Erich-Maria Remarque - Die Nacht von Lissabon

Es gibt 9 Antworten in diesem Thema, welches 10.364 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Hafermilch.

  • Hallo ihr Leseratten!


    Da stöbert und stöbert man, betätigt brav die Suchmaschine und - nichts! Kein Thread, keine Diskussion, gerade mal ein paar Erwähnungen in "Eure neuesten Bücher" findet man auf Literaturschock von diesem großartigen Buch. Aber jetzt! Dieses Buch dürft ihr euch nämlich wirklich nicht entgehen lassen. :daumen:


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    Inhalt:
    1939. Ein namenloser Ich-Erzähler - ein Jude, der mit seiner Frau auf der Flucht ist - trifft am späten Abend in Lissabon auf einen Herrn "Schwarz", der ihm seine Tickets für das letzte Schiff nach Amerika anbietet. Geschenkt. Einziger Gegenzug: Er möchte dem Ich-Erzähler seine Geschichte erzählen. Nur für eine Nacht.
    Und so erzählt er, erstaunlicherweise, nicht, wie er auf der Flucht war, sondern wie er - nachdem er aus einem KZ entkommen war - wieder zurück nach Deutschland möchte, um seine Frau noch einmal zu sehen und wie er letztenendes hier in Lissabon gelandet ist, ebenso wie den Grund, warum er seine Chance, aus Europa rauszukommen, einfach verschenkt...


    Meine Meinung:
    Langsam, ganz langsam wächst diese so simpel scheinende Geschichte und ist am Ende so groß, dass sie einem das Herz zusammenschnürt und das Grauen der NS-Zeit nahe bringt. Während Herr Schwarz seine Geschichte mit der gefährlichen Reise nach Deutschland beginnt, zittert man noch mit ihm und befürchtet hinter jeder Ecke und jedem Baum einen SS-Offizier oder jemanden von der Gestapo. Zusammen mit Schwarz hofft man, dass der gefälschte Pass an der Grenze als echt durchgeht und dass ihn in seiner (und Remarques!) Heimatstadt Osnabrück niemand erkennt.
    Danach beginnt eine ganz andere Geschichte. Sobald Schwarz seine Frau Helen wieder sieht, verwandeln sich der Schrecken und das Grauen in... nun ja, immer noch Schrecken und Grauen, aber auf ganz andere Art. Nun muss er nicht nur um sich selbst, sondern vor allem auch um das Wohl seiner Frau bangen, die ihm in den letzten fünf Jahren Abwesenheit sehr fremd geworden ist. Gemeinsam verbrachte Zeit, der Hass für das Regine und die Entscheidung, dass sie ihm auf seiner erneuten Flucht folgt, schweißt das Paar zusammen und macht die beiden - meiner Meinung nach - zu einem der schönsten Paare, von denen ich jemals gelesen habe.
    Sie treten also die gefährliche Reise auf der Via Dolorosa an und treffen auf dem Weg auf allerhand Schwierigkeiten. Gefälschte Pässe, Lügen, die wie Honig über ihre Lippen gehen, um ihre Leben zu retten, Gestapo-Leute, die speziell nach den beiden Suchen, Internierungslager und andere Opfer, das alles gehört zu ihrem Alltag.


    Dieses Buch hat mich mindestens genauso berührt wie, wenn nicht noch mehr als "Im Westen nichts Neues". Man könnte es als einen Flüchtlingsroman bezeichnen, als eine Liebesgeschichte, als eine Geschichte, die Remarques eigene Erfahrung enthält. Auf alle Fälle aber wächst man zusammen mit den Charakteren über sich selbst hinaus während man liest, man schließt Josef Schwarz und Helen so sehr ins Herz, dass einem das Ende ebendieses bricht.


    Wie ich aus dem Nachwort erfahren habe, handelt es sich bei diesem Roman um den dritten Teil einer Tetralogie. Die ersten beiden Teile habe ich bereits bestellt, denn Remarque hat sich mit diesem Buch in mir einen treuen Fan gesichert.


    5ratten


    Liebe Grüße,
    Wendy

    Jahresziel: 2/52<br />SLW 2018: 1/10<br />Mein Blog

    Einmal editiert, zuletzt von Wendy ()

  • Hallo Wendy,


    danke für Deinen Thread (und natürlich Deine Rezension), der ein tolles Buch bei mir wieder noch oben spült!
    Im Geschichtsunterricht wurde bei mir der Meilenstein für Remarque gelegt: wir haben uns vier Stunden mit dem Film "Im Westen nichts Neues" beschäftigt und danach bin ich sofort losgezogen und hab' mir das Buch gekauft. Nach der Lektüre habe ich mir dann unter anderem "Die Nacht von Lissabon" besorgt... "Im Westen nichts Neues" war sicherlich ein drastisches Erlebnis - aber "Die Nacht von Lissabon" ist für mich auch kein Deut weniger einschneidend. Es ist genau wie Du beschreibst: die beiden Liebenden wachsen einem so sehr ans Herz, es ist eine solch berührende Liebes- und so eine schockierende Fluchtgeschichte, dass es auch für mich immer ein sehr nachhaltiges Buch war und bleibt. In der Tat sollte ich es unbedingt mal wieder lesen!
    Definitiv ein :tipp:
    Schade ist eigentlich nur, dass von Remarque oft nur das eine (wenn auch ebenfalls sehr gute) gelesen wird!


    Liebe Grüße
    dubh

    Liebe Grüße

    Tabea


  • Schade ist eigentlich nur, dass von Remarque oft nur das eine (wenn auch ebenfalls sehr gute) gelesen wird!


    Ja, das finde ich auch sehr schade. Dabei fand ich von den Büchern, die ich bisher von ihm gelesen habe, "Im Westen nichts Neues" sogar noch fast "am schlechtesten". (Wobei das natürlich trotzdem ein ganz tolles Buch ist.)


    "Die Nacht von Lissabon" habe ich noch nicht gelesen, liegt aber schon auf meinem SuB. Remarque ist einer der wenigen Autoren, von denen ich mir vorgenommen habe, wirklich ALLES zu lesen. :breitgrins:


    Falls es wen interessiert, hier nochmal die richtige Reihenfolge der Emigranten-Tetralogie:



    [li]Liebe Deinen Nächsten[/li]
    [li]Arc de Triomphe[/li]
    [li]Die Nacht von Lissabon[/li]
    [li]Schatten im Paradies (unvollendet)[/li]

  • Ich habe gestern nacht gerade mal die ersten 50 Seiten von diesem Roman gelesen und war trotzdem gleich gefangen, zwar interessiere ich mich momentan - angestoßen durch Feuchtwangers "Die Geschwister Oppermann" und Grass` autobiografischen Bericht "Beim Häuten der Zwiebel" - ohnehin für Nach- und Kriegsliteratur, aber dieser Roman hätte mich auch aus dem Blauen heraus gefesselt - was er ja irgendwie auch getan hat.


    Die Tetralogie ist zumindest im Umfang des ersten und zweiten Teils soeben auf meinem Wunschzettel gelandet, beim "Schatten im Paradies" bin ich noch unschlüssig, habe nämlich gerade gelesen, dass wohl nicht nur ein unvollendetes, sondern sogar vom Autor verworfenes und von ihm selbst eigentlich schon durch ein umkonzipiertes Manuskript posthum veröffentlicht wurde.


    Angesichts dieser Umstände befürchte ich dann doch etwas, diesem Autor damit eher Unrecht zu tun, diese Tri- mit solch einem Abschluss zur Tetralogie zu machen. Vielleicht werd ich mich dann erstmal bei anderweitigen Vertretern seines Oeuvres bedienen.

  • Kritik:


    Über den Inhalt wurde schon berichtet, von daher meine Kritik. Ich liebte dieses Buch von der ersten Sekunde. Ja, ich wollte immer wieder wissen, wie es weitergeht. Ja, dieser Mann konnte erzählen- was für ein Romanheld! Was für eine tragische Geschichte! Ich war gefesselt!
    Vielleicht einen Kritikpunkt habe ich schon.... die Figur des "Zuhörers" erscheint mir blass und kommt ja erst wirklich auf ein paar Seiten, am Schluss zum Tragen. Da dieser aber die Geschichte beendet, finde ich, ist dieses ein bisschen schwach geschehen. Aber, da muss sich jeder ein Bild machen. Eine Sache hat mich geärgert, am Schluss, die darf ich auch nicht verraten und will ich auch nicht.
    Der Roman fesselt ungemein und ich bereue es zutiefst, dass ich bei meiner Grossmutter im Regal "Im Westen nichts Neues" stehen sah und nie gelesen habe - jetzt ist das Buch bei einem anderen Besitzer. Wie auch immer, unglaublich authentisch wird die Zeit des Regimes erzählt. Auch die Figur des Bruders seiner Frau ist extrem gut gelungen. Und es war ein Genuss, dass ...
    Wie auch immer, traurig, traurig, traurig und ein wichtiges Buch.


    Fazit: Besonders wertvoll. Ich habe einen begnadeten Autor gefunden.


    Ich gebe: 5 Ratten (und schreibe diese, weil das grad bei mir nicht funktioniert)

  • Ich habe von Remarque natürlich (war auf meiner Maturaleseliste) Im Westen nicht Neues und später dann noch Arc de Triomphe gelesen und beide haben mir gut gefallen; ich fand sie sehr berührend und traurig. Sie passen nicht zu jeder Stimmung und zu jeder Tageszeit...


    Danke für die Rezi und den Tipp, der umgehend auf meine "Noch-zu-Lesen-Liste" geschrieben wird.


    lg, Frau 32


    PS: ich glaube mich zu erinneren, dass Remarque ein ziemlicher Säufer war - gelesen in der Bio von Marlene Dietrichs Tochter "Meine Mutter Marlene". MD hatte glaube ich eine Affäre mit Remarque, kann das sein, oder verwechsle ich da was?

    Einmal editiert, zuletzt von Frau 32 ()

  • Geh ich recht in der Annahme, daß man die Bücher problemlos getrennt lesen kann? Arc de Triomphe habe ich nämlich hier...

    LG Gytha

    “Dieses Haus sei gesegniget”

  • Lissabon, 1942: Aus ganz Europa strömen die Flüchtlinge, jeder hofft auf die Möglichkeit, einen Platz auf einem Schiff nach Amerika ergattern zu können. Auch der Erzähler ist verzweifelt, möchte mit seiner Frau das Land verlassen. Als ihm ein Unbekannter, der sich Josef Schwarz nennt, zwei Tickets anbietet, wenn er sich als Gegenleistung nur eine Nacht lang dessen Geschichte anhört, ist er skeptisch. Doch am Ende hört er zu und erfährt von einer unglaublichen Reise zurück ins besetzte Deutschland, von einem Mann, der für seine Liebe alles aufs Spiel gesetzt hat.


    Eigentlich lese ich sehr ungern Bücher, die vom zweiten Weltkrieg handeln. Doch von diesem Buch hatte ich so viel Gutes gehört, dass ich mich wieder habe hinreißen lassen. Trotz der Thematik habe ich es nicht bereut, "Die Nacht von Lissabon" gelesen zu haben. Der Krieg steht natürich im Vordergrund der Geschichte, aber es geht noch um viel mehr, um Liebe und zwischenmenschliche Beziehungen, die trotz aller Hindernisse und Gefahren im Krieg weiterbestehen.


    Auch wenn man aufgrund der Situation am Anfang des Buches schon einige Schlüsse ziehen kann, wie die Erzählung von Josef Schwarz enden wird, fiebert man jede Sekunde seiner gefährlichen Reise mit ihm mit und hofft das Beste. Ich habe seine Geschichte als unglaublich mitreißend empfunden, wollte das Buch gar nicht mehr zur Seite legen und habe mich geärgert, wenn die Erzählung unterbrochen wurde, um kurz zu dem Gespräch der beiden Männer nach Lissabon zurückzukehren.


    Auch wenn es sich um eine Liebesgeschichte handelt, ist das Buch nicht kitschig. Für Kitsch war vermutilch in dieser Zeit auch einfach kein Platz. Viel mehr geht es darum, glückliche Momente festzuhalten und nicht an den nächsten Tag, die nächste Flucht zu denken. "Die Nacht von Lissabon" ist ein wirklich bewegendes Buch, auch wenn die Gefühle bei mir am Anfang nicht ganz rübergekommen sind und ich Josef Schwarz' Handeln nicht nachvollziehen konnte.


    4ratten

    ~~better to be hated for who you are, than loved for who you&WCF_AMPERSAND're not~~<br /><br />www.literaturschaf.de

  • Hallo!


    Ich habe Die Nacht von Lissabon als Teenager gelesen. An den Inhalt konnte mich mich erstaunlicherweise gut erinnern. Leider auch daran, dass ich mich bei der Lektüre eher gequält habe, was ich jetzt nicht mehr verstehen kann. Wahrscheinlich war es nicht die richtige Wahl für dieses Alter. Deshalb werde ich es noch einmal lesen und bin jetzt schon auf meine neue Meinung gespannt :zwinker:


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Ich tat mich etwas schwer mit dem Buch. Wobei, schwer ist vielleicht übertrieben. Ich konnte Schwarz' Gedankengänge nicht immer folgen, mir blieben viele seiner Gedanken fremd. Das hemmte immer wieder meinen Lesefluss.


    Auf dem Cover steht "eine bittersüße Liebesgeschichte". Ich finde, diese Aussage wird dem Roman nicht gerecht. Denn die Liebesgeschichte empfand ich gar nicht allzu raumgreifend. Die Kernaussagen sind für mich definitiv die Grauen des Krieges, der Flucht, das Fremdwerden seiner Mitmenschen und die Unmenschlichkeit, die Schrecken von Folter, die Angst vor der der Entdeckung. Ich denke, Remarque wollte mit dem Buch auch keine Liebesgeschichte entwerfen, sondern eine Mahnmal setzen. Und als dieses habe ich das Buch gelesen und auch "erarbeitet". Auch wenn es für mich nicht unbedingt ein Lesegenuss war, war es dennoch eine lohnenswerte Lektüre.


    4ratten