Fernando Vallejo - Der Abgrund

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    Kurzbeschreibung


    Meine Eindrücke
    <i>Als sie ihm die Tür öffneten, trat er grußlos ein, ging die Treppe hinauf, durchquerte den ersten Stock, gelangte ins hintere Zimmer, sank aufs Bett und fiel ins Koma. Dergestalt von sich selbst befreit, keinen Schritt vor dem Abgrund des Todes, den er wenig später hinabstürzen würde, verbrachte er die, wie ich glaube, einzigen friedvollen Tage seit seiner fernen Kindheit.</i>


    Mit dieser bitteren Feststellung beginnt die Erzählung über Fernandos Besuch in seiner Heimatstadt. Dorthin kehrt er zurück, um seinen sterbenden Lieblingsbruder Darío während seiner letzten Tage zu begleiten. Dabei pendelt er zwischen Erinnerungen, mal alleine, mal gemeinsam mit Darío, der Gegenwart und vielen Selbstgesprächen. Gerade die hatten für mich zu Beginn etwas Faszinierendes. Fernando spricht einen unendlich wütenden Monolog und feuert blindwütig seine Giftpfeile.


    Bei seinen Hasstiraden holt Fernando niemals Luft - im ganzen Buch gibt es nicht einen Absatz, es gibt keine Kapitel. Er fegt schlicht einen Satz nach dem anderen über die Seiten und verschont nur drei Personen vor seiner unendlichen Schimpftirade, seinen Vater, seinen Lieblingsbruder und die Großmutter. Einige wenige schaffen es in ein kleines, wohlwollendes Vakuum von Personen, die sich nicht zu beschimpfen lohnt und die ein bisschen traurigen Spott für ihren Eifer abbekommen. So einer der Brüder, der sich mit seiner Frau für verwahrloste Hunde und Katzen einsetzt. Das Gros der Menschen aber überzieht er mit Hass und Geifer, den Papst, sämtliche Einwohner Kolumbiens (die teilen sich seiner Meinung nach mehr oder weniger in bestechliche Beamte oder Killer oder Mütter), Verwandte, Ärzte, Kolumbien überhaupt und so weiter usw ...


    Was begann, wie ein Vier-Sterne-Buch, entwickelte sich auf Grund der nie endenden Beschimpfungen schnell zu einer mühsamen Tour. Ein bisschen Handlung gibt es, aber die geht völlig unter und steckt in Bruchstücken zwischen dem Gemeckere, in denen Fernando mal nach vorne, mal nach hinten springt. Fast gehen darin drastische Szenen unter, wie die, in der Fernando seinem sterbenden Vater Sterbehilfe leistet. Der arme Vater, der mit fünfzig Jahren Ehe abgegolten habe, was er an Fegefeuer womöglich schuldig gewesen sei. Mit einer Frau, die Fernando niemals Mutter nennt, sondern "die Wahnsinnige" und die er aus sämtlichen Fotos herausschneidet.


    Vallejo hat mit "Der Abgrund" einen sehr persönlichen, autobiografisch geprägten Roman geschrieben. Der Ich-Erzähler lässt seinen Bruder Darío in einem Fotoalbum blättern und fragt <i>"Gehst Du den Friedhof durch?" ... Und er zeigte mir ein Foto von zwei etwa vier und fünf Jahre alten Kindern: "Wir." Er blond gelockt in einem Mantel, ich hinter ihm in einem Ringelhemd, umarme ihn.</i> Die Szene beschreibt das Umschlagbild des Buchs, auf dem die beiden ältesten Kinder der Vallejo-Familie zu sehen sind, eben Fernando und Darío. Ohne Darío kann sich Fernando ein Leben nicht vorstellen und den Moment, als er von Darós Tod erfährt, wird für Fernando selbst ein Ende: <i>Und da, den Hörer in der Hand, starb ich. Kolumbien darf sich glücklich schätzen. Es hat einen einzigartigen Schriftsteller. Einen schreibenden Toten.</i>


    Das Buch wirkt sicher noch eine Weile nach, aber der Sarkasmus, den ich mir auf Grund des Starts erhoffte, fand ich dann doch zu selten (<i>Wie gut, dass Dario starb und damit um die Erderwärmung herumkam.</i>) Zu guter Letzt aber fand ich die Umsetzung dieser Mischung aus Erinnerung und Kritik nicht wirklich überzeugend oder fesselnd.


    2ratten

    ☞Schreibtisch-Aufräumerin ☞Chief Blog Officer bei Bleisatz ☞Regenbogen-Finderin ☞immer auf dem #Lesesofa