Caryl Phillips - Jenseits des Flusses

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    „Jenseits des Flusses“ gliedert sich in 4 Teile mit jeweils eigenständigen Protagonisten.


    Der erste Teil handelt von Nash Williams einem ehemaligen Sklaven auf einer Plantage bei Edward Williams in Amerika . Dort genoß er als eine Art Ziehsohn bereits eine Vorzugsbehandlung und geht daher nach seiner Befreiung um 1830 als christlicher Missionar nach Liberia. In seinen Briefen berichtet Nash selbst von seinen anfänglichen Erfolgen bei der Bekehrung der Wilden, von den schwierigen Lebensbedingungen in Afrika und er bittet Edward um Unterstützung. Diese Unterstützung bleibt jedoch aus, da Edward die Briefe aufgrund seiner eifersüchtigen Frau nie erhielt. Als Nash verschwindet, macht sich Edward selbst auf den Weg nach Afrika,um ihn zu suchen. Doch was er letztendlich findet, ist nicht das, was er erwartet hat. Wie bereits aus den Briefen zu erkennen ist, hat Nash das Missionieren aufgegeben, hat sich an die afrikanischen Gegebenheiten angepasst und ist damit letztendlich selbst wieder zum Afrikaner geworden. Die Geschichte jedoch läßt offen, ob Nash damit wirklich sein Glück gefunden hat – vielmehr erscheint es, dass er an diesem kultuerellen Konflikt gescheitert ist. Bei den Eingeboreren ist sein Name ein Tabu und auch Edward zerbricht an dieser Erkennnis noch viel mehr, denn er findet auf seiner Suche nach Nash in Afrika keinerlei Zugang zu diesem Land. Die Unterschiede sind einfach zu gewaltig und trotz seiner doch für diese Zeit fortschrittlichen Einstellung gegenüber der Sklaverei werde ich als Leser das Gefühl von „Master and Servant“ nie ganz los.


    Auch die zweite Geschichte handelt von einer ehemaligen Sklavin – Martha Randolph, deren Ehemann und Tochter Eliza Mae vor langer Zeit an andere Sklavenhalter verkauft wurden. Martha arbeitet als Köchin und Wäscherin und nachdem ihr zweiter Mann erschossen wird, läuft sie davon. Sie schließt sich einem Treck ehemaliger Sklaven nach Kalifornieen an, immer in der Hoffnung dort ihre Tochter Eliza Mae wiederzufinden, die sie nie vergessen hat und unter deren Trennung sie nach wie vor leidet. Doch Martha ist alt und krank und wird daher kurzerhand als überzählige Esserin ausgesetzt, findet halb erfroren Aufnahme bei einer gutmütigen weißen Frau, stirbt aber nur kurze Zeit später aber immernoch mit dem Traum, ihre Tochter glücklich wiedergefunden zu haben. Das Bittere an dieser Geschichte liegt vor allem im tragischen Ende. Martha stirbt in dem Glauben frei zu sein. Jedoch will ihr die weiße Frau nach ihrem Tode einen Namen geben für ein christliches Begräbnis, wobei Martha es immer haßte, einen neuen Namen zu bekommen, wenn sie verkauft wurde...


    Im Gegensatz zu den ersten beiden Geschichten beschäftigt sich der dritte Teil mit James Hamilton – dem Kapitän eines Sklavenschiffes, der in den Jahren 1752 bis 1753 nach Afrika fährt. Der Bericht setzt sich aus den Eintragungen des Bordbuches und zwei Briefen des Kapitäns an seine Frau zusammen, deren Inhalt im drastischen Gegensatz zueinder stehen. Während die Logbucheintragungen von unerbittlicher Härte gegen die „Handelsware“ Sklaven aber auch gegen eigene weiße Mannschaftsmitglieder sprechen, sind die Briefe eine Art Gewissen des Kapitäns. Er weiß, daß sein Handeln falsch ist, kann sich aber nicht davon befreien und flüchtet sich so in zärtliche und gefühlvolle Liebesbezeugungen gegenüber seiner Liebsten.


    Vom Sklavenhandelsschiff in der Mitte des 18. Jahrhunderts vollführt die letzte Erzählung einen Zeitsprung in den Zeitraum des Zweiten Weltkrieges bis 1963. Die junge Engländerin Joyce heiratet den gewaltätigen Len. Als dieser während des Krieges wegen Schwarzmarkgeschäften ins Gefängnis muss, lernt Joyce den schwarzen GI Travis kennen und lieben. Doch für diese Liebe gibt es nur ein tragisches Ende. Joyce wird Schwanger und von ihrem ersten Mann geschieden. Jedoch stirbt Travis während des Krieges an der Front in Italien. Da Joyce dem rassistische äußeren Druck nicht gewachsen ist, gibt sie das Kind weg und plötzlich steht 1963 genau dieses Kind vor ihrer Tür.
    Für mich ist diese letzte Geschichte zwar die trivialste aber gleichsam auch die bewegenste. Joyce ist hier Heldin und Opfer zugleich, sie stellt sich gegen Konventionen und beugt sich schlussendlich doch. Caryl Phillips hat für diesen letzten Teil eine Art Tagebuchbericht gewählt, den er aber nicht chronologisch ordnet. Durch das Vor und Zurück in der Zeit zwischen 1936 und 1963 lernt man die den Hauptcharakter Joyce immer besser kennen. Dabei wird sie aber nicht idealisiert sondern sie erscheint als sympathische kluge junge Frau mit ihren Ecken und Kanten, die aber so an ihrer Zeit scheitern muss.


    Diese vier Geschichten stehen im Buch jedoch nicht allein für sich – sie sind eingebettet in einen gewissen Rahmen, der die Verbindung untereinander herstellt. Prolog und Epilog stehen als verbindendes Element, indem ein afrikanischer Vater den Verkauf seiner 3 Kinder – zwei Jungen und einem Mädchen an einen Sklavenhändler beklagt. Diese Vaterfigur steht aber wohl eher für ein kollektives Schuldbewußtsein vom Beginn der Sklaverei bis heute, denn so sagt er

    Zitat

    Und höre dann den vielstimmigen Chor der gemeinsamen Erinnerung....Seit zweihundertfünfzig Jahren lausche ich. Den nie verstummenden Stimmen.


    Anfangs mag man meinen Nash, Martha und Travis wären diese besagten Kinder aber durch Zeit und durch die unterschiedlichen Orte stehen sie eher als schicksalhafte Symbole. Ihnen gemeinsam ist ist ihr afrikanisches Erbe geprägt durch Unterdrückung, Elend aber auch durch Hoffnung und Liebe.


    Durch die Wahl der unterschiedlichen Erzählperspektiven erhält jeder Teil dieses Buches einen eigenen Charakter. Während die eigentlichen Erzählungen eher nüchtern wirken, sind Prolog und Epilog für mich in einer Art gefühlvollem poetischen aber auch teilweise etwas stakkatohaften Sprache abgehalten.


    Fazit: Es bleibt nur eins zu sagen, ein wirklich tolles Buch, ein ernstes Thema allerdings ohne moralisierend oder anklagend zu wirken.


    "Jenseits des Flusses" bzw. Crossing the River" war 1993 für den Booker Prize nominiert.


    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

    Mein Schatz nicht aktuell!

    Einmal editiert, zuletzt von jääkaappirunous ()