Gayle Forman - Wenn ich bleibe

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  • Titel: Wenn ich bleibe
    AutorIn: Gayle Forman
    Originaltitel: If I stay (Dutton Books)
    Übersetzung: Alexandra Ernst
    Verlag: Blanvalet
    ISBN-13: 9783764503512
    Genre: Jugendbuch, All-Age-Buch, Hardcover 212 Seiten
    Erschienen: 01/2010


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    Die Journalistin Gayle Forman musste erst eine Weltreise antreten, um ein Buch in Angriff zu nehmen. Davor arbeitete sie für Zeitschriften wie „Elle“ oder „Cosmopolitan“, „Jane“ oder Glamour“. Sie lebt in New York und liebt es nach eigenen Aussagen, Jugendbücher zu schreiben. Ihrem ersten Buch, in dem es um die Weltreise ging, folgten weitere, preisgekrönte Bücher. Und „Wenn ich bleibe“.


    Ein schlicht gehaltener Umschlag schützt das 272 Seiten starke Hardcoverbuch. Er zeigt einen kahlen, bleichen Ast vor einem hellblauen Hintergrund, mitten drin eine einzelne rosafarbene Blüte. Das Wort Roman wirkt auf den ersten, flüchtigen Blick fast wie eine kleine Raupe. Eins der Cover, das nichts auszudrücken scheint und doch schon unendlich viel verspricht. Eins von denen, die ich persönlich eigentlich vorziehe, weil sie nicht reißerisch aufgemacht sind. Dennoch habe ich mich gespaltenen Gefühlen an die Lektüre von Gayle Formans „Wenn ich bleibe“ gemacht. Verschiedene Rezensenten und Leser haben von wunderschön und ergreifend bis hin zu schnulzig, oberflächlich und seicht gewertet. Bei der Lektüre des Buchrückens drängt sich zunächst der Verdacht auf, dass Letzteres durchaus möglich sein könnte:


    Zitat


    „Mia muss sich entscheiden: Soll sie bei ihrem Freund Adam und ihrer Familie bleiben – oder ihrer großen Liebe zur Musik folgen und mit ihrem Cello nach New York gehen? Was, wenn sie Adam dadurch verliert?
    Und dann ist von einer Sekunde auf die andere nichts mehr, wie es war: Auf eisglatter Fahrbahn rast ein Lkw in das Auto, in dem Mia sitzt. Mit ihrer Familie. Sie verliert alles und steht vor der einzigen Entscheidung des Lebens: Bleiben oder gehen?“


    Dieser Unfall wird bereits im zweiten Kapitel sehr eindrucksvoll aber nicht reißerisch beschrieben, was nach dem tatsächlich spielerisch leichten Auftakt im ersten Kapitel – dem relativ normalen Morgen einer glücklichen Familie, die direkt neben uns leben könnte – umso dramatischer wirkt. Damit verliert der Verdacht der Seichtheit aber sofort an Gewicht. Das Buch ist nicht seicht gehalten, obwohl Forman Mia ihre Geschichte in einfachen Worten selbst erzählen lässt. Heraus kommt dabei ein leises, unpathetisches Buch, das gerade dadurch zum Weiterlesen animiert.


    Eine an Engel glaubende, erschütterte Großmutter, die irgendwie funktioniert. Ein Großvater, der als einziger erkennt, wie wichtig für Mia das Wissen sein muss, gehen zu dürfen, und der ihr das auch sagt, während andere in ihrer Gegenwart das Thema Tod, das auf so dramatische Weise in das Leben des Mädchens kam, meiden. Eine burschikose Freundin, die Mias Freund über den Unfall informiert. Eine andere, die es ihm ermöglicht, Mia zu sehen, weil er als „Freund“ eigentlich keinen Zutritt zur Intensivstation hat und dabei doch eine so wichtige Rolle in Mias Leben spielt. Alles Menschen, die Mias inneren Zwiespalt aufzugeben oder zu kämpfen vergrößern und gleichzeitig erleichtern. Die Geschäftigkeit einer Intensivstation, die Versorgung eines komatösen Körpers, der Mia gehört und doch auch wieder nicht. Denn sie schwebt quasi als Geist über allem, ohne wirklich Einfluss darauf nehmen zu können. Nicht wissend, wie sie diesen Zustand überwinden kann, in dem sie zwar alles beobachten, aber keinen Kontakt zu anderen aufnehmen kann. Rückblicke auf ihr Leben - wie das Kennenlernen ihrer besten Freundin oder ihres Freundes Adam, auf ihre Liebe zur Musik, auf ihre Familie und Freunde erlauben dem Leser, Mia besser kennenzulernen.


    Forman bietet uns mit der Geschichte, der gerade erst erwachsen werdenden Mia eigentlich ein Jugendbuch. Doch auch Erwachsene können sich in Mia wiederfinden, weil sie sehr reif herüberkommt. Obwohl es in diesem Buch um das Ende, Tod und Trauer geht, kommen die Aspekte Anfang, Leben und Hoffnung, Familie, Liebe und Freundschaft nicht zu kurz. Werte, die heute oftmals flüchtig verkommen oder verkitscht dargestellt werden. Formans emphatischer Erzählstil, völlig frei von tränenreicher Melodramatik, sorgt für einen ständig wechselnden und fließenden Übergang von Mias jetziger Situation zu ihrem bisherigen nahezu sorglosen und unbeschwerten Leben und zurück. Zeigt uns ihre Erinnerungen an glückliche Zeiten, an Träume und Zweifel, aber auch ihre jetzigen Ängste, ihre Hilflosigkeit, ihren Zwiespalt. Dadurch wird erschreckend klar, dass jeder von uns sich morgen in einer vergleichbaren Situation befinden könnte. Dass das Leben kurz und vergänglich ist und wir nur begrenzt Einfluss auf das nehmen können, was mit uns geschieht. Doch genau dadurch wird auch deutlich, dass in schmerzlichen, scheinbar ausweglosen Situationen, Hoffnung da ist, Hoffnung wachsen kann. Was der Schutzumschlag des Buches perfekt ausdrückt. Die aufblühende rosa Blüte. Ein Symbol für die Hauptthemen dieses wunderschönen, unaufdringlichen und einprägsamen Buches – Liebe und Leben und den Wert von Freundschaft und Familie.


    An dieser Stelle möchte ich mich noch beim Blanvalet Verlag bedanken, der mir dieses Buch freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat.
    08/2010 - © Antje Jürgens

    Man sagt, dass die Welt ohne Fantasie ein trostloser Ort wäre.<br />Doch was wäre die Fantasie ohne Worte? Sie sind die Flügel, auf denen Fantasien in die ganze Welt gelangen können.

  • Mia liebt ihr Cello, ihren Freund Adam, vor allem aber ihre Familie. Eines Wintermorgens kommt es zu einem tragischen Unfall, bei dem ihre Eltern sterben, ihr Bruder und sie schwer verletzt werden, und sie selbst ins nächstgrößere Krankenhaus geflogen werden muss. Sie liegt im Koma, doch ihr Geist trennt sich von ihrem Körper und so kann sie umherwandern. Sie sieht, wie Familie und Freunde ins Krankenhaus kommen und auf die nächste gesicherte Nachricht warten: wird sie leben, oder wird sie sterben? Schnell merkt Mia, dass die Entscheidung an ihr hängt, denn die Ärzte haben alles getan, um ihr einen schwierigen, aber sicheren Weg ins Leben zurück zu bereiten. Aber will sie überhaupt noch leben, wenn sie alles verloren hat?


    Dieses Buch ist nur 250 Seiten stark, aber die Geschichte hat es in sich. Es gab vielleicht 30 Seiten, bei denen ich nicht mindestens geschnieft, wenn nicht sogar Rotz und Wasser geheult habe. Man begleitet Mia in den Stunden, in denen sie versucht, zu einer Entscheidung zu kommen. Man erlebt ihre Erinnerungen, die ihr nur wieder vor Augen führen, was sie verloren hat, und man erlebt in der Gegenwart, was ihre Familie, ihre Freunde und vor allem auch ihr Freund versuchen, um ihr zu helfen. Interessant fand ich, dass ihr Großvater, ein Blutsverwandter, zu ihr sagt, es sei okay loszulassen und zu gehen und dass alle es verstehen würden. Ihre beste Freundin, keine Blutsverwandte, sagt ihr: „There are like twenty people in that waiting room right now. Some of them are related to you. Some of them are not. But we’re all your family… You still have family.”
    Ich finde es so wundervoll, dass hier auch Freunde auf eine Ebene mit Familie gehoben werden, eine Ebene, die Auswirkungen haben kann.


    If I stay geht unter die Haut, und auch wenn man manchmal denkt, Mias Eltern seien eigentlich zu cool für diese Welt (zwei Alt-Punker/Rocker, aber wie werden die denn sonst, wenn sie Kinder bekommen?), ist es lesenswert. Es ist ein Jugendbuch von einer ganz anderen Sorte als das, was mir in letzter Zeit über den Weg gelaufen ist. Trotz der Kürze ist es von einer Intensität, die einen tief bewegt. Man sollte die 250 Seiten nicht unterschätzen, es ist kein Buch für Zwischendurch.

  • Mia ist zur großen Verwunderung ihrer rockmusikliebenden, etwas alternativ angehauchten Eltern schon seit ihrer Kindheit großer Klassikfan. Inzwischen ist sie siebzehn und hat als begabte Cellistin eine reelle Chance, an der renommierten Juilliard-Musikhochschule angenommen zu werden. Ihr Freund Adam, Sänger in einer derzeit ziemlich angesagten Band, ist von der Aussicht, dass Mia nach New York ziehen könnte, nicht begeistert, wo er doch gerade erst eine Tournee beendet hat und gehofft hatte, dass sie nun mehr Zeit füreinander haben.


    Und dann geschieht ein schrecklicher Unfall. Mias Eltern sind sofort tot, ihr kleiner Bruder schwer verletzt und Mia selbst wird mit lebensgefährlichen Blessuren in eine Unfallklinik geflogen. Dort schwebt sie in einem Zustand irgendwo zwischen Leben und Tod, Ausgang ungewiss.


    Mia ist die Ich-Erzählerin dieses Romans und schildert zum einen, von ihrem komatösen Körper losgelöst, was sie nach dem Unfall empfindet und denkt, zum anderen erinnert sie sich zurück an ihren Lebensweg von der Kindheit bis zu dem fatalen Crash. Alles kreist um die zentrale Frage, ob sie am Leben bleiben oder doch gehen soll/wird.


    Ich konnte beim Lesen nicht umhin, mich zu fragen, ob jemand in Mias Zustand diese Entscheidung tatsächlich bewusst zu treffen vermag. Spannend ist es allemal, dieses Hin- und Hergerissensein zwischen der harten Wahrheit, dass sie ihre Eltern bereits verloren hat und vielleicht auch noch ihren Bruder hergeben muss, und der Liebe zum Leben, zu Adam, zur Musik, zur verbleibenden Familie oder auch der Neugier auf die Zukunft. Auch die Rückblicke in Mias Kindheit und Jugendzeit sind gelungen. Sie zeigen schön, wie Mia immer wieder durch ihre introvertierte Art und ihre ungewöhnlichen Interessen in die Außenseiterrolle gerät, selbst in ihrer eigenen Familie, aber auch, wie sie stärkende Momente der Verbundenheit mit Familie und Freunden erlebt und mit Adam - ausgerechnet einem Rockmusiker - ihre ersten Beziehungserfahrungen sammelt.


    Emotional hat mich das Buch jedoch bei aller Tragik nicht so sehr mitgenommen, wie ich es erwartet hätte. Ich habe durchaus nah am Wasser gebaut, aber bei diesem Buch keine einzige Träne vergossen, was wahrscheinlich daran lag, dass einige Entwicklungen, insbesondere in der Gegenwartshandlung, doch sehr an amerikanische Teenieserien erinnern. Mir war das stellenweise deutlich zu theatralisch und auch manchmal zu klischeebeladen. Ruhigere Töne hätten mir besser gefallen und mich vielleicht auch mehr berührt.


    3ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen