Dai Sijie – Balzac und die kleine chinesische Schneiderin

Es gibt 11 Antworten in diesem Thema, welches 7.178 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Kirsten.

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    Inhalt: Zwei Jungen aus der Stadt, aus akademischen Familien, werden zur „Umerziehung“ in ein abgelegenes Bergdorf geschickt. Das Leben ist hart, die Chancen, aus diesem Leben wieder herauszukommen, sind für beide minimal. Als sie einem Bekannten aus der Stadt, der ins Nachbardorf geschickt wurde, in einer Notsituation helfen, gibt dieser ihnen ein Buch: Ursula Mirouet von Honoré de Balzac. Die beiden berauschen sich förmlich daran, wollen mehr, zumal sie wissen oder zumindest ahnen, daß dieser Junge über einen ganzen Koffer voller Bücher verfügt, an den sie gerne herankämen. Die hübsche junge Schneiderin in einem anderen Nachbardorf läßt sich die Geschichte auch gerne erzählen, Luo (der Freund des Erzählers) und sie werden ein Liebespaar. Aber die Literatur hat auch noch andere Effekte ...



    Meine Meinung: Die beiden Jungs sind recht sympathisch, wie sie es schaffen, in der „Umerziehung“ doch sie selbst zu bleiben. Und die Verführungen der Literatur sind wohl jedem Leser nachvollziehbar. Der Umfang des Romans steht aber sowohl einer genaueren Charakterzeichnung als auch einem tieferen Einblick in die genauen Umstände dieser „Umerziehung“ entgegen. Sicher, das war vermutlich auch gar nicht das Anliegen des Autors, aber ein bißchen schade ist es schon.


    Gerade bei so kurzen Büchern mit einer überwiegend „inneren Handlung“, denn „passieren“ im Sinne von richtiger Aktion tut hier kaum etwas, erwarte ich nur immer etwas mehr von der sprachlichen Ausgestaltung, und dafür kam mir dies dann doch etwas zu schlicht daher. Da hat z. B. Alessandro Baricco in Seide für meinen Geschmack sehr viel besser gezeigt, wie das geht. Von daher bleibt als Konsequenz vor allem: Nettes kleines Büchlein, das man an einem Abend entspannt durchlesen kann.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus: (für die darin aufgeführten Literaturverführungen)


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Ich habe das Buch vor einigen Jahren in schwedischer Übersetzung ("Balzac och den kinesiska lilla skrädderskan") gelesen, nachdem ich durch eine überschwängliche Rezension darauf aufmerksam geworden war. Ehrlich gesagt hat es mich ein wenig enttäuscht; nach besagter Rezension hatte ich mehr erwartet. Es war zwar "nett", aber nicht mehr, und wie Aldawen schon sagte, war es gerade sprachlich nicht gut genug, um wirklich zu faszinieren. Ich hatte damals die schwedische Übersetzung als Schuldige in Verdacht, aber da es auf Deutsch auch so ist, liegt es wohl doch an Dai.

    Wir sind irre, also lesen wir!

    Einmal editiert, zuletzt von Saltanah ()

  • Das Buch habe ich auch vor einiger Zeit schon gelesen und es ist mir nicht als etwas besonderes im Gedächtnis geblieben. Ich erinnere mich, dass ich es ganz nett fand, aber eben auch nicht mehr.


    Gestern habe ich die Verfilmung gesehen:

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    Und damit ging es mir ganz anders als mit dem Buch. Den Film fand ich sehr gelungen und fesselnd, viel besser als das Buch (was eigentlich sehr selten vorkommt). Die Schauspieler fand ich auch sehr überzeugend und die wunderschönen Landschaftsaufnahmen waren auch sehr beeindruckend.


    Ich hatte das Gefühl, dass das Ende im Film anders war


    Ich habe durch den Film jetzt auch direkt Lust gekriegt, "Vater Goriot" von Balzac zu lesen, das ich schon länger auf meinem SUB habe, mal sehen, ob es mich auch so begeistert, wie die kleine Schneiderin :zwinker:

    ~~better to be hated for who you are, than loved for who you&WCF_AMPERSAND're not~~<br /><br />www.literaturschaf.de

  • Ich fand beides, Buch und Film, recht nett und stimmungsvoll. Der ganz große literarische oder gesellschaftskritische Wurf ist es wohl nicht, aber mir hat's gefallen.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen






  • Gerade bei so kurzen Büchern mit einer überwiegend „inneren Handlung“, denn „passieren“ im Sinne von richtiger Aktion tut hier kaum etwas, erwarte ich nur immer etwas mehr von der sprachlichen Ausgestaltung, und dafür kam mir dies dann doch etwas zu schlicht daher. Da hat z. B. Alessandro Baricco in Seide für meinen Geschmack sehr viel besser gezeigt, wie das geht.


