Xenophon - Der Zug der Zehntausend (Anabasis)

Es gibt 15 Antworten in diesem Thema, welches 4.126 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von mohan.

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    Xenophon - Der Zug der Zehntausend


    Der persische Prinz Kyros vereinigt unter verschiedensten Vorwänden heimlich eine Armee, um dann damit gegen seinen Bruder Artaxerxes II. in den Krieg zu ziehen. Doch nach dem Marsch durch die heutige Türkei erleidet die Streitmacht vor Babylon eine vernichtende Niederlage, bei der auch Kyros sowie seine Armeeführer den Tod finden. Ohne die starke Hand des Prinzen zerfällt das multikulturelle Heer wieder in einzelne Gruppen, die versuchen, das Beste aus der Situation zu machen.


    Die überlebenden Griechen verlassen sich erst auf die Zusage der Perser, sie friedlich abziehen zu lassen. Doch verbirgt sich hinter diesem Entgegenkommen nur eine List, um die Kämpfer auch noch ihrer letzten verbliebenen Feldherren zu berauben. In dieser führungslosen Situation tritt Xenophon, ein Schüler des Sokrates, hervor und versucht gemeinsam mit dem Spartaner Cheirisophos, die Griechen wieder zurück in ihre Heimat zu führen.


    Dabei muss die ursprünglich ca. 13 000 Mann starke Truppe zahlreiche Gebiete von feindlichen Völkern durchqueren und selbst neutrale Stämme verhalten sich angesichts der Folgen eines Durchmarsch von so vielen Kämpfern und ihres Anhangs zurückhaltend. Immer wieder müssen sich die Griechen ihren Weg frei kämpfen. Doch jedes Mal, wenn sie eine kurze Verschnaufpause einlegen können, haben sie es im Gegenzug mit Differenzen zwischen den verschiedenen Heergruppen zu tun, wobei meist die Anführer für alle Fehlentwicklungen verantwortlich gemacht werden.


    Zahlreiche der Schilderungen von Entwicklungen innerhalb der Armee kamen mir seltsam bekannt vor und es war erstaunlich, wie ähnlich das Verhalten der Menschen in solchen Belastungssituationen damals und heute ist und wie oft einem die eigenen Verbündeten genauso viele oder sogar mehr Schwierigkeiten bereiten können als die eigentlichen Gegner. So muss Xenophon dann auch erkennen, dass die Griechen, die es nach zahllosen Kämpfen, die aber nicht ausschweifend oder allzu militärisch geschildert werden, zurück in die Nähe griechischer Städte am Bosporus geschafft haben, noch lange nicht mit offenen Armen wieder in der Heimat begrüßt werden.


    Obwohl die Geschehnisse vor über 2 400 Jahren stattfanden, liest sich der Bericht dennoch für mich überraschend flüssig und mitreißend. Allerdings hat Xenophon seine Erlebnisse selbst in Worte gefasst und vermutlich dabei bei seinen eigenen Leistungen etwas übertrieben. Gelungen sind jedoch seine Zwischengedanken über die Eigenschaften, die ein guter Herrscher haben sollte. Hieran wird Xenophons Vergangenheit als Schüler des bekannten Philosophen Sokrates deutlich und man merkt ihm auf das humanistische Gedankengut an, welches die griechischen Denker gepflegt haben.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Das Buch finde ich in vielerlei Hinsicht hochinteressant. So zeigt es zum Beispiel:


    - wie eine fremde Truppe aus dem Herrschaftsbereich einer politischen und militärischen Großmacht herauskommt;


    - wie - in Teilen - der Alltag in dieser Zeit aussah;


    - dass persönliche Mobilität keine Erfindung und kein Problem nur der heutigen Zeit ist;


    - wie taktisches Verhalten sinnvoll außerhalb eines militärischen (oder unternehmerischen) Sandkastens entwickelt werden kann, von Menschen, die Fehler machen und auf die Konsequenzen aus diesen Fehlern schnell reagieren müssen.


    Gruß, mohan :winken:

  • In dieser Beziehung war ich sehr enttäuscht. Xenophon ist m.M.n. zu sehr auf seine eigene Kultur fixiert. Und die setzt er als selbstverständlich voraus. Wir hatten zu diesem Text gerade eine Leserunde im Klassikerforum:


    http://www.klassikerforum.de/index.php/topic,3048.0 :winken:


    Danke, den Thread zur Leserunde schaue ich mir heute an. Deine Kritik an Xenophon kann ich nachvollziehen, wenngleich das Buch durch diese Fixierung für mich nicht enttäuschend ist. Ist der Ansatz nicht eher normal und bis heute dominant, trotz seiner grundsätzlichen Kritikwürdigkeit?


    Gruß, mohan :winken:

  • In dieser Beziehung war ich sehr enttäuscht. Xenophon ist m.M.n. zu sehr auf seine eigene Kultur fixiert. Und die setzt er als selbstverständlich voraus.


    Über den normalen Alltag erfährt man als Leser leider wirklich nicht sehr viel, über den militärischen Alltag hingegen schon bedeutend mehr. Interessant für mich waren z.B. die Erwähnung der Essgewohnheiten, wann und wie viel Mahlzeiten es gab und wie die Mahlzeiten (also das Essen an sich) organisiert wurden über die Eröffnung von Märkten. Davon habe ich zuvor noch nichts gehört und auch heute wird zumeist über so banale Dinge wie die Verpflegung der Soldaten oder auch ihre Hygienebedürfnisse gekonnt geschwiegen. Von daher war das ein erhellender Einblick.


    Eure Leserunde im Klassikerforum habe ich mir übrigens auch mal durchgelesen und kann einiges davon nachvollziehen. Allerdings ist Xenophon der einzige antike Schriftsteller, mit dem ich bisher in näheren Kontakt kam, daher kann ich euren Vergleichen mit Thukydides und Herodot nicht folgen. Diese Lücken beabsichtige ich jedoch zu schließen.


    LG Myriel :winken:


  • Über den normalen Alltag erfährt man als Leser leider wirklich nicht sehr viel, über den militärischen Alltag hingegen schon bedeutend mehr. Interessant für mich waren z.B. die Erwähnung der Essgewohnheiten, wann und wie viel Mahlzeiten es gab und wie die Mahlzeiten (also das Essen an sich) organisiert wurden über die Eröffnung von Märkten. Davon habe ich zuvor noch nichts gehört und auch heute wird zumeist über so banale Dinge wie die Verpflegung der Soldaten oder auch ihre Hygienebedürfnisse gekonnt geschwiegen. Von daher war das ein erhellender Einblick.


    Ist es nicht eher zu erwarten, dass man über den normalen Alltag wenig erfährt? Wenn ich bedenke, worum es in dem Buch geht... :smile:


    Grüße, mohan :winken:

  • Ich bin verwirrt. Erst schreibst Du:


    Das Buch finde ich in vielerlei Hinsicht hochinteressant. So zeigt es zum Beispiel:
    [...]
    - wie - in Teilen - der Alltag in dieser Zeit aussah;


    und dann



    Ist es nicht eher zu erwarten, dass man über den normalen Alltag wenig erfährt? Wenn ich bedenke, worum es in dem Buch geht... :smile:


    Wie Sandhofer schon angedeutet hat: es hätte durchaus Möglichkeiten gegeben, das Alltagsleben der Völker näher zu beschreiben, durch deren Gebiete die Griechen gezogen sind und mit denen sie sich nicht bekämpft haben. Leider hat er solche Chancen aber zugunsten seiner Selbstdarstellung vergeben und das fand ich schade. Aber er war halt durch und durch Grieche und hat die Lebensweise anderer (barbarischer) Völker offenbar für nicht erwähnenswert gehalten - ganz im Gegensatz zu seinen eigenen Verteidigungsreden, die man ausführlich goutieren darf :rollen: .


    LG Myriel :winken:


  • Ich bin verwirrt. Erst schreibst Du:



    und dann


    Hallo Myriel,


    zur - hoffentlich - Entwirrung: Es geht um Soldaten, die aus dem Herrschaftsbereich einer feindlichen Großmacht raus wollen. Der Alltag, den ich in diesem Zusammenhang meinen kann ("in Teilen - der Alltag"), ist der von Soldaten in einer wesentlich durch Krieg bestimmten Situation, nicht der, den man gemeinhin als normal bezeichnet. Ich glaube, auch zur Zeit Xenophons war eine solche Situation nicht der Normalfall, der normale Alltag.
    An dieser Grundsituation ändert sich vermutlich auch nichts, wenn man unterwegs durch Gebiete kommt, in denen das Leben gerade mal nicht bedroht ist, oder man sich als Söldner verdingt.


    Grüße, mohan :winken:

    Einmal editiert, zuletzt von mohan ()


  • Der Alltag, den ich in diesem Zusammenhang meinen kann ("in Teilen - der Alltag"), ist der von Soldaten in einer wesentlich durch Krieg bestimmten Situation, nicht der, den man gemeinhin als normal bezeichnet.


    Um genau diesen Stolpersteinen vorzubeugen, habe ich extra in den normalen und den militärischen Alltag unterschieden. Dass Soldaten, insbesondere solche auf dem Rückzug durch feindliches Gebiet, nicht den normalen Alltag erleben, ist mir auch klar und auch dieses hier:


    An dieser Grundsituation ändert sich vermutlich auch nichts, wenn man unterwegs durch Gebiete kommt, in denen das Leben gerade mal nicht bedroht ist, oder man sich als Söldner verdingt.


    Ich sprach ja in meinem vorherigen Post auch vom Alltag der Menschen, durch dessen Gebiete die Soldaten marschieren. Ich war der Meinung, dass ich dies deutlich gemacht hätte. Falls nicht: mea culpa!


    LG Myriel :winken:

  • Hallo Myriel,


    ich habe mich auf das Buch bezogen, nicht hingegen auf die Erwartungen, die du als Leserin daran gestellt hast, soweit dies nach deinen Postings zu beurteilen ist.


    Für mich schrieb Xenophon ein Buch mit vorgegebenem Thema. Wenn sich in einem Buch etwas nicht findet, was ich erwarten möchte, worüber der Autor aber nicht geschrieben hat, weil er nicht wollte, aus thematischen oder was auch immer für Gründen, dann kritisiere ich das Buch deshalb nicht, sondern suche mir vielleicht ein anderes Buch, in dem dieses Thema behandelt wird. Insofern könnten wir, so scheint mir, ganz verschiedene Zugangswege zu Büchern haben. Wobei es mir natürlich nicht darum geht, ob einer der Wege falsch oder richtig ist. Das will ich gar nicht beurteilen.


    Aus der Unizeit (bis 2008) weiß ich, dass man zu einem Thema eine Arbeit schreibt und bewertet wird, wie die Umsetzung ist. Manche Dozenten interessiert hingegen nicht die Umsetzung, sondern die Erfüllung irgendwelcher von ihnen gehegter Erwartungen. Ob die mit dem Thema zu tun haben oder nicht...Das kenne ich zum Glück nur von genervten Kommilitonen, die Gesellschafts- oder Geisteswissenschaften studiert haben, nicht hingegen aus meinem Studium.


    Liebe Grüße,
    mohan :winken:


  • Für mich schrieb Xenophon ein Buch mit vorgegebenem Thema. Wenn sich in einem Buch etwas nicht findet, was ich erwarten möchte, worüber der Autor aber nicht geschrieben hat, weil er nicht wollte, aus thematischen oder was auch immer für Gründen, dann kritisiere ich das Buch deshalb nicht, sondern suche mir vielleicht ein anderes Buch, in dem dieses Thema behandelt wird.


    Wenn Du nochmal so frei wärst und ganz an den Anfang des Threads zurückscrollst, dann wirst Du in meiner Einschätzung des Buches kein Wort finden, mit dem ich das Buch wegen meiner ggf. nicht erfüllten Erwartungen kritisiert habe. Ich habe lediglich im Laufe der Diskussion die höchst subjektive Meinung geäußert, dass man auch andere Dinge mit in die Schilderung des Marschs hätte einbeziehen können, als es Xenophon getan hat, ohne das Grundthema der Anabasis aus den Augen zu verlieren. Aus der Tatsache, dass mehrere Wege nach Rom führen, lässt sich jedoch keine Wertung über den Zustand der Straßen ableiten.


