils gut. Warum das kann man hier in meiner Rezension nachlesen.


    Ich fand es schlimm, am Ende, dass der Protagonist seine eigene Identität versteckt und sich seiner Herkunft wegen schämt. Es geht nicht darum zum Juden zu werden, es geht darum den anderen so wie er ist anzunehmen, vorurteilsfrei und einfach Toleranz entgegenzubringen. Man muss sich nicht lieben, man muss noch nicht einmal Freunde werden, aber man sollte sich respektieren, ohne dabei seine Identität zu verlieren.


    Tina

  • Freut mich, dass dir das Buch gefallen hat, Tina. Mir geht das leider anders. Es kann mich nicht wirklich überzeugen.


    Das liegt teilweise am Stil, aber mehr noch daran, dass ich mir kein wirkliches Bild von den Lebensbedingungen des Erzählers machen kann. Im 4. Teil erwähnt er zwar öfters, dass er arbeitet, aber nie, was er eigentlich tut, wieviel Geld er damit verdient, ob das zusammen mit dem Einkommen seiner Frau zum Leben reicht, wie sicher die Jobs sind, ob er bei der Arbeitssuche als Araber (anzunehmen) diskriminiert wird...
    Die Probleme, die es bereitet, ein Araber in Israel zu sein, kommen mMn viel zu kurz. Zwar wird beschrieben, wie Juden den Stadtteil, in dem er wohnt, zu überfallen drohen und die Angst, die er aussteht, eindringlich beschrieben, aber wirklich "rund" wird mir das Ganze nicht. Was ihm im alltäglichen Leben passiert, würde mich mehr interessieren.
    Auch über seine (versuchte) Assimilation habe ich bisher zu wenig erfahren. Gut - er "verkleidet" sich als Jude, um auf der Straße nicht aufzufallen. Aber ist das wirklich schon ein Assimilationsversuch? Versucht er denn, in die jüdische Gesellschaft hineinzukommen? Hat er jüdische Freunde, hat er versucht, jüdische Freunde zu bekommen?
    Gut, er ist kein Araber aus voller Überzeugung, findet die arabischen Tänzer im 10. Kap. peinlich - eine starke Szene, die schon zeigt, dass er in gewisser Weise zwischen den Stühlen sitzt. Aber mir scheint das eher private Gründe zu haben; sein Vater hat ihm ja schon als kleines Kind immer wieder gesagt, dass er kein "richtiger" Araber ist, und so richtig "zu Hause" hat er sich in seiner arabischen Heimatstadt nicht gefühlt. Aber alles dies führe ich eher auf seine Persönlichkeit zurück, als auf die politischen Verhältnisse, die mir viel zu kurz kommen.
    Er ist in meinen Augen eine arme Socke, eine schwache Persönlichkeit, die lieber keine Familie haben sollte (bei der Art, wie wir im 4. Kap. erfuhren, dass er Vater gewrden ist, habe ich nur mit den Augen gerollt; das erwähnt er nur ganz nebenbei, als ob seine Tochter eine Nebensache sei), ein Mensch, der sein Leben nicht auf die Reihe bekommt, und der genausogut in einem anderen Land an seinem Leben verzweifeln könnte.
    Ach ja, was man so nebenbei immer mal wieder über die Lebensbedingungen der arabischen Frauen erfährt, bringt mich zum Kochen! :grmpf:

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Das hatte mich auch massiv gestört. Irgendwann wurde nebenbei von der "KLeinen" gesprochen. Für mich war die Geburt meines Kindes was ganz besonderes, einmaliges, wunderschönes gewesen; das wichtigste schlechthin in meinem Leben. Das konnte ich auch überhaupt nicht nachvollziehen.

  • Ich habe gestern abend den letzten Teil gelesen und Saltanahs Kommentar absolut nichts hinzuzufügen. Genau die gleichen Punkte würde ich auch kritisieren und aus ebendiesen Gründen habe ich die gleichen Probleme mit dem Buch. Das ist sehr schade, denn der Autor hat hier die Gelegenheit verschenkt, ein wichtiges Thema adäquat in einen Roman zu packen und damit einer größeren Leserschaft bewußt zu machen. So ist es tatsächlich von einer gewissen Beliebigkeit, weil die konkreten Rahmenbedingungen des Arabers in Israel nur eine untergeordnete Nebenrolle spielen.