Siegfried Lenz - Schweigeminute

Es gibt 30 Antworten in diesem Thema, welches 15.708 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Kiba.

  • Da man das Ende schon zu Anfang erfährt, umgibt ein Hauch von Melancholie und Trostlosigkeit die ganze Geschichte. Dennoch ist es eine ergreifende Erzählung. In einem Buch mit gerade mal 130 Seiten kann gar nicht alles beschrieben werden, was so eine Beziehung ausmacht. Deshalb ist auch der Leser gefragt, sich selbst Gedanken zu machen und zwischen den Zeilen zu lesen. Was ich allerdings vermisste, ist der Anfang der Beziehung zwischen den beiden, denn da gab es schon eine gewisse Vertrautheit.


    Mich hat das Buch mit Lenz versöhnt. Seit ich eines seiner Bücher als Schullektüre lesen musste, habe ich die Finger von ihm gelassen. Aber durch „Schweigeminute“ bin ich auf den Geschmack gekommen.


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:




    ...der 17 - Jährige war in Wirklichkeit 27, so wie er agierte und dachte ...


    Laut Aussage seines Vaters ist er 18. Und ich kenne einige junge Leute in dem Alter, die solcher Empfindungen durchaus fähig sind, weil sie mehr Feinfühligkeit besitzen als mancher Ältere :zwinker:


    Wozu braucht man da fertig lesen, wenn man das Ende kennt.


    Aha. Umgemünzt auf das Leben könnte ich also sagen: Ich kann mir auch gleich die Kugel geben, weil ich ohnehin einmal sterbe?
    Der Weg ist das Ziel. :smile:

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    Während der Gedenkfeier für seine verstorbene Englischlehrerin Stella denkt der 18-jährige Christian an den gemeinsam verbrachten Sommer zurück, in dem sich zwischen den beiden eine Liebesbeziehung entwickelte.


    Da ich Lenz schätze (oder besser schätzte, als ich mich vor 30 Jahren durch sein in dem Regal meiner Eltern reichlich vorhandenes Werk las) hatte ich trotz des mich nicht besonders ansprechenden Inhalts relativ hohe Erwartungen an diese Novelle, die leider nicht erfüllt wurden. Dies lag vor allem an dem Stil, der mir gestelzt erschien und vor allem nicht zu einem verliebten Jugendlichen passte. Er hat sich also unsterblich in seine Lehrerin verliebt, hat mit ihr seine (vermutlich) ersten sexuellen Erfahrungen gemacht und erinnert sich ein paar Monate später so daran zurück: "[...] und wir liebten uns dort in der Mulde bei den Kiefern." (S. 51 TB)?


    Mir erscheint eher, dass da ein alter Mann sich an eine Liebesgeschichte in seiner Jugend erinnert, mit einem so großen emotionalen Abstand werden die romantischen und tragischen Ereignisse geschildert. Auch mir fehlte die Leidenschaft in der Geschichte - nicht dass ich nackenbeißerische Sexszenen erwartete, bin sogar froh, von sexuellen Schilderungen verschont geblieben zu sein, aber es fehlte auch jedes erotische Knistern, jedes Schmetterlinge-im-Bauch-Gefühl.


    Da sagten mir die Schilderungen des Steinfischens und Wellenbrecherbaus schon viel mehr zu. Hier tauchten vor meinem inneren Auge detaillierte Bilder auf, eine zwar kühle, aber eben doch vorhandene Ostsee-Atmosphäre wurde deutlich. Eben jene Atmosphäre, die der Liebesgeschichte so völlig fehlte.


    Mit Ach und Krach, weil's doch angenehm kurz war 3ratten

    Wir sind irre, also lesen wir!

    Einmal editiert, zuletzt von Saltanah ()

  • Ich liebe das Meer, und es muss nicht das warme Mittelmeer sein (an dem ich sowieso noch nie war), sondern mir reicht die See voll und ganz. Bei jedem Wetter.


    Ich wusste vorab gar nicht, dass die Erzählung dort spielt, und so war ich positiv überrascht. Durch meine zahlreichen Urlaube am Meer (Nordsee allerdings, an der Ostsee war ich auch noch nie) konnte ich mich umso besser in die Atmosphäre hineinversetzen, und so leise, wie hier erzählt wird, so frei und grenzenlos wie die Küste und das Meer sind, so leicht flogen meine Empfindungen über die Seiten hinweg.
    Die Geschichte ist durchaus tragisch, und den depressiven Faktor möchte ich hier nicht von der Hand weisen, aber für so wenige Seiten reicht es vollkommen. Mehr Spannung, mehr Erotik wäre hier meiner Meinung nach fehl am Platz gewesen.


    Dass der Ausgang der Geschichte bereits am Anfang erwähnt wird, ist doch ein relativ gängiges Stilmittel, jedoch vermögen es nur wenige Autoren, den Leser derart weiter zu unterhalten. Mit einem seichten Krimi à la "Prolog: bla bla... 24 Stunden zuvor: bla bla..." kann man diese Novelle ja gar nicht vergleichen.


    Ich weiß meine Meinung gar nicht recht in Worte zu fassen. Mir hat das Buch gefallen. Der ruhige Ton, die Schlichtheit, und vor allem der Ort - die See - haben es mir angetan. Ich kann die Möwen kreischen hören und schmecke das Salz auf meinen Lippen. Die Wellen schlagen gegen die Hafenmauer und der Fischkutter tuckert auf dem Wasser vor sich hin.


    Auf jeden Fall 3ratten & :marypipeshalbeprivatmaus: für ein schönes Leseerlebnis , vielleicht sogar knapp 4ratten...


