Tana French - Totengleich

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  • Tana French


    Totengleich


    The Likeness


    In einem abgelegenen Cottage wird eine tote Frau gefunden, die nicht nur wie Cassie aussieht, sondern sogar deren Undercover-Identität Lexie Madison geklaut hat. Zufällig bearbeitet Sam, Cassies Freund, den Fall. Cassie, mittlerweile im Dezernat Häusliche Gewalt, wird hinzugezogen. Weil man nach einer Woche Ermittlung immer noch keine Spur, keinen Verdächtigen hat, startet man unter Leitung von Frank, Cassies Chef aus ihrer Undercover-Zeit, eine Art Testballon: Man gaukelt der Öffentlichkeit vor, das Opfer sei nicht tot, sondern nur verletzt, und schickt Doppelgängerin Cassie zurück in Lexies Leben, damit sie den Mörder aus der Reserve lockt.


    Für Cassie ist das Leben in einer WG, die freundschaftliche, familiäre Atmosphäre etwas lange Entbehrtes. Sie lässt sich praktisch in Lexies Leben fallen, und das auf Kosten ihrer beruflichen Pflichten. Sie unterschlägt Informationen, fühlt sich zu den verdächtigen Hausbewohnern sehr hingezogen. Somit ist außer ihrem Leben auch noch ihr Job in Gefahr.


    Zitat

    Es waren Wolken aufgezogen, nadelfeiner Nieselregen besprühte die Gemeinschaftsjacke, und ich ließ beim Telefonieren nicht gern die Taschenlampe an. Ich konnte kaum die Hand vor Augen sehen. Ein ganzes Rudel messerschwingender Stalker hätte um das Cottage herum Polonaise tanzen können, und ich hätte nichts gemerkt.


    Zitat


    Ich denke nicht oft an meine Eltern. Ich habe nur eine Handvoll Erinnerungen, und ich will nicht, dass sie abnutzen, glattscheuern, unter zu viel Licht verblassen. Wenn ich sie ganz selten mal hervorhole, sollen sie so leuchtend klar sein, dass es mir den Atem verschlägt, und so scharf, dass sie weh tun.


    Fundstücke:
    Testosteronrangelei
    Designerlabel-Selbstdarstellungsorgie
    Schnurrbärte so groß wie Haustiere.


    Die Krimihandlung spielt in diesem Roman nicht eben die Hauptrolle. Große Strecken der Erzählung handeln von Freundschaft, Schwierigkeiten des Zusammenlebens, Vergangenheitsbewältigung usw. Wer auf action- und temporeiche Geschichten aus ist, sollte dieses Buch meiden. Mir hat das Buch aber außerordentlich gut gefallen, die Hauptfigur und ihre Art waren mir wirklich sympathisch. Kurz gesagt: Ich will mehr davon!
    5ratten

    Bücher sind Magie zum Mitnehmen.

  • Auch ich als Sonst-nie-Krimi-Leserin bin von Tana French begeistert. Und das, obwohl der Plot, wie ihr schon schreibt, unrealistisch bis an den Haaren herbeigezogen ist. Macht nichts, die Figuren sind so authentisch und überzeugend, dass man mehr über ihr Wesen, über ihren Charakter erfahren möchte. Wer der Mörder ist, das wird zur Nebensache.

    Ich bin ein trockener Workaholic. (Vince Ebert)

  • Ich muss ganz ehrlich gestehen das ich ziemlich lange gebraucht hab, bis ich auch nur ansatzweise in der Geschichte drin war. Und auch dann konnte mich die Geschichte nicht so packen das ich unbedingt weiter lesen musste.
    Ich finde einfach das Cassie schon von Anfang an für den Fall ungeeignet war, da sie da schon viel zu tief drin steckte. Und da man sie trotzdem dort hin schickte um den Täter zu finden, dabei aber die möglichen Gefahren komplett aus dem Weg räumt finde ich einfach nur unverantwortlich. Ehrlich gesagt wüsste ich auch nicht wie ich reagiert hätte wenn eine gute Freundin mit der ich in einem Haus wohne und ihr vertraue sich plötzlich als Fremde entpuppt. Vor allem wundert es mich auch das die anderen sich nie gefragt haben ob es wirklich die echte Lexie ist, da sie ja natürlich nicht haargenau alles gleich gemacht hat.


    Leider bekommt das Buch von mir nur
    2ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Nachdem eine Ermittlung ein schlechtes Ende genommen hat, arbeitet Cassie Maddox nicht mehr bei der Mordkommission der Dubliner Polizei, sondern im Dezernat für häusliche Gewalt. Sie vermisst zwar ihren alten Job, hat sich aber so einigermaßen in ihrem neuen Aufgabengebiet eingelebt, als ihr Kollege Frank Mackey sie anruft und zu einem abgelegenen Cottage bestellt. Dort gab es einen grausigen Fund, die Leiche einer jungen Frau, die haargenauso aussieht wie Cassie, und Indizien, die nicht so recht zusammenpassen wollen.


    Lexie Madison hieß die Tote, soviel ist klar, und wohnte nicht weit vom Cottage in einem altehrwürdigen, wenn auch heruntergekommenen Herrenhaus, zusammen mit vier anderen Studenten, von denen einer das Haus von seinem Onkel geerbt hat.


    Frank hat die wahnwitzige Idee, Lexies Mitbewohnern weiszumachen, sie habe schwerverletzt überlebt, und Cassie als ihre Doppelgängerin in die Wohngemeinschaft von Whitethorn House einzuschleusen, um der mysteriösen Bluttat auf den Grund zu gehen.


    Cassie, die bereits Erfahrung mit Undercover-Ermittlungen hat, lässt sich nach anfänglichem Zögern auf das riskante Unterfangen ein und merkt sehr bald, dass das keine gewöhnliche WG ist, in die sie da hineingerät. Was die fünf verbindet, scheint wesentlich mehr zu sein als nur eine Zweckgemeinschaft.


    Eigentlich sind solche Doppelgänger-Verwechslungsspielchen ja immer eine blöde Idee, weil sich der "Hochstapler" früher oder später zwangsläufig verraten muss. Allerdings hat Cassie als ehemalige Undercoverpolizistin die besten Voraussetzungen, mit ihren Nachforschungen möglichst weit zu kommen, bis sie auffliegt, und Frank ist genau der Typ unkonventioneller Cop, der solch risikoreiche Experimente machen würde. Als sein Gegenpol fungiert Sam, der nicht nur Cassies Freund, sondern im Fall Lexie Madison auch Franks Ermittlungspartner ist und eher vorsichtig zu Werke geht. Von Cassies Einsatz als falsche Lexie ist er auch so gar nicht angetan.


    Die Art und Weise, wie die Bewohner von Whitethorn House zusammenleben und miteinander umgehen, ihre etwas weltfremde Art und ihre ungewöhnlich enge Bindung zueinander sind so faszinierend für Cassie, dass sie bald aufpassen muss, nicht zu vergessen, warum sie eigentlich hier ist. Dieses Hin- und Hergerissensein zwischen ihrem Ermittlungsauftrag und der sich entwickelnden Freundschaft zu den vier Studenten hat Tana French wirklich gut dargestellt. Ein bisschen haben mich die vier an "Die geheime Geschichte" erinnert.


    So richtig realistisch ist die Geschichte ja nicht, was mich normalerweise massiv stören würde, aber hier hat es für mich einfach gepasst - das alte Haus, an dem alle Bewohner so unglaublich hängen, die Bewohner des nahegelegen Dorfes, die die Studenten äußerst merkwürdig finden und feindselig behandeln, die liebevollen, detaillierten Schilderungen von Menschen und Orten, all das hat mich großzügig darüber hinwegsehen lassen.


    Lobend erwähnen möchte ich noch die ausgezeichnete Übersetzung. Gerade bei Krimis ja keine Selbstverständlichkeit.


    4ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen






  • Ich habe das so verstanden, dass

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Taschenbuch: 784 Seiten

    Verlag: FISCHER Taschenbuch (17. Dezember 2010)

    ISBN-13: 978-3596175437

    Originaltitel: The Likeness

    Übersetzung: Ulrike Wasel und Klaus Timmermann

    Preis: 9,99 €

    auch als E-Book und als Hörbuch erhältlich


    Ein hochatmosphärischer und intelligenter Kriminalroman


    Inhalt:

    Cassie Maddox wird zu einem Tatort gerufen, obwohl sie eigentlich gar nicht zuständig ist. Aber die Tote ist ihr wie aus dem Gesicht geschnitten und Cassies früherer Chef Frank hat die Idee, Cassie undercover in die WG der Toten einzuschleusen, um dem Täter auf die Spur zu kommen.


    Meine Meinung:

    Die Geschichte braucht ein wenig Zeit, um richtig in Gang zu kommen - die ersten ca. hundertfünfzig Seiten sind noch nicht allzu aufregend. Doch dann entwickelt sich ein immer stärkerer Sog. Genau wie Cassie kann man sich auch als Leser*in nicht dem fein gesponnenen Netz der Beteiligten entziehen. Tana French beschreibt hier die Charaktere sowohl der WG-Mitglieder als auch der Detectives mit einer enormen Tiefe. Man kann extrem tief in deren Psyche eintauchen und ihre Handlungsweisen gut nachvollziehen und verstehen.


    Cassie identifiziert sich nach und nach immer mehr mit dem Opfer, fühlt sich deren Freunden zugehörig und will ihre Rolle am liebsten gar nicht mehr aufgeben. Immer wieder kommt es so zu Konflikten mit ihren beruflichen Pflichten. Cassie muss Entscheidungen treffen, die ihr Vorgesetzter gar nicht gutheißen würde, wenn er davon wüsste. Allerdings kommt es dadurch auch immer öfter zu gefährlichen Situationen und für die Lesenden natürlich zu einer hochspannenden Entwicklung.


    Mit jeder Seite verdichtet sich die Atmosphäre immer mehr. Ich konnte so tief in diesen Roman eintauchen wie das schon lange nicht mehr bei meiner Lektüre der Fall war. Ich konnte meine Umgebung vollkommen ausblenden und ließ mich von den Protagonisten genauso fesseln wie Cassie.


    Tana French versteht es wirklich, eine gute Geschichte zu erzählen. Dazu trägt auch ihr detaillierter Schreibstil bei. Durch die genauen Beschreibungen kann man sich alles gut vorstellen, die Landschaft ebenso wie die Personen. Zuweilen wird die Autorin auch richtig poetisch, was den Roman noch lesenswerter macht. Auch die ein oder andere philosophische Frage wird diskutiert.


    Fazit:

    Ein atmosphärisch dichter und nach einer Anlaufphase auch sehr spannender Kriminalroman, den ich nur empfehlen kann.


    ★★★★☆

  • Meine Meinung

    Eigentlich ist es eine verrückte Idee, Cassie das Leben einer Toten weiterleben zu lassen um so ihren Mörder zu finden. Ich stimme Valentine zu wenn sie sagt, dass die Geschichte nicht realistisch ist. Aber so, wie sie aufgebaut ist, hat es trotzdem gepasst.


    Die Gruppe von jungen Leuten, die in dem alten Herrenhaus wohnt, hat etwas Altmodisches. Irgendwo schreibt die Autorin, dass sie wirken als ob Außerirdische das Leben auf der Erde imitieren wollten und sich die Anregungen dazu in einem 80er Jahre Film (oder war es einer aus den 90er Jahren?) gesucht haben. Genauso kommen mir die Vier vor.


    Cassie gerät schnell in den Bann der Gruppe, aber sie hatte auch vorher schon den Eindruck, als ob zwischen ihr und der Toten eine Verbindung bestehen würde, die über die große körperliche Ähnlichkeit hinausgeht. Es ist früh klar, dass der Mörder im Haus zu suchen ist, denn es gibt immer wieder Bemerkungen und auch Reaktionen auf Cassies/Lexies verhalten.


    Totengleich lebt von der Atmosphäre der Erzählung. Von Anfang an kann man an Cassies Erzählung erkennen, dass mit der Aufklärung des Falls alles anders geworden ist, auch wenn man erst am Schluss wirklich weiß, was alles kaputt gegangen ist. Für mich ist es weniger um die Tat gegangen, sondern um die vier Freunde und die Dynamik zwischen ihnen. Die hat Tana French wunderbar beschrieben.

    5ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.