László Darvasi - "Die Legende von den Tränengauklern"
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Darvasis Werk hat sich anfangs geweigert, mir Zugang zu bieten in seine wundersame, fremdartige, und konfus wirkende Welt, das Ungarn des ausgehenden 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts. Dies ließ mich gleich zu Beginn an zweierlei zweifeln: An meiner eigenen Kompetenz, das Gelesene zu erfassen, und der Qualität des Geschriebenen. Dabei ist der Schreibstil von Anfang an einer, der mir sehr liegt, einer, den ich irgendwie mit Ungarn in Verbindung setzen möchte.
Eine kleine Kostprobe:
Zitat von CoverDeshalb können wir sagen, daß wir auch dann von den Tränengauklern wüßten, wenn sie nie erwähnt worden wären. Wenn von der Bühne der Zeit statt Wehgeschrei nur das Knirschen zusammengebissener Zähne zu uns gedrungen wäre.
Und scheinbar ging es nicht nur mir am Anfang so:
At first sight the published novel also seems a collection of short stories, and one has to submerge into and be overwhelmed by the stories to realise they are all interconnected and are truly part of a grandiose whole.
Dies mag jetzt relativ gewöhnlich anmuten, wäre es nicht so, dass Charaktere überhaupt erst nach 100 Seiten wieder auftreten, Zusammenhänge nach 200 ein neues Gesicht bekommen, und generell das Gedächtnis des Lesers stark beansprucht wird durch eine Vielzahl von Personen, deren Wichtigkeit man beim ersten Auftreten nicht gleich abschätzen kann.
Wenn man bereit ist, sich darauf einzulassen, erwartet einen ein interessantes und kurzweiliges Leseerlebnis.
Zitat von http://www.perlentaucher.de/buch/8254.htmlDass der Rezensent (=Hansjörg Graf) nicht verzweifelt angesichts eines Buches, das, wie er schreibt, außer einer Folie einer Erzählung (die Türkenkriege und der Freiheitskampf der Kurutzen) weder eine einzige Fabel noch eine Hauptperson zu bieten hat, liegt zum einen wohl daran, dass es der Autor so gut versteht, die "Quellgründe der Historie" auszuloten und somit die Möglichkeiten des Belletristen in seiner Eigenschaft als Historiograph nutzbar zu machen. Zum anderen haben der den Rezensenten an Brueghel, Rabelais und Grimmelshausen erinnernde "Grobianismus" des Autors, seine "Ästhetik des Hässlichen" sowie dessen poetisches Talent ihre Wirkung getan.
Möglicherweise fällt auf, dass bis jetzt kaum ein Wort zum Inhalt gefallen ist. Das hat seinen Grund: Oben genannte Struktur der lose verknüpften, bunt aneinandergereihten Elemente lässt eine kurze und prägnante Inhaltsbeschreibung einfach nicht zu.
Das verbindende Element aller Geschichten, die uns in das von den Türken besetzte Budapest führen, nach Venedig, die uns teilhaben lassen an Revolutionen der ungarischen Geschiche und Kämpfe in derselben, sind die Tränengaukler. Ihre Vorstellung: Sie weinen. Der eine Blut, der andere kleine Spiegel, der dritte Honig, der vierte Eis und der fünfte Steine.
Wo sie auftauchen, verändern sie die Geschichte: Dem einen helfen sie, dem anderen bringen sie Unheil. Sie sind überall und nirgends und das zugleich.
Ein Märchen wird erzählt, Wunder geschehen, phantastische und magische Elemente allerorts, selten muss der Leser lange ausharren. Gewalt wird exzessiv beschrieben, jedoch immer in einer Sprache, die das Geschehen den Empfindungen fernhält, emotionslos wird sie angeprangert. Die Liebe desgleichen, einen moralischen Zeigefinger sucht man vergebens, und bang wird es einem im Herzen bei so viel Gemetzelei und Weiterleben.
Zitat von http://www.perlentaucher.de/buch/8254.htmlDer Rezensent (Tilman Spreckelsen) steht sichtlich im Bann des Romans und seines Tonfalls "zwischen Märchen, Legendendichtung und realistischer Erzählung. Bei allen "magischen Elementen", die Darvasis Roman "die Dimension des Allgemeingültigen" verleihe, "und so grausig-skurril einige der "Metzelbeschreibungen" anmuten würden: nur wenige dieser Einfälle seien Fiktion.
Man möge mir die vielen Zitate verzeihen, ich bin noch immer gefangen von der Lektüre und finde viel zu wenig Worte, um sie zu beschreiben. Wahrlich einer der besten zeitgenössischen Romane, den ich in letzter Zeit gelesen habe. Für die sicher abermalige Lektüre weiß ich wenigstens vorher schon, dass ich mir einen Stapel Sekundärliteratur zur Seite legen möchte, um ungarische Geschichte nachzuschlagen, ungarische Märchen und Mythen, um so das Gesamtkunstwerk vielleicht noch mehr würdigen zu können.