    Verzeih, wenn ich Dir auf den Nebenkriegsschauplatz "Erwartungen an ein Buch und ihr Einfluss auf die Bewertung" nicht folgen werde. Ich fürchte wir reden hier gerade aneinander vorbei.


    LG Myriel :winken:


  • Über den normalen Alltag erfährt man als Leser leider wirklich nicht sehr viel, über den militärischen Alltag hingegen schon bedeutend mehr.



    es hätte durchaus Möglichkeiten gegeben, das Alltagsleben der Völker näher zu beschreiben


    Sorry, dann habe ich es wohl alles missverstanden. Vielleicht verstehe ich auch nur nicht, dass "Erwartungen" und "höchst subjektive Meinungen darüber, was man noch hätte schreiben können" andere zeitliche Orte haben. Lösen wir es so auf, es führt ohnehin zu nichts.


    Liebe Grüße,
    mohan :winken:

    Einmal editiert, zuletzt von mohan ()

  • Nur noch als kleine Anmerkung, damit ich dich mit meinem letzten Posting nicht so im Regen stehen lasse: :smile:


    Erwartungen an ein Buch habe ich vor der Lektüre. Ich kenne den Titel, den Autor und vielleicht eine Inhaltsangabe. Daraus reime ich mir zusammen, um was es gehen könnte und wie es erzählt wird.
    Nach dem Lesen versuche ich dann, das Buch zu verdauen. Und an dem Punkt mache ich mir auch meine Gedanken, warum der Autor manches so gemacht hat und was er vielleicht hätte anders machen können.


    Das sind so die (meine) verschiedenen zeitlichen Einordnungen, die wohl zu unserem Missverständnis geführt haben.


    LG Myriel :winken:

  • Wenn sich in einem Buch etwas nicht findet, was ich erwarten möchte, worüber der Autor aber nicht geschrieben hat, weil er nicht wollte, aus thematischen oder was auch immer für Gründen, dann kritisiere ich das Buch deshalb nicht, sondern suche mir vielleicht ein anderes Buch, in dem dieses Thema behandelt wird.


    Völlig richtig und ich bin damit auch einverstanden. Leider wird das Buch (z.B. im Klappentext der Artemis&Winkler-Ausgabe, aber auch im entsprechenden Wikipedia-Artikel (jedenfalls so, wie ich ihn vor ca. 14 Tagen gelesen habe)) durchaus als a) historisches Werk und b) als mit völkerkundlichen Auskünften vollgestopft propagiert. Der Irrtum liegt nicht in meiner Erwartungshaltung, sondern in der überlieferten Rezeption. Es ist ein autobiografischer Text, der stark auf den Autor konzentriert ist. Als solcher sehr spannend und nicht uninteressant.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)



  • Keine Sorge, du hast mich nicht im Regen stehen lassen, weil der Schirm ja schon ein Posting zuvor aufgespannt wurde. :smile:


    Aber dennoch danke für die Erklärung. Dann dürften ja jetzt die Missverständnisse beseitigt sein. :five:


    Liebe Grüße,
    mohan :winken:


  • Völlig richtig und ich bin damit auch einverstanden. Leider wird das Buch (z.B. im Klappentext der Artemis&Winkler-Ausgabe, aber auch im entsprechenden Wikipedia-Artikel (jedenfalls so, wie ich ihn vor ca. 14 Tagen gelesen habe)) durchaus als a) historisches Werk und b) als mit völkerkundlichen Auskünften vollgestopft propagiert. Der Irrtum liegt nicht in meiner Erwartungshaltung, sondern in der überlieferten Rezeption. Es ist ein autobiografischer Text, der stark auf den Autor konzentriert ist. Als solcher sehr spannend und nicht uninteressant.


    Hallo sandhofer,


    das kann ich alles unterschreiben.


    Grüße, mohan :winken: