Barry Hughart - Die Brücke der Vögel (Meister Li 1)

Es gibt 7 Antworten in diesem Thema, welches 3.241 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von illy.

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    Band 1 der drei Meister-Li-Romane, die auch in dem Sammelband Die Geheimnisse von Meister Li erschienen sind.


    Inhalt
    Im Dorf Ku-Fu sterben die Seidenraupen an einer Seuche und die Kinder erliegen einer wundersamen Krankheit, die anscheinend gelernt hat zu zählen. Nummer Zehn der Ochse wird nach Peking geschickt um einen weisen Mann zu holen, der die Kinder retten kann. Zurück kommt er mit Li Kao, der zwar mit einem "kleinen Charakterfehler" behaftet ist, aber schnell den Grund für die Krankheit und die Lösung für das Problem findet: nur die Große Wurzel der Macht, eine ganz besondere Ginseng-Wurzel, kann den Kindern helfen. Auf ihrer Suche nach dieser Wurzel bestehen die beiden märchenhafte Abenteuer und müssen feststellen, dass ganz andere Mächte im Spiel sind als anfangs angenommen, denn sie sind einem göttlichen Geheimnis auf der Spur.


    Meine Meinung
    Dieses Buch war ein Glücksgriff. Hughart beschwört eine faszinierende, asiatisch inspirierte Welt herauf und lässt liebenswerte Helden in einer märchenhaften Quest gegen hassenswerte Bösewichte antreten. Er verwebt Mythologie, Fakten und Fiktion zu einem China, "das es so nie gegeben hat", das ich ihm aber ohne weiteres abnehme.
    Erzählt werden die Ereignisse von Nummer Zehn der Ochse, eigentlich Lu Yu, der als zehnter Sohn mit außerordentlicher Kraft gesegnet ist und so zu seinem Beinamen kam. Er begleitet Meister Li, den weisen Gelehrten mit dem ungewöhnlichen Lebenslauf und dem Hang zu ungewöhnlichen Maßnahmen. Zusammen begegnen sie einer bunten Palette von Figuren, vom Gaunerpärchen über Geistererscheinungen hin zu verzweifelten Alchemisten. Obwohl die Protagonisten anfangs nur Archetypen zu sein scheinen, offenbaren sie im Lauf der Geschichte weitere, überraschende Facetten. Hinsichtlich der Kürze des Buches und des Fokus auf die Handlung meiner Meinung nach eine durchaus ausreichende Entwicklung.
    Die Handlung selbst lebt von der bereits angesprochenen Mischung und den bis zuletzt überraschende Wendungen. Ich kann mir gut vorstellen, dass Hughart die Geschichte(n) inspiriert von überlieferten Märchen und Legenden geschrieben und mit dem Hintergedanken umgesetzt hat, dass in solchen Geschichten immer ein Körnchen Wahrheit steckt. Neben der Mythologie werden auch tatsächlich überlieferte Gebräuche eingearbeitet und teils überspitzt dargestellt, z.B. wenn es um Hofetikette oder die Teezeremonie geht.
    Es wird größtenteils temporeich erzählt, Hughart nimmt sich aber auch Zeit für Abstecher und berichtet etwa kurz vom Schicksal einer Nebenfigur. Dafür wird dann eine wochenlange Reise in einem Satz abgehandelt. Finde ich sehr sympathisch. Und trotz der vielen Abstecher und der verschlungenen Reiseroute behält man immer das Ziel der Reise im Blick und kann einem roten Faden folgen, am Ende fallen alle Puzzleteile an ihren Platz. Und auch wenn Meister Zufall das ein oder andere Mal zuschlägt gibt es dafür eine plausible Erklärung.
    Das alles würzt Hughart mit ausreichend trockenem Humor, Herzschmerz und Blut, hinzu kommen ein Schuß Münchhausen und eine Prise Sherlock Holmes. Apropos Blut - blutrünstig geht es manchmal zu, jedoch hatte ich nie das Gefühl, das sinnlose Abschlachten sei zu viel des Guten gewesen. :zwinker: Selbst Meister Lis Hang zum Wein ist mir nicht negativ aufgestoßen, obwohl der Griff zur Flasche eigentlich ständig erfolgt.


    Man merkt einfach, dass Hughart sich mit der asiatischen (speziell chinesischen) Kultur auseinandergesetzt hat und auch Herzblut in die Geschichte geflossen ist, es ist nicht bloß eine asiatisch angehauchte Erzählung, die mit Klischees spielt. Sein Interesse für China begann mit seiner Stationierung in Korea und er hatte während der zehn Jahre, die er insgesamt in Asien gelebt hat, bestimmt ausreichend Gelegenheit sich mit der Kultur auseinanderzusetzten.


    In der englischen Wikipedia kann man sich übrigens ausgiebig von einem Link zum nächsten hangeln, wenn man z.B. beim Artikel zu Barry Hughart selbst beginnt - am besten erst nach der Lektüre. Unter anderem stößt man dann auf das mythologische Vorbild der Geschichte, im Spoiler folgt eine kurzgefasste Übersetzung:


    Ich kann guten Gewissens 5ratten vergeben.


    Viele Grüße
    Breña

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • Das klingt wirklich gut ! Ich hab mir die ersten beiden Teile schon zusammengesucht. Gibt es nur drei Bände ? :winken:

    Mein Patronus ist eine Büchereule


  • Gibt es nur drei Bände ?


    Ja, leider gibt es nur die drei. Die englische Wikipedia weiß zu berichten, dass Hughart an einen schlechten Verleger geraten sei und deshalb statt der geplanten sieben nur diese drei Romane geschrieben habe. Allerdings gibt es dort auch ein Zitat: unabhängg von schlechten Veräufen und noch schlechteren Verlegern habe er sein Bestes bereits gegeben. Wie gut auch immer er nun schriebe, er würde sich nur wiederholen. Eigentlich gut, wenn ein Autor rechtzeitig diese Einsicht hat. ;)

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • Das stimmt allerdings. Besser drei gute Bände und dann Schluss, als sieben, die man nach dem dritten Teil vergessen kann ! Dann scheint dem Autor, der schlechte Verleger ja gar nicht ungelegen gekommen zu sein :rollen:

    Mein Patronus ist eine Büchereule

  • Huhu!


    Wie schön, dass es zu diesem Buch schon eine Meinung gibt. Für mich war es etwas schwierig, in die Geschichte hineinzufinden, aber einmal angekommen, kann man sich Barry Hugharts Charme nicht mehr entziehen.


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    Inhalt:
    Li Kao, ein uralter chinesischer Meister, begleitet den kräftigen jungen Burschen »Nummer Zehn der Ochse«. Dieser ist auf der Suche nach der »Großen Wurzel der Macht«, einem Gegengift, das todgeweihte Kinder retten soll. Zwar gilt Li als größter Gelehrter Chinas, doch er ist beileibe kein Heiliger, und so geraten die beiden Helden in bizarre Abenteuer, verdingen sich als Trickbetrüger, retten eine betrogene Halbgöttin und versuchen mit einem wahren Feuerwerk an Einfällen ihre Widersacher zu überlisten.


    Meine Meinung:
    Dieses für einen Fantasyroman erfrischend dünne Buch hat mich auf vielen Ebenen überrascht. Zuerst hatte ich Schwierigkeiten, mit den archetypischen Charakteren mitzufühlen und in den Erzählstil hineinzufinden. Barry Hughart erzählt schnell, ohne viel Zeit mit Beschreibungen zu verlieren. Number Ten Ox, der Ich-Erzähler, lebt in einem friedlichen kleinen Dorf. Als alle Kinder zwischen 8 und 13 Jahren von einer seltsamen Seuche befallen werden, erhält er den Auftrag einen weisen Mann zu suchen, der ihnen helfen kann. Zusammen mit Master Li "who has a slight flaw in his character" macht sich Number Ten Ox auf die Suche nach der Großen Ginsengwurzel. Auf der Reise begegnen sie allerlei witzigen Gestalten, tricken sich in das Labyrinth des Kaisers und schweben mehr als einmal in Lebensgefahr.


    Was sich zuerst extrem episodisch liest, erhält mit der Zeit mehr und mehr Substanz. Viele Charaktere trifft man mehr als einmal und die kleinen Rätsel, die anfangs eher wie witzige Ideen am Rande wirken, gewinnen an Bedeutung. Je länger ich gelesen habe, umso mehr Spaß hat das Buch gemacht. Barry Hughart nimmt gekonnt die klassischen chinesischen Mythen und Märchen auf den Arm und ich habe mich besonders über den Hinweis auf Koschei den Todeslosen gefreut. :zwinker:


    Da mein Wissen über chinesische Mythologie sich auf die Geschichte "Journey to the West" beschränkt, habe ich bestimmt sehr, sehr viele Kommentare überlesen oder einfach nicht verstanden. Aber auch so war dieses Buch einfach lustig zu lesen und so manche Szene war spannend wie ein Thriller. Die zwei weiteren Teile lasse ich mir auf keinen Fall entgehen, denn mir sind Master Li und Number Ten Ox erstaunlich ans Herz gewachsen.


    4ratten


    Liebe Grüße,
    Wendy

    Jahresziel: 2/52<br />SLW 2018: 1/10<br />Mein Blog

  • Dieser Thread hat mich auf das Buch aufmerksam gemacht und ich danke meinen Vorschreibern dafür. Das Buch ist einfach schön und macht Lust auf die beiden Folgeromane, die leider nicht mehr so einfach zu bekommen sind.


    Li Kao, der Weise mit dem 'kleinen Charakterfehler', und Number Ten Ox reisen durch das mystische China ihrer Zeit und erleben in Manier des besten Schelmenromans allerhand Abenteuer. Ausgangslage ist die missliche Lage der vergifteten Kinder im Dorf von Number Ten Ox, die nur durch eine spezielle Ginsengwurzel geheilt werden können. Die beiden Protagonisten machen sich auf den Weg, reisen dabei kreuz und quer durch China, durchqueren Labyrinthe, bekämpfen mystische Wesen, treffen betörende Frauen und grausame Tyrannen.


    In der Mitte des Buchs wusste ich nicht so recht, wohin die Reise gehen sollte und war manchmal ein wenig verwirrt, aber dann fallen nacheinander alle Puzzleteile an ihren Platz und es ergibt sich ein märchenhaftes Ganzes. Insbesondere die namensgebende Brücke der Vögel ist ein wunderbarer Gedanke, der mich sehr berührt hat.


    Halb Märchen, halb Schelmenroman, immer zauberhaft und doch mit einem Augenzwinkern, entfaltet sich eine wirklich wunderbare Geschichte aus - wie der Autor selbst sagt - einem China, da es nie gegeben hat. In meinem Kopf hat dieses China Gestalt angenommen und so doch für kurze Zeit existiert.


    5ratten

    :lesen: Naomi Novik - Uprooted

  • Was für ein herrliches Buch, ich kann mich der Begeisterung meiner Vorschreiber nur anschließen: mystisch, schräg, skurril, spannend, witzig und mit einer Menge trockenem Humor. Es bietet Herzschmerz und Tränen, Kitsch und abgehackte Körperteile.


    Den Weisen Li Kao, der Weise mit dem kleinen Charakterfehler, wie er sich immer vorzustellen pflegt, muß man einfach in sein Herz schließen, er ist ein liebenswerter Schurke, clever und versoffen, und hat das Herz auf dem rechten Fleck :breitgrins: Begleitet wird Meister Li von dem jungen Lu, mit Vornamen Yu (nicht zu verwechseln mit dem bedeutenden Verfasser von Das Buch vom Tee) oder wie er von den anderen Dorfbewohnern genannt wird: Nummer Zehn der Ochse.


    Nummer Zehn der Ochse wurde nach Peking geschickt, weil die Kinder des Dorfes in eine ungewöhnliche Starre verfallen sind, er soll dort einen Weisen finden, der bereit ist, herauszufiinden, was mit den Kindern geschehen ist und wie man die Starre lösen kann. Zusammen mit Meister Li sucht er die Große Wurzel der Macht. Dabei begegnen sie Geizhälsen, Ehemännern, die unter dem Pantoffeln stehen und Schlüsselhasen, die alle eine entscheidende Rolle bei der Suche nach der Wurzel spielen.


    Das Ende ist voller Kitsch und Dramatik und Tränen - und passt perfekt zu diesem unterhaltsamen Buch.


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    Liebe Grüße

    Karin

  • illy

    Hat den Titel des Themas von „Barry Hughart - Die Brücke der Vögel“ zu „Barry Hughart - Die Brücke der Vögel (Meister Li 1)“ geändert.
  • Im Dorf des jungen Lu (= Nachname) Yu , genannt „Nummer 10 der Ochse“, sind alle Kinder erkrankt und liegen nun bewusstlos an der Schwelle des Todes. Hilfe findet er bei Li Kao, einem „Gelehrten mit einem kleinen Charakterfehler“. Gemeinsam machen sie sich auf eine Reise quer durch China, auf der Suche nach einem Heilmittel.


    Vor einem detailreich gestalteten China voller Götter, Geister und Geheimnisse entspinnt Hughart eine liebevoll ausgearbeitete, mit viel Humor gespickte abenteuerliche Geschichte. Eine typische Queste, dabei eher mit Mythen- und Märchen- als mit Fantasymotiven ausgestattet, doch für mich dominiert als Genre allerdings der "Schelmenroman". Das mag ich leider nicht so. Es gibt noch zwei Fortsetzungen mit neuen Abenteuern der beiden Helden, aber die werde ich nicht lesen. Es war einfach nicht mein Geschmack. Wer „solche“ Bücher aber mag, dem kann ich diesen Roman guten Gewissens empfehlen.


    3ratten:marypipeshalbeprivatmaus: