Tom Rob Smith - Kolyma

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    Tom Rob Smith, Kolyma
    (DuMont Verlag, Januar 2009)
    ISBN 978-3-8321-8089-8; € 19.95 (HC)
    Originaltitel: The Secret Speech
    II. Buch um Leo Demidow



    Inhaltsangabe (von amazon.de):


    Moskau 1956. Leo Demidow ist nicht zu beneiden. Die Existenz seines Morddezernats wird von offizieller Stelle geleugnet; er darf bestenfalls verdeckt ermitteln. Für seine alten Kollegen vom KGB ist er ein Verräter. Und seine Adoptivtochter Zoya hasst ihn so sehr, dass sie ihn am liebsten töten würde. Vergeblich kämpft Leo um ihre Zuneigung. Für sie bleibt er der Mann, der ihre Eltern auf dem Gewissen hat ... Doch es kommt noch schlimmer. Zoya wird gekidnappt. Wieder ist es Leos Vergangenheit, die sich bitter rächt. Will er das Mädchen wiedersehen, muss er einen Gefangenen aus dem schlimmsten aller Lager in Sibirien befreien: Kolyma. Leben gegen Leben das ist die simple Logik der Entführer. Leo hat den Mann vor sieben Jahren dort hingebracht, Leo soll ihn auch wieder herausholen. In seiner Verzweiflung lässt Demidow sich als Gefangener nach Kolyma einschleusen. Doch schon am ersten Abend wird er erkannt, und die Häftlinge beschließen, sich grausam zu rächen...



    Meine Meinung:


    Weniger brutal als das erste Buch von Tom Rob Smith um Leo Demidow, dafür aber nicht weniger unter die Haut gehend!
    Leo Demidow hat "Kind 44" überlebt und nun sein eigenes kleines Morddezernat in Moskau - allerdings streng geheim, da ja nach wie vor keine Morde in einem perfekten System existieren (dürfen)... Doch Leo begegnet sehr rasch seinen eigenen Taten aus NKWD-Zeiten und muss sich eingestehen, dass er noch sehr viele gute Dinge tun muss um die schlechten vielleicht irgendwann einmal aufwiegen zu können.
    Leo stellt sich dem Hass, dem in der eigenen Familie durch seine Adoptivtochter Soja, und dem seiner Opfer - er muss vor allem aber mit der Frage zurecht kommen, ob man getanes Unrecht irgendwann 'einfach so' entschuldigen kann. So soll er einen Priester, den er selbst vor 7 Jahren ins Arbeitslager in Sibirien gebracht hat, befreien - was natürlich nur unter Einsatz seines eigenen Lebens möglich ist -, aber wie kann er ihm gegenüber treten? Zudem sind ihm seine Oberen, auch wenn sie ihn (in "Kind 44") am Leben liessen, noch lange nicht wohlgesonnen - aber Leo hat auch begriffen, dass sie das eh nie wieder sein werden, denn er kann sie und ihre Arbeit einfach nicht mehr ertragen (oder besser gesagt mittragen).
    Super spannend, wieder gut recherchiert und mit all den Fragen nach dem Funktionieren der Menschen in solchen Zeiten und mit solcher -auch sehr persönlicher- Schuld. (Und im übrigen einer phantastischen Erklärung für den Volksaufstand in Ungarn! - aber mehr werde ich sicher nicht verraten!)


    Fazit: Wann erscheint der 3. Band um Leo Demidow?
    Volle 5ratten und mal wieder ein :tipp:


    Liebe Grüße
    dubh

    Liebe Grüße

    Tabea

    Einmal editiert, zuletzt von dubh ()

  • Danke für die Rezi! Jetzt werde ich mir das Buch sicher kaufen. :klatschen:
    Viele Grüße von Annabas

  • Tom Rob Smith – Kolyma


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    Inhaltsangabe:


    Im Jahr 1956, drei Jahre nach Stalins Tod, beginnt mit Nikita Chruschtschows „Geheimrede“ die Zeit der Entstalinisierung in der Sowjetunion.


    Auch Leo Demidow muss fürchten, dass ihn seine Vergangenheit einholt. Zwar hat er sich vom stalinistischen Geheimdienst losgesagt und leitet das von den Machthabern misstrauisch beobachtete Moskauer Morddezernat, aber auch er hatte unter Stalin viele rein politisch motivierte Verhaftungen vorgenommen und andere Menschen denunziert. Zusätzlich eskalieren seine familiäre Schwierigkeiten, denn seine 14-jährige Adoptivtocher Soja kann nicht vergessen, dass er am Tod ihrer Eltern mit schuldig ist, und verfolgt ihn mit tiefem Hass.


    Und wirklich steht eines Nachts ein Gespenst aus früheren Tagen vor ihm: Alisia, die Frau des Priesters Lasar, die beide aufgrund Leos Verhaftungen im Straflager landeten. Alisia, die sich inzwischen Frajera nennt, ist die eiskalte Anführerin einer wory-Bande – organisierte Kriminelle, die alle aus dem gleichen Gulag stammen, in dem Frajera gefangen war. Die Bande hat Soja, Leos Adoptivtochter, als Geisel genommen und erpresst ihn mit der Forderung, dass er den Priester Lasar aus dem Gulag Kolyma herausholen soll. Lasar soll trotz der Entstalinisierungskampagne nicht begnadigt werden, also muss Leo einen Plan ersinnen, wie er Lasar zur Flucht verhelfen kann – und er erkennt, dass dies nur möglich ist, wenn er selbst als Sträfling in den Gulag geht. Doch was ihn dann dort erwartet, wirft alle seine Pläne über den Haufen ...


    Das Buch spielt in der Sowjetunion und zum Teil in Ungarn.
    Es ist der zweite Band um den Ermittler Leo Demidow.


    Der erste Satz:


    „Im Großen Vaterländischen Krieg hatte er zur Verteidigung von Stalingrad die Brücke von Kalatsch gesprengt.“


    Meine Meinung zum Buch:


    :tipp:


    Auch der zweite Band um den früheren Geheimdienstler Leo Demidow hat mich begeistert.


    Tom Rob Smith schafft wieder eine Atmosphäre, die mich beim Lesen von Anfang an in den Bann gezogen hat. Die Beklemmung und die ständige Angst der Menschen vor Verrat und Denunziation überträgt sich auf den Leser, und so konnte ich das Buch erst aus der Hand legen, als ich es ausgelesen hatte. Die Angst von Leo und seiner Frau Raisa um ihre Tochter Soja wird stark vermittelt, ebenso der Hass und die Kälte von Alisia/Frajera. An ihr wird ganz besonders deutlich, was ein paar Jahre im Gulag aus einem Menschen machen.


    Besondere Sorgfalt legt der Autor auch auf die Motive der Protagonisten. Auch die scheinbar unwichtigeren Nebenfiguren erhalten eine Geschichte, aus der man ableiten kann, warum sie sich damals oder heute so und nicht anders verhalten haben. Das führt dazu, dass man als Leser sich immer wieder die Frage stellen muss, wie man sich selbst unter einem totalitären Regime verhalten würde, denn alle Personen hatten einleuchtende und logische Gründe für ihre Taten – wie grausam oder perfide diese auch erscheinen mögen. Man kann das Buch wohl kaum ganz unbeteiligt lesen und anschließend beiseite legen.


    Für mich erscheint die Geschichte ausgezeichnet recherchiert. Schon im ersten Band hatte mich die Schilderung des alltäglichen Lebens unter Stalins Herrschaft beeindruckt und auch in diesem Buch kommen mir die Schilderungen der Gefangenentransporte und Leos Erlebnisse im Gulag sehr glaubwürdig vor. Über den Ungarnaufstand von 1956 wusste ich bisher fast gar nichts – außer dass er eben stattgefunden hatte – aber ich denke, dass auch diese Schilderungen entsprechend gut recherchiert sind.


    Das Buch lässt den Leser nicht gleich los, wenn er das Buch zuklappt. Ich kann es nur empfehlen!


    Viele Grüße von Annabas :winken:

  • Hallo Annabas,


    freut mich, dass Dir der zweite Band um Leo auch so gut gefallen hat!



    Über den Ungarnaufstand von 1956 wusste ich bisher fast gar nichts – außer dass er eben stattgefunden hatte – aber ich denke, dass auch diese Schilderungen entsprechend gut recherchiert sind.


    Ging mir genauso - ich wusste lediglich, dass es den Aufstand gab, mehr nicht. Grundsätzlich mag ich Bücher einfach sehr gerne, die über die Hintertür mit interessanten historischen Zusammenhängen aufwarten, noch dazu wenn sie so gut recherchiert sind, wie die Bücher von Tom Rob Smith. Auch mir hat besonders 'gut' gefallen, dass die Um- und Zustände sehr authentisch daherkommen... "Kolyma" ist ein Buch, das zum Nachdenken anregt, das einem unfassbare (menschliche) Entwicklungen in einem totalitären System begreifbar macht.


    Und, wartest Du auch auf ein weiteres Buch? :zwinker:


    Liebe Grüße
    dubh

    Liebe Grüße

    Tabea


  • Und, wartest Du auch auf ein weiteres Buch? :zwinker:


    Ja, ich bin schon gespannt. Leider lässt sich (noch) nicht herauskriegen, ob es eines geben wird.
    Immerhin habe ich bei meiner Stöberei gelesen, dass "Kind 44" verfilmt werden wird - dann kann ich mich da schon mal drauf freuen.


    Grüße von Annabas :winken:

  • Hallo zusammen,
    schöne und vor allem so zutreffende Rezis, die ich so nur unterstreichen kann.


    Ich habe Kolyma vor etwa 3 Monaten in der Hörbuch-Version "gelesen".
    Die Atmosphäre rund um die Stalinistische Epoche und die damit verbundenen Politapperate haben mich dabei genauso intensiv angesprochen wie die ganz persönlichen, inneren Konflikte um Schuld und Sühne des Protagonisten Leo Demidow. Gerade dieser innere Konflikt zu seiner Adoptivtochter Soja, sowie die Verarbeitung seiner Handlungen von damals haben mich mitunter ganz tief in die Geschichte hineinziehen können. Für mich ein Buch mit Tiefgang. Dabei kam die Spannung in diesem Buch nun wahrlich nicht zu kurz.
    Bernd Michael Lade hat aber auch ganz Klasse vorgelesen, so dass die bedrückende Stimmung allseits präsent war.
    Auch ich hoffe und warte noch auf einen 3.Teil.
    Für mich also auch in der Hörbuch-Version ein :tipp:


    Liebe Grüßle
    Marion :smile:

    "Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie ihre Tiere behandelt." Mahatma Gandhi

  • Ich muss mich anschließen. Kolyma hat mich auch gefesselt, war aber im gesamten ausgeglichener als Kind 44 (was natürlich trotzdem ein sehr gutes Buch ist). Tom Rob Smith hat seit "Kind 44" (hab ich erst nach Kolyma gelesen - bisschen wie bei Star Wars ^^) ein ganz besonderes Plätzchen in meinem Bücherregal. Und das hat er sich auf jeden Fall verdient!

  • Ich hab das Buch vor einigen Jahren gelesen und frage mich grad, warum ich keine Rezi dazu geschrieben habe... Vielleicht war es auch noch vor meiner Rezi-Zeit. Ich fand das Buch "ganz okay" und hab seither eigentlich auch kein weiteres von ihm gelesen. Wer weiss, vielleicht fällt mir irgendwann doch noch eines in die Hände?

    //Grösser ist doof//


  • Ich hab das Buch vor einigen Jahren gelesen und frage mich grad, warum ich keine Rezi dazu geschrieben habe... Vielleicht war es auch noch vor meiner Rezi-Zeit. Ich fand das Buch "ganz okay" und hab seither eigentlich auch kein weiteres von ihm gelesen. Wer weiss, vielleicht fällt mir irgendwann doch noch eines in die Hände?


    Ist auf jeden Fall eine Empfehlung wert. Und eigentlich empfehle ich sehr selten Autoren. Wenn dann einzelne Werke. Und auch das nicht im Übermaß.

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    Leo arbeitet nicht mehr beim KGB, wie im Vorgänger, sondern in der Mordkommission - auch wenn es die eigentlich nicht gibt, denn im perfekten Staat gibt es solche Verbrechen natürlich nicht (außer von Staatsfeinden und dann ist der KGB zuständig).
    Die Geheimansprache Chruschtschows (Anti-Stalin) bringt einen alten Kameraden zu einem Selbstmord und das ist nicht die einzige Leiche, die damit zusammenhängt.


    Die ersten 100 Seiten gefallen mir wieder gut, Smith schafft es erneut die Stimmung in der Sowjetunion perfekt darzustellen, man beginnt schon fast selbst immer über die Schulter zu schauen und seine Äußerungen auf Staatsfeindlichkeit zu überprüfen. :zwinker: :stillgestanden:

  • Leos Gefühls- und Familienleben sind mir in gewisser Weise zu komplex, um wirklich mitfühlen zu können. Nicht nur seins, sondern auch das von Frau und Kindern. Was denkt man über den Ehemann, wenn er abends von der Arbeit kommt und weiß, er kommt von einer Folterung – kann man diesen Mann wieder lieben, wenn er sich geändert hat. Wie schwierig ist Vertrauen in einer Welt, in der jemand nur Karriere macht, wenn er auch eine gewisse Anzahl Verwandte anschwärzt? Die Gesamtstimmung bekommt Smith sehr gut hin, aber das persönliche Empfinden der einzelnen Charaktere kann ich nicht so gut nachempfinden.


    Die Geheimansprache Chruschtschows bringt Leo und seiner Familie zwar Hoffnung, insgesamt aber in erster Linie Unsicherheit: die alten Garden tun alles, um alte Verbrechen zu vertuschen und so gut wie möglich mit dem angebrochenen politischen Tauwetter klar zu kommen. Doch einige von ihnen verlieren durch Anschläge ihr Leben und die einzige Möglichkeit dies zu stoppen scheint ein Undercover-Einsatz Leos in Kolyma, einem der der schlimmsten Lager zu sein. Die Zustände im Lager werden eher angerissen, als in aller Ausführlichkeit geschildert, aber die Ohnmacht der Gefangenen und die Brutalität des Systems werden trotzdem erkennbar. Hier kann ich Smith erneut nur für seine realistisch wirkende Darstellung loben. Die hintere Drittel des Buches führt den Leser dann nach Budapest, mitten in den ungarischen Volksaufstand. Von dem wusste ich gerade mal, dass er existierte, insofern hat mir Smith' Erzählung schon neues Wissen eröffnet, aber trotzdem empfand ich diesen Teil als nicht so gelungen. Er wirkte auf mich, als müsse Smith seine Geschichte halt noch etwas ausweiten, um eine bestimmte Seitenzahl zu erreichen.


    Trotz ein paar Schwächen hat mich das Buch wieder gefangen genommen und ich freue mich darauf, den dritten Band zu lesen.


    4ratten

  • Saltanah

    Hat den Titel des Themas von „Tom Rob Smith, Kolyma“ zu „Tom Rob Smith - Kolyma“ geändert.