F.M. Dostojewskij - Schuld und Sühne (3. Teil)

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  • Huhu, bin ich noch alleine hier? pchallo


    Also ich habe mich schon vor einigen Tagen durch die Kapitel 1 und 2 gewälzt und stecke nun mitten in Kapiel 3.


    Kapitel 1
    Raskolnikows Schwester und Mutter sind aufgetaucht und sitzen in Raskolnikows Wohnung. Das bringt ihn wieder durcheinander, er wird gereizt und schickt sie weg. Trotzallem teilt er Dunja mit, dass er gegen die Heirat mit Luschin ist.
    Der betrunkene Rasumichin bringt Mutter und Schwester ins Hotel zurück. Er redet ziemlich wirr durcheinander, dennoch wird schnell klar, dass er sich in Dunja verliebt hat. Trotz seiner Trunkenheit schafft er es sich, mit Hilfe von Sossimow, die ganze Nacht um Raskolnikow zu kümmern und den zwei im Hotel immer wieder Bericht zu erstatten.


    Kapitel 2
    Rasumichin erwacht mit dem furchtbaren Gedanken an das, was er Dunja über ihren Verlobten gesagt hat. Er schämt sich unglaublich. Da er aber versprochen hat, dass er am Morgen nochmal Bericht erstattet, wäscht er sich und kleidet sich gut.
    Im Hotel wird er schon sehnsüchtig erwartet. Niemand ist ihm wegen seiner Worte vom Vortag böse. Sie empfangen ihn dankbar. Sie reden lange über Raskolnikow und Rasumichin ist dabei sehr offen.
    Rasumichin bekommt einen Brief von Luschin zulesen. Ich finde es unerhört, dass er seine Verlobte dauern versetzt. Raskolnikow war zwar nicht nett zu ihm, aber wie stellt er sich denn eine Ehe mit dessen Schwester vor, wenn er ihn nicht mehr wieder sehen will?

    Kapitel 3

    Raskolnikow ist laut Sossimow wieder gesund. Er begrüßt seine Mutter und Schwester mit Freude. Nun sitzen sie beisammen und unterhalten sich.

    &quot;Bücher sind Spiegel: Man sieht in ihnen nur, was man schon in sich hat&quot;<br />Carlos Ruiz Zafón<br />:lesen:


  • Huhu, bin ich noch alleine hier? pchallo


    Ich hab ein wenig mit der LR pausiert wegen Rumo und meinen HP-Re-Read, aber ich bin nun wieder dabei. Allerdings muss ich erstmal Teil zwei noch lesen, aber da bin ich irgendwo schon noch. ;)

  • Ich hab ein wenig mit der LR pausiert wegen Rumo und meinen HP-Re-Read, aber ich bin nun wieder dabei. Allerdings muss ich erstmal Teil zwei noch lesen, aber da bin ich irgendwo schon noch. ;)


    Mit Teil 3 bin ich fast durch und poste nächste Woche. Aus Zeitgründen kam von mir in den letzten Tagen nichts, aber ich bleibe am Ball, äh...Buch. :winken:

  • [size=11pt]Stand: Ende Teil III[/size]


    In den beiden ersten Teilen haben wir die Ereignisse aus der Sicht Raskolnikows erlebt, zu Beginn des dritten Teils verschiebt sich die Perspektive vorübergehend auf Rasumichin und dessen entstehende Beziehung zu Raskolnikows Familie. Obwohl Rasumichin getrunken hat, fühlen sich Pulcheria and Dunja zu ihm hingezogen und vertrauen ihm. Raskolnikows seltsames Verhalten versetzt seine Mutter und Schwester in Unruhe, weshalb es für den angetrunkenen Rasumichin leicht ist, die Dinge in die Hand zu nehmen.


    Raskolnikow und Rasumichin werden schön kontrastiert. Während Raskolnikow sich gegenüber seiner Mutter und Schwester arrogant und rüde verhält, wirft sich Rasumichin sein -angenommenes - schlechtes Benehmen vor, obwohl er sich kein Fehlverhalten geleistet hat. Dunja verachtet ihn nicht, wie er befürchtet, sondern erkennt seine Gutmütigkeit.


    Dunja ähnelt ihrem Bruder ein wenig, ist stolz und bisweilen anmaßend. Die Geschwister haben einige abweichenden Sichten, deren Beschreibung ihre Charakterisierung vertieft. Raskolnikow sagt, er habe etwas Unverzeihliches getan, als er das von der Mutter unter Opfern aufgebrachte Geld weggegeben hat: „Um zu helfen, muss man zuerst einmal das Recht dazu haben…so ist es doch, Dunja?“ Dunja stimmt ihm nicht zu. Nicht zu vergessen die Auseinandersetzung über die geplante Ehe mit Luschin, in deren Verlauf Raskolnikow seine Schwester sogar zu erpressen versucht.
    Dunja wirft ihm vor, von ihr eine Heldenhaftigkeit zu erwarten, zu der er selbst nicht bereit sei. Sie sagt: „Und wenn ich jemand dabei zugrunde richte, dann mich selbst…Ich habe noch niemand umgebracht!“ und beschreibt so die vermutlich wichtigste Trennlinie zwischen sich und ihrem Bruder, ohne zu wissen, wie recht sie buchstäblich hat. In dieser Auseinandersetzung wird deutlich, dass Dunja sich selbst opfert, während Raskolnikow andere Menschen opfert.


    Die Diskussion des Zeitschriftenaufsatzes Raskolnikows über das Verbrechen legt nahe, dass Raskolnikow sich für einen Menschen hält, der anderen überlegen ist und deshalb das moralische Recht zu Töten hat, auch wenn er dadurch juristisch zum Kriminellen wird. Petrowitsch deutet diese Möglichkeit in der Diskussion an.


    Am Ende des dritten Teils, nach Raskolnikows Traum, habe ich den Eindruck, Raskolnikow sei sicher, gefasst zu werden. Er glaubt, der Mann, der ihn Mörder nennt, habe ihn bei der Tat beobachtet.


    Dostojewskij scheint im dritten Teil die Möglichkeit einer späteren Beziehung zwischen Rasumichin und Dunja anzudeuten.


  • Kapitel 2
    Rasumichin bekommt einen Brief von Luschin zulesen. Ich finde es unerhört, dass er seine Verlobte dauern versetzt. Raskolnikow war zwar nicht nett zu ihm, aber wie stellt er sich denn eine Ehe mit dessen Schwester vor, wenn er ihn nicht mehr wieder sehen will?


    Ja, in diesem Kapitel wird sehr deutlich, dass Raskolnikow mit seinen Vorbehalten gegen Luschin richtig gelegen hat.

  • Da bin ich gespannt. Ich komme heute im Bus wohl endlich mal zum Weiterlesen. :klatschen:

    &quot;Bücher sind Spiegel: Man sieht in ihnen nur, was man schon in sich hat&quot;<br />Carlos Ruiz Zafón<br />:lesen:

  • Zwar lese ich weiterhin den Roman. Da wir hier im Thread zu Teil III aber nur zu zweit (von sechzehn) sind, werde ich mit dem Posten erstmal warten.


    Liebe Grüße,
    mohan :winken:

  • Hallo Ihr,


    heute morgen habe ich mit dem III. Teil begonnen und es hat mich eigentlich nicht überrascht, dass sich Rasumichen wohl in Dunja verliebt hat - zumindest deute ich es so.
    Ich bin gespannt, wie es weitergeht.



    Liebe Grüße


    gretchen

  • Stand: 1. + 2. Kapitel



    In den beiden ersten Teilen haben wir die Ereignisse aus der Sicht Raskolnikows erlebt, zu Beginn des dritten Teils verschiebt sich die Perspektive vorübergehend auf Rasumichin und dessen entstehende Beziehung zu Raskolnikows Familie. Obwohl Rasumichin getrunken hat, fühlen sich Pulcheria and Dunja zu ihm hingezogen und vertrauen ihm.


    Ich finde diesen Perspektivenwechsel nicht nur interessant, sondern auch wirklich erholsam. Rasumichins tollpatschige und verliebte Annäherungs- und Anmachversuche sind ein schönes und erheiterndes Kontrastprogramm zu Raskolnikows gequälten und verwirrenden Gedankengängen. (Dostojewskij gönnt seinen Leser damit eine angenehme Verschnaufpause. :zwinker:)


    Ich bin gespannt, wie sich das Verhältnis zwischen Dunja und Rasumichin entwickeln wird. Da geht doch bestimmt was! :breitgrins: Dunja schwankt ja bereits bei ihren Heiratsplänen - ob das Rodjas oder Rasumichins schuld ist? Naja, zumindest ist Luschin schon beinahe abserviert.




    Raskolnikow und Rasumichin werden schön kontrastiert. Während Raskolnikow sich gegenüber seiner Mutter und Schwester arrogant und rüde verhält, wirft sich Rasumichin sein -angenommenes - schlechtes Benehmen vor, obwohl er sich kein Fehlverhalten geleistet hat. Dunja verachtet ihn nicht, wie er befürchtet, sondern erkennt seine Gutmütigkeit.


    Rasumichin wurde seit seinem Auftauchen im Buch als Raskolnikows "andere, d.h. richtige Möglichkeit" dargestellt. Beide sind arm und müssen irgendwie ihren Lebensunterhalt verdienen. Rasumichin ist jedoch immer eine ehrliche und rechtschaffene Haut, während Raskolnikow Mord und Raub als scheinbare Lösung betrachtet. Beide haben die gleiche Ausgangsposition, gehen jedoch unterschiedliche Wege. Tja, wir werden erfahren, welcher Weg ans Ziel führt.


    Sehr interessant fand ich Rasumichins Beschreibung von Raskolnikow, wie er sich vor seiner Erkrankung verhalten hat: Er ist "mürrisch, anmaßend und stolz ... und nachtragend", "kalt und gefühllos bis zur Unmenschlichkeit", "lieber beginge er eine Grausamkeit, als daß er sein Herz in Worten offenbarte ... als ob zwei entgegensetzte Charaktere ständig in ihm abwechselten". Bis zu diesem Augenblick dachte ich, Raskolnikow hatte sich erst in den Wochen vor der Tat, aufgrund der immer schlimmer werdenden Armut, in diese negative Richtung entwickelt und konnte ihm darum Mitgefühl und gewisses Verständnis entgegenbringen. Doch nun erfahre ich, dass er sich schon immer so verhalten hat und habe diesbezüglich keine Sympathie mehr für ihn.
    Doch dann sagt Rasumichin, dass Raskolnikow auch eine großmütige und gute Seite hat und schon schwanke ich wieder in meiner Meinung. (Frauen! :zwinker:) Während bei Rasumichin Rodjas gute Seite in seiner Aufzählung aber beinahe untergeht, wird sie im Laufe der Geschichte immer offensichtlicher. Rodja scheint sich von einem schlechten Menschen zu einem guten zu entwickeln... Ob er sich dieser "Sühne" überhaupt bewusst ist? Ob seine Freunde und Verwandten diese Seite auch erkennen werden?



    Und dann war doch noch Rodjas Arzt, Sosimow. Ich dachte wirklich, dass er eine Ahnung von Rodjas Verbrechen hätte, da er sich so merkwürdig verhalten hatte. Dabei glaubt er "nur", dass Rodja langsam verrückt wird. Also darauf wäre ich nicht gekommen. Allerdings weiß ich es besser. :zwinker:


    Bis bald!
    bimo :winken:

  • Ich finde diesen Perspektivenwechsel nicht nur interessant, sondern auch wirklich erholsam. Rasumichins tollpatschige und verliebte Annäherungs- und Anmachversuche sind ein schönes und erheiterndes Kontrastprogramm zu Raskolnikows gequälten und verwirrenden Gedankengängen. (Dostojewskij gönnt seinen Leser damit eine angenehme Verschnaufpause. :zwinker:)


    Ich bin gespannt, wie sich das Verhältnis zwischen Dunja und Rasumichin entwickeln wird. Da geht doch bestimmt was! :breitgrins: Dunja schwankt ja bereits bei ihren Heiratsplänen - ob das Rodjas oder Rasumichins schuld ist? Naja, zumindest ist Luschin schon beinahe abserviert.


    So sehe ich das auch, der verliebte Rasumichin gefällt mir auch.


    Liebe Grüße


    gretchen


  • Die Diskussion des Zeitschriftenaufsatzes Raskolnikows über das Verbrechen legt nahe, dass Raskolnikow sich für einen Menschen hält, der anderen überlegen ist und deshalb das moralische Recht zu Töten hat, auch wenn er dadurch juristisch zum Kriminellen wird. Petrowitsch deutet diese Möglichkeit in der Diskussion an.


    Im Grunde läuft dieser Artikel und die Diskussion auf zwei Punkte hinaus:


    1. "Ungewöhnliche" Menschen haben das Recht ein Verbrechen zu begehen, weil sie Besonderes leisten/leisten werden.
    2. "Ungewöhnliche" Menschen haben das moralische Recht ein Verbrechen zu begehen.


    Dass der zweite Punkt von den anderen als inakzeptabel betrachtet wird, ist klar, wieso aber der erste nicht? Waren das wirklich die Ansichten in der damaligen Zeit?...


    Raskolnikow behauptet zudem noch, dass die Verbrecher immer, ungeachtet ihrer Stellung (gewöhnlich & ungewöhlich), (gesetzlich und moralisch) bestraft werden. Es dürfte also ziemlich interessant werden, diesen Konflikt - das Wissen um seine unweigerliche Strafe und seine Hoffnung auf ein besseres Leben - zu beobachten... Ist vielleicht sogar dieser Konflikt der eigentliche Grund für seine innere Anspannung? Bis jetzt dachte ich, er kommt mit dem Mord nicht zurecht, doch nun... Obwohl wir nun soviel über Raskolnikow gelesen haben, ist er für mich noch immer ein Rätsel.


    Tja, und plötzlich kommen in der Handlung immer mehr Personen vor. Zu Beginn freute ich mich über gelegentliche personelle Abwechslung, inzwischen ist das Personenverzeichnis mein ständiger Lesebegleiter. :zwinker:


    Bis bald, bimo :winken:



    P.S. Die Diskussion mit Petrowitsch war aber schon ein ziemliches Psychoduell, oder? Und wieder einer, der nicht wirklich von Rodjas Unschuld überzeugt ist. Offiziell glauben Rodja alle, aber im Geheimen nur die wenigsten...

  • Das 6. Kapitel hat mich noch einmal gepflegt aus den Latschen kippen lassen. Die Ursache war natürlich wieder Raskolnikow und seine Überzeugung, dass Aljona Iwanowna eine Krankheit war, eine Krankheit und ein Prinzip, das man töten kann, töten muss. Seine Ansichten über die Rechte von "ungewöhnlichen" Menschen waren schon eine schwere Kost, aber dass er dem Opfer nun noch abspricht ein Mensch gewesen zu sein... Und zum krönenden Abschluss gibt er Aljona Iwanowna auch noch die Schuld an seiner derzeitigen Misere...




    Am Ende des dritten Teils, nach Raskolnikows Traum, habe ich den Eindruck, Raskolnikow sei sicher, gefasst zu werden. Er glaubt, der Mann, der ihn Mörder nennt, habe ihn bei der Tat beobachtet.


    Ja, der Traum war schon ziemlich beeindruckend. Vor allem, da ich bis zum Schluss nicht sicher war, was aus diesem Kapitel nun Traum und was Wirklichkeit war. Dieser Traum zeigt aber wieder deutlich, dass Raskolnikow nicht nur von offzieller Seite "gejagt" wird, sondern dass er auch von seinen inneren Dämonen verfolgt wird. Wie er dem entkommen will...



