Es fällt mir schwer eine Rezension zu diesem Buch zu verfassen, da ich das Gefühl habe, dass alles Relevante schon geschrieben wurde, ich könnte mich eigentlich mit einem „Genau so ist es!“ begnügen. Ein paar persönliche Eindrücke will ich trotzdem noch von mir geben.
Im ersten Teil, der die Kindheit der Hauptfigur Amir in Afghanistan beschreibt, zeigt Hosseini uns ein ganz anderes Land, als das Afghanistan, das wir aus den Nachrichten kennen, ein Land, noch nicht von jahrelangen Kriegen zerstört, sondern voll alter Kultur und doch auf dem Weg in die Moderne. Auch wenn zu bedenken ist, dass Amir immer schon der besseren Gesellschaft angehörte und so das positivste des Landes kennen lernen konnte, weckt der Autor meine Sympathie für das mittlerweile so zerstörte Afghanistan. Die Beschreibungen der Kindheit Amirs und wie seine Freundschaft zu Hassan immer einseitiger wurde, bis sie im Alter von 12 Jahren einem schrecklichen Erlebnis und Amirs Feigheit zum Opfer fällt, wurden dabei aber irgendwann so intensiv, dass ich mehrfach das Bedürfnis hatte, eine Pause einzulegen, um nicht zu tief in den Sumpf von einseitiger Freundschaft, Scham und Schuldgefühl hineingezogen zu werden.
Im zweiten Teil erleben wir wie Amir in Amerika erwachsen wird und hier beschreibt Hosseini (aus eigener Erfahrung) sehr gut, wie weit Amerika von Afghanistan entfernt ist. Während es für Amir eine Chance auf ein neues Leben ist, fühlt sich sein Vater entwurzelt und gewinnt so mein Mitgefühl und meine Sympathie. Die Sehnsucht nach der alten Heimat und das verharren in der Vergangenheit werden in allen Ausprägungen sehr schön dargestellt. Theoretisch könnte das Buch dort irgendwo mit einem "und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende" enden, wenn nicht Amir die ihm spät gebotene Chance auf eine Wiedergutmachung geboten würde, die dazu führt, dass er nach Afghanistan zurückkehrt.
An kleinen, aber dafür umso intensiveren Begebenheiten schildert Hosseini das Schreckensregime der Taliban und wie es die schlimmsten Seiten in manchen Menschen zum Vorschein bringt, während die Mehrzahl einfach nur zu überleben hofft. Diese Szenen haben mich mehr beeindruckt als so manch langatmiger Zeitungsartikel, der mir über die Taliban in Afghanistan begegnet war.
Das Buch endet realistisch und zugleich berührend. Eine rundum gelungene Geschichte, deren einziges Manko ist, dass sie manchmal zu rund ist und der Autor das Schicksal die Ereignisse etwas zu perfekt anordnen lässt.