[Angola] José Eduardo Agualusa - Die Frauen meines Vaters

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  • José Eduardo Agualusa - Die Frauen meines Vaters

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    Inhalt
    Klappentext: Faustina Manso, ein berühmter angolanischer Musiker hinterläßt 7 Frauen und 18 Kinder. Als seine jüngste Tochter Laurentina von ihrem leiblichen Vater erfährt, reist sie nach Angola, um mehr über sein turbulentes Leben herauszufinden. Die Spurensuche wird zu einer Reise durch die Vielfalt des südlichen Afrika und führt in eine Welt voller Musik, Poesie und Leidenschaft.
    Soweit der Klappentext, doch was hier gar nicht erwähnt wird, sondern nur auf der Umschlaginnenseite ist, dass es sich bei oben beschriebener Geschichte um einen erfundenen Handlungsstrang handelt. Im Buch ist neben diesem noch ein weiterer real wirkender Strang eingeflochten - eine Reise des Autors zusammen mit einer Dokumentarfilmerin.


    Da ich meist keine Innentexte lese aus Angst zu viel vom Inhalt zu erfahren, war ich im Rahmen der LR ganz froh für den Hinweis, denn sonst hätte sich meine Verwirrung wohl weiter gesteigert.


    Meinung:
    Ich kann leider nicht sagen, dass mir das Buch gefallen hat. Sprache und Art ließen sich zwar leicht und angenehm lesen. Und der Inhalt war auch nicht so schwierig oder unverständlich - trotzdem wurde mir der Zusammenhang der Geschichte bis zum Schluss nicht ganz deutlich.
    Die einzelnen Kapitel werden von verschiedenen Personen in der Ich-Form erzählt, d.h. man ist in jedem neuen Kapitel erstmal am Überlegen: "realer oder fiktiver Strang (obwohl das durch fett bzw. kursive Überschrift meist erkenntlich ist); wer spricht, wo befinden wir uns?" Manchmal wurde mir im ganzen Kapitel nicht klar, wer das jetzt erzählt. Durch diesen ständigen Erzählerwechsel erscheint das Buch nie als EINE Geschichte, sondern eher als Aneinanderreihung von wage zusammenhängenden Einzelepisoden. Faustino Manso bildet dabei einen sehr dünnen roten Faden und die Personen die auf seinen fiktiven Spuren wandeln bleiben für mich genau so grob und undeutlich wie die ganze Geschichte. Viele Dinge werden hier angesprochen, gesellschaftliche, traditionelle, historische aber kein Aspekt wird weiterführend behandelt, es ist eher ein kurzes Aufblitzen, ein Gedanke oder Gefühl und dann verschwiindet er wieder.
    Am meisten gestört hat mich die vermeintlich reale Geschichte, daraus habe ich überhaupt nichts mitgenommen, im Gegenteil, ich frage mich teilweise jetzt noch was mir die eine oder andere Episode überhaupt sagen wollte.
    Ein wenig mehr Tiefe in Laurentinas Reise und die reale Reise anders eingebaut, hätte mir vielleicht mehr Verständnis und Zusammenhang in der Geschichte gezeigt.


    2ratten


    Viele Grüße
    schokotimmi

  • Wechselnd zwischen einer realen Reise, deren Episoden vielen Zeitsprüngen unterworfen sind, und der fiktiven Reise Laurentinas und ihrer Begleiter Mandume, Bartolomeu und Pouca Sorte, die sich zwar chronologisch entwickelt, dafür aber aus stets wechselnden und nicht immer (sofort) erkennbaren Perspektiven erzählt wird, unternimmt der Leser seine eigene Reise durch das südliche Afrika, von Angola über Namibia und Südafrika nach Mosambik. Dabei gelingen Agualusa immer wieder ganz wunderbare Passagen, mit denen er die Atmosphäre in Luanda genauso einzufangen vermag wie die nicht immer einfachen Beziehungen seiner Protagonisten untereinander. Allerdings stehen auch einige Episoden derart unverbunden neben der Geschichte, daß man sich schon fragt, was sie in diesem Roman verloren haben.


    Überhaupt ist die Konzeption des Romans seine größte Schwäche, was sich an mehreren Punkten zeigt, die aber wohl zum Teil auch der Übersetzung anzulasten sind. Da wäre als erstes die Unterteilung in vier größere Abschnitte zu nennen, die in der deutschen Übersetzung, nicht aber im portugiesischen Original, mit Tempi-Bezeichnungen der klassischen Symphonie versehen sind. Dies ist doppelt ärgerlich, da es zum einen mit dem inneren Rhythmus der Erzählung nichts zu tun hat, zum anderen auf Faustinos Musik auch nicht paßt, da dieser eher im Jazz-Umfeld spielte. Kann man dies noch einigermaßen ignorieren, so sind die Häppchen, die Agualusa ansonsten präsentiert, oftmals leider nicht mehr als das: Appetithäppchen, die ein größeres Thema ahnen lassen, den Leser aber mit den paar Brocken alleine lassen. Der rote Faden, der sich durch Faustino im fiktiven Teil ergibt, ist dann doch eher dünn, und er gewinnt auch nicht an Bedeutung dadurch, daß er Dopplungen im realen Strang erfährt. So bleibt ein Bild, das aus vielen, nur bedingt einander ergänzender Puzzleteile besteht, so verwirrend und unbeständig, wie sich die von der Reise berührten Länder auch selbst dem Betrachter darstellen. Das hat durchaus seinen Charme, wird aber unter der Vielzahl der begleitenden Themen, am Ende kommen gar noch Kinderprostitution und die IRA (ja, genau die aus Nordirland) ins Spiel, etwas verschüttet.


    Das ist ärgerlich, denn hätte sich Agualusa auf die Identitätsfragen konzentriert, die er in seinen vier Protagonisten angelegt hat, dann hätte es ein richtig spannendes Buch werden können. Schließlich bietet er schon verschiedene Positionen an: Mandume, angolanisch-stämmig, der seine Wurzeln negiert und sich ausschließlich als Portugiesen sieht, mit entsprechend „europäischem“ Blick auf das Heimatland seiner Eltern; Laurentina, auch in Portugal aufgewachsen und sozialisiert, aber mit einem vertieften Interesse daran, ihr afrikanisches Erbe wahrzunehmen, zu verstehen und für sich nutzbar zu machen; Bartolomeu, Angolaner mit Blick für sein Land, aber nicht davon frustriert; Pouca Sorte, mit weitgespannter Erfahrung auch aus anderen Ländern des südlichen Afrika, aber eher schulterzuckend alles betrachtend, was seine unmittelbaren Interessen nicht berührt. Aus dieser Konstellation ergeben sich genügend Reibungspunkte, die hier aber in ein paar kleineren Streitereien zwischen Mandume und Bartolomeu ihren maximalen Ausdruck finden. Schade, hier wurde eindeutig Potential verschenkt. Die Bewertung ist daher mehr von Agualusas Stil getragen, den ich gerne mag, in Teilen vom Inhalt, praktisch gar nicht von der Umsetzung.


    3ratten


    Schönen Gruß
    Aldawen

  • In diesem Buch begleiten wir zwei Reisen, eine fiktive und eine - zumindest halbwegs - reale durch das südliche Afrika. Am Anfang wechselt Agualusa noch recht häufig zwischen den beiden Reisen, später verschwimmt die Grenze immer mehr und man weiß nicht mehr, was Fiktion und was Realität ist. Auch der Ich-Erzähler wechselt mit jedem Kapitel, was gerade am Anfang, wenn man die Personen noch nicht so gut kennt, sehr verwirrend ist.
    Am Anfang hat mir das sehr schnell die Lust am Buch genommen, ich musste mich dazu zwingen, immer mal wieder ein Kapitel zu lesen. Aber gegen Ende, als ich dann auch längere Zeit am Stück in dem Buch lesen konnte, wurde es immer besser. Wer hier eine einzige Geschichte erwartet, die geradlinig erzählt wird, wird vermutlich enttäuscht sein. Das Buch erzählt sehr viele Geschichte und das Gesamtbild am Ende muss man sich Stück für Stück selbst zusammenpuzzeln.


    Leider ist mir auch am Ende verborgen geblieben, warum Agualusa die reale Reise mit in das Buch aufgenommen hat. Am Anfang ist das zwar noch interessant, da man einige Parallelen ziehen kann, später ist die reale Reise nur noch überflüssig und trägt dazu bei, dass man irgendwann den Überblick verliert. Außerdem denke ich, dass einige Personen und Themen weniger dem Buch gut getan hätten.


    Insgesamt hat mir das Buch aber nach den Startschwierigkeiten schon gefallen. Es war sehr interessant, mit Agualusa und seiner fiktiven Reisegruppe durch das südliche Afrika zu reisen und die Personen auf ihrer Suche begleiten zu dürfen. Man hätte aus der Geschichte aber trotzdem mehr machen können, wenn man ein kleines bisschen unnötigen Ballast weggelassen hätte.
    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

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  • Meine Eindrücke
    Laurentina erfährt, dass sie die Tochter des berühmten angolanischen Musikers Faustino Manso ist und nach dessen Tod macht sie sich mit Freunden auf den Weg, um dessen Leben nachzuspüren. Sie begeget Mansos Ex-Frauen, Halbgeschwistern, von denen sie bisher nichts wusste und reist von Angola aus quer durch den Süden Afrikas.
    Parallel dazu erzählt ein Handlungsstrang über die Reise der Dokumentarfilmerin Karen Boswall und Agualusa selbst, die auf der Suche nach Ideen und Drehorten für einen Film dieselbe Reiseroute haben. Die Geschichte von Laurentina ist ihr Stoff, den sie verarbeiten wollen.


    So interessant und spannend ich diese Idee der Erzählung fand, bei der Lektüre brachte mich deren Umsetzung jedoch geradezu zur Verzweiflung. Das Buch ist in vier Großkapitel unterteilt, die jeweils einzelne Abschnitte, kleinere Kapitel oder Episoden umfassen. Mal wird von der einen Reise erzählt, mal von der anderen. Doch über das ganze Buch hinweg hatte ich nie das Gefühl, dass außer dem Grobplan vom Klappentext irgendetwas anderes die Erzählungen zusammen hält.
    Agualusa hat beide Reisen jeweils fein säuberlich in kleine Abschnitte zerlegt, die wie kleine Schlaglichter die Stories hin und wieder beleuchteten. Zwar war anhand der Kapitelüberschriften klar, zu welcher der beiden Reisen die Episode gehörte, aber es fehlte jegliche Erzählstruktur - abgesehen davon, dass sowohl Laurentinas als auch Agualusas Reisegruppe eben immer wieder irgendwo anders unterwegs sind.


    Genauso chaotisch wie die Sortierung der Abschnitte empfand ich die Texte selbst. In manchen Episoden war mir noch nicht einmal klar, wer sie erzählte. Bei manchen kam ich halbwegs dahinter, bei anderen nicht. Und so empfand ich in beiden Erzählsträngen - ich habe also auch wenig über Land und Leute mitnehmen können, weil ich niemals Klarheit darüber bekam, wo Agualusa fabuliert und wo er über Realität erzählte. Es sieht in aller Kürze so aus, als habe Agualusa die Geschichte über einen Musiker geschrieben, der sich entweder betrogen vorkam oder betrogen wurde, selbst betrogen hat, deshalb ständig gehetzt in der Weltgeschichte unterwegs war und Agualusa hat das Ganze mit den Dokumentarfilmern und einer Menge Drumherum garniert.


    Die Geschichte muss man sich ungefähr vorstellen wie zwei Puzzles, die ein Kind zerlegt und vermischt hat und das nun versucht, die beiden Puzzles anhand der unterschiedlichen Rückseiten überhaupt erst einmal vorzusortieren. Dass mit den Vorderseiten der Puzzlesteine dabei noch lange keine vernünftigen Motive entstehen, ist klar. Irgendwie hat Agualusa trotzdem versucht, aus seinem Stückchen einen Roman zu machen. Am Ende fügen sich zwei, drei Stückchen zusammen, aber es ist beim Puzzle eben leider so, dass eine Handvoll zusammen gesteckter Teile für ein Bild einfach nicht reichen. Und bei zwei Puzzles gleichzeitig noch weniger.


    1ratten

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