    So, ich robbe nun im Schneckenturbo zum 4. Teil. :winken:

  • Ja, der Traum war schon ziemlich beeindruckend. Vor allem, da ich bis zum Schluss nicht sicher war, was aus diesem Kapitel nun Traum und was Wirklichkeit war. Dieser Traum zeigt aber wieder deutlich, dass Raskolnikow nicht nur von offzieller Seite "gejagt" wird, sondern dass er auch von seinen inneren Dämonen verfolgt wird. Wie er dem entkommen will...


    Warst du am Schluss wirklich sicher? Wird es eindeutig aufgelöst? Für mich ist diese Passage ein schöner Beleg dafür, wie die Grenze zwischen den beiden Bereichen bei Raskolnikow sich auflöst. Ein Hinweis auf die zunehmende Verschränkung der physischen und der psychischen Sphäre.


    Liebe Grüße,
    mohan :winken:

  • Im Grunde läuft dieser Artikel und die Diskussion auf zwei Punkte hinaus:


    1. "Ungewöhnliche" Menschen haben das Recht ein Verbrechen zu begehen, weil sie Besonderes leisten/leisten werden.
    2. "Ungewöhnliche" Menschen haben das moralische Recht ein Verbrechen zu begehen.


    Dass der zweite Punkt von den anderen als inakzeptabel betrachtet wird, ist klar, wieso aber der erste nicht? Waren das wirklich die Ansichten in der damaligen Zeit?...


    Das moralische Recht leitet sich im Weiteren ab aus der Religion, deshalb wird Aussage 2 einhellig von den anderen abgelehnt. Aber wo die Religion bedeutungslos ist, wie in Aussage 1, ist auch Gott bedeutungslos, ist alles erlaubt, gibt es keine Argumente gegen Raskolnikows Verbrechen, das aus seiner Sicht kein Verbrechen ist, sondern allenfalls eine Grenzüberschreitung. Gelten für ihn gesellschaftliche Normen (Gesetze) nicht mehr - Werte sind offenbar nur für die Schwachen da -, gibt es nur noch die Frage, wie er als Individuum mit der Tat umgeht. Und diese innere Auseinandersetzung Raskolnikows bestimmt ja auch zu einem guten Teil den Roman. Wie sich das entwickelt, kann ich nicht sagen, da ich noch einige Seiten vor mir habe. Sonja scheint hier eine bedeutende Rolle zu spielen, vielleicht in erlösender Funktion, als Substitut für Christus, an den Raskolnikow nicht glaubt? Dann müsste sie ihm Gnade gewähren. Aber beim Stand der Lektüre weiß ich noch nicht, wie das geschehen sollte, es sei denn durch Liebe, die alles verzeiht.


    Deine Frage, ob die Menschen früher tatsächlich so gedacht haben, verstehe ich nicht wirklich. In unserer Deutsch-Sprachausbildung haben wir auch Folgen einer beliebten Krimiserie gesehen, in der von Derrick ungefähr gefragt wurde: „Harry, in was für einer Welt leben wir eigentlich?“
    Oder anders: Ob die Menschen seinerzeit tatsächlich so gedacht haben, weiß ich nicht, kann es nur vermuten. Was ich aber weiß, ist, dass sie heute so denken. Eliten beanspruchen mehr oder weniger offen für sich bestimmte Ausnahmen von geltenden Regeln (War es Zumwinkel, der es letztens sogar offen gesagt hat, dass Menschen, die „besondere Leistungen“ erbringen, nach anderen Maßstäben bewertet werden müssten? Weshalb, lässt sich schließen, auch so etwas wie das Steuerrecht nur für die Masse gilt?).




    Ja, mit den Namen ist das so eine Sache. Auch mein ständiger Begleiter ist das Personenverzeichnis. Es ist nicht leicht, die Personen immer sofort zu erkennen, wenn die Anreden häufiger wechseln, in Abhängigkeit von der Qualität einer Beziehung oder dem Grundton einer Äußerung. Gezielt auswendig lernen will ich die Namen nicht, manche bleiben natürlich beim Lesen in der Erinnerung. Gelegentlich habe ich zwei Petrowitschs verwechselt - insgesamt gibt es ja drei.


    Dass das Personal mehr wird, gefällt mir vor allem, weil Dostojewskij es wie Falten in einem Fächer erweitert. In der geschickten Auffächerung führen auch die hinzugefügten Personen immer zurück auf die Grundthemen.


    Ja, es ist ein Psychoduell. Einer dieser vielen faszinierenden Bausteine im Roman, die ich immer wieder mal zwischendurch nur für sich genommen lesen mag. Manche davon (in den ersten drei Teilen) habe ich schon drei, vier Mal gelesen.


    Liebe Grüße,
    mohan :winken:

  • Warst du am Schluss wirklich sicher? Wird es eindeutig aufgelöst? Für mich ist diese Passage ein schöner Beleg dafür, wie die Grenze zwischen den beiden Bereichen bei Raskolnikow sich auflöst. Ein Hinweis auf die zunehmende Verschränkung der physischen und der psychischen Sphäre.


    :breitgrins: Bis eben war ich mir ziemlich sicher, doch dann habe ich deinen Beitrag gelesen. Der Grund, warum ich mir sicher war, ist die Beschreibung des (angeblichen) Zeugen. Gleich zu Beginn wird u.a. betont, dass dieser Mann einen Schlafrock trägt - wie ihn auch Petrowitsch während des aufreibenden Psychoduells getragen hat. Meine weibliche Logik ( :zwinker:) hatte sofort kombiniert, dass der Kleinbürger eine albtraumhafte Personifizierung von Petrowitsch sein muss. Aber du hast natürlich Recht, es wird nicht eindeutig aufgelöst und dieses Kapitel zeigt mehr als deutlich, wie bei Rodja Wahn und Wirklichkeit ineinander fließen.




    ... Ob die Menschen seinerzeit tatsächlich so gedacht haben, weiß ich nicht, kann es nur vermuten. Was ich aber weiß, ist, dass sie heute so denken. Eliten beanspruchen mehr oder weniger offen für sich bestimmte Ausnahmen von geltenden Regeln (War es Zumwinkel, der es letztens sogar offen gesagt hat, dass Menschen, die „besondere Leistungen“ erbringen, nach anderen Maßstäben bewertet werden müssten? Weshalb, lässt sich schließen, auch so etwas wie das Steuerrecht nur für die Masse gilt?).


    Ich gebe dir recht, Menschen werden nach zweierlei Maß bewertet - was sie können und was sie geschafft haben - und daraus ergibt sich schließlich, was sie "dürfen" (oder was sie sich herausnehmen). Allerdings ist bei Dostojewskij von Mord die Rede und das "ungewöhnliche" Menschen das Recht haben, jemanden zu töten. Diese Einstellung zeigt sich schon einige Kapitel vorher, als der verarmte Marmeladow von einer herrschaftlichen Kutsche angefahren wird.


    Zitat

    Übrigens war der Kutscher nicht allzu betrübt oder erschrocken. Man sah, daß die Equipage einem reichen, angesehenen Mann gehören mußte, der wohl irgendwo auf sie wartete; und die Polizisten machten sich natürlich keine geringe Sorge, wie sie diesem Umstand Rechnung tragen sollten.

    (2. Teil, Kapitel 7)


    Da mir dieser Vorfall eingefallen ist, habe ich meine eigentliche Frage wohl gerade selbst beantwortet. Es war zwar ein Unfall, aber Marmeladow stirbt an seinen Verletzungen und der Kutscher wird dafür nicht belangt. Dieses "Verbrechen", auch an der Gerechtigkeit, wird somit akzeptiert.


    Liebe Grüße,
    bimo