Balzac - Modeste Mignon

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  • Balzac - Modeste Mignon. Manesse Verlag, 572 Seiten.


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    Inhalt (Verlag)
    Eine Wirtschaftskrise reißt Charles Mignon, einen der reichsten Kaufleute von Le Havre, über Nacht in den finanziellen Ruin und zwingt ihn, das Land zu verlassen. Allen gesellschaftlichen Umgangs beraubt, flüchtet sich seine Tochter Modeste in die Welt der Bücher. Mit jugendlichem Feuer schwärmt sie für einen gefeierten Pariser Modedichter und wagt schließlich, ihm heimlich zu schreiben. Der enthusiastische Brief landet jedoch nicht bei dem Angebeteten selbst, sondern, wie alle Verehrerpost, auf dem Schreibtisch von dessen Sekretär. So findet sich Modeste alsbald in einen innigen Briefwechsel verstrickt - doch mit einem anderen Mann, als sie glaubt. Um manch eine Illusion ärmer, doch bereichert um wertvolle Lebenserfahrung, muss Modeste schließlich die richtige Entscheidung treffen.


    Meinung
    Kann man über diesen an vielen Stellen hochgelobten Klassiker etwas Schlechtes sagen? Rolf Vollmann erhebt dieses Buch Balzacs in seinem Roman-Verführer zu einem der herausragendsten Bücher, in dem er die Protagonistin Modeste immer wieder als Kronzeugin für Leseleidenschaft auftreten lässt. Modestes Vater sagt an einer Stelle: „Mein Gott, welches Unheil richten Romane an…!“ Und Modeste darauf: „Wenn sie nicht geschrieben würden, mein lieber Vater, dann würden wir sie durchleben, es ist besser sie zu lesen …“. Über das Buch selber schreibt Vollmann unter dem Erscheinungsjahr 1844 „ich liebe es so, dass ich gar nichts weiter darüber sagen will.“


    Und Modeste ist tatsächlich äußerst belesen, was dieses Buch zugleich zu einem Bibliomanikum macht, viele der Autoren kennt man heute nicht mehr, das steht aber alles nicht im Vordergrund. Durch viele Anspielungen auf Literatur und Politik ist das Buch nicht einfach zu lesen, 197 Anmerkungen im Anhang schließen es etwas auf. Das sehr aufschlussreiche Nachwort schwärmt von „bezaubernder komödiantischer Würze“ und den Figurenzeichnungen. Und Kindlers Literaturlexikon widmet keinem Schriftsteller mehr Lemmata als Balzac. Mich überzeugt der Roman dennoch nicht. Auch der vor einiger Zeit gelesene Roman „Vetter Pons“ hat mich nicht mitgerissen.


    Aber wenden wir uns zunächst dem Buchaufbau zu. Balzacs Büchlein hat in der Ausgabe des Manesse Verlages 527 Seiten Text, etwa die ersten 200 davon sind in Form eines Briefwechsels zwischen Modeste und dem vermeintlichen Dichter Canalis gehalten, in Wirklichkeit antwortet ihr dessen Sekretär Erneste. Mich haben die gestelzten Briefe doch oft gelangweilt, man mag hier jedoch durchaus den damalig geläufigen Umgangston heraushören. Zudem stört mich schon auf den Anfangsseiten die Stellung des Erzählers bzw. Autors, immer wieder spricht er den Leser direkt an und kommentiert die Figuren und deren Handlungsweise, ich mag das nicht sonderlich, bei Tristram Shandy finde ich es noch halbwegs originell gelöst, hier hätte ich mir gewünscht, die arme Modeste einfach mal in Ruhe zu lassen. Nach dem brieflichen Teil des Romans konstruiert Balzac ein Theaterstück und stellt Modeste, Canalis, dessen Sekretär Erneste und einige andere Figuren auf die Bühne, die wörtliche Rede steht nun im Vordergrund. Das Buch gewinnt erheblich an Spannung, die Dialoge wirken jedoch konstruiert und heben die Gefühlswelten übertrieben deutlich hervor. Zahlreiche Intrigen werden gesponnen. Meyers Großes Konversationslexikon von 1904 merkt dazu an: „Aber seine Schilderungen sind jedes idealen Elements bar, die letzten Gründe menschlicher Handlung führt er auf die Geldsucht und den gemeinsten Egoismus zurück, besonders seine Schilderungen des weiblichen Herzens sind oft von empörendem Naturalismus. Dazu kommen häufig große Flüchtigkeit in der Anordnung des Stoffes, Geschmacklosigkeit im Ausdruck und viele Mängel im Stil.“ Literaturkritiker folgen heute nicht mehr dieser Ansicht, mein Geschmack scheint aber noch nicht entsprechend ausgebildet (auch an gutes Essen muss man sich erst gewöhnen – aber das nur nebenbei), ich lese lieber Bücher, die einem anderen Erzählparadigma mit einem unsichtbaren Erzähler folgen.


    Tief bewegt hat mich das Nachwort, welches den Roman in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt. Balzac erzählt im Roman seine eigene Geschichte, die Polin Eveline Hanska war von seinen Büchern so begeistert, dass sie wie Modeste ihren Lieblingsschriftsteller brieflich kontaktiert hat. Wie diese Lebensgeschichte ausgeht und ob das Buch in gleicher Weise endet, das sei hier natürlich nicht verraten.


    Wer eine mit Satire gewürzte Komödie in Romanform lesen möchte, wird hier gut unterhalten, mir sagte dieses Menü nicht sonderlich zu.


    3ratten


    Gruß, Thomas

    Einmal editiert, zuletzt von Klassikfreund ()

  • Gerade gestern gab es noch eine Rezension in der FAZ, deren Zusammenfassung im Perlentaucher ich hier ergänze.


    Schöne Grüße, Thomas