Axolotl Roadkill - Plagiatsvorwurf

Es gibt 79 Antworten in diesem Thema, welches 17.265 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von tigi86.

  • Hallo,


    Wie ihr sicherlich mitbekommen habt, gab es ja einen kleinen Skandal aufgrund des Plagiatsvorwurfs an Helene Hegemann.
    Wie seht ihr das?


    Habt ihr noch vor, das Buch zu lesen? Einige Stimmen klingen ja durchaus positiv.
    Ich bin gespannt auf eure Meinung.


    Liebe Grüße

    Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.

  • Vielleicht ist meine Reaktion unangemessen und keine wirklich ernsthafte Auseinandersetzung mit diesem Thema, nur... Ich poste sie dennoch einmal.


    [Anm.: Ich entschuldige mich schon im voraus für die sehr derbe, sehr unhöfliche Ausdrucksweise in meinem Beitrag.]


    Die deutsche Gegenwartsliteratur.
    Frech sei sie, pornographisch, geradezu offen promiskuitiv. Offen. Ehrlich. Arschschwierig.
    Überbegabte Wunderkinder schreiben über private Abgründe, Drogen, Affären; sie beschreiben mehr ihre Langeweile, ihren Unwillen in dieser „verrohrten“ Gesellschaft spießig zu sein, sie verweigern sich den konventionellen Werten, um sich einer großen Gruppe unkonventioneller Konventioneller anzuschließen. Ihre Kommunikation erfolgt modern, über das Handy, über das Internet. Man unterhält sich über Themen, „die die Jugend bewegen“. Sie sind gefühlskalt, weil jede Form von Emotion als Kitsch bewertet werden kann, und Kitsch ist schließlich spießig, grungeborguisemäßig. Sie benutzen Kraftausdrücke, sie seien eben „Arschkinder“, jede höflichere Ausdrucksweise wird mit dem assoziiert, von dem man sich unterscheiden will: das Alte. Sie entlarven sich selbst, diese „Arschkinder“, die am liebsten nur ficken, saufen und chillen. Sie entlarven die eigene Angst erwachsen zu werden, die eigene Angst Verantwortung zu übernehmen. Post-pubertär, Peter-Pan-Syndrom in der Fachsprache. Okay, es gibt irgendwo anders noch andere Leute, die, also, ich war da ja auch noch ein Kind, aber das Erwachsenenwerden stand quasi vor der Tür […] SKANDAL, ruft der Feuilleton, und überhäuft Jungautoren, die sich sprachlichen Vorstellungen verweigern mit Aufmerksamkeit, sie seien das Sprachrohr einer konsumorientierten, emotionslosen, verlorenen Gesellschaft, Jugendliche, denen man die Möglichkeit nimmt, zu wachsen. Das Problem ist nicht das Wachsen (Frau Hegemann ist meines Wissens 1,70 m groß.), das Problem ist, dass diese kindliche Unreife, diese Verantwortungslosigkeit, die sich in sprachlichen (Kinder-)spielen wiederfinden lässt, nicht als das entlarven lässt, was es eigentlich ist, nämlich die aus der Langeweile und Problemlosigkeit entstandene Sprachlosigkeit. Ich kann das nicht ausdrücken, denn ich habe keine Ausdruckswaffen mehr, sondern nur eine dunkel über meiner Existenz thronende Aufnahmefähigkeit, die nicht ausgeschaltet werden kann und mein komplettes Innenleben in verknotete Wurstbindfäden verwandelt hat.


    Das kursiv gedruckte sind im übrigen keine Zitate, es sind intertextuelle Bezüge, die ich nutze. Warum? Ich habe mir das Recht erstritten, weil ich in diesem Jahrtausend lebe, wie soll ich es formulieren, also mit der Ablösung von diesem ganzen Urheberrechtsexzess durch das Recht zum Kopieren und zur Transformation habe ich ein neues Genre, eine neue Form der Produktion erschaffen. Lobt mich dafür!

    Einmal editiert, zuletzt von Desdemona ()

  • @ Desdemona
    Du hast es gut auf den Punkt gebracht :daumen:


    Zur Frage: Ich werde das Buch sicherlich nicht lesen.

    Die Literatur gibt der Seele Nahrung,<br />sie bessert und tröstet sie.<br /><br />:lesen:<br />Alfred Kerr: Die Biographie

  • Schöner Beitrag, Desdemona. :zwinker:


    Ich habe die Diskussion um Helene Hegemanns Axolotl Roadkill mehr oder weniger aufmerksam verfolgt. Anfangs war ich einigermaßen empört ob der Dreistigkeit, mit der sie sich für ihr Buch bei den Texten des Berliner Bloggers Airen und seinem Buch Strobo bedient hat. Einen recht ausführlichen Vergleich zwischen den betreffenden Passagen aus Axolotl Roadkill und Strobo findet man übrigens auf den Seiten des Blogs die gefühlskonserve (-> klick).


    Mittlerweile hat sich meine Aufregung um Helene Hegemann etwas gelegt. Sie hat's halt nicht besser gewusst, war zu unbedarft, was auch immer. Sie ist eben noch jung und in Zeiten aufgewachsen, in denen man sich seine Hausaufgaben und Schulreferate per Copy&Paste bei Wikipedia-Artikeln zusammenklaubt. Allerdings hätte ihr vielleicht mal jemand (ihr Erziehungsberechtigter? ihr Verlag?) sagen können, dass es sich nicht gehört, das Zusammengeschriebene als etwas Eigenes auszugeben und die wahren Urheber zu verschweigen.


    Mich ärgert mittlerweile viel mehr, mit welcher Begeisterung sich das Feuilleton und die Kulturredaktionen auf jedes neue Skandalbuch stürzen, wenn der/die Autor/in nur jung genug ist und möglichst explizit über Pipikackadrogenvögeln schreibt. Ätzend. Hauptsache, die alten Säcke in den Kulturredaktionen haben wieder etwas, über das sie dick und fett "Skandal!" schreiben können. Mir ist das alles viel zu kalkuliert, viel zu gewollt. Mit dem Buch an sich und ob das eine gute oder schlechte Geschichte ist, hat das doch gar nichts mehr zu tun.


    Ich jedoch kann gut und gerne auf ein Buch verzichten, in dem sich Sätze wie der folgende befinden, egal, ob von einer 17jährigen Schulabbrecherin geschrieben oder von einem 56jährigen Ex-Knacki oder einem 83jährigen angesehenen Literaten:


    Zitat

    "Mir bereitet es keine Schwierigkeiten, dabei zuzusehen, wie einer Sechsjährigen bei vollem Bewusstsein gleichzeitig mit kochendem Schwefel die Netzhaut ausgebrannt und irgendein Schwanz in den Arsch gerammt wird, und danach verblutet sie halt mit weit geöffneten Augen auf einem Parkplatz"


    [size=1](Quelle: Süddeutsche Zeitung online vom 10.02.2010)[/size]


    Derartige Literatur lässt also das Feuilleton in Jubelarien ausbrechen. Soso.


  • Derartige Literatur lässt also das Feuilleton in Jubelarien ausbrechen. Soso.


    Die haben nur Angst davor, uncool zu wirken, wenn sie diesen Schrott auch als solchen bezeichnen.
    (Ich habe das Buch nicht gelesen und urteile nur aufgrund von Dingen, die ich über das Buch gelesen habe, wie zB den von MacOss zitierten Satz.


    Manchmal habe ich auch das Gefühl, dass das följetong* gerne mal jubelt, wenn es einem Text absolut hilflos gegenüber steht und nicht weiss, was damit anzufangen ist.
    Dann sehe ich förmlich folgende Gedankenspirale in Gang kommen: "Eigentlich ist das irgendeine besch... Hirnwichse von einem 17-jährigen Gör, aber wer weiss. Immerhin hats der Verlag verlegt und es könnte ja sein, dass die sich wirklich was überlegt haben - ist ja schliesslich auch ein finanzielles Risiko, ein Buch zu verlegen. Um Himmels willen, habe ich da die nächste Elfriede Jelinek vor mir? Was, wenn ich das nicht merke? Ich könnte es ja einfach mal gut finden. Wenn die Autorin dann sang- und klanglos verschwindet, wird mir niemand den alten Artikel unter die Nase halten. Aber wenn die eines Tages gar den Nobelpreis gewinnen würde, dann würde der Verriss ausgegraben, das wäre ziemlich peinlich. Nee, das riskiere ich lieber nicht. Ich wünschte mir nur, ich würde die heutige Jugend und was sie bewegt, besser verstehen. Diese Internet-Generation - die macht mir das Leben schon schwer. Glücklicherweise gehe ich bald in Rente, die paar Jährchen werde ich mich schon noch irgendwie durchmogeln. Es gibt ja zum Glück noch altbekannte Autoren, die auch noch Bücher schreiben..."


