Ende Teil 2
Ich habe das Gefühl, dass Raskolnikow lieber überführt werden möchte, als sich selbst stellen zu müssen. So klammert er sich an jeden Strohhalm, um seinen Entschluss sich zu stellen, noch ein wenig aufschieben zu können. Andererseits gibt er ständig irgendwelche Hinweise und macht äuffällige Bemerkungen, die ihn mit dem Mord in Verbindung bringen müssen.
Ja, er scheint mir etwas von einem Zocker zu haben, der auf intellektuell-spielerische Weise das "Schicksal" herauszufordern versucht. Gibt, wie du schreibst, Hinweise, die andere Menschen durchaus verstehen können.
Alles anzeigenIch finde du bist hier etwas zu hart. Marmeladow ist mehr tot als lebendig und ich denke nicht, dass er in diesem Augenblick noch Kraft hat sich in "Büßer-Szene" zu setzen. Marmeladow stirbt und seine Bitte um Vergebung scheint mir aufrichtig und auch angemessen zu sein. In diesem letzten Augenblick gesteht er ja (erstmals?) seiner Familie gegenüber ein, dass er viele Fehler gemacht hat und nimmt diese schwere Schuld auf sich...
Dass die Religion im Roman eine große Stellung einnimmt, muss wohl auf die Bekehrung Dostojewsijs zum Christentum zurückgeführt werden. Schon der Titel - "Schuld" und "Sühne" - verweist ja schon deutlich in diese Richtung... Auch habe ich das Gefühl, dass Raskolnikow mit steigender Seitenzahl immer 'religiöser' wird.
Was mich jedoch bei der Sterbeszene aufgeregt hat waren die Schaulustigen und Gaffer. Ich musste sofort an die Berichterstattungen über Unfälle, Verbrechen... denken, bei denen sich eine Menge um den Tatort versammelt, eine paar Dumme Fotos mit ihren Handys machen und in die Kamera winken. Darüber bei Dostojewksij zu lesen hat mich wirklich umgehauen.
Mehr von mir in Kürze.
bimo
Nun ja, er verändert sein Verhalten im letzten Moment zwar, wie du es beschreibst. Aber über seine Motive haben wir keine zuverlässigen Informationen. Meiner Meinung nach passt sein Verhalten zu den Äußerungen über das sittlich angemessene Verhalten im Angesicht des Todes bzw. Schöpfers, wie sie in diesen Szenen zu lesen sind, außerdem zu seiner Selbstinszenierung in der Kneipe (Teil I). Das schließt gleichwohl nicht aus, dass du mit deiner Kritik, ich würde ihn zu hart beurteilen, richtig liegst.
Was du über die Gaffer schreibst: Ich kann sie mir gut mit Foto-Handy vorstellen.
Liebe Grüße,
mohan