Uwe Tellkamp - Der Turm

Es gibt 52 Antworten in diesem Thema, welches 18.492 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Jari.

  • Ich habe zwar bisher erst 200 Seiten gelesen, kann dieser Aussage aber schon vehement widersprechen.
    Ich habe mich an manchen Stellen scheckig gelacht (also nix nur düster). Die Beschreibung der Kette von "Vitamin B" ist großartig. Sie zeigt, wie der Ossi sich zu helfen wußte (nix nur negativ). Und das Personal ist nicht nur das Bildungsbürgertum. Bis zu dieser Stelle traten schon Klinikpersonal, Angehörige der Streitkräfte, Schüler und Lehrkörper und noch einige andere auf.
    Das Buch gefällt mir von Seite zu Seite besser, und mir tut jeder Wessi von Herzen Leid, da er nie in die Tiefen dieses Buches wird eintauchen können. :zwinker:


    Ich meinte mit dem düster, dass das Leben negativ dargestellt wird. Ständig das Nachdenken über das, was man sagen darf oder nicht. Die soziale Kontrolle untereinander, die negative Wahrnehmung des Staates... "meine" Quelle berichtet, dass er das Leben so nicht erlebt und wahrgenommen hat. Ihn hat es so gut wie gar nicht tangiert, in welchem Staat er gelebt hat. Er hat nie darüber nachgedacht, was er zu wem sagen darf; er hatte nie Kontakt zur Stasi etc. und kannte auch keinen, der Probleme gehabt hat. Das alltägliche Leben sei schön und heiter gewesen. Sein Leben sei nicht ständig durch die Existenz der Partei beeinflusst worden. Nur durch das eingeschränkte Angebot war natürlich der Alltag verändert zu einer Konsumgesellschaft.


    Und klar konnte der Ossi sich gut helfen - ich erlebe sie noch immer als gute Netzwerker. :zwinker: Aber ich habe bei Tellkamp die amüsante, heitere Seite vermisst. Bei mir kam eine große Schwere an bzgl. des alltäglichen Lebens. Und dieses ständige Beugen und die Angst vor dem Staat - diese Allmacht und ständige Bespitzelung. Es fehlte mir die Darstellung der positiven angenehmen Seiten des Lebens in einem Staat, in dem es genügend Essen gibt, einen Job und eine Wohnung für jeden - keine Existenzängste.


    Aber vielleicht habe ich nur den versteckten Humor nicht wahrgenommen...

    :leserin:<br />Walter Moers - Die Stadt der träumenden Bücher


  • Ich habe mich an manchen Stellen scheckig gelacht (also nix nur düster). Die Beschreibung der Kette von "Vitamin B" ist großartig. Sie zeigt, wie der Ossi sich zu helfen wußte (nix nur negativ). Und das Personal ist nicht nur das Bildungsbürgertum. Bis zu dieser Stelle traten schon Klinikpersonal, Angehörige der Streitkräfte, Schüler und Lehrkörper und noch einige andere auf.
    Das Buch gefällt mir von Seite zu Seite besser, und mir tut jeder Wessi von Herzen Leid, da er nie in die Tiefen dieses Buches wird eintauchen können. :zwinker:


    Die "Beziehungs-Kette" ist wirklich eines der Highlights. Leider muss man sich immer wieder durch Geröll zu solchen Lichtungen durchkämpfen. Ich hatte ehrlich gesagt auch den düsteren Eindruck, den Leseliese beschreibt. Vielleicht liegt das auch daran, dass der Roman mit der Beschreibung dieses Geburtstages anfängt, der im kalten, dunklen Dezember stattfindet. Diese Beschreibung zieht sich über Seiten hin und hinterließ bei mir einen düsteren Eindruck, den die folgenden Kapitel nur schwer aufweichen können. Und dass das Hauptaugenmerk auf dem Bildungsbürgertum liegt, steht doch außer Frage. Alle Hauptpersonen stammen aus "Bildungsbürgerfamilien". Natürlich haben die auch mit dem Rest der Welt zu tun, sie leben ja nicht im luftleeren Raum.


    Die Aussage, dass kein "Wessi" (sorry, ich schüttele mich nach 20 Jahren über diesen Begriff, zumal wenn er nicht rein geographisch wie Nord- und Süddeutscher verwendet wird) in diesen Roman eintauchen kann, finde ich höchst problematisch. Dann kann man eigentlich sämtliche Klassiker und Weltliteratur wegwerfen - was soll sie uns sagen, wenn sie nicht zufällig aus unserem eigenen Jahrzehnt und unserer eigenen kulturellen, sozialen und ethnischen Welt stammt. So eine Aussage zeigt vielleicht, dass Tellkamps "Turm" eines nicht wird: ein Klassiker. Ich bin jetzt einfach mal so frech, und behaupte das. Gute Literatur zeichnet sich für mich dadurch aus, dass auch fremde Kulturen und Gesellschaften nachvollziehbar werden, dass das Handeln von Menschen unter den spezifischen Bedingungen verständlich ist. Deswegen ist Dein Satz für mich ein K.O.-Schlag gegen Tellkamp. (Wobei ich dem Satz selbst nicht unbedingt widersprechen würde, aber mit meiner Zustimmung spreche ich gleichzeitig Tellkamp eine überzeugende literarische Qualität ab.)


    Übrigens glaube ich nicht, dass die Bestsellerlisten irgendwie manipuliert sind. Ein Buch, dass so viel Wirbel gemacht hat, gesellschaftlich so aktuell ist und den Buchpreis gewonnen hat, wird gekauft - entweder zum Verschenken oder selbst lesen.

    Einmal editiert, zuletzt von Vulkan ()

  • Habe es jetzt bis zur Hälfte des Buches geschafft. Das absolute Highlight war bisher die Beschreibung der Leipziger Buchmesse und dem dortigen Einsatz des Büchermantels. :klatschen:
    Es gibt aber auch ein paar Kritikpunkte. An einer Stelle werden gebundene Digedag-Ausgaben aus der Bibliothek erwähnt. Digedag-Hefte waren unschätzbar wertvolle Tauschobjekte. Ich glaube kaum, das irgendeine Bibliothek die lange in ihrem Bestand halten konnte. :zwinker: An einer anderen Stelle hört jemand eine Kassette von Feeling B (Frühjahr 1983). Laut Wikipedia wurde Feeling B als Feeling Berlin erst 1983 gegründet. Ich glaube also kaum, das da schon Kassetten im Umlauf waren. Und am unglaubwürdigsten war der Besuch bei Barsano. Gemeinsames Sehen der Aktuellen Kamera, danach Konferenz, danach Grütze und literweise Wodka mit Trinksprüchen auf Lenin und die Weltrevolution und dann noch einen Eisenstein-Film. Sowas könnte in den 60ern möglich gewesen sein, aber nicht mehr in den 80ern. Zum Schluß noch eine Bemerkung zu Schirgiswalde. Ich war selbst dort im Wehrlager. Das ist die Oberlausitz und nicht die Lausitz. Dort gibt es keine Sorben. Und im Ausgang durften wir nie nach Wilthen (leider :heul: ).

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • Ich hab's geschafft! :klatschen: Das war harte Arbeit. Ich habe ja hier schon einiges zu dem Buch gesagt. Im Großen und Ganzen hat es mir gefallen. Ich habe viel wiedererkannt. Aber dadurch, daß ich aus der beschriebenen Ecke komme, war ich auch oft verwirrt, wie Tellkamp manches "verformt" hat (sowohl geographisch als auch chronologisch). Manche Abschnitte und besonders große Teile des Schluß bleiben mir dunkel und haben was von Sprachdurchfall (durcheinder gewürfelt und der Sinn nur bedingt erkennbar). Die Fortsetzung werde ich wohl nicht lesen, aber für den "Turm" bekommt Tellkamp 4ratten.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • Lange schlich ich um dieses Buch herum und hatte Vorurteile: Ich erwartete einen jener über-intellektuellen Vertreter deutscher Gegenwartsliteratur, einen Roman ohne Biss, ohne Leben. Und ich wurde sehr positiv überrascht.
    Der Roman spiegelt auf erschreckend deutliche Weise das gesellschaftliche Leben der DDR. Tellkamp lässt nichts aus: Stasi innerhalb der eigenen Familie, NVA, Militärgefängnis – diese Themen haben mich beim Lesen sehr mitgenommen.
    Gleichzeitig gelingt es ihm, diese großen, gesellschaftlichen Themen mit dem Alltagsleben der Protagonisten zu verweben. So staunt der unbedarfte Westleser über den florierenden Tauschhandel, der fehlende Einkaufsmöglichkeiten ersetzte, über Finesse und Ausdauer, mit der begehrte Waren aufgespürt und in Besitz gebracht werden; und wird sich beim Lesen schmerzhaft bewusst, welch große Rolle die Vielfalt an Konsumgütern in Industrieländern spielt und wie schnell man vergisst, dass Überfluss nichts Selbstverständliches, vielleicht sogar nichts Erstrebenswertes ist.
    Die bedrückende Atmosphäre in einem Unrechtsstaat, der kritische und abweichende Meinungen nicht duldet: meisterhaft dargestellt. Beim Lesen fiebert man auf die Erlösung, den Herbst 1989, hin und wird durch Tellkamps Erzählung darin gehindert, allzu euphorisch auf den Untergang des Staates DDR zu warten. Die Wirtschaft ist marode, das Land braucht dringend Devisen, und so macht sich neben der Erleichterung auch Ernüchterung breit.
    Bei so viel glänzender Unterhaltung stören auch gelegentlich auftauchende Klischees wenig (der Champagner moussiert in den Gläsern und Ähnliches). Einziges echtes Manko ist meiner Meinung nach die ausschließlich männliche Erzählperspektive. Das Frauenleben in der DDR hätte mehr Beachtung verdient.
    Dieses Buch hat den Deutschen Buchpreis meines Erachtens zu Recht erhalten. Ich würde mir viel mehr an Romanen wünschen, die die neuere deutsche Zeitgeschichte thematisieren und dabei so in die Tiefe gehen wie Tellkamp.
    4ratten

    Ich bin ein trockener Workaholic. (Vince Ebert)

  • Inhalt:


    Ein Villenviertel in Dresen zur Zeit der DDR: Christian bereitet sich auf seine Laufbahn als Arzt vor, seine Eltern versuchen ihren Platz in der Gesellschaft zu finden und scheitern dennoch. Onkel Meno ist als Lektor in einer Zwischenwelt gefangen, setzt er sich doch für die Autorin Schevola ein, deren Buch der Zensur zum Opfer zu fallen droht.


    Doch wer fällt zuerst, die Menschen oder die DDR?


    Meine Meinung:


    Schon vor einigen Tagen habe ich Uwe Tellkamps "Der Turm" beendet, kann mich aber erst jetzt dazu aufraffen, eine Rezension dazu zu schreiben. Dieses Buch ist sehr... anstrengend. Etwa so anstrengend wie eine Besteigung der Eigernordwand.


    Die Grundzüge des Buches sind nicht schlecht. Man lernt die DDR von innen kennen, ihren Aufbau, ihre Idiotie. Die Personen, von denen gibt es einige, haben alle ihre eigene Beziehung zur DDR. Einige stehen voll und ganz hinter dem Sozialismus, während einige ihre ganze Härte zu spüren bekommen.


    Ausserdem zeigt Tellkamp an einigen Stellen, dass er ein sehr feines Gespür für Humor hat und manchmal konnte ich mir ein Kichern nicht verkneifen.


    Das waren die schönen Seiten der Eigernordwand. Machen wir uns also daran, sie zu erklimmen:


    "Der Turm" ist definitiv ein Buch, das zeigen möchte, was die deutsche Sprache so alles drauf hat. Damit überzeugt Tellkamp zwar den Feuilleton und alle Kritiker, aber nicht mich. Eher im Gegenteil. Die deutsche Sprache ist eine schöne und man kann mit ihr vieles anstellen, doch Tellkamp treibt es fast schon zu weit.


    Er redet so viel um den heissen Brei herum, dass die eigentliche Geschichte (der interessante Teil, sei hier erwähnt) in eben diesem untergeht. Vom Brei verschluckt ohne wieder ausgespuckt zu werden. Wieso zieht der Autor alles derartig in die Länge? Wieso ein 1000-seitiges Werk, wenn 500 Seiten eigentlich ausreichen würden? Denn die Grundgeschichte hätte auf eben jenen genügend Platz gefunden.


    Somit war für mich der Lesespass schon nach einigen Seiten zu Ende. Aber hat man einmal angefangen, die Eigernordwand hochzukraxeln, kann man nicht so einfach wieder umkehren. Entweder wird man unterwegs erschlagen oder man kämpft sich hoch.


    Ich hab mich hochgekämpft und kann rückblickend nur sagen: Hey, ich hab's geschafft!


    Wahrscheinlich war ich noch nie so froh, ein Buch zuschlagen zu können und jetzt, da ich auch eine Rezi darüber geschrieben habe, dass man die deutsche Sprache auch vergewaltigen kann, kann ich das Buch in den unendlichen Weiten meines Bücherregals verstauen und vergessen.


    Von der Geschichte nämlich, das weiss ich jetzt schon, wird mir nicht allzu viel in Erinnerung bleiben. Was bleiben wird, ist, dass der Brei nicht sehr schmackhaft war. Und dass mir Besteigungen von irgendwelchen Bergen nicht liegen.


    Fazit:


    Nie wieder Tellkamp! Danke.


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    Eigentlich würde ich gerne 3ratten geben, doch wenn ich an die Anstrengungen denke, die der Aufstieg mit sich brachte, gebe ich doch nur 2ratten & :marypipeshalbeprivatmaus: für die Idee und die witzigen Stellen.

