Gina Mayer - Die Protestantin

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    Kurzbeschreibung:
    Glaube, Liebe, Hoffnung - drei starke Frauen kämpfen um ihr Glück Kaiserswerth im Jahre 1822. Als sie dem protestantischen Pfarrer Theodor Fliedner begegnet, ist die 17-jährige Johanne voller Bewunderung für diesen willensstarken Mann. Eine Ehe mit ihm bahnt sich an, doch als er um ihre Hand anhält, gibt es etwas, was ihr wichtiger ist: ihre Freiheit. Auch ihre jüngere Schwester Catharine will ihre Liebe und ihr Leben selbst bestimmen. Als 1848 die Revolution losbricht, für die sich Catharine leidenschaftlich engagiert, entbrennt zwischen den Schwestern ein kräftezehrender Kampf um die persönliche Überzeugung. Wird es erst ihrer gemeinsamen Pflegetochter Magdalena gelingen, Freiheit, Glaube und Liebe in Einklang zu bringen?


    Meine Meinung:
    Der Roman umfasst die Jahre 1822 - 1876 und beschreibt neben einer spannenden Handlung auf eindrucksvolle Weise die politischen und sozialen Vorgänge dieser Zeit. Im Mittelpunkt steht der protestantische Pfarrer Theodor Fliedner, der in Kaiserswerth ein wegweisendes soziales Projekt, das Diakonische Werk, auf die Beine stellte. Gina Mayer schildert Fliedner als charismatischen, tiefgläubigen Mann, der aus Nächstenliebe soziale Not lindern will und fanatisch seinen Weg geht. Die herrschende Ordnung, die die Verelendung der Massen erst möglich macht, akzeptiert er als gottgegeben. Dagegen stellt die Autorin die aufkeimende sozialistische Bewegung, die in der Revolution von 1848 einen Höhepunkt und eine schwere Niederlage erlebt. In diesem Spannungsfeld bewegen sich die Schwestern Johanne und Catharine - die eine an der Seite Theodor Fliedners, die andere an der Seite der Revolution. Beiden Frauen ist aber schnell klar, dass Frauen weder auf der einen noch auf der anderen Seite wirklich ernst genommen werden und handeln entsprechend.
    Der Roman ist gut recherchiert und beschäftigt sich mit vielen Probleme der damaligen Zeit - ein wirklich gelungenes Sittengemälde. Mich hat das Buch angeregt, mich ein wenig intensiver mit der Zeit zu beschäftigen. Darüber hinaus gelingt es Gina Mayer, eine wunderbare Stimmung einzufangen, die man auch heute noch spüren kann, wenn man durch den alten Stadtkern von Kaiserswerth spaziert.


    Ein wirklich guter historischer Roman, der von mir 4ratten bekommt. Eine Ratte ziehe ich ab, weil Gina Mayer diesen einfallslosen und irreführenden -in-Titel gewählt hat.

  • Oooh, das Buch hört sich gut an. Das ist genau mein Geschmack. Danke für die Rezi, qantaqa, ist auf meiner Wunschliste gelandet! :winken:



    Eine Ratte ziehe ich ab, weil Gina Mayer diesen einfallslosen und irreführenden -in-Titel gewählt hat.


    Hat sie denn den Titel gewählt oder der Verlag? Ich habe nämlich mal von einer Autorin gehört, die sich wochenlang mit dem Verlag über den Titel gestritten hat, weil die nicht ihren Vorschlag annehmen wollten, sondern auch so einen nichtssagenden, weil "der sich eben gut verkauft"...


    Lg,
    Sookie

    :kaffee:

  • Ist doch egal, wer den Titel gewählt hat - er gefällt mir einfach nicht und das gibt Rattenabzug. :breitgrins:


    Aber den Inhalt kann ich nur empfehlen, genau wie Das Medaillon, auch ein historischer Roman von Gina Mayer.

  • Das Buch:
    Kaiserswerth, 1822. Die 17jährige Johanne hat es denkbar schlecht getroffen: Der Vater ist arbeitslos und vertrinkt das wenige Geld, das seine Frau und Johanne mit Hilfstätigkeiten verdienen können. Was übrig bleibt, reicht hinten und vorne nicht, um die fünfköpfige Familie über Wasser zu halten. Dass sie im katholischen Kaiserswerth als Protestanten einer religiösen Minderheit angehören, erschwert ihre Lage zusätzlich. Johanne sieht einem öden Leben in Armut und Abhängigkeit entgegen, als ein neuer Pastor seinen Dienst antritt: Theodor Fliedner.
    Ausgehend von Kaiserswerth gründet Fliedner das Diakonische Werk, um die Not der Armen und Elenden lindern zu helfen. Eine verlässliche Mitstreiterin findet er dabei in Johanne, die Fliedners Tatkraft und seinen festen Glauben bewundert, wenn sie insgeheim auch immer wieder vor seinen fanatischen Überzeugungen zurückschreckt. Zum ersten Mal in ihrem Leben sieht sie die Aussicht auf ein besseres, selbstbestimmtes Leben greifbar nah. Dann macht Fliedner ihr einen Heiratsantrag...


    Meine Meinung:
    Von Gina Meyer habe ich bereits mit großer Begeisterung fast alle ihrer historischen Romane gelesen ("Leonore und ihre Töchter" steht noch ungelesen im Regal). Da es sich bei "Die Protestantin" um ein früheres Werk handelt, war ich entsprechend skeptisch, ob es mir genauso gut gefallen würde wie ihre späteren Romane oder ob es deutliche Anfangsschwächen aufweisen würde.
    Ich hätte mir keine Sorgen machen müssen; auch "Die Protestantin" hat meine Erwartungen übertroffen, mich mitten in vergangene Zeiten katapultiert und mich glänzend unterhalten.
    Neben Johanne kommen in der chronologisch ablaufenden, aber aus drei verschiedenen Perspektiven erzählten Geschichte Johannes jüngste Schwester Catherine und Johannes Pflegetochter Magdalena zu Wort.
    Gina Meyer hat hier drei sympathische, starke Protagonistinnen geschaffen, die sich jede auf ihre Art gegen die Einschränkungen ihrer Zeit auflehnen und sich ihre persönlichen Freiheiten erkämpfen. Wie es der (ansonsten nichtssagende) Titel suggeriert, spielt der Glaube in allen möglichen Ausrichtungen hier eine große Rolle:
    Neben dem religiösen Eiferer Fliedner haben wir den angehenden Pastor Gustav Winkels, der angesichts des Elendes um ihn herum an seinem Glauben zweifelt und schließlich Kommunist wird, die Jüdin Esther, die von ihrer strenggläubigen Familie verstoßen wurde sowie Johanne, Catherine und Magdalena, die sich ebenfalls im Spannungsfeld aus Glauben an Gott und Zweifel an der bestehenden Weltordnung bewegen.
    Gina Mayer gelingt es nicht nur, jenseits der gängigen Klischees lebendige Menschen mit Ecken und Kanten zu erschaffen, sondern den Leser mit hineinzuziehen in die damaligen Lebensverhältnisse und ihn die Armut und Ausweglosigkeit einer breiten Gesellschaftsschicht vor Augen zu führen, die sich langsam dagegen auflehnen, dass ihre elende Lage angeblich gottgewollt sein soll.


    Ein wenig schade fand ich es, dass sich aufgrund der chronologischen Erzählweise kein "Geheimnis" entwickeln kann.
    Den Vorspann des Buches bildet ein Brief, den Magdalena an ihre Freundin Esther schreibt und in dem sie schwer an der Tatsache trägt, dass Johanne ihr etwas in Bezug auf die eigene Vergangenheit verheimlicht hat. Im Lauf der Handlung lernt der Leser schnell, wie die drei Protagonistinnen miteinander verbunden sind, so dass es - im Gegensatz zu anderen Büchern Gina Mayers - hier wenig Gelegenheit zum Miträtseln gibt. Aber das ist nur ein ganz kleiner Schwachpunkt für mich in einem ansonsten rundum gelungenen historischen Roman.


    Weniger gelungen fand ich den Klappentext, der meiner Meinung nach ein verzerrtes und unnötig dramatisiertes Bild der Handlung liefert. Aber dafür kann ja die Autorin nichts.
    Daher eine uneingeschränkte Leseempfehlung von mir und wohlverdiente
    5ratten
    Ich freue mich schon auf den nächsten Roman von Gina Mayer!

  • Da ich "Die Protestantin" für den Listenwettbewerb 2015 in der Kategorie "Frauenpower" gelesen habe, möchte ich noch die Ergebnisse für den von mir durchgeführten Bechdel-Test hinzufügen....
    ....den Gina Mayers Roman mit Bravour besteht. Im Buch wimmelt es von Frauen, die sich ausführlich miteinander unterhalten: Über Gott und die Welt, die Lage der armen Bevölkerung, politische und religiöse Überzeugungen, die Situation der Frauen.... Test bestanden! :klatschen:

  • Glaube, Liebe, Freiheit


    Seit dem Maikäfermädchen, das ich Anfang 2013 gelesen habe, mag ich die Bücher von Gina Mayer sehr. Deshalb war ich neugierig auf eins ihrer früheren Werke. Die Protestantin wurde in diesem Jahr in einer überarbeiteten Fassung neu aufgelegt.


    Gina Mayer erzählt die Geschichte von drei starken Frauen und ich begleite sie in einem Zeitraum von über 50 Jahren. Gina Mayer hat ihre Geschichte in fünf Teile gegliedert und ich schaue abwechselnd Johanne und Catherine über die Schulter. Der letzte Teil ist Magdalena gewidmet. Alle drei Frauen haben es nicht leicht, aber sie gehen beständig ihren Weg. Jede ist auf ihre ganz eigene Art sehr faszinierend. Der historische Hintergrund hat einen sehr hohen Stellenwert und wird perfekt in die Geschichte eingebunden. Genau so mag ich historische Romane, denn ich erfahre sehr viel über die damalige politische Situation, die Anfänge der Arbeiterbewegung und bekomme das „Brodeln“ hautnah mit.


