Stig Claesson - Sammelthread

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  • Vad man ser och hedrar (1998) Cover

    "Was man sieht und ehrt"


    Dieses Buch enthält 52 kurze, 3-4 Seiten lange Kapitel, für jede Woche des Jahres 1997 eins. Meistens beginnen sie mit einer Wetterbeobachtung, oder auch einer Beschreibung der Natur, die Claessons Häuschen auf dem Land umgibt. In welche Richtung seine Betrachtung sich dann entwickelt, ist schwer vorhersehbar. Oft kommen ihm Verse verschiedener Dichter in den Sinn, oder ein Treffen mit Nachbarn lässt ihn Erlebnisse aus vergangenen Jahrzehnten erinnern, oder er beschreibt einen Theater- oder Kirchenbesuch, oder einfach seinen Weg zum Briefkasten.


    Wie so oft mit seinen eigenen Tuschzeichnungen illustriert, ist auch dies ein "typischer Claesson". Viele seiner Erinnerungen erkennt man aus anderen Büchern wieder und auch stilistisch bleibt er sich treu. Vielleicht ein bisschen zuviel Name-Dropping von Treffen mit mehr oder weniger bekannten Schriftstellern und Künstlern. Andererseits - Schweden war ein Kaff (und ist es immer noch), in dem jeder jeden kannte. Die Gedichtzitate sind jedenfalls gut gewählt und machen auch einer bekennenden Poesieanalphabetin wie mich Lust auf eine vertiefende Bekanntschaft mit z. B. Elmer Diktonius, Carl August Ehrensvärd oder auch Heinrich Heine.


    Ich habe den Verdacht, dass diese wöchentlichen Betrachtungen für die Kolumne einer Zeitung oder Zeitschrift entstanden sind, kann das aber nicht belegen. Als solche Lektüre, über ein komplettes Jahr hinweg, hätte es mir noch besser gefallen.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Ni har inget liv att försäkra (1978) Cover

    "Sie haben kein Leben, das man versichern könnte"


    Willy Carlsson, Anfang 50, und der 20 bis 30 Jahre jüngere Hardy Johansson sitzen zusammen in einer Stockholmer Kneipe. Sie warten beide auf Mary, Hardys Freundin und Willys... ja was bloß, die sich leider verspätet hat. Hardy hat Willys Generation eine "verlorene" genannt, und das gefällt Willy gar nicht, auch wenn er dies während seines auf diese "Beleidigung" folgenden Redeschwalls doch zu akzeptieren scheint. Er redet scheinbar (oder vielleicht auch wirklich) zusammenhanglos über seine Kindheit, darüber, wie er auf einem schneebedeckten Feld Wache über seine vergrabenen Kameraden hält, 4 Elche am Waldrand, zwei Polizisten, eine von einem hellen Lichtschein bestrahlte Kirche, eine Samin, die niemals in der Krankenstation in Lappland angekommen war, eine Fischtour auf dem See Sommen, den steilen Weg von der (mittlerweile abgerissenen) Schule nach Hause, Sonnenblumen, schwarze Hagebutten und Ackerdisteln, seine Bomberjacke und vieles andere, wobei jeder Topos immer wieder in leichten Varianten aufgegriffen wird. Das ganze kulminiert in mehreren Seiten mit Fragen. Hier ein Ausschnitt:


    Zitat S. 168 in meiner Übersetzung:

    "Was tun wir, wenn wir die Bajonette gefunden haben?

    Wieso gibt es Sterne, die kein Licht ausstrahlen?

    Wie heilt man die Steinkrankheit bei Graubirnen?

    Warum steckt man Schmetterlinge auf Nadeln?

    Wer ist Onkel Nisse?

    Wer hat der Gemeindeverwaltung das Recht gegeben, Schneehuhnfallen im Petersilienbeet alter Frauen aufzustellen?

    Seit wann kann man Hagebutten nicht mehr essen?

    Wieso stellen sich Elche in den Weg von Tanklastern?

    Wieso kann man Ackerdisteln nicht ausrotten?"


    Ich möchte noch ein paar Fragen hinzufügen:

    Ist das hier genial?

    Oder ist es prätentiöser Schrott?


    Ich weiß es nicht. Vielleicht könnte ich es nach einer nochmaligen Lektüre entscheiden, aber mit der werde ich noch eine Weile warten. Das Buch hat mich immer wieder fasziniert, aber auch genervt. Interessant waren allerdings die Hinweise auf die Entstehungszeit, an die ich mich recht gut erinnern kann, obwohl zu einer anderen Generation als Carlsson gehörend. Der kalte Krieg und die Angst, dass er in einen richtigen übergehen könnte, die allmählich zum Thema werdende Umweltverschmutzung... Das wird nicht wirklich thematisiert, liegt aber als latente Bedrohung sozusagen hinter Carlssons Suada. Irgendwie schon gut gemacht...


    Ratten gibt's keine. Nicht weil ich dafür keine vergeben möchte, sondern weil ich mich nicht entscheiden kann, wie viele.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Om vänskap funnes (1981) Cover

    "Falls es Freundschaft gäbe"


    Dieser für Claesson'sche Verhältnisse recht lange Roman (260 S.) spielt auf drei Zeitebenen:


    Der Januar 1954 in Paris ist extrem kalt, mit Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt. Hier trifft der Ich-Erzähler Nick Söderman den schwedischen Autoren Nils Johan Nilsson. Geld haben sie beide nicht; sie leben von der Hand (oder eher Alkohol) in den Mund, Leihgaben von Freunden und dem einen oder anderen kleinen Honorar, das sie für Illustrationen bzw. Artikeln von schwedischen Zeitungen erhalten. Um der Pariser Kälte zu entkommen, planen sie eine Reportagenreise längs durch Italien. Irgendeine Zeitung wird schon dafür bezahlen, glauben sie.


    Weihnachten 1961 besucht Söderman seinen todkranken Freund zum letzten Mal. Nilsson wohnt mit seiner zweiten Frau in einem Haus auf dem Land, wo er einige Menschen zu einem Weihnachtsessen eingeladen hat. Er hat allerdings kaum Kraft für tiefere Gespräche und so unterhält sich Söderman hauptsächlich mit Frau und Mutter seines Freundes.


    1981 befindet sich Söderman in Stockholm, wo er mit Pär Johan Nilsson, dem Sohn Nils Johans befreundet ist. Sie freuen sich darüber, dass Ronald Reagan Präsident der USA geworden ist, da sie beide ein Faible für "schlechte" Filme und B-Schauspieler haben.


    Dieses Buch ein Freundschaftsbeweis Claessons für den früh verstorbenen schwedischen Autoren Pär Rådström. Mit ihm war er in Frankreich und Italien, ihn besuchte er kurz vor dem Tod, und mit dessen Sohn war er später befreundet. Ich muss allerdings gestehen, dass mir der Grund der Freundschaft etwas unklar bleibt, sieht man von der gemeinsamen Vorliebe für alkoholische Getränke und einen unvernünftigen Umgang mit Geld ab. Auch in diesem Buch drehen sich vielen Gedanken des Protagonisten um ständig wiederkehrende Themen, allerdings in geringerem Ausmaß als andere Bücher des Autoren. Es ist stringenter, auch wenn es zwischen den Zeitebenen hin und her springt, und ist weniger ziellos. Leider, muss ich sagen, denn gerade diese Aspekte in Claessons Werk ziehen mich besonders an. So vergebe ich "nur"


    3ratten

    Wir sind irre, also lesen wir!