Lion Feuchtwanger - Der jüdische Krieg

Es gibt 27 Antworten in diesem Thema, welches 8.766 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von BigBen.

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    Kurzbeschreibung
    Die spannende Trilogie gehört zu den wichtigsten Werken der Weltliteratur. Feuchtwanger kleidet das Leben des jüdischen Geschichtsschreibers Flavius Josephus (37 - 100) in das Gewand eines historischen Romans. Die Hauptfigur wird getrieben vom Ehrgeiz, zugleich Jude und Römer, Israelit und Weltbürger zu sein. Daraus erwachsen Konflikte, die ihn zu zerreißen drohen und seine Familie zerstören. Er verlässt Rom und versucht zurück an seinen Ursprung zu gelangen.


    Teilnehmer:
    BigBen
    mohan
    mombour
    nikki
    Sui.generis


    [hr]


    Viel Spaß!

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Ich werde erst morgen oder übermorgen anfangen können zu lesen. Der Perutz muß erst noch fertig werden. :winken:

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • Und ich kann erst, wie bereits im Vorschlagsthread angekündigt, ab dem 9. Mai teilnehmen, freue mich aber schon sehr auf die Runde.


    Liebe Grüße,
    mohan :winken:

  • Hallo zusammen,


    ich habe langsam mit dem Lesen des Buches begonnen und bin bis zur Seite 58 gekommen. Da ich kein Freund von Spoilern bin, werde ich die Seitenanzhal zu Anfang immer fett markieren. Ich hoffe, es ist für Euch in Ordnung so? :winken:


    Ich bin bis jetzt wirklich angetan von den detailreichen Situations- und Ortbeschreibungen.
    Die Mission, drei unschuldige jüdische Gefangene zu befreien, bringt Joseph Ben Matthias im September des Jahres 64, drei Monate nach dem großen Brand, nach Rom. Immobilienspekulanten treiben also bereits im alten Rom ihr Spiel und Senator Marull macht durch seine Worte deutlich, dass Globalisierung bei Weitem nicht so ein neues Phänomen ist (S. 16/17). Der junge Mann ist gut ausgebildet, will aber nicht in Jerusalem bleiben; er hat scheinbar Größeres vor. Gleich zu Beginn wird er von Glück verfolgt; durch Demetrius Liban, einen Schauspieler, dem der Mut nicht fehlt, den Römern einen Spiegel vorzuhalten, lernt er die Kaiserin kennen und kann ihr sein Vorhaben vortragen. Mit dem Satz „Gott ist jetzt in Italien“ erwirbt er sich ihre Gunst. Aber die Dame ist doch nicht so leicht um den Finger zu wickeln, wie Joseph angenommen hatte.
    In Judäa brodelt es bereits, die „Rächer Israels“ werden von den in Rom lebenden Juden skeptisch beäugt und für die Unruhen verantwortlich gemacht. Aber bis zum Aufstand sind es noch zwei Jahre. Noch verteidigt Joseph die "Rächer Israels", laut der Inhaltsangabe sitzt er am Ende des Buches an Seite des Kaisers Vespasian. Ich bin neugierig, diese Entwicklung zu verfolgen.


    Schon nach diesen paar Seiten freue ich mich noch mehr auf das Buch und die Leserunde!


    BigBen, welches Buch von Perutz liest Du?


    Herzliche Grüße
    nikki

    Ich lese gerade:<br />Lion Feuchtwanger - Der jüdische Krieg

    Einmal editiert, zuletzt von nikki ()

  • Hallo,



    [...] Senator Marull macht durch seine Worte deutlich, dass Globalisierung bei Weitem nicht so ein neues Phänomen ist (S. 16/17).


    Natürlich ohne die sog. "Neue Welt", aber das römische Reich war doch recht ausgedehnt und kosmopolitisch.


    Ein paar Seiten habe ich gestern noch gelesen, langsam wird die Frage der drei Unschuldigen zu einem Politikum.


    Liebe Grüße
    nikki

    Ich lese gerade:<br />Lion Feuchtwanger - Der jüdische Krieg


  • bis zur Seite 58 gekommen.


    Genauso weit bin ich gestern auch gekommen. Ich bin wirklich sehr angetan von Feuchtwangers Sprache. Die Handlung ist linear, ohne Sprünge, und mäandernd.
    Interessant finde ich es, wie die Juden durch ihre Kulte sich selbst Probleme heraufbeschwören (die Reinigungs- und Lebensmittelrituale bei den Gefangenen, das Problem der Abbildungen von Tieren bei Cajus). Das erinnert mich an die Theorie vom teuren Kult.



    BigBen, welches Buch von Perutz liest Du?


    "Zwischen neun und neun"

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • ich habe langsam mit dem Lesen des Buches begonnen und bin bis zur Seite 58 gekommen. Da ich kein Freund von Spoilern bin, werde ich die Seitenanzhal zu Anfang immer fett markieren. Ich hoffe, es ist für Euch in Ordnung so? :winken:


    Ist schon recht so. Wie soll man vernünftig über Inhalte diskutieren, wenn man dauernd spoilern müsste.


    Zum Buch:


    Dass sich die Römer sich nicht für Juden interessieren, bez. nichts mit ihrer Religion anfangen können, bezeugt ja schon Tacitus in seinen Historien, der behauptete, Juden beten in ihren Tempeln Esel an. Auch die Königin Poppäa interessiert sich nicht für jüdische Belange. Sie meint, Josef solle seine Belange in aramäischer Sprache vorbringen, einer Sprache, die die Königin nicht versteht. Darin erkennt man ihren Spott. Die Bedingung, dass die drei Juden freigelassen werden, ist doch der, dass der Schauspieler den Juden Apella, eine jüdische Spottfigur öffentlich spielen soll. Außerdem erheitert sich besonders der Antisemit Philipp Talaß (ein Minister!) für das Stück. Josef hat es in solch einer judenfeindlichen Atmosphäre nicht leicht.


    Liebe Grüße
    mombour

    Einmal editiert, zuletzt von mombour ()

  • Ich habe mich ja köstlich über das Ministerium für Bitten und Beschwerden amüsiert. Ich frage mich, ob es sowas im alten Rom wirklich gab, oder ob es der Phantasie Feuchtwangers entsprungen ist.
    Ich bin jetzt bis Seite 102 (ich komme leider zur Zeit nicht so viel zum Lesen, wie ich es gern hätte). Im Zusammenhang mit Josephs Buch über die Makkabäer frage ich mich, wie damals die Buchproduktion gelaufen ist. Soweit ich weiß, waren Bücher ja noch Schriftrollen. D.h. wenn tausende Exemplare verkauft wurden, muß es eine Menge Schreiber in dem Verlag geben. Oder Feuchtwanger hat an der Stelle übertrieben.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • Hallo,



    [Die Bedingung, dass die drei Juden freigelassen werden, ist doch der, dass der Schauspieler den Juden Apella, eine jüdische Spottfigur öffentlich spielen soll. Außerdem erheitert sich besonders der Antisemit Philipp Talaß (ein Minister!) für das Stück. Josef hat es in solch einer judenfeindlichen Atmosphäre nicht leicht.


    Die Idee, den Juden Apella zu spielen, kam von Demetrius Liban. Zuerst stutzte Poppäa auch, begeisterte sich aber dann für die Idee und packte ihn bei seiner Männlichkeiten (er soll doch nicht so feig sein!). Demetrius will aber nicht den albernen, verspotteten Juden spielen sondern "[...] den wirklichen mit seiner ganzen Trauer und Komik, mit seinem Fasten und seinem unsichtbaren Gott." (S. 52) Aber gleichzeitig ist ihm bewusst, dass dies ein gefährliches Spiel ist, denn die Atmosphäre ist - würde ich eher sagen, subtil denn offensichtlich judenfeindlich. Außnahme ist bis jetzt der Minister Talaß, leider bin ich noch nicht weitergekommen mit dem Lesen.



    "Zwischen neun und neun"


    Interessantes Buch, das habe ich vor ein paar Monaten auch gelesen. Perutz liebt es, seine Leser zu verwirren und zu täuschen. Genauso wie bei "Der Meister des jüngsten Tages" muss man sich am Ende die Frage stellen, was denn jetzt wirklich passiert und was geträumt, erdacht usw. war. Hat es Dir gefallen?


    Liebe Grüße
    nikki

    Ich lese gerade:<br />Lion Feuchtwanger - Der jüdische Krieg

    Einmal editiert, zuletzt von nikki ()


  • Ich bin wirklich sehr angetan von Feuchtwangers Sprache. Die Handlung ist linear, ohne Sprünge, und mäandernd.


    Hallo BigBen,


    die Sprache gefällt mir auch sehr, besonders, wie Feuchtwanger es schafft, uns Lesende durch die sprachliche Gestaltung ganz nah ans Geschehen zu holen. Eine reizvolle Verbindung aus einem gut informierten Erzähler und der, bislang, unmittelbaren Perspektive des Josephus oder Talaß.


    Liebe Grüße,
    mohan


  • Hallo nikki,


    der Begriff der Globalisierung ist hier - aus meiner Sicht - im Grunde gut gewählt, auch wenn du ihn relativierst. Es geht im Buch einmal um die Welt, die wahrnehmbar ist, zum anderen, und hier wird Globalisierung heute ebenso verstanden: um die ökonomisch relevanten Teile der Welt.


    Liebe Grüße,
    mohan


  • Ich habe mich ja köstlich über das Ministerium für Bitten und Beschwerden amüsiert. Ich frage mich, ob es sowas im alten Rom wirklich gab, oder ob es der Phantasie Feuchtwangers entsprungen ist.
    Ich bin jetzt bis Seite 102 (ich komme leider zur Zeit nicht so viel zum Lesen, wie ich es gern hätte). Im Zusammenhang mit Josephs Buch über die Makkabäer frage ich mich, wie damals die Buchproduktion gelaufen ist. Soweit ich weiß, waren Bücher ja noch Schriftrollen. D.h. wenn tausende Exemplare verkauft wurden, muß es eine Menge Schreiber in dem Verlag geben. Oder Feuchtwanger hat an der Stelle übertrieben.


    Rom war eins der Buchhandelszentren der Antike. Es gab Unternehmen, in denen größeren Gruppen von Schreibern Texte diktiert wurden. Dieses Verfahren ermöglichte größere Auflagen, die auch international vertrieben wurden. Exemplare gingen auch in die römische Staatsbibliothek - ein solches Konstrukt erwähnt Feuchtwanger irgendwo im ersten Buch, ich weiß nur nicht mehr, wo genau. Zudem gab es eine Staatszeitung mit amtlichen Bekanntmachungen, die auch neue Bücher erwähnten. Urheberrechtsschutz gab es nicht. Wie hoch Auflagen von Bestsellern waren, weiß ich nicht. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass Feuchtwanger nicht übertrieben hat.

  • [size=11pt]Stand: Ende Erstes Buch (Rom)[/size]


    Die Handlung des ersten Bandes setzt ein mit Josephs Besuch in Rom zur Zeit der Herrschaft Neros (S.16). Es ist die Zeit des Wiederaufbaus nach dem großen Brand. Alles ist geschäftig, fast alle sind in Geschäften unterwegs, da kann man sich nicht um Details bei drei Unschuldigen kümmern, wie einmal gesagt wird. Der Brand Roms…Auch nur eine weitere Gelegenheit, hervorragend Geschäfte zu machen. Eine völlig durchökonomisierte Gesellschaft skizziert Feuchtwanger. „Wir zahlen die höchsten Preise für Tugend und für Laster.“ (S.17)


    Die Irritation und der Spott ob Josephs Frage nach den verbotenen Geschäften von Senatoren deutet darauf hin, dass im Zweifel das Recht suspendierbar ist.


    Man fühlt sich jeweils dem anderen überlegen: „Diese Römer lächelten über ihn: aber tiefer lächelte er über sie. Was sie geben konnten…, das konnte man lernen. Was man nicht lernen konnte, das war die Schaukraft des Ostens, seine Heiligkeit.“ (S.19) Wichtig ist für den eitlen Joseph, wo er einen Platz angeboten bekommt (S.20) und, was mehrfach genannt wird, dass er den römischen Frauen gefällt. Es scheint in der Trilogie auch um eine Entwicklungsgeschichte zu gehen.



    Die Mission, drei unschuldige jüdische Gefangene zu befreien, bringt Joseph Ben Matthias im September des Jahres 64, drei Monate nach dem großen Brand, nach Rom.


    Es gibt Stellen im Buch, die zumindest Zweifel an der Unschuld der drei Zwangsarbeiter aufkommen lassen. Dadurch wird die Entwicklung auch ein wenig pikant. Schließlich ruft Joseph wiederholt nach der Gerechtigkeit, diesem für ihn obersten Prinzip, um diese dann in einem fragwürdigen Deal auf die Plätze zu verweisen.


    Ob die drei Inhaftierten unschuldig sind, wird nicht in einem Verfahren untersucht. Vielmehr gibt es einen Tausch: Demetrius Liban spielt Apella und die drei Zwangsarbeiter kommen frei, verfügt die Kaiserin (S.54). Diesen Handel erwirkt Joseph, der fortan ein Günstling der Kaiserin ist (S.55). Interessant hier, wie Joseph die Popularität Libans nutzen will, um mit der Kaiserin ins Gespräch zu kommen, und schließlich verantwortlich dafür ist, wie Liban zum Pfand im Handel mit der Kaiserin wird. Dann kommt die böse Wendung mit dem Auftreten des Ministers Talaß, der den Handel geschickt für seine aggressive römische Orientpolitik zu nutzen versteht. Joseph muss die bittere Erfahrung machen, dass das eigene Handeln in einer kurz gefassten Kausalbeziehung einen Erfolg bedeuten kann, jedoch in länger gefassten Kausalbeziehungen zur Katastrophe führen kann.


    Am Ende der ersten Buches kommt Josephs Karriere so weit voran, dass Irene keine gute Partie mehr für ihn ist („War es nicht ein zu kleines Ziel?“ (S.78)). Ebenfalls ein schöner Baustein zur Charakterisierung der Hauptfigur, auch mit Blick auf die - angenommene - Entwicklungsgeschichte.

    Einmal editiert, zuletzt von mohan ()

  • Liebe Mitleser in der Runde!!


    Durch äußere Umstände, die plötzlich in mein Leben eingebrochen sind, kann ich an dieser Leserunde nicht mehr teilnehmen. Grund: Ich bin wochentags tgl. 14 Stunden außer Haus wegen außwärtiger Arbeit. Das tut mir sehr leid, kann aber nichts dagegen machen. Nach so langen Arbeitstagen fehlt mir einfach die Konzentration und die Kraft für so ein Mammutwerk. Dieses ganze Dilemma war für mich nicht voraussehbar, darum bitte ich um Nachsehen.


    Liebe Grüße
    mombour

  • Hallo,


    ich bin auch jetzt endlich auch mit dem ersten Buch fertig geworden.



    Joseph muss die bittere Erfahrung machen, dass das eigene Handeln in einer kurz gefassten Kausalbeziehung einen Erfolg bedeuten kann, jedoch in länger gefassten Kausalbeziehungen zur Katastrophe führen kann.


    Die drei "Unschuldigen" (ihre Vorträge im "Blauen Saal" der "Rächer Israels" machen sie aus der Sicht der Römer schon eher zu Aufwieglern) werden freigelassen, dafür wird Judäa die Unabhängigkeit verlieren. Das wird Jospeh vor allem nach seinem Gespräch mit Justus klar. Auch sein Buch über den Freheitskrieg der Makkabäer könnte zur Aufheizung der Situation beitragen, wie ihm Justus deutlich macht: "Sie haben die klassische Darstelung unserer Freiheitskriege geschrieben, Sie sind der jüdische Titus Livius. Nur, sehen Sie, wenn unsere lebendigen Griechen heute von dem toten Leonidas lesen, dann bleibt das ein harmloses akademisches Vergüngen. Wenn aberunsere "Rächer Israels" in Jerusalem Ihre Geschichte des Juda Makkabi lesen, dannbekommen sie heißte Augen und schauen nach ihren Waffen. Halten sie das für wünschenswert?" (S.84) Justus scheint viel weitsichtiger und scharfsinniger als Joseph zu sein, der ihm mit ambivalenten Gefühlen gegenüber steht: einerseits beneidet er ihn für seinen Scharfsinn, andererseits fühlt er sich ihm auch ein bisschen überlegen, da sein Buch nicht zu einem großen Erfolg wird wie seines.



    der Begriff der Globalisierung ist hier - aus meiner Sicht - im Grunde gut gewählt, auch wenn du ihn relativierst. Es geht im Buch einmal um die Welt, die wahrnehmbar ist, zum anderen, und hier wird Globalisierung heute ebenso verstanden: um die ökonomisch relevanten Teile der Welt.


    Das stimmt, ich will den Begriff auch nicht ganz zurücknehmen, finde ihn auch passend. Die "Neue Welt" habe ich erwähnt, weil vor kurzem in einer Vorlesung der Beginn der Globalisierung mit 1492 angegeben worden ist.


    @mombour, schade, dass Du aussteigen musst; das ist aber ganz verständlich, nach 14 Stunden Arbeit hätte ich auch keinen klaren Kopf mehr. Aber bei meinem Lesetempo bleibt Dir vielleicht hie und da mal Zeit für einen Kommentar? :smile: Ich möchte nämlich auch um Nachsehen bitten, da ich momentan auf der Uni ziemlich eingespannt bin und daher sehr langsam vorankomme.


    Liebe Grüße
    nikki

    Ich lese gerade:<br />Lion Feuchtwanger - Der jüdische Krieg

    Einmal editiert, zuletzt von nikki ()

  • Ich wollte mal ein kurzes Zeichen geben, daß ich noch dabei bin. Ich komme nur im Augenblick nicht wirklich vorwärts (bin irgendwo so um Seite 140). Am Wochenende komme ich hoffentlich etwas mehr zum Lesen. :leserin:

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • [size=11pt]Stand: S. 136[/size]


    Das Zweite Buch (Galiläa) fängt mit dem lakonisch vorgetragenen Eingriff in das Wahlrecht an. Sogleich kommt es zu Konsequenzen, Fronten bilden sich aus, religiös-politische Gruppierungen werden aktiv, Agitatoren versuchen das Volk für sich zu gewinnen.
    Es scheint alles wie von Talaß gewünscht zu verlaufen: kriegerische Auseinandersetzungen, Haussuchungen, Plünderungen - Todesurteile „regnen“.
    Feuchtwanger reiht geschickt und emotionslos Eskalationspunkte auf, die ebenso zwingend wirken wie die Strafexpedition durch die Römer und ihre Vasallen. Die alliierten Truppen ziehen sich nach ersten Erfolgen zurück und werden von den Gegnern geschlagen.


    Einen Grund für den Rückzug liefert das Buch nicht.
    Der historische Cestius Gallus war kurz davor, Jerusalem einzunehmen. Seine Bedenken wegen des bevorstehenden harten Winters 66 n. Chr. führten zum Rückzug in Richtung Cäsarea.


    Wenn ihr an Hintergründen zu "Der jüdische Krieg" interessiert seid, ist ein Buch des historischen Flavius Josephus eine gute Quelle:


    Geschichte des Judäischen Krieges


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    Nach dem Sieg über Gallus wird das Gemeinwesen neu organisiert, die Machtverhältnisse werden neu geregelt. Neben Jannai wird Josef (jetzt aber mal mit "f" :rollen:) zum Volkskommissar für die Provinz Galiläa ernannt. Sein Hauptquartier ist Magdala am See Genezareth. Eine nahe gelegene Stadt am See ist Tiberias. Hier ist Justus als Gouverneur eingesetzt. So besteht - nach Rom - wieder eine Nähe zwischen Josef und Justus, den beiden Antagonisten im politischen Denken. Josef lässt sich auf eine schlecht überlegte Auseinandersetzung mit Justus ein.


    Die Beziehung zwischen den beiden Männern ist vielschichtiger, als das Buch bislang vermuten lässt.
    Die historischen Personen Flavius Josephus und Justus von Tiberias haben jeder ein Buch über die Geschichte des Jüdischen Krieges (66-70) geschrieben. Beide Titel sind nur noch als Fragmente überliefert. Eine politische Tendenz des Justus ist im Fragment seines Buches nicht erkennbar. Aber Justus hat sich in seinem Werk kritisch mit Josephus’ Rolle in diesem Krieg beschäftigt und dessen Buch über den Aufstand gegen Rom angegriffen. Jeder ist mit viel Polemik auf sein Gegenüber eingegangen, weshalb das Herausfiltern verlässlicher Informationen über die Männer aus ihren Texten wohl eine Herausforderung sein dürfte.


    Liebe Grüße,
    mohan :winken:

  • [size=11pt]Stand: Ende Zweites Buch (Galiläa)[/size]


    Josef scheint Justus zu hassen. Auf S. 136 wird dies erwähnt, kann sich aber auch auf Agrippas Palais und dessen symbolische Qualitäten beziehen. Kurz darauf wird von den Männern des Bandenführers Sapita das Palais zerstört. Sapita handelt mit Zustimmung oder im indirekten Auftrag Josefs.


    Josef träumt und bereitet danach den „Heiligen Krieg“ vor. Er denkt, er handelt im Auftrag Gottes.


    Talaß fordert die Zerstörung Jerusalems. Rom setzt Truppen in Marsch. Der Kaiser bestimmt zwei Männer als für den Feldzug Verantwortliche, die militärische Leitung hat Vespasian. Die Überlegungen des Kaisers zur Auswahl der beiden Männer sind von taktischem Kalkül und, maßgeblich, habe ich den Eindruck, verletzter Eitelkeit bestimmt.


    Vespasian denkt intensiv über die persönlichen Vorteile nach, die der Feldzug gegen Judäa ihm bringen könnte. Konsequenzen für Rom scheinen ihn nicht besonders zu interessieren.


    Feuchtwanger beschreibt einen politischen und einen militärischen Entscheidungsträger als Menschen, die nur ihre individuellen Ziele verfolgen. Josef begreift dies, als er mit Vespasian spricht und zur Überlegung gelangt, der Feldherr wolle Jerusalem gar nicht schnell einnehmen, weil seine persönlichen Vorteile dadurch verloren gehen könnten.


    Auf S. 161 wird eine Brille erwähnt, zu meiner leichten Irritation.


    Militärärzte machen in Judäa Versuche mit Gefangenen und legen Statistiken an.


    Josef, militärisch geschlagen, will Vespasian im Auftrag Gottes lenken und bezeichnet ihn als Messias, über dessen Herkunft er sich getäuscht habe. Was davon wohl kommt…


    Liebe Grüße,
    mohan :winken:


  • Auch sein Buch über den Freheitskrieg der Makkabäer könnte zur Aufheizung der Situation beitragen, wie ihm Justus deutlich macht: "Sie haben die klassische Darstelung unserer Freiheitskriege geschrieben, Sie sind der jüdische Titus Livius. Nur, sehen Sie, wenn unsere lebendigen Griechen heute von dem toten Leonidas lesen, dann bleibt das ein harmloses akademisches Vergüngen. Wenn aberunsere "Rächer Israels" in Jerusalem Ihre Geschichte des Juda Makkabi lesen, dannbekommen sie heißte Augen und schauen nach ihren Waffen. Halten sie das für wünschenswert?" (S.84) Justus scheint viel weitsichtiger und scharfsinniger als Joseph zu sein, der ihm mit ambivalenten Gefühlen gegenüber steht: einerseits beneidet er ihn für seinen Scharfsinn, andererseits fühlt er sich ihm auch ein bisschen überlegen, da sein Buch nicht zu einem großen Erfolg wird wie seines.


    Ja, wie richtig dieser Gedanke ist, zeigt sich in den späteren Teilen des Galiläa-Buchs, wo Josefs Buch in einem derartigen Zusammenhang erwähnt und er selbst als eine Art Umsetzer von Ideen aus diesem Buch bezeichnet wird.


  • Auf S. 161 wird eine Brille erwähnt, zu meiner leichten Irritation.


    Feuchtwanger benutzt immer mal wieder einen Begriff, der nicht in die Zeit paßt - Deutschland, Deutsche, imperialistisch. Die Frage ist, ob er das absichtlich oder aus Nachlässigkeit gemacht hat.


    Ich bin übrigens fast am Ende von Buch 3. Irgendwie ist der Schwung beim Lesen raus. Am Anfang hat es mir besser gefallen. Die "Einschübe", die in der Zwischenzeit kamen, waren recht interessant (Vespasians Biographie, die Geschichte des Tempels), aber ansonsten zieht sich die Geschichte recht zäh dahin.
    Feuchtwanger hat offensichtlich fleißig bei antiken Quellen "abgeschrieben". Zum Beispiel das erwähnte korinthische Erz geht wohl auf Plinius dem Älteren zurück.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001