    Dies ist eines der Bücher, zu denen ich am besten nach ein paar Tagen meine endgültige Meinung abgeben kann, weil der Eindruck erst sacken muss.


    Mit liebem Dank an Klassikfreund,
    viele Grüße,
    Claudia

    "Verzicht bedeutet für Frauen die kurze Pause zwischen zwei Wünschen."

    ~ Mario Adorf

    Einmal editiert, zuletzt von Schokomaus ()

  • Hallo,


    wir haben das Buch im Rahmen unseres Lesekreises gelesen und eine Tag vorm Tod des Autors besprochen... und irgendwie umgibt das Buch nun eine merkwürdige Aura.


    Ich mochte die ruhige, unkonkrete Sprache mit der die Geschichte erzählt wurde. Auch die Bilder vom Meer waren mir oft klar vor Augen, doch inhaltlich habe ich oft gestutzt. Zu viele Fragen stelle ich mir zum Handeln und Denken der Hauptfiguren. Warum reflektieren sie ihr handeln nicht, wo sind Zweifel und Angst vor der Entdeckung dieser Liebe, wo sind die verwirrten Gefühle eines Teenagers und v.a. warum lässt es Stella dazu kommen?
    Viele Aspekte der Handlung waren mir rational gesehen nicht klar und ich kann sie nicht einordnen. Im Lesekreis sind wir dann zu der Meinung gelangt, dass die Geschichte schon älter sein muss, als der Zeitpunkt ihres Erscheinen. Vermutlich hat Herr Lenz sie schon in der Zeit ihr Erzählzeit also Anfang der 1960er geschrieben.


    Trotzdem hat mich die Stimmung dieser Novelle berührt und ich habe sie gern gelesen.


    von mir gibts 3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    Viele Grüße
    schokotimmi

  • Das ZDF verfilmt übrigens derzeit die "Schweigeminute" mit Julia Koschitz und Jonas Nay in den Hauptrollen (s. Meldung auf presseportal.de). Ein Sendetermin steht aber noch nicht fest. Ich bin gespannt. Ich mag Julia Koschitz ja sehr. :smile: Seit "Doctor's Diary". :breitgrins:

  • 5ratten


    Eines meiner Lieblingsbücher :smile:
    Welch ein anrührendes Buch! Siegfried Lenz erzählt die Geschichte einer längst vergangenen Liebe: Als Gymnasiast verliebt sich Christian in seine Englischlehrerin Stella und sie werden ein Liebespaar. Doch diese Verbindung währt nur kurz: Bei einem Schiffsunglück wird Stella so schwer verletzt, dass sie kurz darauf stirbt. Erzählt wird diese Liebe von dem mittlerweile älteren, erfahrenen Christian, der sich an díe Gedenkveranstaltung (und die damit verbundene Schweigeminute, daher der Titel) erinnert und daran, wie er währenddessen die gemeinsame Zeit noch einmal durchlebte. Diese Perspektive ist gut gewählt: Die Wortwahl, die sorgsam ausgewählten Sätze hätten für einen 18-Jährigen nicht glaubhaft gewirkt.
    Das ganze Buch ist von einem wunderbar liebevollen, zärtlichen Ton geprägt. Man spürt noch immer die Gefühle, die Christian seiner Lehrerin entgegenbrachte, aber auch die Trauer über das abrupte Ende ihrer Beziehung und all der eventuell verpassten Möglichkeiten einer gemeinsamen Zeit. Mir standen mehr als einmal die Tränen in den Augen.
    SEHR ZU EMPFEHLEN!!!

    Je mehr sich unsere Bekanntschaft mit guten Büchern vergrößert, desto geringer wird der Kreis von Menschen, an deren Umgang wir Geschmack finden.    Ludwig Feuerbach (1804 - 1872)


  • ...die Verfilmung läuft schon am kommenden Montag (31.10.) im ZDF... :popcorn:


    Den Film kann ich empfehlen. Soweit ich das Buch noch in Erinnerung hatte, bleibt der Film nah an der Handlung und fügt nichts dazu, um den Plot fernsehtauglicher zu machen.

  • Den Film kann ich empfehlen. Soweit ich das Buch noch in Erinnerung hatte, bleibt der Film nah an der Handlung und fügt nichts dazu, um den Plot fernsehtauglicher zu machen.

    Danke für den Hinweis - den Film habe ich damals leider verpasst. Aber wenn man sich auf Eines im Fernsehen verlassen kann, dann die Wiederholungen :zwinker:

    Je mehr sich unsere Bekanntschaft mit guten Büchern vergrößert, desto geringer wird der Kreis von Menschen, an deren Umgang wir Geschmack finden.    Ludwig Feuerbach (1804 - 1872)

  • Ich habe das Buch als netten Lesehappen für Zwischendurch empfunden. Das ganze Drumherum um die Liebesgeschichte fand ich gut geschildert. Aber die Liebelei leider nicht. Speziell fand ich die Sorglosigkeit sehr unglaubwürdig, mit der die beiden eine Entdeckung riskieren, wenn sie sich an einem öffentlich zugänglichen Strand näherkommen. Das könnte sich keine Lehrerin leisten, speziell, wo in dieser Hinsicht immer alles mit Argusaugen beobachtet wird. Und der viele Körperkontakt (nicht nur zwischen Stella und Christian) war auch irgendwie deplaziert.


    Dann möchte ich noch erwähnen, dass das Buch eigentlich in den Bereich Liebe & Erotik gehört und freue mich schon auf euer Protestgeschrei. :P


    3ratten

    Bücher sind Magie zum Mitnehmen.