Ich stelle mal ein Buch vor, das nicht allzu lang ist, 104 Seiten, also eine Art Kurzroman und daß ich vor ein paar Jahren schon mal las und jetzt wieder gelesen habe.
Das Buch ist ein phantastisches Buch, aber keine Science Fiction und kein Märchen, sondern eher eine phantastische Verfremdung des Realen. Was mir jetzt beim Wiederlesen aufgefallen ist, ist diese absolute vollkommene Negativität dieses Buchs, daß nur düster, nur dunkel, nur grauenhaft, nur ekelhaft, nur angsterfüllt ist, ein großer Depressionsbrocken - im Vergleich dazu ist Kafka ein lustiger Vogel. Es hat nicht einen Hauch von Humor oder es ist doch ein sehr grimmiger. Trotzdem gibt es phantastische Einzelheiten in diesem Buch, die für es einnehmen, vor allem auch im ersten Teil. Über die ( ohnehin sehr magere ) Handlung kann ich nicht viel erzählen. Es passiert ja auch nicht eigentlich sehr viel und das wenige will ich nicht verraten. Im Grunde handelt alles nur davon, daß jemand in eine Stadt kommt, ohne daß man eigentlich weiß warum und diese Stadt wird von Anfang an als völlig fremdartig, phantastisch geschildert. Er kommt in der Nacht und diese Nacht scheint niemals zu enden. Eigentliche "Beziehungen" zu Personen bauen sich nicht auf, alles ist fremdartig und abweisend, schließlich lernt er einen Jungen kennen, aber der stellt sich als ein früheres Ich heraus - und ist doch irgendwie eine eigene Person.
Ich gebe 4 von 5 Ratten. Ich könnte auch 5 Ratten geben, weil das Buch schon ein Erlebnis ist. Ich glaube so ein Buch könnte heute nicht mehr geschrieben werden. Man sollte sich vergegenwärtigen, daß Hans Henny Jahnn 1894 geboren wurde, mithin zwei Weltkriege erlebte, in seinen letzten Jahren nach dem zweiten Weltkrieg noch verzweifelt gegen die atomare Rüstung kämpfte. Dann aber erscheint in dem Buch auch so eine merkwürdige Dämonisierung des Leiblichen und Sexuellen. Ich glaube so ein Buch könnte heute nicht mehr geschrieben werden, gelegentlich scheint es einem fremd geworden zu sein - so ist es für mich auch eine Art Zeitreise. Übrigens war es wohl auch Jahnns letztes Buch, aber mit der seichten Unterhaltungskultur der 50er Jahre hat es rein gar nichts zu tun. Aber ein "absolutes Meisterwerk" ist es wohl nicht, dazu spiegelt es wohl zu sehr seine eigene Zeit ( einschließlich wohl der Tatsache, daß er an Freud glaubte ) und die "Steigerung des Grauens und der Negativität" am Schluß erscheint mir dann doch zu gewalttätig und nicht völlig überzeugend. Aber ein Erlebnis ist es wiegesagt schon.
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EDIT: Betreff etwas angepasst und Amazon-Link eingefügt. LG Seychella