Halldór Laxness - Salka Valka

Es gibt 131 Antworten in diesem Thema, welches 27.331 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von schokotimmi.

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    Halldór Laxness - Salka Valka


    Kurzbeschreibung:
    Das Mädchen Salka und ihre Mutter können froh sein, dass ihnen jemand Obdach gewährt. Auf ihrem Weg vom Nordland in die Hauptstadt sind sie in einem Fischerdorf hängengeblieben, in dem es schon genug Armut gibt. Bei dem Jungen Arnaldur lernt Salka lesen und erkämpft sich mit der Zeit den Respekt des Ortes. Jahre später wird Arnaldur zum Anführer der isländischen "Bolschewisten", die im Ort die neue Zeit herbeikämpfen. Bald ist vieles anders - aber ist es auch besser?


    Teilnehmer
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  • So - Mitternacht ist vorbei. :zwinker: Da ich an diesem Wochenende wohl nur wenig zum Lesen kommen werde und ich als Langsamleser ohnehin aufpassen muss, dass Ihr mich in dieser Leserunde nicht allzusehr abhängt, habe ich vorhin schon mal angefangen... :smile:


    Ich lese die von Bettina verlinkte Taschenbuchversion aus dem Steidl-Verlag in der Übersetzung von Hubert Seelow. Es ist mein erstes Buch von Halldór Laxness, der mir auch erst durch die Begeisterung einiger Forumsmitglieder hier ins Bewusstsein gerückt ist. Insofern bin ich gespannt aufs Buch, denn ich weiß noch nicht genau, was mich erwartet...


    Meine ersten Eindrücke:


    Kapitel 1


    Gleich zu Beginn werde ich als Leser in diese seltsame Welt Islands im dunklen skandinavischen Winter geworfen...


    Das kleine Mädchen Salka und ihre Mutter erreichen in der Dunkelheit, die im Winter bestimmt einen großen Teil des Tages einnimt, mit dem Küstendampfer das kleine Fischerdorf Oseyri am Axlarfjord, wo sie an Land gehen, obwohl sie niemanden dort kennen und wohin offenbar niemand sie eingeladen hat. Sie befinden sich zwar - laut Klappentext - auf dem Weg nach Reykjavik, aber woher sie kommen und warum sie ausgerechnet in dem kleinen Fischerdorf aussteigen und nicht bis zur Hauptstadt weiterfahren, bleibt für mich noch unklar. Auch die Gründe, weswegen sie auf der Reise sind, bleiben noch im Dunkeln. Im Dunkeln des langen skandinavischen Winters sozusagen. :zwinker:


    Der Empfang der beiden im Haus der örtlichen Heilsarmee ist nicht gerade herzlich: Rauhe Männer, von denen ein ungehobeltes Exemplar sich ganz besonders vor den beiden aufspielt, empfangen die beiden ungewöhnlichen Reisenden mit skeptischer Neugier.


    Wo sind sie da bloß gelandet...?


    Kapitel 2


    Schließlich erbarmt sich der "Kapitän", also der Hausvorsteher der Heilsarmee, der beiden, gibt ihnen zu essen und begleitet sie in den Gemeindesaal zum Gottesdienst, der dort am selben Abend stattfindet. Aus der Skepsis und der Neugier, mit der Salka und ihre Mutter den Gottesdienst und die Gläubigen betrachten, wird deutlich, dass sie offenbar noch nie zuvor an einem Gottesdienst teilgenommen haben. Jedenfalls sind sie fasziniert, und egal, was die beiden bisher erdulden mussten - sie scheinen großen Trost im Gottesdienst zu finden.


    Immer noch bleibt unklar, warum sie ausgerechnet in Oseyri Halt machen, denn wie heißt es auf Seite 24: "...diese unbedeutende Frau, die hier (...) an Land gegangen war, wie ein Stück Treibgut von irgendeinem unbestimmten Ort kommend und auch nicht auf dem Weg zu einem festgelegten Ort ..."


    Allerdings fällt wenig später ein Satz, der möglicherweise etwas Licht das bisherige Schicksal der beiden bringt, dort heißt es über die Mutter, dass sie "das lebende Beweisstück einer schicksalsschweren, gegen die Regeln der Gesellschaft verstoßenden Liebe, die sie hatte erdulden müssen", bei sich hat. Insofern schließe ich daraus, dass Salka zumindest unehelich, wenn nicht gar - und hier spekuliere ich natürlich gewaltig - das Ergebnis einer Vergewaltigung ist...



    Somit fängt das Buch schon mal sehr mysteriös an. Das Geheimnis um Salka Valka und ihre Mutter sowie die mir fremde Welt in dem isländischen Fischerdorf in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts haben mich auch gleich sehr gefangengenommen...


    Ich bin gespannt, was Ihr zu dem Anfang sagt...


    Viele Grüße :winken:
    Stefan

  • Hallo,


    endlich mal wieder ein Laxness und er läßt sich um einiges besser an, als ich "Die glücklichen Krieger" in Erinnerung habe.
    Auch ich lese die TB Ausgabe von Steidl, genau wie MacOss.


    Ich habe die ersten 3 Kapitel gelesen und bin von der Stimmung wieder sehr angetan - wieder scheinen wir uns in einer sehr einfach Gegend zu befinden, ähnlich wie in "Sein eigener Herr" - der Kaufmann, der Pfarrer und der Arzt sind die angesehen Leute im Ort, ansonsten ist die Gegend geprägt von Armut.
    In diese Welt kommen Salka und ihre Mutter eines Abends um hier Halt zu machen über den Winter bis sie weiterreisen werden nach Reykjavik.


    MacOss für mich stellt sich hier nämlich nicht die Frage, warum sie hier halt machen - Sigurlina war so seekrank, dass sie es auf dem Schiff nicht mehr aushielt und deshalb an der erstbesten Stelle mit Salka an Land ging. Auf Seite 9 steht es: "...Aber wir können fürs erste trotzdem nicht weiterfahren, liebe Salka. Mir ist so schlecht. Wir wollen den Winter über hierbleiben und versuchen, Arbeit zu finden."


    Auch für mich war es überraschend, wie viel Heil Sigurlina im Gottesdienst gefunden hat und dass sie scheinbar vorher noch keinen erlebt hat - aber bis ins Nordland scheint noch kein Christ gekommen zu sein. Salka scheint dem Ganzen ja eher skeptisch gegenüberzustehen. Insgesamt scheint Salka ein aufgewecktes und intelligentes Kind zu sein.
    Das zeigt sich vorallem im Gespräch mit dem Kaufmannsohn. Sie ist nicht auf den Mund gefallen und läßt sich auch nicht so schnell etwas gefallen.
    Die Frau des Kaufmanns erinnert mich einwenig an die "Dichterin" (ich glaube sie war die Frau des Gemeindevorstehers) in "Sein eigener Herr" - sie konnte die Menschen in der Gemeinde auch nicht wirklich verstehen und sah verklärt und von oben herab auf das Leben auf dem Land, denn sie war eine "Städterin". Ähnlich läßt sich jetzt die Frau des Kaufmanns an - schlafen bis zum Mittag, ein auf den erst Blick verzogener Bub und sie scheint großen Wert darauf zu legen, dass sie "Dänin ist, also "anders - etwas Besonderes.


    Bis jetzt ein sehr schöner Einstieg - es verspricht spannend zu werden. Einige Konflikte liegen ja auf der Hand - arm und reich, Glaube, Moral, gesellschaftliche Anerkennung...


    Ich hoffe meine Vergleiche mit den anderen Laxness Büchern ist nicht zu nervig, mich reizt es sehr Paralellen zu ziehen oder eventuelle Veränderungen in der Ansicht des Autors zu finden.


    Viele Grüße
    schokotimmi

    Einmal editiert, zuletzt von schokotimmi ()

  • Hallo zusammen,


    ich lese eine deutlich ältere Ausgabe, übersetzt von Ernst Harthern und 1981 im Verlag Huber Frauenfeld erschienen. Das war halt die, die ich in dem Bücherkarton gefunden habe :breitgrins:


    Gelesen habe ich bis einschließlich Kapitel 3, und bislang bin ich nur mäßig begeistert. Sollte dieser religiöse Ton und die Konfrontation mit der Heilsarmee anhalten, dann werden der Roman und ich keine Freunde, das kann ich jetzt schon sicher sagen. Weder die Entstehungszeit des Romans noch die, wohl um einiges früher angesiedelte, Handlungszeit kann das bei mir erträglich machen.



    MacOss für mich stellt sich hier nämlich nicht die Frage, warum sie hier halt machen - Sigurlina war so seekrank, dass sie es auf dem Schiff nicht mehr aushielt und deshalb an der erstbesten Stelle mit Salka an Land ging.


    Das sehe ich auch so. Es mag darüber hinaus weitere Gründe geben, aber dieser wird zumindest genannt. Ich könnte mir vorstellen, daß bei aller Resolutheit Sigurlina doch auch ein bißchen Angst vor der eigenen Courage bekommen hat. Sie hat Salka über die Stadt erzählt und Versprechen gemacht. Was, wenn diese Erzählungen sich nicht bewahrheiten, die Versprechen nicht eingelöst werden können? Auch in Reykjavík scheinen sie ja wohl niemanden zu kennen, zu dem sie auf dem Weg sind, denn sonst könnten sie die Reise nicht einfach so abbrechen.



    Immer noch bleibt unklar, warum sie ausgerechnet in Oseyri Halt machen, denn wie heißt es auf Seite 24: "...diese unbedeutende Frau, die hier (...) an Land gegangen war, wie ein Stück Treibgut von irgendeinem unbestimmten Ort kommend und auch nicht auf dem Weg zu einem festgelegten Ort ..."


    Bemerkenswert daran fand ich vor allem die Betonung der Bedeutungslosigkeit sowohl der Frau wie des Ortes. Man sollte meinen, daß es weitaus häufiger unbedeutende Leute unbedeutende Orte aufsuchen als bedeutende Leute bedeutende Orte, das ergibt sich doch schon aus der schieren Zahl der einen wie der anderen. Wird es hier nur deshalb so herausgestellt, weil es im isländischen Winter so besonders ungewöhnlich ist? Das halte ich für weniger wahrscheinlich, denn schließlich scheinen doch regelmäßig Reisende mit dem Postdampfer unterwegs zu sein. Also müßte es einen anderen Grund haben, den ich aber (noch?) nicht erkennen kann.



    Allerdings fällt wenig später ein Satz, der möglicherweise etwas Licht das bisherige Schicksal der beiden bringt, dort heißt es über die Mutter, dass sie "das lebende Beweisstück einer schicksalsschweren, gegen die Regeln der Gesellschaft verstoßenden Liebe, die sie hatte erdulden müssen", bei sich hat. Insofern schließe ich daraus, dass Salka zumindest unehelich, wenn nicht gar - und hier spekuliere ich natürlich gewaltig - das Ergebnis einer Vergewaltigung ist...


    Letzteres widerspräche für mein Empfinden aber der „die Regeln der Gesellschaft verstoßenden Liebe“. Nein, unehelich ist da wohl das wahrscheinlichere, und vielleicht (vermutlich) über soziale Standesgrenzen hinweg, was es „noch schlimmer“ machen würde, jedenfalls, wenn es aus der Position der Frau heraus ein unter ihr stehender Mann gewesen wäre, der Knecht auf dem Hof oder so. Umgekehrt wird es eher toleriert, wenn auch die Frau meist nicht viel davon hat, weil ihr trotzdem die „Schande“ angehängt wird.


    Schönen Gruß,
    Aldawen

    Einmal editiert, zuletzt von Aldawen ()

  • Hallo zusammen!


    Ich habe die ersten drei Kapitel gelesen und ein bißchen vom vierten. Auch ich habe die neuerschienene Taschenbuchausgabe vom Steidl-Verlag in der Übersetzung von Hubert Seelow. Wenn wir alle dieselbe Ausgabe lesen, können wir uns ja sogar auf Seitenzahlen beziehen, sehr praktisch!


    Das erste Kapitel geht sehr plötzlich los. Salka und ihre Mutter kommen quasi aus dem Nichts, wie erfahren nichts über ihre Vergangenheit. Sie sind unbedeutend, kommen von irgendwoher und stranden im Nirgendwo. (Wie wir alle in unserem Leben manchmal.)


    Die kuriose Gesellschaft, auf die sie in dem Dorf gleich treffen, hat mich zum Schmunzeln gebracht und gleich wieder das typische Laxness-Feeling erzeugt. Wenngleich ich finde, daß der Text nicht ganz so von Ironie trieft wie in "Fischkonzert" oder "Am Gletscher".


    Der aufdringliche angebliche Dorfoberste ist so etwas wie ein Narr: einer der Verrücktheiten ausspricht, aber auch sehr viel Wahres. :zwinker: Ich bin gespannt, ob er noch eine Rolle spielen wird.




    Kapitel 2


    Aus der Skepsis und der Neugier, mit der Salka und ihre Mutter den Gottesdienst und die Gläubigen betrachten, wird deutlich, dass sie offenbar noch nie zuvor an einem Gottesdienst teilgenommen haben.


    Der Gedanke, daß sie zum erstenmal an einem Gottesdienst teilnehmen, ist mir nicht gekommen. Salkas Mutter sprach doch auch zuvor schon über Gott. Nein, ich glaube nicht, daß die Leute im Nordland keine Christen sind, sondern eher, daß dieser Gottesdienst der Heilsarmee doch etwas anders ist als die "normalen", und daß sie eine Art Offenbarungserlebnis hatte.



    Immer noch bleibt unklar, warum sie ausgerechnet in Oseyri Halt machen, denn wie heißt es auf Seite 24: "...diese unbedeutende Frau, die hier (...) an Land gegangen war, wie ein Stück Treibgut von irgendeinem unbestimmten Ort kommend und auch nicht auf dem Weg zu einem festgelegten Ort ..."


    Das habe ich genau wie schokotimmi verstanden: weil der Mutter zu schlecht war, um weiterzufahren. Allerdings hatte mich das schon ein wenig gewundert.
    Den wahren Grund erfahren wir dann im Kapitel 4: das Geld hat nicht bis Reykjavik gereicht. Das leuchtet mir wesentlich mehr ein, als sich so eine Empfindlichkeit wegen Seekrankheit zu leisten.



    Allerdings fällt wenig später ein Satz, der möglicherweise etwas Licht das bisherige Schicksal der beiden bringt, dort heißt es über die Mutter, dass sie "das lebende Beweisstück einer schicksalsschweren, gegen die Regeln der Gesellschaft verstoßenden Liebe, die sie hatte erdulden müssen", bei sich hat. Insofern schließe ich daraus, dass Salka zumindest unehelich, wenn nicht gar - und hier spekuliere ich natürlich gewaltig - das Ergebnis einer Vergewaltigung ist...


    Ach nein. Ich glaube, sie hat einfach nur ein uneheliches Kind. Sie antwortet ja auch auf die Frage ganz am Anfang, ob sie Witwe ist, mit "nein".
    Hier stellt sich mir die Frage, was der Name "Salka Valka" eigentlich bedeutet. Salka ist ihr Vorname. In "Fischkonzert" haben wir gelernt, daß uneheliche Söhne alle den Namen "Hansson" bekommen. Bekommen Mädchen auch so einen Phantom-Vatersnamen, und was bedeutet nun "Valka"?



    Insgesamt scheint Salka ein aufgewecktes und intelligentes Kind zu sein.
    Das zeigt sich vorallem im Gespräch mit dem Kaufmannsohn. Sie ist nicht auf den Mund gefallen und läßt sich auch nicht so schnell etwas gefallen.


    Ja, Salka ist mir auch sofort sympathisch gewesen und ganz besonders in diesem Gespräch mit dem Kaufmannssohn, in dem wir sie erstmals ein wenig kennenlernen dürfen.


    Das Urteil von Sigurlina über die Kaufmannsfrau angesichts des Verhaltens ihres Sohnes ist ja hart - aber auch treffend.



    Ich hoffe meine Vergleiche mit den anderen Laxness Büchern ist nicht zu nervig, mich reizt es sehr Paralellen zu ziehen oder eventuelle Veränderungen in der Ansicht des Autors zu finden.


    Nein. Ich werde auch vergleichen, aber vermutlich habe ich andere Bücher gelesen als du ("Sein eigener Herr" z.B. habe ich noch nicht gelesen.)


    Viele Grüße
    kaluma

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.

    Einmal editiert, zuletzt von kaluma ()

  • @Aldawen


    Aha, du liest also eine Harthern-Übersetzung. Da bin ich auf Unterschiede gespannt, die es ja bei den anderen Büchern durchaus gab.
    Übrigens habe ich das Gefühl, daß Laxness gewiß nicht einfach zu übersetzen ist und daß Herr Seelow das ganz bestimmt gut gemacht hat. Es gibt doch etliche Wortspiele und sehr feine Nuancen im Text.



    und vielleicht (vermutlich) über soziale Standesgrenzen hinweg, was es „noch schlimmer“ machen würde, jedenfalls, wenn es aus der Position der Frau heraus ein unter ihr stehender Mann gewesen wäre, der Knecht auf dem Hof oder so. Umgekehrt wird es eher toleriert, wenn auch die Frau meist nicht viel davon hat, weil ihr trotzdem die „Schande“ angehängt wird.


    Interessante Deutung, daß hier soziale Standesunterschiede eine Rolle gespielt haben könnten. Ich glaube aber eher nicht, daß der Mann unter ihr gestanden haben könnte - Sigurlina wirkt auf mich wie eine der Ärmsten der Armen, eine entlassene Magd oder dergleichen. Sonst hätte sie doch zuhause weiter ihr Auskommen gehabt.
    Andererseits scheint Salka gesund und gut ernährt zu sein... :gruebel:


    Hm, mal sehen, ob wir noch genaueres erfahren. Ein bißchen wüßte ich schon ganz gern über die Vergangenheit der beiden Bescheid.
    Gut gefallen hat mir übrigens die Stelle, wo es hieß, die Vergangenheit ist wie der Regen und die Zukunft die Traufe. (2. Kap., S. 25 oben)

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.


  • Gelesen habe ich bis einschließlich Kapitel 3, und bislang bin ich nur mäßig begeistert. Sollte dieser religiöse Ton und die Konfrontation mit der Heilsarmee anhalten, dann werden der Roman und ich keine Freunde, das kann ich jetzt schon sicher sagen. Weder die Entstehungszeit des Romans noch die, wohl um einiges früher angesiedelte, Handlungszeit kann das bei mir erträglich machen.


    Hm, schade dass es dir nicht so gefällt, ob sich der Stil noch ändert, wage ich zu bezweifeln - aber ich hoffe es nimmt für dich auch noch eine positive Wendung und deine Befürchtungen nach "Die glücklichen Krieger" bestätigen sich nicht. Wenn ich mich recht entsinne, ist dies ja die 2. Chance für Laxness. :zwinker:



    Nein. Ich werde auch vergleichen, aber vermutlich habe ich andere Bücher gelesen als du ("Sein eigener Herr" z.B. habe ich noch nicht gelesen.)


    Mit "Fischkonzert" und "Am Gletscher" hast du eher das spätere Werk von Laxness gelesen, lt. wikipedia ist dies weniger sozialkritisch eher taoistisch als Romane wie "Sein eigener Herr" oder "Salka Valka". Ich bin nun sehr gespannt welche Unterschiede dir auffallen. Bei mir wird es da wohl eher Gemeinsamkeiten geben, denn ich kenne bis jetzt nur "Sein eigener Herr" und "Die glücklichen Krieger".


    Viele Grüße
    schokotimmi

    Einmal editiert, zuletzt von schokotimmi ()

  • :winken: ,


    herrjemine, wie viel habt ihr denn schon geschrieben? Beinahe mehr, als ich bisher gelesen habe, denn mir fielen gestern abend im 3. Kapitel die Augen zu. Leider (verd*** Post!) lese ich nicht die neuerschienene TB-Ausgabe aus dem Steidl-Verlag, sondern eine ältere schwedische Übersetzung.


    Mein erster Eindruck ist positiv; Setting und Erzählweise sagen mir zu. Das kleine, bedeutungslose Kaff am Ende der Welt ist mir durch frühere Lektüren vertraut. Ob es nun in Laxness-Island oder Nordschweden liegt, macht glaube ich keinen größeren Unterschied. Dessen Bedeutungslosigkeit wird schon auf der ersten Seite durch die Reisenden der 1. Klasse hervorgehoben, die an einer solchen Stelle natürlich nie anhalten würden (sie haben selbstverständlich wichtigere Ziele). Meiner Meinung nach soll uns dies am Ende zu der Erkenntnis bringen, dass auch dort Menschen leben und leiden, ebenso intensiv wie sonstwo, und dass es nicht angeht, einen Ort und seine Bewohner als unwichtig abzuschreiben. Auf die "oberen Zehntausend" mögen sie so wirken, aber für sich selbst und ihre Umgebung sind sie wichtig wie jeder andere Mensch auch.


    Auch die Heilsarmee ist mir aus der skandinavischen Literatur vertraut - ich glaube, dass ich über sie noch nie in deutschen Büchern gelesen habe, so wie überhaupt Religiosität in der deutschen Literatur ein viel weniger häufiges Topos ist als in der skandinavischen. (Dies kann natürlich auch an der Auswahl meiner deutschen Bücher liegen.) Dies fiel mir besonders deutlich dadurch auf, dass mir die Wortwahl der schwedischen Übersetzung so vertraut ist, ich aber am Rätseln bin, wie die deutschen Entsprechungen lauten.
    Überrascht hat mich allerdings die erste Replik, die Salka und ihre Mutter aus dem Heilsarmeegebäude entgegenschallt: "Zum Teufel noch mal, komm rein!" Eher unreligiös, was sich dann aber dadurch erklärt, dass die Heilsarmee ein Seemannsheim betreibt und diese ja für eine etwas gröbere Ausdrucksweise bekannt sind.
    Der Gottesdienst dann zeigt die vertraute Mischung von (nehme ich an) echter Gläubigkeit und Freizeitgestaltung. Man (und frau) geht nicht unbedingt in die Kirche (welcher Art auch immer), um das Wort Gottes zu hören; die soziale Komponente ist mindestens ebenso wichtig. Salka, der die Pubertät wohl noch bevorsteht, kann das nicht verstehen. Was zwischen den Männern und jungen Frauen vorgeht, ist ihr ein Rätsel.



    Der Gedanke, daß sie zum erstenmal an einem Gottesdienst teilnehmen, ist mir nicht gekommen. Salkas Mutter sprach doch auch zuvor schon über Gott. Nein, ich glaube nicht, daß die Leute im Nordland keine Christen sind, sondern eher, daß dieser Gottesdienst der Heilsarmee doch etwas anders ist als die "normalen", und daß sie eine Art Offenbarungserlebnis hatte.


    Christen sind sie sicherlich, aber ob sie oft in der Kirche waren, ist eine andere Sache. Je nachdem, wo sie gelebt haben, kann die nächste Kirche durchaus zu weit entfernt gewesen sein, um dort öfter hinzukommen. Ich denke, dass Salka keine größere Gottesdiensterfahrung hat.
    Ob Sigurlina nun tatsächlich ein religiöses Erweckungserlebnis hatte, oder ob sie dies vortäuscht, um Hilfe durch die Heilsarmee zu bekommen, ist mir noch unklar.



    Den wahren Grund erfahren wir dann im Kapitel 4: das Geld hat nicht bis Reykjavik gereicht. Das leuchtet mir wesentlich mehr ein, als sich so eine Empfindlichkeit wegen Seekrankheit zu leisten.


    Dieser Gedanke kam mir auch schon.



    Hier stellt sich mir die Frage, was der Name "Salka Valka" eigentlich bedeutet. Salka ist ihr Vorname. In "Fischkonzert" haben wir gelernt, daß uneheliche Söhne alle den Namen "Hansson" bekommen. Bekommen Mädchen auch so einen Phantom-Vatersnamen, und was bedeutet nun "Valka"?


    Ich nehme an, dass es sich bei "Valka" einfach um ein Wortspiel handelt. Ob das nun ein Kosename oder spöttisch gemeint ist, lasse ich vorerst dahingestellt sein.



    Ich hoffe meine Vergleiche mit den anderen Laxness Büchern ist nicht zu nervig, mich reizt es sehr Paralellen zu ziehen oder eventuelle Veränderungen in der Ansicht des Autors zu finden.


    Das geht mir auch so. Ich musste z. B. bei dem dänischen/dänisierten Kaufmannsnamen gleich an das "Fischkonzert" denken, in dem sich der ansässige Kaufmann - der auch hier gleich als der "starke Mann" des Ortes dargestellt wird - ebenfalls einen dänischen Namen zulegte. Dänisch zu sein, ist eben was besseres, egal, ob man das wirklich ist, oder nur vorgibt.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Guten Morgen,


    ich habe nun bis einschließlich Kapitel 6 gelesen.


    In den Kapitel 4 und 5 wird Sigurlina, wie zu erwarten war, auch abgelehnt - besonders der Arzt und seine Art haben mich dabei auf die Palme gebracht. Ist er wirklich so abgedreht oder ist das nur seine Art "Niederen" gegenüber?!
    Sowohl in Kapitel 4 als auch in Kapitel 5 ist die Rede davon, dass das Geld nicht mehr reicht - merkwürdig, dass Salka hierauf nichts gesagt hat. Obwohl man im Nachhinein den Satz "Mir ist so schlecht." natürlich auch zweideutig interpretieren kann, aber vllt. hole ich da auch zu weit aus. :zwinker:


    In Kapitel 7 trifft Sigurlina wieder auf den "verrückten" Seemann, der schon in der ganzen Welt war und er bringt sie zu seiner Tante. Es scheint sich ja gut anzulassen, ob sie dort eine längere Unterkunft gefunden haben - ich kann es mir ganz gut vorstellen. Und hier taucht auch wieder der Begriff der "Hauswiese" auf, wie in "Mein eigener Herr" - ich weiß auch nicht, aber für mich ist das ein merkwüridger Begriff. Ich kann mir zwar etwas darunter vorstellen, aber trotzdem denke ich immer darüber nach.


    Ich bin gespannt, wie es weitergeht - was wir über die Menschen und v.a. Salkas Entwicklung weiter erfahren. Es wird ja wohl darauf hinauslaufen, dass sie länger irgendwo im Nirgendwo leben werden...



    Ob Sigurlina nun tatsächlich ein religiöses Erweckungserlebnis hatte, oder ob sie dies vortäuscht, um Hilfe durch die Heilsarmee zu bekommen, ist mir noch unklar.


    Ich glaube nicht, dass es um die Hilfe bei der Heilsarme ging - für mich macht Sigurlina einen etwas naiven Eindruck und ich glaube dass ihr Empfinden Ernst ist. In Kapitel 7 scheint sich das für mich indirekt zu bestätigen:
    "Die Frau sah auf und blickte wieder in diese ungewöhnlichen Augen, die ein solches Übermaß an unbändiger Lebenskraft besaßen. Ihr schien, als sei sie diesen Augen schon einmal begegnet und als hätten sie zu tun mit dem Vergessen eines Geheimnisses, das sie gehabt hatte, nein, es stimmte, sie erinnerten sie an eine Feuerbrunst, die sie in ihrer Jugend genossen und freudig begrüßt hatte, eben zu der Zeit, als sie im Unterricht vom Leiden und Sterben Jesu hörte; vielleicht hatte dieses Feuer seitdem immer tief in ihr gebrannt. Ein eigenartiger Zufall, daß sie am selben Tag, an dem sie wieder zu Jesus gefunden hatte, auch wieder diesen Augen begegnet war." (Steidl, S.48)
    Ein Satz der natürlich auch ein wenig neugierig auf ihr Geheimnis macht...


    Ich nehme an, dass es sich bei "Valka" einfach um ein Wortspiel handelt. Ob das nun ein Kosename oder spöttisch gemeint ist, lasse ich vorerst dahingestellt sein.


    Valka als Wortspiel - aber gibt es denn eine weitergehende Bedeutung für "Valka" - kann man da irgendwas ableiten?


    Das geht mir auch so. Ich musste z. B. bei dem dänischen/dänisierten Kaufmannsnamen gleich an das "Fischkonzert" denken, in dem sich der ansässige Kaufmann - der auch hier gleich als der "starke Mann" des Ortes dargestellt wird - ebenfalls einen dänischen Namen zulegte. Dänisch zu sein, ist eben was besseres, egal, ob man das wirklich ist, oder nur vorgibt.


    Schön, wenn ihr auch Vergleiche anstellt - ich muss sagen, dass macht für mich auch einen gewissen Reiz aus. Kann mir hier jemand helfen, warum ist das Dänische denn für Island etwas besseres - gibts da einen geschichtlichen Zusammenhang?


    Viele Grüße
    schokotimmi

  • Ich habe jetzt auch endlich angefangen und ich lese wie Aldawen die Übersetzung von Ernst Harthern - allerdings die Ausgabe von der Büchergilde.


    Bisher habe ich nur die ersten 3 Kapitel geschafft und bin doch hocherfreut. Auch wenn Salka Valka zu seinem Frühwerk gehört und eher sozialkritisch ausgelgt wird, finden sich immmer wieder humoristische Anklänge - zum Beispiel bei der Beschreibung von Sigurlina von wegen "Riesenweib" und "umfangreiches Gesäß". :breitgrins:


    Da der Handlungsort ja im seemännischen Bereich angelegt ist, hat Harthern hier auch eher Worte aus dem norddeutschen Sprachraum (Deern, lütten) verwendet und so spukt mir nun der plattdeusche Slang im Kopf herum. Wie sieht das denn bei Eurer Übersetzung aus?


    Andererseits scheint Salka gesund und gut ernährt zu sein...


    Woher nimmst Du diese Deutung? :gruebel:
    Bei mir steht im 2. Kapitel:
    Sie benahm sich beim Essen, wie die Natur sie es gelehrt hatte, ihre knochigen Hände..."
    "Die Kleine war so überaus mager und kantig wie ein Kalb oder Füllen, und die langen schlaksigen Glieder hatten keinen anderen Liebreiz..."


    Das ist doch genau das Gegenteil zu Deiner Annahme und passt auch wohl eher zu den Lebensumständen, die wir bisher erfahren haben. :zwinker:


    Ich bin gespannt auf den weiteren Verlauf und wie sich die Handlung und eventuell der Ton verändern. Salka Valka erschien ja in 2 Teilen und wurde danne rst unter diesem Titel zusammengefaßt. Mal sehen, wie sich die beiden teile dann unterscheiden.


    Zur Namensgebung konnte ich aber gerade nichts finden, aber irgendwo habe ich schon mal etwas zu namensgebung gelesen aber ich kann mich nicht daran erinnern -Ich such aber weiter :rollen:

  • Gerade habe ich bis einschließlich Kapitel 9 gelesen.


    Positiv vermerke ich, daß die Heilsarmee in diesen Kapiteln eine deutlich kleinere Rolle spielt. Allerdings ist die „bessere Gesellschaft“ des Ortes ja wohl eine Zumutung. Ob der Kaufmann redlich ist, wage ich nach dem, was ich bislang über ihn erfahren habe, zu bezweifeln. Daß seine Frau und sein Sohn nicht gerade Sympathieträger sind, soweit sie bislang aufgetreten sind, spielt dabei schon nur noch eine Nebenrolle. Der Probst hat ein ziemlich merkwürdiges Amtsverständnis. Ob das seinem Alter oder einer grundsätzlichen Geisteshaltung geschuldet ist, kann ich nicht beurteilen, ebenso bei seiner Frau. Jedenfalls hatte Sigurlina meine volle Sympathie, als sie der Pfarrerin ins Gesicht schleuderte, daß sie es sich nicht leisten könne, die Heilsarmee als Gesindel zu bezeichnen. Tja, christliche Nächstenliebe ist eben eine schwierige Angelegenheit, wenn sie konkret eingefordert wird. Und der Arzt-Apotheker? Ist dem mal ein Knüppel übergezogen worden? Was schwafelt der denn für einen Unsinn? Ich fühlte mich mindestens so verwirrt wie Sigurlina, und ich lege nur begrenzt Wert darauf, ihn noch weiter in Aktion zu erleben. Da war Steinthor ja fast noch eine gute Wahl, wenigstens bringt der auch mal einen geraden Satz heraus.


    Steinunn und Eyjolf dagegen mag ich, vor allem ihn. Es scheint, daß ihn seine Blindheit eine andere Form des „Sehens“ hat entwickeln lassen. Jedenfalls hat er wohl sehr genaue Ansichten über die Leute im Ort und auch kein Problem damit, diese jemandem wie dem Lehrer gegenüber zu vertreten. Da könnte Salka doch vielleicht eine Anlaufstelle finden, wenn die Mutter jetzt schon quasi ausfällt. Daß Steinthor seine Hilfe nicht ohne Hintergedanken anbietet, hatte ich erwartet. Daß er allerdings so schnell zur Sache kommen würde, hatte ich nicht unbedingt vermutet. Und ihm scheinen ja auch Mutter und Tochter reizvoll zu sein, das könnte für Salka noch unangenehm werden – es sei denn, Arnaldur entwickelt sich zu einem Beschützer. Bislang ist mir noch nicht klar, wie stark er in das Gefüge der Dorfkinder integriert ist, ich könnte mir aber vorstellen, daß er auch eher eine Außenseiterposition innehat. Dann würde ihn mit Salka etwas verbinden.


    Bislang löst es bei mir immer noch keine Begeisterungsstürme aus, aber das kann ja vielleicht noch werden ...

  • Woher nimmst Du diese Deutung? :gruebel:
    Bei mir steht im 2. Kapitel:
    Sie benahm sich beim Essen, wie die Natur sie es gelehrt hatte, ihre knochigen Hände..."
    "Die Kleine war so überaus mager und kantig wie ein Kalb oder Füllen, und die langen schlaksigen Glieder hatten keinen anderen Liebreiz..."


    Interessant! Hier kommen wohl schon die Unterschiede der Übersetzungen ins Spiel.


    Bei mir ist im zweiten Kapitel nicht die Rede von überaus mager.
    Sondern die Textstelle mit der Beschreibung Salkas lautet folgendermaßen (mit einigen Auslassungen):
    "Sie hatte keine anderen Tischsitten als die, welche die Natur ihr eingab, ihre Hände waren grobknochig und unsauber,... Sie hatte überhaupt viel zu große Knochen, wie ein Kalb oder Fohlen, ihre langen, schlaksigen Glieder hatten keinen anderen Reiz als den, der von ihrem ruhelosen Wesen und ihren unbefangenen und unbewußten Bewegungen ausging. ... ihre klaren, beinahe wasserfarbenen Augen liefen flink hin und her, und der breite Mund mit den dicken, immer feuchten Lippen bewegte sich unnötig viel, wenn sie sprach; ihr Lächeln, das kräftige Kiefer mit starken Zähnen entblößte, ... ihr ganzes junges Wesen war voller Lebenskraft."


    Und weiter hinten wird sie von einem der Dienstmädchen als "groß und gesund" bezeichnet.


    Insgesamt habe ich hier nicht den Eindruck eines unterernährten Kindes.


    Außerdem wird Salkas Mutter als "recht schwer, breit um die Mitte, mit stämmigen Beinen und üppigen Hüften, kurz gesagt, eine ziemliche Maschine" beschrieben. Keine Mutter würde selber üppig werden und würde ihr Kind hungern lassen...


    Nun sind solche Beschreibungen ja immer subjektiv, aber wie gesagt, ich habe nicht den Eindruck, daß die beiden bisher gehungert haben.


    Ich habe inzwischen bis zur Mitte von Kapitel 6 gelesen.


    Die Darstellung der "besseren Leute" des Dorfes (Pfarrer, Arzt) ist für mich das reine Lesevergnügen. Herrlich! :breitgrins: Wahrlich eine "feine" Gesellschaft - unbarmherzig und bigott!
    Die Beschreibung des Propstes war so treffend, mir gefiel vor allem diese Stelle: "Und es waren auch keine Änderungen im Ausdruck seiner Augen oder seines Gesichts zu erkennen, wenn er sprach, so daß es ganz danach aussah, als entstünden seine Gedanken und Gefühle, falls es sich um solche handelte, gleichzeitig mit den Worten im Mund, seine Nase hingegen war völlig verstopft." (S. 37)
    Und der Arzt ist auch genial beschrieben.


    Und der Arzt-Apotheker? Ist dem mal ein Knüppel übergezogen worden? Was schwafelt der denn für einen Unsinn?


    Der will nichts anderes, als Sigurlina loswerden, ohne es konkret sagen zu müssen.


    Im Vergleich zu diesen Exemplaren der "besseren Gesellschaft" wirkt Steinthor (der mir im ersten Kapitel doch etwas seltsam vorkam) geradezu wie ein Muster an Mitmenschlichkeit.



    Obwohl man im Nachhinein den Satz "Mir ist so schlecht." natürlich auch zweideutig interpretieren kann, aber vllt. hole ich da auch zu weit aus. :zwinker:


    Du denkst an ein kleines Geschwisterchen für Salka?


    Ich glaube nicht, dass es um die Hilfe bei der Heilsarme ging - für mich macht Sigurlina einen etwas naiven Eindruck und ich glaube dass ihr Empfinden Ernst ist.


    Ich hatte auch nicht den Eindruck, daß sie nur simuliert.



    Kann mir hier jemand helfen, warum ist das Dänische denn für Island etwas besseres - gibts da einen geschichtlichen Zusammenhang?


    Island war ja dänische Kolonie und so war eben (für manche Isländer) offenbar alles, was von dort kam etwas "Besseres" und Erstrebenswertes und die Dänen a priori bessere Menschen.



    Mit "Fischkonzert" und "Am Gletscher" hast du eher das spätere Werk von Laxness gelesen, lt. wikipedia ist dies weniger sozialkritisch eher taoistisch als Romane wie "Sein eigener Herr" oder "Salka Valka".


    Dann bin ich ja gespannt, denn ich fand "Fischkonzert" und "Am Gletscher" schon ziemlich sozialkritisch...


    Was mir bis jetzt auffällt, ist, daß "Salka Valka" etwas ernster geschrieben ist. Nicht ganz so triefend-ironisch wie die anderen Bücher.


    Viele Grüße
    Katja

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.


  • Zur Namensgebung konnte ich aber gerade nichts finden,


    Ich bin bei der isländischen Wikipedia fündig geworden:

    Zitat

    Bækurnar segja uppvaxtarsögu Salvarar Valgerðar Jónsdóttur, sem er kölluð Salka Valka af móður sinni, Sigurlínu.


    Das Mädchen heißt also eigentlich Salvör Valgerður ('Salvarar Valgerðar' ist die Genitivform) und das wird zu Salka Valka verbalhornt, so wie die isländischen Namen ja alle gerne abgeändert werden. So wird z. B. aus der predigenden Tordis im 2. Kap. eine Todda und der unerterägliche Kaufmannssohn Tyri heißt eigentlich Angantyr.


    Bei mir steht im 2. Kapitel:
    Sie benahm sich beim Essen, wie die Natur sie es gelehrt hatte, ihre knochigen Hände..."
    "Die Kleine war so überaus mager und kantig wie ein Kalb oder Füllen, und die langen schlaksigen Glieder hatten keinen anderen Liebreiz..."


    Dies sehe ich nicht als ein Zeichen von Unterernährung, sondern von einem plötzlichen Wachstumsschuss, den sie als Elfjährige gerade hinter sich hat. Nicht umsonst wird sie mit einem Kalb oder Füllen verglichen. Für mich steht jedenfalls fest, dass die wohlgenährte Mutter nicht ihrer Tochter das Essen wegfrisst. Im Gegenteil kümmert sie sich so gut um sie wie es in ihrer Macht steht. Zumindest wird ganz zu Anfang beschrieben, dass Salka gut in Schals eingepackt ist, während die Mutter für die herrschende Witterung nur unzureichend gekleidet ist.


    Bei der Beschreibung des Pfarrers und seiner Frau fährt Laxness schwere Geschütze auf. Das ist ja fast schon Satire, wie die arbeitssuchende, nicht etwa bettelnde Fremde ausgerechnet vom Pfarrer, dem Repräsentant des Guten Gottes, abgewiesen wird. Von Menschenfreundlichkeit keine Spur, im Gegensatz zum "Satanspack und Gesindel" der Heilsarmee, die der Pfarrer nicht umsonst als Konkurrenten zu fürchten hat. Denn dort gibt es immerhin was zu essen und ein Bett.


    Der Arzt/Apotheker scheint mir unter Drogeneinfluss zu stehen, hat wohl was von seinen eigenen Mittelchen genommen. Anders kann ich mir sein Verhalten nicht erklären. Was genau früher vorgefallen ist, das ihn verfolgt, ist mir nicht ganz klar, aber jedenfalls habe ich beim Lesen Angst um Salka bekommen. Gut, dass die beiden dort schnell weg sind.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Ich mische ab jetzt ebenfalls langsam mit. Ich mache wieder die Leseschnecke :zwinker: Da wir ziemlich kurzfristig Besuchern zugesagt haben, konnte ich gerade erst die ersten beiden Kapitel lesen.
    Auch ich habe die aktuelle Steidl-Ausgabe, die dank unserer Leserunde reissenden Absatz erfahren durfte. Ich habe gleich nach einem Nachwort geschaut und diesmal zu meiner Verblüffung keines gefunden.


    Die Darstellung von arm und reich ist für mich da schon wieder sehr deutlich. Der Kapitän der Heilsarmee mit listigen Augen und öligem Lächeln, die verbitterte dürre Frau, die auf der Veranstaltung zuerst spricht. Die achtbaren Leute. Und dann Salka mit Mutter, die einfach deshalb sündenbeladen ist, weil sie weder Heim noch Kapital hat. Arme sind also immer Sünder - diese Geisteshaltung verursacht mir immer noch Krätze, auch, wenn ich das aus anderen Laxnessen und auch anderen Büchern schon kenne.


    Danke Saltanah für Deinen Link zur isländischen Wikipedia. Der Eintrag liest sich herrlich, wenn man den Inhalt praktisch ganz erraten darf :breitgrins: So, wie es aussieht, ist es ein Buch, das ursprünglich in zwei Teilen erschienen ist. Und wenn Wikipedia den richtigen Namen von Salka kennt, wird er später im Buch vielleicht noch auftauchen.


    Ich kann jetzt noch ein halbes Stündchen lesen und hoffe, dass ich Euch einigermassen hinterherkomme.

    ☞Schreibtisch-Aufräumerin ☞Chief Blog Officer bei Bleisatz ☞Regenbogen-Finderin ☞immer auf dem #Lesesofa

  • Ich habe weitergelesen, bis zum 13. Kapitel und damit das erste Buch ("Die Liebe") beendet.


    Es gefällt mir gut, liest sich wunderschön und ich kann kaum aufhören.


    Danke Saltanah :winken: für die Erklärung zum Namen! :pling:
    Ich bin nicht so mit isländischer Namensgebung vertraut, daß mir "Salka Valka" sofort als Namens-Kurzformen erkennbar gewesen wären.


    Im 9. Kapitel (auf S. 73, Steidl) wird der vollständige Name Salkas erstmals genannt. Ich glaube, hier wäre dann bei mir auch der Groschen gefallen.


    Salka freundet sich hier mit Arnaldur an. Das fand ich wunderschön, wie die beiden sich miteinander unterhalten und Arnaldur Salka einen Blick in seine Träume gestattet. :smile:


    Der eitle selbstgefällige Lehrer übrigens, der Salka zuvor befragt, paßt für mich nahtlos in die Reihe der "besseren Leute" des Dorfes (Arzt, Pfarrer). :breitgrins:


    Salka hat meine Hochachtung dafür, daß sie aus eigenem Antrieb und völlig selbständig in der Fischverarbeitung arbeiten geht. Donnerwetter! Hier erweist sie sich als eigenwillig im positiven Sinn, stark und ausdauernd. Wenn ich bedenke, daß sie nur wenig älter als meine Tochter ist (die zwar auch auf solche Ideen kommt, aber die Umsetzung vielleicht nicht ganz so hinbekommen würde...)


    Der Kaufmann Bogesen überraschte mich positiv, als er Salka Kleidung schenkte. Das hätte ich nicht erwartet. Auf der anderen Seite hat er offenbar ein System von Lohn und Kredit aufgebaut, mit dem er zwar die Menschens des Dorfes versorgt (was öfter lobend erwähnt wird), aber auch in Abhängigkeit bringt, und für seinen eigenen Gewinn sorgt. Eine zwiespältige Angelegenheit, und Bogesen ist damit für mich eine zwiespältige Person. Immerhin scheint er eine Art gesellschaftlicher Verantwortung wahrzunehmen. Darin unterscheidet er sich von Gudmundsen aus dem "Fischkonzert".


    Salkas Mutter hingegen überraschte mich negativ - kauft für sich selber ein von Salkas erarbeitetem Lohn!! Eigentlich müßte ihr doch klar sein, daß sie damit einen Keil zwischen sich und ihre Tochter treibt. Und dann denkt sie, wenn sie ihre Sünden bereut, ist alles wieder in Ordnung. So einfach ist es ja nun nicht.


    Allerdings hat sie auch ihre Probleme, mit Steinthor.
    Und was Steinthor am Endes des 13. Kapitels tut, war der erste Schock für mich in diesem Buch. :entsetzt: :grmpf::heul:
    Das habe ich nicht kommen sehen! Arme Salka.


    Und das alles lief noch unter der Überschrift "Die Liebe". :entsetzt: Wenn das die Liebe sein soll, da frage ich mich doch, was das nächste Buch unter der Überschrift "Der Tod" erst für uns Leser bereithält!


    Ich hoffe aber, daß "Die Liebe" sich auch ein bißchen auf Arnaldur bezog (mit dem Salka sich ja laut Klappentext anfreunden wird) und vielleicht auch auf die Liebe ihrer Mutter zu Jesus, oder gar zu Steinthor? (Übrigens bin ich nicht sicher, ob Sigurlinas Kind wirklich von ihm ist).

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    Einmal editiert, zuletzt von kaluma ()


  • Ich habe gleich nach einem Nachwort geschaut und diesmal zu meiner Verblüffung keines gefunden.


    Ja, das habe ich auch schon bedauert. Beim Fischkonzert war das Nachwort doch sehr aufschlußreich.
    Aber so durfte ich feststellen, als ich die letzte Buchseite aufschlug, daß Laxness dieses Buch offenbar wohl zum Teil in meiner Heimatstadt geschrieben hat, was mich freut. Ich muß mal schauen, ob ich über diesen Aufenthalt etwas herausfinden kann.

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  • Hallo,


    ich bin jetzt bis einschließlich Kapitel 9 vorangekommen und ich finde die Geschichte und den Stil sehr schön.


    Die erste Nacht und deren Begebenheiten mit Steinthor haben mir mal wieder gezeigt, wie naiv, blauäugig aber auch egoistisch Sigurlina ist. Warum läßt sie sich denn auf den Typen ein. Eine Freundin ist sie ihrer Tochter damit ganz sicher nicht. Der Instinkt und die Ansichten Salkas sind da deutlich besser als die der Mutter.
    Im Kapitel 7 fand ich die Wetterbeschreibungen ganz passend. Trostlos und armselig passt da sowohl auf das Wetter als auch auf die Bewohner...
    Der Besuch des Lehrer hat mich dann wieder auf die Palme gebracht - wieso bitte sollte Salka "idiotisch" sein, aber Eyjolfur war mir hier sehr sympathisch - er schätzt die Kleine richtig gut ein. Ich mag ihn bis jetzt und hoffe er hat vllt. noch einen guten Einfluss auf Salka.
    Arnaldur ist mir auch sympathisch, ich mag seine Fantasie - mich würde schon interessieren was wirklich passiert ist. Ist die Mutter nach Amerika gegangen oder tatsächlich gestorben...jedenfalls toll, was er sich so ausmalt.


    Saltanah: Danke für deine Erklärung bzgl. "Salka Valka" zusammen mit dem kompletten Namen ergibt das natürlich einen Sinn.


    kaluma: Danke für die Erläuterung mit der dänischen Kolonie - leuchtet ein.
    Sorry jetzt kommt kurz OT: Da ich vermute dass du nicht aus Paris stammst, ist deine Heimatstadt tatsächlich Leipzig?! Das ist ja was - ich wohne nämlich auch dort - bist du oft hier oder nur noch selten?


    Viele Grüße
    schokotimmi


  • Ich habe weitergelesen, bis zum 13. Kapitel und damit das erste Buch ("Die Liebe") beendet.


    Ich auch.



    Es gefällt mir gut, liest sich wunderschön und ich kann kaum aufhören.


    Das kann ich nicht behaupten, ich kann den Roman prima beiseite legen, und hätte ich ihn gerade nicht in die Hand genommen, um bis zum Ende des ersten Buchen zu lesen, dann hätte mir auch nichts gefehlt.



    Danke Saltanah :winken: für die Erklärung zum Namen! :pling:


    Dem Dank schließe ich mich allerdings gerne an :winken:



    Der eitle selbstgefällige Lehrer übrigens, der Salka zuvor befragt, paßt für mich nahtlos in die Reihe der "besseren Leute" des Dorfes (Arzt, Pfarrer). :breitgrins:


    Durchaus, damit ist die Bagage dann aber hoffentlich komplett :rollen:



    Eine zwiespältige Angelegenheit, und Bogesen ist damit für mich eine zwiespältige Person.


    Das sehe ich auch so. Wobei sich das System möglicherweise inzwischen auch etwas verselbständigt hat in den Händen seiner Mitarbeiter. Sollte das der Fall sein, dann wäre ihm zwar vorzuwerfen, daß er sich nicht genug um die Details seiner Geschäfte kümmert, aber das machte ihn nicht per se zu einem „schlechten“ Menschen.



    Salkas Mutter hingegen überraschte mich negativ - kauft für sich selber ein von Salkas erarbeitetem Lohn!! Eigentlich müßte ihr doch klar sein, daß sie damit einen Keil zwischen sich und ihre Tochter treibt. Und dann denkt sie, wenn sie ihre Sünden bereut, ist alles wieder in Ordnung. So einfach ist es ja nun nicht.


    Nein, natürlich ist es nicht so einfach. Aber ich glaube schon, daß sie in dem Moment gar nicht so weit gedacht hat. Als Mutter hat sie die Verfügungsgewalt über das Konto. Und angesichts von Steinthors Eskapaden sah sie in einem hübschen Kleid und weiterem Tand vielleicht eine Möglichkeit, sich wieder für ihn interessant zu machen und ihn an sich zu binden. Gut, ich würde diesen Kerl nicht haben müssen oder wollen, aber so viel Auswahl hat Sigurlina ja schließlich auch nicht.



    Das habe ich nicht kommen sehen! Arme Salka.


    Doch, darauf habe ich schon ein paar Kapitel gewartet, Steinthor war da keine Überraschung. Wie sich Salka jetzt fühlt, wage ich mir aber nicht auszumalen ...



    Ich hoffe aber, daß "Die Liebe" sich auch ein bißchen auf Arnaldur bezog (mit dem Salka sich ja laut Klappentext anfreunden wird) und vielleicht auch auf die Liebe ihrer Mutter zu Jesus, oder gar zu Steinthor? (Übrigens bin ich nicht sicher, ob Sigurlinas Kind wirklich von ihm ist).


    Die Liebe der Mutter zu Steinthor? Ich bezweifle, daß Liebe in dem Zusammenhang das richtige Wort ist, das scheint mir eher ein einseitiges Abhängigkeitsverhältnis zu sein, denn Steinthor und die „Verlobung“ mit ihm ist so ziemlich Sigurlinas einzige Rechtfertigung für ihr Auftreten im Dorf. Liebe zu Jesus? Vielleicht. Ich will ihr gar nicht absrpechen, daß sie diesen ganzen Sermon glaubt, den sie da von sich gegeben hat, aber nichtsdestotrotz wäre das eine armselige Liebe, die von Selbsterniedrigung lebt. Und was das Kind angeht: Immerhin sind wir inzwischen deutlich im Frühjahr, angekommen sind sie, wie es am Anfang hieß, drei Wochen nach Weihnachten. Es könnte Steinthors Kind sein, muß aber nicht. Ich glaube aber auch nicht, daß das wirklich eine Rolle spielt. Sigurlina hat sich vor der Heilsarmeegemeinde schon geoutet als Mutter eines unehelichen Kindes, gezeugt mit einem verheirateten Mann, da wird ein weiteres Kind nur das Bild bestätigen, daß die meisten Dörfler sich sowieso von ihr gemacht haben. Eher wird man vielleicht noch Steinthor bedauern, weil er an ein solches „Luder“ geraten ist, schließlich ist er nicht der Fremde – wobei: da könnte seine letzte Handlung Salka gegenüber den guten Willen der Nachbarn aufgebraucht haben, wer weiß ...

  • Uff - seid Ihr schnell. Ich habe gerade erst das 8. Kapitel beendet...


    Ich habe mit Sigurlina und Salka unterschiedliche Bewohner des Dorfes kennengelernt: Den flegelhaften Sohn des Hauses Bogesen - von dem sich Salka jedoch in ihrer naiven und furchtlosen Art nicht die Butter vom Brot nehmen lässt -, den Propst des Ortes, der zwar viele gutgemeinte Worte verliert, Sigurlinas Bitte nach Arbeit und Unterkunft jedoch nicht nachzukommen vermag, und den Arzt und Apotheker, der einen ziemlich verwirrten Eindruck macht, so als ob er unter Drogen steht und was von seinen eigenen Arzneien genommen hat, wie Saltanah schon bemerkt hat. :zwinker:



    Allerdings ist die „bessere Gesellschaft“ des Ortes ja wohl eine Zumutung.


    O ja, den Eindruck habe ich auch. Und schließlich ist unerwarteterweise Steinthor Steinsson - der pockennarbige und ungehobelte Seemann, den wir ja schon am ersten Abend im Haus der Heilsarmee kennengelernt haben - der einzige, der statt wie die anderen nur warme Worte zu verlieren, zur Tat schreitet und Sigurlina und Salka eine Unterkunft - und sogar die Aussicht auf eine Beschäftigung - im Hause seiner Tante und seines Onkels verschafft. Und auch diese beiden kernigen Alten, Steinunn und Eyjolfur, scheinen unter den Menschen, denen ich in Oseyri bisher begegnet bin, die natürlichsten und "normalsten" zu sein...


    Unschön war die nächtliche Begebenheit, bei der Salka aufwacht und mitbekommt, wie der betrunkene Steinthor ihre Mutter im Bett bedrängt. Das mitzuerleben wünscht man keinem kleinen Mädchen.


    Schön fand ich wiederum die Beschreibung der Landschaft in dieser Gegend: die urwüchsige Natur und das unbarmherzige Wetter, das sich doch so gut in der Urwüchsigkeit Steinthors wiederzuspiegeln scheint. Interessante Umgebung, interessante Menschen. Ich habe noch nicht allzu viele Bücher aus den Nordischen Ländern gelesen - ein Blick in die Wikipedia hat mich darüber aufgeklärt, dass Island nicht zu Skandinavien gehört :zwinker: - und bin bisher ganz angetan vom Buch.


    So - ich werde heute abend noch ein wenig im Bettchen weiterlesen. Denn wie ich trotz zusammengekniffener Augen aus Euren Beiträgen zu den kommenden Kapiteln gesehen habe, lerne ich im 9. Kapitel endlich Arnaldur kennen, der ja laut Klappentext noch eine wichtige Rolle spielen soll...


    Viele Grüße
    M.

  • Ich habe inzwischen auch die ersten sechs Kapitel gelesen und mich fasziniert (wenn auch nicht im positiven Sinne) immer noch, wie absurd Nächstenliebe aufgefasst wird. Ausgerechnet die, die sich Sorge für alle Mitmenschen auf die Fahnen schreiben, sehen Armut als Makel. Wer arm ist, hat es nicht anders verdient und muss draußen bleiben. Was muss man tun, damit man von diesen Menschen Hilfe erhält?


    Es war ja geradewegs eine Frechheit, Sigurlina ins Gesicht zu sagen, sie wolle aus dem Nordland raus, damit ihr im Fjord die gebratenen Tauben ins Maul fliegen. Sigurlina sucht Arbeit und erfüllt damit eigentlich die hehren Grundsätze.
    Die Dorfoberen benehmen sich abgrundtief daneben. Und es wird akzeptiert, weil sie reich sind. Reich ist gleichbedeutend mit weise, klug, gut, wohlmeinend und die Leute nehmen sich dann auch in der Tat alles raus. Der Bub des Kaufmanns ist eine echte Rotznase und es hat mir sehr gut gefallen, dass Salka gegengehalten hat und dem Kerl entweder Paroli geboten hat oder ihm deutlich gesagt hat, wenn er ihrer Meinung nach zu weit gegangen war.


    Hm, mal sehen, ob wir noch genaueres erfahren. Ein bißchen wüßte ich schon ganz gern über die Vergangenheit der beiden Bescheid.


    Ich auch. Ich frage mich aber, wieviel wir tatsächlich erfahren werden. Viel hat Laxness auch in anderen Büchern nicht rausgelassen. Oder lesen wir heute nicht alle Anspielungen richtig, die man vor vielen Jahren richtig verstanden hätte?
    Salka und Sigurlina sind in mancherlei Hinsicht Abziehbilder für viele andere Isländer. Zuviele Details über sie würden diese Musterfunktion verwischen. Ich fürchte, allzuviele weitere Details werden wir nicht in Erfahrung bringen. Nur soviel jeweils, dass sie immer auch für andere Mütter mit unehelichen Kindern oder zahlreiche Arme stehen können.


    Christen sind sie sicherlich, aber ob sie oft in der Kirche waren, ist eine andere Sache. Je nachdem, wo sie gelebt haben, kann die nächste Kirche durchaus zu weit entfernt gewesen sein, um dort öfter hinzukommen. Ich denke, dass Salka keine größere Gottesdiensterfahrung hat.
    Ob Sigurlina nun tatsächlich ein religiöses Erweckungserlebnis hatte, oder ob sie dies vortäuscht, um Hilfe durch die Heilsarmee zu bekommen, ist mir noch unklar.


    In die Richtung denke ich auch. Die Zeit, in eine Kirche zu gehen, haben die Leute vor lauter Arbeit kaum. Wenn eine bestimmte Anreisezeit überschritten wird, werden wahrscheinlich nur besondere Tage für einen Kirchgang genutzt oder der Pfarrer muss gar geholt werden und für Taufen z. B. durch die Gegend reisen.


    Wobei ich mich ähnlich wie Saltanah auch gefragt habe, ob das Erweckungserlebnis echt war oder getrickst, um Hilfe zu bekommen. Es spricht auf Grund der Naivität von Sigurlina einiges dafür, dass das echt war. Aber Not macht erfinderisch und Sigurlina ist vielleicht hinterwäldlerisch, aber gar nicht so auf den Kopf gefallen, wie ich nach 6 Kapiteln noch glaube.



    "Die Frau sah auf und blickte wieder in diese ungewöhnlichen Augen, die ein solches Übermaß an unbändiger Lebenskraft besaßen. Ihr schien, als sei sie diesen Augen schon einmal begegnet und als hätten sie zu tun mit dem Vergessen eines Geheimnisses, das sie gehabt hatte, nein, es stimmte, sie erinnerten sie an eine Feuerbrunst, die sie in ihrer Jugend genossen und freudig begrüßt hatte, eben zu der Zeit, als sie im Unterricht vom Leiden und Sterben Jesu hörte; vielleicht hatte dieses Feuer seitdem immer tief in ihr gebrannt. Ein eigenartiger Zufall, daß sie am selben Tag, an dem sie wieder zu Jesus gefunden hatte, auch wieder diesen Augen begegnet war." (Steidl, S.48)


    Kann es sein, dass dieses Feuer schlicht die Beziehung zu einem Geliebten war, der ähnliche Augen hatte?

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