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Italienische Krimi-Kunst: Lucarellis “Der Kampfhund”
Es gibt wenige Autoren, die gleich zu Beginn eines Buches ihre Leser dem Grauen und dem Ekel aussetzen. Lucarelli ist mit seinem 2002 erschienenen Roman ”Der Kampfhund” einer jener Schriftsteller. Zerfetzt von einer Autobombe liegt ein Mann in seinen letzten Zügen und presst aus seinem Mund unverständliche Wortfetzen, nur zwei Silbern sind zu verstehen: Pitbull.
Temporeich beginnt der Kriminalroman, und rastlos setzt sich die Suche nach dem Killer fort. Völlig unbemerkt von der Polizei wird während einer Überwachungsaktion der Inspektorin Grazia Negro und ihrer Kollegen ein Krimineller mit seiner Frau und dem Bodyguard im Schlaf ermordet. Es gibt keinerlei Hinweise auf den Täter, keine Spuren, nur im Laptop auf dem Nachttisch leuchtet eine Internet-Seite mit einem Hund, einem Pitbull.
Der Autor lässt den Leser allerdings nicht lang im Unklaren, wer der unsichtbare Profikiller ist. Vittorio ist ein typisch dreißigjähriger Italiener. Er wohnt bei seiner Mutter, überhört müde, höflich ihre Ermahnungen, lässt sich bekochen und sieht italienisch gut aus. Vittorios Vater verbringt seine ruhigen, letzten Tage in einem Altenheim. Vittorio erledigt seine Aufträge schnell, lautlos und ohne Zeugen. Wenige Male im Jahr kontaktiert er einen Auftraggeber über einen Chat im Internet. Alessandro, der Student, und seine Freundin Luisa lesen als Provider-Sheriffs die Chats, um anstößige Beiträge und anderen unsittlichen Unrat sofort aus dem Netz zu nehmen. Etwas weckt ihr Interesse an dem kurzen Internet-Plausch zweier Personen, die sich scheinbar über Hunde unterhalten. Sie mischen sich ein und geraten somit in das Schussfeld des Killers. Grazia, die ehrgeizige Inspektorin, nimmt den Fall persönlich an, ahnt einen Zusammenhang zwischen den immer wiederauftauchenden Bildern eines Kampfhundes am Tatort und kommt dem Profi verdammt nahe. So nahe, dass in einem Wald die Geschichte ihren überraschenden Lauf nimmt.
Lucarelli ist hemmungslos ehrlich, nah am Geschehen und verbindlich in seiner Sprache. Zwischen den Szenen von Sterben und Tod setzt er das kleinbürgerliche, monotone Leben des Killers und das vitale Leben von Grazia und ihren Ermittlerkollegen, deren Welt sich im Rahmen von Joblangeweile, Partnerschafts-Eiszeiten und Machtgerangel bewegt. Die Inspektorin Grazia gewinnt mit ihrer Natürlichkeit und Direktheit rasch an Sympathie. Als Süditalienerin im Männerjob spült sie die typischen Männerkommentare mit ungezählten Kaffees aus Plastikbechern hinunter. Beachtlich ist es, dass es Lucarelli gelingt, ein Gefühl wie Mitleid für Vittorio beim Leser hervorzurufen. Mitempfinden für einen Menschen, der aus Gewohnheit, beinahe Langeweile tötet.
Tod, Terror und S.e.x sind die Essenzen des Buches, die den “Kampfhund” zu einem außergewöhnlichen Krimi oder besser: Thriller machen und dem Leser den Atem nehmen. Mein persönliches Urteil: Unbedingt lesenswert.
Doreén