    Den Vergleich mit "Seide" finde ich interessant, kommt diese meinen geographischen Interessen doch näher als "Balzac". Letzteres hat mich allerdings auch realtiv enttäuscht - relativ zu dem feuilletonistischen Rummel, den es ausgelöst hat. Dafür ist die Story doch etwas schlicht, wenn auch nicht schlecht. Und irgendeinen Balzac will ich daraufhin auch einmal lesen. Den Film, der vor ein paar Wochen im öffentlich-rechtlichen TV lief, habe ich leider verpasst (war mal wieder zu spät abends).


    "Seide" hingegen fand ich stilistisch nicht besser. Die Einteilung der 130 Seiten in 65 nummerierte Abschnitte war größtenteils willkürlich, die Sprache manchmal etwas platt und simpel, und allzu oft heißt es von einem Protagonisten, das er oder sie "irgendetwas Sonderbares" getan haben soll, was ich nicht sonderbar finden konnte. Bariccos Recherchen vort Ort in Japan waren zudem mangelhaft. Die genannten "Provinzen" (Ishikawa, Fukushima, ...) waren doch eher wohl moderne Präfekturen (statt edozeitlicher Provinzen wie Etchû oder Iwaki), existieren aber immerhin namentlich, während "Sabirk" und "Kap Teraya" auf meinem Atlas nicht zu finden sind. Der mysteriöse Japaner Hara Kei (der in der Filmfassung "Silk" wenigstens etwas zeitgenössicher klingend in Hara Jubei umgetauft wurde, dessen Name aber möglicherweise von Hara Tomitarô [1868-1939] alias Hara Sankei stammt, einem wohlhabenden Seidenhändler in Yokohama, der den dortigen Garten Sankei-en anlegte) spricht sage und schreibe Französisch - anno 1861, und ohne zu sagen, wo er es gelernt hat! Und die Stumme Schöne hat kursiv gesetzte, nicht asiatisch geschnittene Augen von verwirrender Intensität - war sie seine Französischlehrerin? Und auch welches Geheimnis hinter Agnes der Heiligen und Agnes der Tochter des Lariot und ihrer beider Beziehung zu Baldabiou steckt, erfährt der gespannte Leser nie. Dafür erfährt er, dass asiatische Männer ihren Geliebten nicht Schmuck (wie wir das tun) sondern Vögel schenken (statt sie zu vögeln, wie wir das denken). Und dass es im altmodischen Japan 12 Verbrechen gibt, für die ein Mensch zum Tode verurteilt werden kann, wovon eines das Überbringen eines Liebesbriefes der eigenen Herrin ist. All das ist aber wohl Teil der beabsichtigten poetischen Mystik: Der Geheimnisse sind viele, sprach der Dichter, und keines wird von Seide je enthüllt.


    Was mich aber am meisten stört, ist das exotisch-erotische Japanklischee: Den einsamen, wortkargen europäischen Mann zieht es nach Japan, wo er von stummen Schönen in wenigen Nächten in sämtliche Künste der Liebe eingeweiht wird, von denen er schon immer und gar feucht geträumt hat - ohne recht zu wissen wie ihm geschieht.


    Dann schon lieber Balzacs kleine chinesische Schneiderinnen ...

    Einmal editiert, zuletzt von Voyageur ()

  • Zunächst mal muß ich sagen, daß meine Lektüre von Seide einige Jahre zurückliegt, ich mich also nur auf meine Erinnerung stütze (obwohl das Buch im Regal steht und ich es noch einmal lesen könnte, zumal es ja wirklich sehr kurz ist).



    Die genannten "Provinzen" (Ishikawa, Fukushima, ...) waren doch eher wohl moderne Präfekturen (statt edozeitlicher Provinzen wie Etchû oder Iwaki), existieren aber immerhin namentlich, während "Sabirk" und "Kap Teraya" auf meinem Atlas nicht zu finden sind. Der mysteriöse Japaner Hara Kei, der in der Filmfassung "Silk" wenigstens etwas zeitgenössicher klingend in Hara Jubei umgetauft wurde, spricht sage und schreibe Französisch - anno 1861, und ohne zu sagen, wo er es gelernt hat!


    Das finde ich durchaus interessant. Da ich aber nicht davon ausging, einen historischen Roman zu lesen und mir das Buch auch nicht als solcher angepriesen wurde, fand ich es nicht relevant. Sonst hätte ich es vermutlich, da ich in solchen Dingen sehr neugierig bin und geographische Informationen dies besonders herausfordern, sicher selbst auch versucht zu überprüfen.



    Was mich aber am meisten stört, ist das exotisch-erotische Japanklischee: Den einsamen, wortkargen europäischen Mann zieht es nach Japan, wo er von stummen Schönen in wenigen Nächten in sämtliche Künste der Liebe eingeweiht wird, von denen er schon immer und gar feucht geträumt hat - ohne recht zu wissen wie ihm geschieht.


    Hm, so habe ich das nicht gelesen und auch nicht in Erinnerung – was dem oben erwähnten zeitlichen Abstand geschuldet sein mag. Ich fand es einfach nur eine bezaubernde Geschichte über das persönliche Wunder, das einem hoffentlich einmal im Leben passiert. In welcher Form und auf was bezogen auch immer. Und mir hat es – trotz oder vielleicht sogar gerade wegen der Wiederholungen mit den leichten Nuancen – sehr gut gefallen, weil es für mich eine seltene Übereinstimmung zwischen Sprache und Titel vermittelte: Luftig und leicht verschleiernd wie dünne Seide eben ... Und das schafft Dai Sijie nicht.


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Hallo,


    ich habe Balzac und die kleine chinesische Schneiderin in einem Doppelband mit "Muo und der Pirol im Käfig" geschenkt bekommen. Nachdem es jetzt doch sehr lange auf dem SUB lag, habe ich mich einmal an die erste Geschichte gewagt.


    Leider bin ich davon etwas enttäuscht, wie die meisten hier - ich habe mir nach der Coverbeschreibung etwas mehr erwartet. Zwei Jungen aus akademischen Familien werden zur Umerziehung in ein abgelegenes Bergdorf geschickt, durch verschiedene Umstände kommen sie erst an 1 und dann an mehrere westliche Bücher. Die Tochter eines Schneider weihen sie in diese Geschichten ein, was hier zu einer großen Veränderung führt...


    Die Liebe und der Rausch, denn sie in der Literatur und den damit verbundenen Gefühlen erleben sind faszinierend, doch leider konnte mich die Sprache und der Stil nur eine Andeutung dessen geben, was ich erwartet habe. Ich erinnere mich z.B. an ein Gespräch im Krankenhaus, in dem plötzlich gesagt wurde, "hier konnte ich die Tränen nicht zurückhalten" - ganz ehrlich, ich habe das Gespräch bis zu dem Satz eher als nüchterne Unterhaltung empfunden. So ging es mir oft und darum fand ich das nicht 100%ig gelungen.


    Von mir gibt es 3ratten


    Sonnige Grüße
    schokotimmi

  • Mir ging es mit dem Buch ähnlich wie den meisten hier. Ich habe es vor ein paar Jahren während einer Autofahrt gelesen und fand es nett, aber jetzt nicht überschwenglich toll oder fesselnd. Ich hatte mir auch mehr davon versprochen und es darauf geschoben, dass ich vielleicht in der richtigen Stimmung war. Von der Handlung an sich habe ich auch nicht mehr allzu viel im Kopf, die meisten Erinnerungen stammen wahrscheinlich aus dem Film, den ich übrigens gelungen fand.

  • Klappentext:
    Sie hat einen dicken schwarzen Zopf, zwei hinreißende Schühchen aus rosafarbenem glänzendem Stoff und das zauberhafteste Lächeln, das man sich vorstellen kann: die Kleine Schneiderin aus dem abgelegenem Bergdorf, in die sich der junge Luo gleich beim ersten Anblick verliebt. Er und sein Freund, zwei Studenten, die zur "kulturellen Umerziehung" hierher ans Ende der Welt verschickt wurden, merken bald, daß sie nur eine einzige Möglichkeit haben, ihre Haut zu retten: Sie müssen in den Besitz jenes wunderbaren Lederkoffers gelangen, der die - verbotenen - Meisterwerke der westlichen Weltliteratur enthält. Denn nur aus Balzac und Stendhal, aus Dostojewski und Dumas können sie die Lebensenergie und den Esprit schöpfen, die sie brauchen, um den Widrigkeiten ihres Daseins - und der Willkür des Dorfältesten Paroli zu bieten. Und vielleicht können sie am Ende sogar das Herz der Schneiderin gewinnen.




    Lao und sein Freund, der Erzähler dessen Name man nie erfährt, werden zur Umerziehung in ein kleines Dorf auf den Berg "Phönix-des-Himmels" geschickt. Dort müssen sie auf den Reis- und Maisfeldern harte Arbeit verrichten.
    Auf den Feldern lernen sie auch den Brillenchang kennen, der das gleiche Schicksal erleiden muss. Sie freunden sich an und besuchen den Brillenchang auch. Der Erzähler entdeckt eines Tages einen verschlossenen Koffer unter Brillenchangs Bett und erraten schnell das dort verbotene Bücher versteckt sein müssen. Wunderbare Bücher, Romane von Dumas, Flaubert,... und eben auch von Balzac.
    Mit List und Tücke versuchen sie an die Bücher zu gelangen. Zum einen um der tristen Langeweile in ihrem Pfahlhaus zu entrinnen, zum anderen um die kleine Schneiderin mit Geschichten zu beeindrucken.


    Die Meinungen um dieses Büchlein sind ja ziemlich geteilt, aber mir hat es sehr gut gefallen.
    Mir gefiel der lockere, leichte Plauderton in dem der Erzähler uns seine Geschichte näher bringt.
    Auf die Personen wurde wenig eingegangen, was mich nicht weiter störte, oder auch nicht nötig war. Denn im Laufe des Romans bekam man durch ihr Handeln und Denken genügend über die Personen mit.
    Den Erzähler fand ich sehr sympatisch. Zum einen verliebt er sich in die Literatur und weiß dies in die richtigen Worte zu packen. Wenn er über die Bücher spricht ist es fast wie eine Verführung diese Bücher selbst einmal zu lesen. Zum anderen kümmert er sich rührend um die kleine chinesische Schneiderin, auch wenn es jemand anderer hätte tun müssen.
    Auch die Landschaften und Stimmungen sind toll beschrieben.
    Eine wirklich schöne Geschichte über Freundschaft, Vertrauen, die Liebe zu einer Frau und die grenzenlose Liebe zur Literatur.


    4ratten

    Lesen ist die schönste Brücke zu meinen Wunschträumen.

  • Auch mich hat der Roman nicht begeistern können, als leichte Lektüre nebenher hat er mir aber gut gefallen. Die Einblicke in den Alltag der zur "Umerziehung" geschickten Jugendlichen waren interessant und, wenn man sich den Lebenslauf von Dai anschaut, bestimmt nicht gänzlich erfunden. Im Wesentlichen haben mir aber zum einen mehr (emotionale) Tiefe und zum anderen sprachlich "das gewisse Etwas" gefehlt. So plätschert die Geschichte vor sich hin und weiß zwar zu unterhalten, wird mir aber kaum in Erinnerung bleiben. Was bestimmt bleiben wird ist die Lust, endlich mal etwas von Balzac zu lesen.


    3ratten




    Ich hatte das Gefühl, dass das Ende im Film anders war


    Ja, Du hast Recht. Und ohne den Fim zu kennen behaupte ich, dass dieses Ende dafür wahrscheinlich zu offen gewesen ist. Ich bin nun auf jeden Fall gespannt auf die Verfilmung, da sie hier eindeutig besser eingeschätzt wird als das Buch.


    Viele Grüße
    Breña

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • Dai Sijie - Balzac und die kleine chinesische Schneiderin


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    Buchrücken dieser Edition


    "China während der Kulturrevolution: Zwei Jungen aus der Stadt, 17 und 18 Jahre alt, werden zur "Umerziehung" in ein Bergdorf geschickt. Die harte Arbeit auf den Reisfeldern und in einer Mine sol sie brechen. Doch dann kommt alles ganz anders: dank der Liebe zu einer kleinen Schneiderin und zur Literatur."


    Poetisch und humorvoll zugleich schreibt Dai Sijie über zwei clevere Jungen, ein Mädchen "mit den schönsten Augen der ganzen Provinz" - und über den Trost, den Bücher spenden können.



    Rezension


    Dai Sijie eröffnet einen sehr literarisch-phantasievollen Zugang zum Thema Umerziehung im China von Mao Zedong. Im Rahmen einer Kampagne werden ab 1967 die Universitäten geschlossen und die ehemaligen Schüler und Studenten, als "junge Intellektuelle" gebrandmarkt, zur ideologischen Umerziehung im Geiste des Proletariats ans Land geschickt. In den Dörfern und auf den Feldern ist das Leben rau, entbehrungsreich und durch harte körperliche Arbeit geprägt. Söhne und Töchter von als "Volksfeinde" angeklagten Eltern haben kaum Hoffnung jemals wieder zurück ins Stadtleben entlassen zu werden. So ergeht es auch den beiden Protagonisten Luo und dem Ich-Erzähler. Um das harte Leben lebenswerter zu gestalten, beginnen die beiden Jugendlichen sich einen Raum für Kultur zu schaffen, und hier wird das Buch interessant: Beginnend mit der ersten Szene, die mit Geigenklängen von Mozart ausgefüllt wird und endend der Verbrennung westlicher Literatur, füllt Dai Sijie ein trauriges Thema mit Hoffnung und Licht. Das unterscheidet meiner Meinung nach das Buch von anderen Geschichten bzw. Zeitzeugenberichten über das Landleben zu Maos Zeiten. Die kulturellen Elemente und eine sich parallel dazu entwickelnde Liebesgeschichte machen den Roman aus. Die westliche Literatur lässt die in der nächst größeren Stadt gezeigten nordkoreanischen und chinesischen Filme blass und farblos wirken. Balzacs Ursula Mirouet übt einen entscheidenden Einfluss auf die beiden Protagonisten aus, sie verändert die beiden und lässt eine neue Perspektive in ihren Köpfen entstehen. Die Macht, die ein einzelnes Werk auf einen Menschen und seine Gedanken haben kann, die negativen Gefühle, die bei den beiden gegenüber der Obrigkeit, die ihnen diese Geschichten verbieten will, weckt, zeigen bei Dai Sijie sehr schön die Gefahr auf, die Kultur auf ein autoritäres System ausüben kann.


    Zugegeben, der Roman liest sich schnell und seine Sprache ist leicht, aber seine Botschaft ist nicht zu verkennen. Und die in diesem Buch erwähnten Klassiker wecken die Lust zum Lesen :)


    4ratten

    :leserin:

  • Meine Meinung
    Zwei Studenten werden zur Umerziehung in ein Bergdorf geschickt. Gleich zu Anfang merken sie, dass es nicht einfach sein wird. Die Geige, die einer von ihnen mitbringt, scheint den Bauern in dem Dorf völlig unbekannt zu sein. Und auch wenn sie absolut linientreu sind: dem spontanen Konzert kann niemand widerstehen.


    Am Anfang ist die Geschichte leicht, fast heiter erzählt. Das Leben der Beiden wirkt fast angenehm, besonders als sie auf die Tochter des Schneiders treffen und einen alten Freund wieder treffen, der sie mit westlicher Lektüre versorgt. Aber zwischen den Zeilen kann man lesen, dass es durchaus nicht so ist. Der leichte Ton kann nicht darüber hinweg täuschen.


    So gut mir der Anfang gefallen hat, so zäh wurde der Mittelteil. Auch wenn das Leben weiter ging, es schien nichts Neues mehr zu passieren. Das Leben im Bergdorf wirkte zeitweise wie mehr wie Urlaub als Umerziehung auf mich. Und auch wenn die Geschichte gegen Ende noch mal anzog: sie konnte nicht halten was der Anfang versprochen hatte.


    Der Autor hat es auch nicht geschafft, mich für die Bücher zu interessieren, die die beiden jungen Männer gelesen haben. Normalerweise notiere ich mir die Bücher, auf die ich während meiner Lektüre stoße. Das war hier nicht der Fall, dazu wurde nicht interessant genug über sie geschrieben.
    3ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.