    //Grösser ist doof//

  • Tolle Idee, dass du in der Rezi gleich den Vergleich mit der Eigernordwand heranziehst! Klasse! :klatschen:


    Ich hoffe, ich schaffe es auch noch die Nordwand zu bezwingen! boxen :breitgrins:


    Liebe Grüße
    Tammy :winken:

    &WCF_AMPERSAND"Jeder der sich die Fähigkeit erhält, Schönheit zu erkennen, wird nie alt werden.&WCF_AMPERSAND" (Franz Kafka)

  • Natürlich schaffst du das, Tammy! :laola: Ich warte dann hier oben auf dich, ist ziemlich langweilig so alleine auf nem Berg :lachen:

    //Grösser ist doof//

  • Hallo Ihr Lieben,


    unglaublich aber wahr, nach einer gefühlten Ewigkeit, habe ich es schließlich doch auch wirklich geschafft, dieses Buch hier zu beenden. Hier meine Meinung:


    In "Der Turm" erzählt Uwe Tellkamp über die Familie des Arztes Richard Hoffmann die letzten Jahre der DDR bis zum Mauerfall in Dresden. Über kleine Alltagsgeschichten, aber auch vor allem über das Leben von dem einen Sohn Christian, der mit dem Wehrdienst nicht zurecht kommt, wird das Leben in der DDR und auch gerade die Zuspitzung kurz vor Ende dargestellt.


    Dies alles wäre sehr interessant und hätte ich gerne gelesen. Leider neigt Uwe Tellkamp dazu sich in Schachtelsätzen zu verlieren und seitenweise über irgendwelche Nebensächlichkeiten abzuschweifen. Wenn ich nicht selber Angehörige hätte, die mir vom Leben in der DDR erzählen können, hätte ich vieles gar nicht verstanden bzw. einige der üblen Dinge, die dort passiert sind, schlicht überlesen. Die Sprache ist sehr anstrengend und oft hatte ich das Bedürfnis die Seiten einfach zu überfliegen, was ich dann aber doch nicht getan habe, da oft in einem kleinen Nebensatz oder einem kleinen Wort sich die wichtigsten Dinge versteckt haben.


    Die gesamten handelnden Personen sind mir so auch nie wirklich nahe gekommen und Gefühle habe ich vergeblich gesucht. Die Personen handeln irgendwie, ergehen sich teilweise in verwirrenden Tagebucheinträgen, die ich oft gar nicht verstanden habe und die für mich im Gesamtkontext keinen Sinn ergeben haben. Daher war mir auch ihr Schicksal teilweise wirklich egal und nur immer kurz konnte ich Gefühle aufblitzen sehen oder dachte jetzt wird es emotionaler, um umso mehr auf den nächsten Seiten durch ellenlange Abschweifungen enttäuscht zu werden.


    Eine Kürzung des Buches um locker die Hälfte wenn nicht noch mehr, hätte meiner Meinung nach dem Stoff sehr gut getan und das Buch zu etwas werden lassen, was wirklich die furchtbaren DDR-Zustände jedem klarmacht. Uwe Tellkamp kann das, das konnte ich sehen, aber noch mehr liebt er es wohl sich in der deutschen Sprache zu verlieren und dabei die Kernaussagen zu vergessen.


    Schade, dass dieses Buch aus meiner Sicht guten Stoff so verschachtelt darstellt, dass ein Laie damit nichts anfangen kann und so ein Stück deutsche Geschichte nicht in Erinnerung bleibt, sondern man nur entnervt das Buch am Ende zur Seite legt.


    Alles in allem ist dieses Buch für mich bis jetzt die erste Enttäuschung in diesem Jahr und ich vergebe noch 2ratten für das Festhalten wichtiger Geschichte und das teilweise Durchblitzen von doch gutem erzählerischen Können.


    Liebe Grüße
    Tammy :winken:

    &WCF_AMPERSAND"Jeder der sich die Fähigkeit erhält, Schönheit zu erkennen, wird nie alt werden.&WCF_AMPERSAND" (Franz Kafka)


  • Oh, ich hab ein halbes Mäuschen mehr verteilt. Du bist ja grausam :breitgrins:


    Ich habe mich schon mit den 2 Ratten echt schwer getan... :rollen: :breitgrins: Das Schöne ist, dass es bei amazon teilweise noch viel schlechtere Bewertungen gibt, die alle das Gleiche bekritteln wie wir auch! :breitgrins:


    Liebe Grüße
    Tammy :winken:

    &WCF_AMPERSAND"Jeder der sich die Fähigkeit erhält, Schönheit zu erkennen, wird nie alt werden.&WCF_AMPERSAND" (Franz Kafka)