Antonia S. Byatt - Geisterbeschwörung

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    Antonia S. Byatt: Geisterbeschwörung
    Gebundene Ausgabe, 185 Seiten


    Inhalt:


    Lilias Papagay und Sophy Sheeky verdienen ihren Lebensunterhalt mit der Durchführung von Seancen. Während Mrs. Papagay zeitweise Botschaften aus dem Jenseits durch automatisches Schreiben erhält, besitzt Sophy Sheeky das zweite Gesicht und kann praktisch mühelos in die Geisterwelt sehen, Gestalten und ihre Botschaften empfangen und beschreiben.
    Im Rahmen des Buches finden die spiritistischen Sitzungen im Haus von Mrs. Jesse statt und diese Sitzungen scheinen die einzige Einnahmequelle der beiden übersinnlich begabten Damen zu sein.


    Mrs. Jesse ist die Ehefrau des ebenfalls an den Sitzungen teilnehmenden Kapitäns Jesse. Die Sitzungen finden im Grunde ihr zuliebe statt, denn Emily Jesse hat den Tod ihres einstigen Verlobten, Arthur Hallam, nie verwunden und liebt ihn noch immer, was von ihrem Gatten mehr oder weniger stillschweigend akzeptiert und in Kauf genommen wird.
    Mrs. Hearnshaw nimmt an den Sitzungen teil, weil sie in den letzten sieben Jahren ihre fünf Töchter im ersten Lebensjahr beerdigen musste und verzweifelt Kontakt zu ihnen herstellen möchte.
    Als sechste Person nimmt Mr. Hawke an den Sitzungen teil, ein sachlicher, skeptischer, dozierender Mann und Diakon der Swedenborgianischen Kirche des Neuen Jerusalem.


    Während Sophy Sheeky wirklich in erster Linie übersinnlich begabt scheint, hat Mrs. Papagay aus der Not eher eine Tugend gemacht. Sie selbst ist Witwe, denn ihr Mann Arturo blieb auf See und sie hat nichts mehr von ihm gehört. Durch die Sitzungen versucht sie, Kontakt zu ihm aufzunehmen um herauszufinden, ob Arturo noch lebt oder als Geist zu ihr spricht. Sie erhält jedoch keine klaren Antworten.


    Der Roman berichtet von den unterschiedlichen Sitzungen, ihren Ergebnissen, zwischenzeitlichen Ereignissen und Auswirkungen.


    Kritik:


    Obwohl das Buch gerade mal 185 Seiten umfasst, habe ich lange daran herumgekaut. Grund dafür sind unterschiedliche Punkte:


    Einen großen Teil nimmt – nicht zuletzt durch Mr. Hawke - die Swedenborgianische Lehre ein, bei der ich mich sozusagen als gebranntes Kind bezeichnen kann, denn ich habe mich 2005 mal durch „Himmel und Hölle“ gequält und spreche daher nicht sonderlich gut auf Emanuel Swedenborg an (wobei ich das Buch damals ganz gut bewertet hatte als Ganzes). Das Ganze wird dann noch reichlich verglichen mit diversen Bibelstellen und derlei, was interessant ist für Leser, die sich für beides erwärmen können – für mich aber eben nicht.


    Ebenfalls viel Raum nimmt Mrs. Jesses Biografie beziehungsweise der Verlust ihrer großen Liebe, Arthur Hallam, in Anspruch. Sie ist übrigens die Schwester von Alfred Tennyson, durch den sie Arthur Hallam auch kennen gelernt hatte. In den Botschaften des automatischen Schreibens wird häufig aus „In Memoriam“ von Alfred Tennyson zitiert, das er nach dem Tod seines Freundes Arthur Hallam (17 Jahre später) veröffentlicht hatte. Die Geschichte rund um Emily Jesse, ihren Bruder, ihren einstigen Verlobten und ihren späteren Gatten Richard Jesse ist historisch und daher durchaus interessant, allerdings habe ich zu diesen Personen absolut keinen Bezug und nie – außer jetzt in Byatts Buch – etwas von oder über sie gelesen.


    Von diesen thematischen Aspekten abgesehen ist die gewählte Ausdrucksform eine höchst umständliche und antiquierte. Dass praktisch ständig „von Hölzken auf Stöcksken“ erzählt wird und die Erzählung ausgesprochen reich an Adjektiven ist, macht die Lektüre nicht gerade leichter. Ich fand das Ganze äußerst gestelzt und schwafelig.
    Hinzu kommen die Namen, mit denen ich unheimliche Schwierigkeiten hatte. Zwar sind die Darstellungen alle sehr ausufernd, aber es ist mir nicht gelungen, die Personen eindeutig voneinander zu trennen oder ein Bild von ihnen im Kopf entstehen zu lassen. Dadurch haben mich Nuancen ständig ins Stolpern gebracht und ich musste dauernd neu überlegen, wer jetzt noch mal wer war und mit welchem Background er oder sie noch mal zu den Sitzungen geht. Das hat die Lektüre für mich zusätzlich sehr unentspannt gemacht.


    Ich hätte mir unter anderem auch deutlichere, stärkere und eindeutigere Positionierungen gerade zu den diskutierten Themen innerhalb des Buches gewünscht, wenn nicht klar gefärbt durch Byatts persönliche Ansichten, dann wenigstens durch stärker differente Ansichten der sechs Figuren des Buches. Einzig der Diakon hat zu allem eine Meinung, von der er mehr kund tut, als es den anderen oder mir als Leserin lieb ist. Dazu fehlt im Roman meiner Ansicht nach aber ein Gegengewicht oder eine stärkere, nicht allein durch Zitate anderer begründete Position.



    Wenn man sich trotz dieser Kritikpunkte durch die Geschichte beißt (oder von ihnen auf Grund persönlicher Präferenzen oder so gar nicht erst betroffen ist), ist sie dennoch nicht schlecht. Es gibt teils tatsächlich eine Art Auflösung für einige Personen des Romans, und gerade die hinsichtlich Emily Jesse und auch die zu Lilias Papagay haben mir gefallen, und auch einige weitere Szenen, etwa die ausführliche Kontaktaufnahme von Mrs. Hearnshaw mit ihren verstorbenen Kindern, haben mich sehr berührt.


    Die Kritik zu diesem Roman haben sich hier einige Leute gewünscht, was der Hauptgrund dafür war, warum ich durchgehalten habe. Im Vergleich zu mir haben die Wünschenden zuvor allerdings „Besessen“ von Byatt gelesen und waren davon sehr angetan. Zu „Besessen“ gibt es hier ja einige Kritiken und die Leser sind einstimmig begeistert. Einen direkten Vergleich kann ich hier nicht ziehen, da ich „Besessen“ nicht gelesen habe, allerdings habe ich es im Schrank stehen und habe es mal vorgeholt und an verschiedenen Stellen einfach mal 1-2 Seiten reingelesen. Was ich demnach auf jeden Fall sagen kann ist, dass der Erzählstil ein völlig anderer ist. „Besessen“ scheint eher leicht zu lesen und nicht halb so schwafelig zu sein wie „Geisterbeschwörung“, außerdem kann sich die Handlung auf 640 Seiten wohl eher entfalten als hier bei „Geisterbeschwörung“ auf 185 Seiten.
    Aus diesem Grund wäre ich persönlich vorsichtig damit, auf Grund der Begeisterung zu „Besessen“ auch zu „Geisterbeschwörung“ zu greifen. Umgekehrt hatte ich ursprünglich vor, auch „Besessen“ nach der Lektüre von „Geisterbeschwörung“ gleich mal ungelesen in die Wildnis zu entlassen, habe mich auf Grund des scheinbar ganz anderen Stils dann aber dagegen entschieden. 2010 werde ich sicherlich nicht mehr dazu greifen, denke aber, mit „Besessen“ versuche ich irgendwann doch noch mal mein Glück.


    Fazit:


    Der Klappentext bezeichnet „Geisterbeschwörung“ übrigens als „Prosakunstwerk, ernsthaft und ironisch, witzig und geheimnisvoll zugleich“. Für diese Kunstform bin ich definitiv nicht wirklich zu haben, die Ernsthaftigkeit, das Geheimnisvolle und teils auch das Ironische sind unschwer zu entdecken, witzig fand ich das Buch allerdings keinen Moment lang – aber Humor ist ja eine sehr breit gefächerte Sache. Ich fand das Buch eher stark "versuhrkampt", um mich mal an einer Wortschöpfung von Andreas Eschbach zu bedienen, weshalb es von mir auch lediglich
    2ratten
    bekommt, obwohl an sich Potenzial für mehr Ratten da gewesen wäre.