    Und so kommt es, dass Jungautoren mit einem Hang zu Porno- und Fäkalsprache im följetong immer wieder gut wegkommen. Die alten Herren, die die Rezensionen schreiben, dürften schlichtweg überfordert sein.


    Und Hegemann? Nun ja, von einer mutmasslich intelligenten 17-Jährigen, die selber künstlerisch tätig ist, würde ich schon bedeutend mehr Sensibilität in Copyrightfragen erwarten. Dass sie Texte klaut, das mag ja normal sein. Aber dass sie die Urheberschaft verschweigt, das kreide ich ihr an. Und da kann sie noch lange sagen, Kopieren sei in ihrer Altergruppe normal. Ist es zweifellos. Aber was ein Copyright ist, das wissen die jungen Leute eben auch... "Ich wusste nicht..." ist eine faule Ausrede.


    :winken:


    Alfa Romea <-- wird das Buch sicher nicht lesen


    [size=1]*schwedische Schreibweise, die mir so gut gefällt, dass ich sie auch mal im Deutschen übernehme[/size]

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Falls es interessiert: Im Montségur-Autorenforum gibt's zu diesem Thema eine inzwischen sehr ausführliche und kontroverse Diskussion, mit vielen Links auf Zeitungskommentare: KLICK


    Angeblich ist Frau Hegemann schon für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert ... :rollen:


    Grüße von Annabas :winken:


  • Angeblich ist Frau Hegemann schon für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert ... :rollen:


    Nicht nur angeblich :rollen:


    Der Textauszug oben ist einfach nur widerlich und hat mir auch das letzte bisschen Lust geraubt, mich auch nur eine Sekunde mit diesem "Skandalbuch" zu befassen.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Wo führt das hin, wenn jeder einfach die Ideen des anderen klauen kann und damit Geld macht? Ich würde mich als Urheber ehrlich gesagt, einfach nur verarscht fühlen (entschuldigt). Von der Überheblichkeit dieses "Kindes des 21.Jahrhunderts" wird mir übel, nur weil heutzutage vieles mit Copy&Paste geht, heisst das doch noch lange nicht, dass sie sich jetzt mit den Lorbeeren eines anderen schmücken darf und auch noch davon kommt?

    //Grösser ist doof//


  • Habt ihr noch vor, das Buch zu lesen? Einige Stimmen klingen ja durchaus positiv.


    Ich habe mir mal die Leseprobe bei Amazon durchgelesen und bin zu dem Schluss gekommen, dass das Buch - Plagiatsskandal usw. hin oder her - absolut nichts für mich ist. Schon vom ersten Satz der Leseprobe krieg ich Kopfschmerzen und es schüttelt mich. :zwinker: Ich verstehe gar nicht, wieso das so hochgelobt wird/wurde... :gruebel:

  • Hallo!


    Ich habe mir mal die Leseprobe bei Amazon durchgelesen und bin zu dem Schluss gekommen, dass das Buch - Plagiatsskandal usw. hin oder her - absolut nichts für mich ist. Schon vom ersten Satz der Leseprobe krieg ich Kopfschmerzen und es schüttelt mich. :zwinker: Ich verstehe gar nicht, wieso das so hochgelobt wird/wurde... :gruebel:


    So ging es mir auch. Warum es so gelobt wird? Wahrscheinlich kann sich keiner vorstellen, dass jemand eine so gequirlte Gülle ohne hintergedanken verzapft. Da muß einfach ein tieferer Sinn dahinter stecken :rollen:


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Die Leseprobe reicht mir auch, um zu wissen, dass ich das Buch vermutlich nicht lesen werde.


    Nachdem ich nun die paar Seiten gelesen habe, verstärkt sich mein Eindruck, dass Axolotl Roadkill nicht geschrieben worden ist, weil Helene Hegemann etwas loswerden wollte oder dem Leser etwas zu sagen hätte, seinen Horizont erweitern oder ihn gar unterhalten wollte. Nein, dieses Buch ist meines Erachtens nur auf den kalkulierten Effekt hin geschrieben worden, auf die erwarteten - und dann ja auch eingetretenen - Reaktionen des Kulturbetriebs. Ein kalt berechnetes Werk, welches das nötige Vokabular enthält, um einen Aufschrei in der Literaturszene zu erzeugen. Insofern ist es eigentlich schon wieder extrem langweilig und sollte nicht mehr als ein Gähnen erzeugen. Aber die Tochter des Bühnenautors und Literaturwissenschaftlers Carl Hegemann wird den Kulturbetrieb schon recht gut kennen, um zu wissen, wo sie ihn pieken kann...


