Luigi Pirandello – Meistererzählungen

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    Enthalten ist eine Auswahl von zwölf Novellen aus dem umfangreichen Werk Pirandellos. Sie sind Teil der Sammlung Novellen für ein Jahr (Novelle per un anno, die in Buchform im wesentlichen in den Jahren 1922 bis 1928 erschienen, zwei weitere Bände erschienen 1934 und posthum 1937. Ich gebe jeweils den Originaltitel und den Originaltitel des Bandes an, in den Pirandello den jeweiligen Text selbst für die Buchveröffentlichung einsortiert hat, falls durch Übersetzungen mehrere Versionen deutscher Titel kursieren sollten.



    [li]Der Rauch (Il fumo aus Scialle nero, 1922): Mattia Scala will schon seit langem das kleine Gut seines Nachbarn kaufen, hat auch schon im Vorgriff investiert. Als Don Filippino aber stirbt, ohne den Vertrag unterzeichnet zu haben, hat Don Mattia ein Problem.[/li]
    [li]Die Häresie der Katharer (L'eresia catara aus La mosca, 1923): Professor Lamis hat nicht viel Freude an seinen Vorlesungen, die nur spärlich besucht sind. Aber an dem Tag, an dem er über den Schnösel herzieht, der über die Katharer geschrieben hat, ohne Lamis' Publikation umfänglich zu würdigen, scheint alles anders.[/li]
    [li]Der Examenskandidat (Concorso per referendario al Consiglio di Stato aus Il vecchio dio, 1926): Pompeo Lagumina ist mit finanzieller Hilfe seiner Verlobten in ein einsames Hotel gereist, um sich auf die Prüfung vorzubereiten. Aber jeden Tag kommt etwas anderes dazwischen ...[/li]
    [li]Ein Goi (Un «Goj» aus La rallegrata, 1922): Daniel Catellani kann es seinem Schwiegervater einfach nicht recht machen, was er auch tut, jener hält ihn immer noch für einen Feind der Kirche. Wieder einmal steht Weihnachten vor der Tür und Daniel sinnt auf Rache.[/li]
    [li]Die Reise (Il viaggio aus Il viaggio, 1928): Die verwitwete Adriana Braggi hat sich immer an die Konventionen des Dorfes gehalten. Als sie schwer erkrankt und ihr Schwager sie auf seine jährliche Reise mitnimmt, lernt sie das Leben noch einmal ganz neu kennen.[/li]
    [li]Wenn man das Spiel verstanden hat (Quando s'è capito il giuoco aus Una giornata, 1937): Memmo Viola ist gar nicht so traurig, von seiner Frau getrennt zu leben. Als diese ihm aber eines Tages eröffnet, er müsse sich duellieren, da sie beleidigt worden sei, muß Memmo geschickt handeln, denn sein Leben will er dafür nicht opfern und der Gegner genießt einen gewissen Ruf ...[/li]
    [li]Seine Majestät (Sua Maestà aus La rallegrata, 1922): Der Gemeinderat von Costanova wurde aufgelöst, eine Regierungskommissar soll die Geschäfte übernehmen. Dumm nur (für den Kommissar), daß er wie der beliebte, aber abgesetzte Bürgermeister dem König Vittorio Emmanuele II. und sie sich damit auch gegenseitig ähneln.[/li]
    [li]Die drei Gedanken des Buckelchens (I tre pensieri della sbiobbina aus La rallegrata, 1922): Clementina ist krumm und schief gewachsen, und deshalb kann es doch gar nicht sein, daß der hübsche Nachbar ihr auf einmal dauernd zusieht, oder?[/li]
    [li]Mahnung zur Pflicht (Richiamo all'obbligo aus La Giara, 1928): Paolino Lovico ist furchtbar aufgeregt, und dringt in seinen Freund Gigi Pulejo ihm zu helfen. Oder vielmehr: Einer jungen Frau zu helfen, die von ihrem Mann, der andernorts noch eine zweite Familie hat, ignoriert wird. Ein Schelm, der Böses dabei denkt ...[/li]
    [li]Das Licht vom anderen Haus (Il lume dell'altra casa aus Il viaggio, 1928): Über die enge Gasse kann Tullio Buti jeden Abend ein Familienidyll beobachten. Dabei wird es aber nicht bleiben, als man dort durch Butis Vermieterinnen von seinem Interesse erfährt ...[/li]
    [li]Formalitäten (Formalità aus Scialle nero, 1922): Orsani ist in finanziellen Schwierigkeiten. Obendrein vermutet er, daß seine Frau und sein Freund ihn betrügen. Und dann kommt auch noch ein merkwürdiger Versicherungsvertreter. In Orsani reift ein Plan ...[/li]
    [li]Die Leibrente (Il vitalizio aus Il vecchio dio, 1926): Maràbito ist alt geworden, deshalb hat er sein kleines Anwesen auf dem Land verkauft, sich eine Leibrente daraus ausbedungen und zieht in die Stadt. Der Käufer hatte schon den Nachbargrund erworben, dessen früherer Besitzer aber ein halbes Jahr später verschied – ein gutes Geschäft für Signor Scinè. Maràbito allerdings macht keine Anstalten, einfach zu sterben, stattdessen erwischt es Scinè selbst. Dessen Anwalt tritt in den Vertrag ein, aber der Tod macht immer noch einen Bogen um Maràbito, der längst schon genug hat von diesem Leben. Aber noch hat das Schicksal nicht alle Rechnungen beglichen ...[/li]


    Dieses Buch habe ich mal bei einem Bookcrosser-Treffen eingesteckt, weil mir zwar der Name Pirandello als solches bekannt war, ich aber überhaupt keine Vorstellung hatte, wer das genau war und was er so geschrieben hat. Unverzeihlicherweise habe ich es lange liegen lassen, denn diese Erzählungen waren insgesamt betrachtet wahrlich meisterhaft und ein Genuß zu lesen! In diesen kurzen Texten (die beiden Rahmenerzählungen Der Rauch und Die Leibrente sind mit je um die 70 großzügig bedruckten Seiten noch die längsten) schafft es Pirandello nicht nur, menschliche Schwächen auf den Punkt darzustellen und dabei eine gewisse Tragikomik beizubehalten, sondern auch sizilianisches Flair zu verbreiten. Da hier ja nur eine kleine Auswahl seiner Novellen vorlag, werde ich auf jeden Fall noch weitere lesen, die Auswahl dürfte groß genug sein, da die Sammlung insgesamt über 240 umfaßt. Selbst wenn dabei noch schwächere zum Vorschein kommen, so ist Pirandello immer noch einer der besten Nobelpreisträger, die ich gelesen habe.


    5ratten


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Schön, dass dir der Pirandello gefällt. Ich habe nach deiner Rezi Lust gekriegt, mir demnächst die Erzählungen vorzunehmen. :winken:

  • Ja, mach das! Sie sind wirklich gut, und so eine Erzählung kann man ja auch immer mal fix einschieben, wenn man nicht ganz so viel Zeit hat.

  • Die zwölf Meistererzählungen waren für mich durchaus von gemischter Qualität. Was mir bei den meisten Novellen die Lust am Lesen verdorben hat, war die Schadenfreude, mit der Pirandello seine Protagonisten bloß stellt.


    Wenn es sich um selbstverschuldetes Unglück handelt, mag so eine boshafte Schilderung ja noch angehen. Ein Beispiel dafür ist „Der Examenskandidat“: dieser lässt sich durch andere Hotelgäste immer wieder von seinen Studien ablenken und verzettelt sich seiner Verlobten gegenüber in Falschaussagen, was am Ende natürlich nicht ohne Konsequenzen bleibt. Weitaus häufiger jedoch schildert Pirandello Schicksale, auf die der Protagonist keinen Einfluss nehmen konnte. Überheblich wird der Leidtragende dann richtiggehend vorgeführt, unterhaltend finde ich das allerdings nicht. Mattia Scala wird in „Der Rauch“ aufgrund seiner Gutgläubigkeit bloß gestellt, Professor Lamis in „Die Häresie der Katharer“ aufgrund seines Alters.


    Zu Gute halten muss man Pirandello seine schriftstellerischen Qualitäten. Außerdem bringt er einiges an Lokalkolorit und sizilianischem Flair ein. Und die ein oder andere Perle verbirgt sich ebenfalls zwischen den eher rauen, humoristisch ausgerichteten Erzählungen: „Die Reise“ ist eine sehr feinfühlige Schilderung, und auch „Die drei Gedanken des Buckelchens“ und „Das Licht vom anderen Haus“ werden von einem anderen, melancholischeren Tonfall bestimmt.


    3ratten


    Schöne Grüße
    Breña

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges