David Foster Wallace - Schrecklich amüsant, aber in Zukunft ohne mich

Es gibt 17 Antworten in diesem Thema, welches 5.177 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Kirsten.

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    Über diesen Autoren las ich im Spiegel- anlässlich seines Selbstmordes im September 2008. Nach diesem Artikel eines der größten literarischen Talente in den USA. Er hinterlässt ein ganz kleines literarisches Werk, welches aber so komplex ist, dass die Hauptwerke wohl bisher noch gar nicht ins deutsche übersetzt werden konnten. Wohlan- das oben genannte Buch ist ein Auftragswerk, welches der Autor Mitte de Neunziger geschrieben hat; ein Zeitschriftenverlag bezahlte ihm eine Fahrt auf einem Kreuzfahrtschiff, auf der er etwas über seine Erlebnisse dort schreiben sollte. Ich griff also zu dem Buch aus folgenden Gründen: 1. der Titel- ich kann mir auch nicht vorstellen, wieso man sich freiwillig viel Geld dafür ausgibt, eine Woche eingesperrt auf einem Schiff zu verbringen und werde ja immer gerne wieder in meinen Vorurteilen bestätigt, 2. das Format: wenn die Artikel eigentlich in einer Zeitschrift erscheinen sollten, kann das sprachlich hoffentlich nicht so schwer werden, 3. der Autor an sich.


    Meine Erwartungen wurden durchaus erfüllt- ich habe dieses Buch auf dem Trimmrad im Fitnessstudio gelesen, es liest sich also wirklich halbwegs einfach. Nervig sind allenfalls die Fußnoten. Damit wurde ich das letzte Mal in meiner Diplomarbeit konfrontiert und es ist der Lesbarkeit nicht wirklich sehr zuträglich, vom Text in einer Fußnote in eine Seitenfußnote auf die nächste Seite und wieder zurück blättern zu müssen....hatte fast einen sportlichen Effekt. Zusätzlich wurden alle meine Vorurteile über Kreuzfahrten bestätigt- alle Freaks, die man sich so vorstellt, hat Foster dort wirklich getroffen- der Mann, der immer den Camcorder zückt, die Schiffshierachie der Angestellten, der Smokingzwang beim Abenddinner, die vergnügungssüchtigen Mitreisenden....das alles witzig geschrieben und detailgenau beobachtet.
    Ich fühle mich bestätigt, auch in Zukunft nicht auf eine Kreuzfahrt zu gehen...


    4ratten


    Eine Ratte Abzug, weil mir manche Passagen (trotz der Kürze des Buches, nur 180 Seiten) doch etwas zu sehr in die Länge gezogen waren und mir dieser Fußnotenstil nicht besonders gefällt...

    :leserin: <br />John Updike - Terrorist<br />M. Lewycka - A short history of Tractors in Ukrainian<br />Bobby Henderson - Das Evangelium des Fliegenden Spaghettimonsters<br />M. Crichton - Next<br />Steffen Möller - Viva Poloni

  • Ich seh das mit den Kreuzfahrten genau wie du. Wäre eventuell etwas für mich im Rentenalter, wenn ich für den Pilgerweg zu abgewrackt bin. :zwinker:


    Aufgrund dessen werde ich das Buch wohl nicht lesen - weiß ja schon, was drin steht. :breitgrins:

    :leserin:<br />Walter Moers - Die Stadt der träumenden Bücher


  • Über diesen Autoren las ich im Spiegel- anlässlich seines Selbstmordes im September 2008. Nach diesem Artikel eines der größten literarischen Talente in den USA.


    Der Autor hat Selbstmord begangen? Das ist völlig an mir vorbeigegangen. Ich habe ein anderes seiner Bücher in einer schönen HC-Ausgabe auf dem SUB: Der Besen im System. Mir hat die Inhaltsbeschreibung so gut gefallen, dass ich mir vor einiger Zeit diesen Tauschling geschnappt habe. Deine Rezension Tamiami gefällt mir auch sehr gut und das Buch hat einen gewissen Reiz.



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  • @Igroscha: würd mich freuen, wenn du dieses Buch nach dem Lesen rezensieren würdest...die Kritiken bei Amazon darüber sind....naja... :smile:


    Der Autor litt an Depressionen....hier ist der Spiegel-Artikel: http://www.spiegel.de/kultur/literatur/0,1518,578151,00.html Es gibt auch einen SPiegel-Artikel über dein Buch, aber ich war mir nach dem Lesen nicht sicher, ob das etwas für mich ist... hier ist er: http://www.spiegel.de/kultur/literatur/0,1518,323068,00.html Schon der allererste Satz erinnerte mich an Garcia Marquez "100 Jahre Einsamkeit", welches ich überhaupt nicht leiden konnte...

    :leserin: <br />John Updike - Terrorist<br />M. Lewycka - A short history of Tractors in Ukrainian<br />Bobby Henderson - Das Evangelium des Fliegenden Spaghettimonsters<br />M. Crichton - Next<br />Steffen Möller - Viva Poloni

  • Vielen Dank für die Links! Ich finde das Buch klingt immer noch super :smile: Eine Rezension gibt es dann ganz sicher, nur steht es für das erste Halbjahr vermutlich nicht auf meinem Lesespeisezettel.

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    David Foster Wallace (1962-2008)
    Schrecklich amüsant, aber in Zukunft ohne mich
    Originaltitel: Shipping Out - A Supposedly Fun Thing I’ll Never Do Again
    Erstveröffentlichung: 1997
    aus dem Amerikanischen von Marcus Ingendaay, Clara Drechsler, Bernhard Robben und Christa Schuenke
    Verlag: Goldmann
    Taschenbuch
    183 Seiten


    Ich habe das Buch jetzt auch gelesen, und kann mich Tamiami nur anschließen. Es hat mir sehr gefallen.


    Meine Meinung:


    David Foster Wallace hat Mitte der neunziger Jahre eine siebentägige Luxuskreuzfahrt durch die Karibik an Bord der "Zenith" unternommen und darüber einen Erlebnisbericht im Auftrag der Zeitschift "Harper's Magazine" verfasst, der in Deutschland in Buchform unter dem Titel "Schrecklich amüsant - aber in Zukunft ohne mich" erschienen ist.


    Es ist die Erzählung eines Mannes, dem man deutlich anmerkt, dass er eigentlich gar nicht der Typ für eine Kreuzfahrt ist, und wenn man DFWs Lebensgeschichte kennt, weiß man auch warum. Wie soll sich ein depressiver und menschenscheuer Misanthrop auf einem Kreuzfahrtschiff wohlfühlen, zusammengepfercht mit hunderten von Menschen, die er gar nicht kennt und eigentlich auch gar nicht näher kennenlernen möchte..?


    Dennoch habe ich mich beim Lesen dieses Buches köstlich amüsiert, denn was DFW hier abliefert, ist keine nüchterne Faktenbeschreibung oder gar eine miesepetrige Abrechnung mit dem Kreuzfahrtbetrieb, sondern sehr amüsant und selbstironisch und immer mit einem Augenzwinkern geschrieben, und ich musste so manches Mal herzlich lachen. Schließlich stehe auch ich Kreuzfahrten eher skeptisch gegenüber und finde hier alle meine Vorurteile bestätigt, bin in diesem Buch all' den Menschen und Dingen begegnet, die man auf einem Kreuzfahrtschiff erwartet: dem Kerl, der unentwegt mit seiner Videokamera auf seine Mitreisenden hält, um alles für die Ewigkeit festzuhalten, dem sonnengegerbten Aufschneider aus der Schiffscrew, der die Reisenden mit seinen Anekdoten zu beeindrucken versucht, und schließlich gibt's die vielen kleinen Verhaltensregeln an Bord, die Kleidervorschriften beim Captain's Dinner (es reicht eben nicht, nur in einem T-Shirt mit Smokingaufdruck zu erscheinen, wenn Smoking erbeten wird...) usw. Und schließlich die Enge auf dem Schiff, die kleinen Kabinen und rundherum nur Wasser und kein Entrinnen.


    Es sind die Kleinigkeiten, die mich bei diesem Buch so gefesselt haben, die vielen kleinen Erlebnisse, die man nicht unbedingt in einem Erfahrungsbericht über eine Kreuzfahrt erwarten würde. Wie geht man z.B. mit dem Unterdruckklo in der eigenen Kabine um, dessen starke Sogwirkung bei einem sensibel veranlagten Menschen schon mal die Befürchtung aufkeimen lässt, in einem unachtsamen Moment gleich mit dem eigenen "physiologischen Restmüll" entsorgt zu werden...? Oder aber die Beobachtung, dass die Kabine immer dann wie von Geisterhand gereinigt worden ist, wenn man sie länger als dreißig Minuten verlassen hat. Dreißig Minuten. Und nicht weniger. Nicht lediglich 29 Minuten. Diesen Test hat DFW gemacht... :zwinker:


    Und so fühle ich mich nach der Lektüre des Buches bestätigt: Eine Kreuzfahrt - nein, die brauche ich nicht... :breitgrins:


    Das Buch bekommt von mir 4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Sehr schöne Rezi - nachdem ich eh mal was von ihm lesen sollte, bevor ich mir evtl. sein letztes, neuestes Buch besorge - ist der Titel schon mal auf der Wunschliste gelandet und ich seh gleich mal nach ob ich es irgendwo günstig bekomme. Danke.

    Liebe Grüße JaneEyre

    Bücher haben Ehrgefühl. Wenn man sie verleiht, kommen sie nicht zurück.

    Theodor Fontane

  • Hallo JaneEyre, :winken:


    mach' das. Es lohnt sich. Lass' Dich aber nicht irritieren - die Bücher könnten unterschiedlicher nicht sein. Ich habe "Schrecklich amüsant" parallel zu "Unendlicher Spaß" gelesen, und sie unterscheiden sich gewaltig hinsichtlich Stil, Sprache und Form. "Schrecklich amüsant" ist eine relativ locker geschriebene Reportage - wenn auch eine stellenweise ziemlich ungewöhnliche Reportage -, während "Unendlicher Spaß" ein ziemlich harter und verstörender Brocken ist, dessen Inhalt und Zusammenhänge sich dem Leser (mir zumindest) nicht gleich erschließen, und an dem man ganz schön zu kauen hat...

  • MacOss - es ist bestellt. In Unendlicher Spaß hab ich schon mal reingelesen und die ersten Seiten gefielen mir sehr gut, aber das ist ja erst der Anfang. Wieso eigentlich nicht mal was anderes wagen :breitgrins:

    Liebe Grüße JaneEyre

    Bücher haben Ehrgefühl. Wenn man sie verleiht, kommen sie nicht zurück.

    Theodor Fontane

  • Ich habe das Gefühl, auf einer Luxus-Kreuzfahrt gewesen zu sein. David Foster Wallace schreibt so unverblümt echt - seine Beschreibungen erzeugen in mir nicht einfach das Bild einer kleinen, bunten Kabine mit allen Einrichtungsgegenständen, sondern ich höre alle lästigen Geräusche und kenne jede Unbequemlichkeit. Der stets vorhandene Sarkasmus liegt genau auf meiner Wellenlänge und Wallace' Gedankengänge sind genau mein Fall (zahlt jetzt eigentlich die Kreuzfahrt-Gesellschaft den Priester oder kauft sich die Kirche als Untermieter ein, so wie das Casino? :) )


    Kriegt von mir gute
    4ratten

  • Mein Mann und ich waren letztes Jahr auf einer Kreuzfahrt. Es war sehr nett, aber nix für uns, da wir eher Pauschalreisen bevorzugen. Dann entdeckten wir das Buch und der Titel drückte unsere Gedanken aus und wir nahmen es mit. Ich habe wirklich versucht, es zu lesen, aber ich habe heute beschlossen, meine Zeit lieber mit einem guten Buch zu verbringen. Dermaßen langweilig geschrieben und die unendlich vielen Fußnoten, die teilweise länger waren als der eigentliche Text der Seiten, haben mich das Buch vorhin entnervt zuklappen lassen.

    Bücher kaufen und Bücher lesen sind zwei völlig verschiedene Hobbys.

  • Dottie: schade, dass dir das Buch nicht gefallen hat. Ich habe es zwar noch nicht gelesen, aber auf jeden Fall notiert. Vom Titel und Thema her passt es nämlich genau zu mir. Ich bin auch nicht unbedingt ein Freund von zu langen Fußnoten, aber ich denke, ich werde es trotzdem probieren.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Mein Freund liest gerade vom selben Autor Infinite Jest. Allerdings eher als Langzeitprojekt, da er es immer wieder mal für mehrere Wochen ins Regal zurückstellt. Ich glaube mich zu erinnern, dass hier ebenfalls sehr viele Fußnoten vorhanden sind.


    Ich wusste aber gar nicht, dass der Autor sich selbst das Leben genommen hat.

    “Grown-ups don't look like grown-ups on the inside either. Outside, they're big and thoughtless and they always know what they're doing. Inside, they look just like they always have. Like they did when they were your age. Truth is, there aren't any grown-ups. Not one, in the whole wide world.” N.G.

  • Kirsten, lass dich von meiner Meinung bloß nicht abschrecken. Ich mag es nicht, anstrengende Bücher zu lesen. Für mich muss das flüssig gehen und einigermaßen spannend sein. Alles andere ist mir zu zeitraubend.

    Bücher kaufen und Bücher lesen sind zwei völlig verschiedene Hobbys.

  • Meine Meinung

    David Foster Wallace erzählt von einer Reise, die er eigentlich nicht machen wollte. Er fühlt sich aus vielen Gründen fehl am Platz: wegen seiner Kleidung, seines übermäßigen Schwitzens und vor allem deshalb, weil er immer das Gefühl hat, das Falsche zu tun.


    "Penetranz geht vor Varianz", dieses Motto klingt fast ein wenig gruselig. Auf mich wirkt es fast so, als ob man den Passagieren beim Betreten des Kreuzfahrtschiffs die Fähigkeit abgesprochen hat, sich ohne fremde Hilfe zu amüsieren. Es muss anstrengend sein, sich gegen die professionelle Bespaßung zu wehren. Das ist nur eine Sache, über die sich der Autor eher kritisch äußert. Auch die Art, wie mit den Angestellten umgegangen wird und die Hierarchie untereinander belastet ihn.


    David Foster Wallace sieht nicht alles schwarz, aber auch die positiven Dinge, die er beschreibt, sind nicht nur heiter. Oft wirkt er so ironisch, dass ich mich frage, ob er sich wirklich amüsiert hat. Vielleicht wusste er das nicht mal selbst.

    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Oft wirkt er so ironisch, dass ich mich frage, ob er sich wirklich amüsiert hat.

    Nein, hat er nicht.

    Soviel ich weiß, war der Text aber eine Auftragsarbeit - eine Zeitschrift hat seine Reise finanziert. Er musste also das Kunststück vollbringen, sich einerseits nicht selbst zu verraten und andererseits aber auch seine Auftraggeber halbwegs zufriedenzustellen.

    Ich fand das ziemlich genial gelöst - allein schon die Szene mit den Handtüchern und dem Vergleich mit dem anderen Schiff, als er merkt, wie er in die Denke hineingezogen wird... ^^

  • Alice dass es eine Auftragsarbeit war, war mir durchaus bewusst. Aber man kann auch seine Arbeit genießen, auch wenn man sie auf en ersten Blick nicht unbedingt mag.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.