    Ich scheue ja eine negative Kritik, bevor ich das Buch gelesen habe, aber ich halte Axolotl Roadkill für langweilig und überflüssig.

  • Ich habe diese Zitat in einem anderem Forum gefunden, welches ein User zitiert hatte, um seine Meinung zum Feuilleton kundzugeben, welcher ich mich einfach mal anschliesse.


    Zitat

    Die Bourgeoisie hat es gern, wenn man ihr in die Fresse haut, weil es sie angenehm erregt. Prévert

    liest gerade(privat):<br />Nancy Garden - Annie on my Mind<br /><br />Fachbuch (privat): <br />Theodor W. Adorno - Theorie der Halbbildung<br />Konrad Paul Liessmann - Theorie der Unbildung<br /><br />Fachbuch (für Uni): Alles was mit An

  • Die Ironie ist, dass "Döner for one" aus denselben Gründen (Plagiatsvorwurf) aus dem Verkauf genommen wurden - Roadkill wird für einen Literaturpreis nominiert. Wo ist da die Gerechtigkeit?

    //Grösser ist doof//

  • Hat jemand irgendwelche Angaben, in welchem Ausmaße das Buch abgeschrieben ist?
    Ich las etwas von so 24 Textstellen...

    Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.

    Einmal editiert, zuletzt von Niechen ()


  • Hat jemand irgendwelche Angaben, in welchem Ausmaße das Buch abgeschrieben ist?
    Ich las etwas von so 24 Textstellen...


    MacOss hat es zwar oben schon vermerkt, aber hier noch einmal der Link: Hier!


    Interessant ist auch, was Schriftsteller-Kolleginnen und -kollegen dazu sagen. Eine Auswahl, die ich der Wikipedia (Hier!) entnommen habe:


    „Diebstahl bleibt Diebstahl, da bin ich sehr konservativ. Sich es mit dem Hinweis, heute werde überall geklaut, einfach zu machen, zeugt von wenig Reflexion und einer gewissen Wollust am Selbstbetrug.“ (Helmut Krausser)


    "Schuld ist der Literaturbetrieb, dem ein Sensatiönchen mehr bedeutet als ein sorgfältig gearbeitetes Buch." (Ulla Hahn)


    „Weiblich, jung, blond, aus dem hehren Umfeld des Berliner Kulturbetriebs - das hat ausgereicht, sie zum kleinen Genie zu stilisieren.“ (Kai Meyer)


    "Man hat hier weniger mit einer Verteidigungsstrategie zu tun „sondern mit einer Symptomatik - dann ist diese Symptomatik sehr bedenklich. Ihr Argument ist kein wirklich literarisches, es geht ja nur um die Gewohnheiten ihrer Generation im Internet. Da gibt es offenbar gar kein Bewusstsein, dass Inhalte Geld kosten könnten.“" (Ulrike Draesner)

    Einmal editiert, zuletzt von Desdemona ()

  • Also ich persönlich finde es eine Frechheit jemanden der so dreist abschreibt auch noch für einen Preis zu nominieren... zu Mal einen wie der von der Leipziger Buchmesse. Das Buch werde ich ignorieren. Bloß weil das angeblich jeder so macht muss man das ja noch lange nicht tun - ach ne, außer man hat keine eigenen Ideen und keine eigenen Vorstellungskraft.


  • Bloß weil das angeblich jeder so macht muss man das ja noch lange nicht tun - ach ne, außer man hat keine eigenen Ideen und keine eigenen Vorstellungskraft.


    Über diese Art der Rechtfertigung kann ich mich auch tödlich aufregen. Was ist das bitte für eine Logik, wenn man sagt, dass etwas nicht mehr verwerflich ist, bloss weil "alle" es machen? :rollen:

  • MacOss hat es zwar oben schon vermerkt, aber hier noch einmal der Link: Hier!


    Oh, ich ahnte schon, dass ich etwas übersehen habe.
    Vielen Dank.


    Das sind tatsächlich sehr viele Textstellen. Eine Unverschämtheit.

    Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.

  • Unreif passt. Diese Argumentation ist nicht besser, als die eines 6-Jährigen. Das Mädchen sollte erst einmal erwachsen werden.

    //Grösser ist doof//