    Bis dato hatte ich noch nichts von Theodor Fliedner gehört und bin froh, diesen engagierten Pfarrer und sein Lebenswerk durch diesen Roman kennen gelernt zu haben. Ihm und seinen beiden Ehefrauen gibt Gina Mayer sehr viel Raum. Johannes Weg ist eng mit Fliedner verbunden, dadurch bin ich ganz nah bei ihm, erfahre von seinem Leid und seinen Zweifeln, aber auch von all dem Guten, was er nicht nur für seine Gemeinde getan hat.


    Genau wie Fliedner sind auch die fiktiven Personen sehr sperrige Charaktere mit vielen Ecken und Kanten. Und genau das macht die Geschichte enorm spannend und interessant.


    Ein besonderes Markenzeichen von Gina Mayer ist ihr Schreibstil, der auf seine ganz eigene Art so unglaublich viel Poesie verströmt. Auch in diesem Buch begegnen mir immer wieder Sätze, die ich mehrmals lesen muss, die ich ganz langsam lese, um sie zu genießen. Sätze wie: „Sie waren voller Hoffnung und die Hoffnung hing an einem seidenen Faden und der Faden riss. Seitdem fielen sie“. Ich bin immer wieder erstaunt, wie viel Gina Mayer mit wenigen kraftvollen Worten aussagen kann. Dafür liebe ich ihre Bücher.


    Fazit: Ein faszinierender Roman über den Glauben, die Freiheit und auch die Liebe!


    5ratten

  • Johanne König lebt mit ihrer Mutter, dem trunksüchtigen Vater und ihren beiden Brüdern Heiner und Theodor in der Kuhstraße in Kaiserswerth bei Düsseldorf. Später bekommt sie noch eine kleine Schwester, Catharine. Der bisherige Pastor hat seinen Aufgabenbereich verlassen und nun kommt ein neuer junger Pastor, Theodor Fliedner, der sich in ganz besonderer Weise für die Gemeinde einsetzt. Er gründet das erste Diakonissenhaus, dem viele weitere folgen werden. Johanne, die sich in ganz besonderer Weise zu dem protestantischen Pfarrer hingezogen fühlt, lehnt aber seinen Antrag ab und wählt die Freiheit ohne Mann.


    Catharine, die bei einer Freundin ihrer Schwester aufwächst, hilft, als sie größer wird, ebenfalls im diakonischen Dienst. Sie verliebt sich in einen Pfarrer, Gustav Winkels, der aber später seinen Glauben aufgibt und sich in die Revolution stürzt. Catharine sucht im fernen Amerika ihr Glück.


    Magdalena, ein "Waisenmädchen", das ihre Mutter nach ihrer Geburt zu Catharine gebracht hatte, wächst zuerst im Waisenhaus und dann bei Catharine und Johanne auf. Zusammen geht sie mit Catherine nach Amerika um dort ihr Glück zu finden. Als der jungen Frau der Fotograf Heinrich Hoffmann begegnet, löst sie ihre Verlobung und bleibt in Deutschland, wo sich gerade alles verändert...


    Ich konnte gar nicht mehr aufhören, dieses Buch zu lesen. Auf der einen Seite drei starke Frauen, die in einer großen Krise doch immer ihren eigenen und den Weg der Liebe, der Hoffnung und ihres Glaubens gehen. Auf der anderen Seite die Armut, Unterdrückung und Hoffnungslosigkeit in einem Deutschland, das vor der Revolution steht. Viele Dialoge und Gespräche, die hier von den verschiedenen Protagonisten geführt werden, lassen mich mitten drin stehen in dieser aufbegehrenden Zeit und vermitteln mir das damalige Leben. Eine treffsichere und bildreiche Sprache nimmt mich mit in eine ereignisreiche Vergangenheit. Sehr gut recherchiert lockern auch viele kleine Episoden eine niederdrückende Stimmung immer wieder auf.


    Aber nicht nur Johanne, Catharine und Magdalena kann ich mir sehr gut vorstellen. Auch die anderen Mitwirkenden in der Geschichte sind so bildhaft und lebendig beschrieben, dass ich sie mir sehr gut vorstellen kann.


    FAZIT:


    Wer keinen Liebesroman mit christlichem Hintergrund sucht, sondern einen Roman, der vom Glauben dreier sehr unterschiedlicher Frauen erzählt, der aufwühlend, kämpferisch, nachdenklich und lebensbejahend ist, der ist hier genau richtig.


    Dieses Buch bekommt von mir die volle Punktzahl.
    :smile: :smile: :smile: :smile: :smile: