Margaret Atwood - Der Report der Magd

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  • Ich habe jetzt etwa das erste Drittel hinter mir und bin einigermaßen irritiert. Das gilt zunächst einmal und vor allem für den Zeithorizont. Wenn ich die bislang aufgepickten Infos über Offreds Leben zusammennehme, dann müßte der Umschwung binnen weniger Jahre (ich sage mal: drei bis maximal fünf) stattgefunden haben und kann auch noch nicht so lange zurückliegen, weil das sonst mit ihrem vorigen Leben und dem Alter der Tochter alles nicht hinkommt. Und in dieser Zeit hat sie auch noch ihre „Ausbildung“ erhalten und mindestens die zweite „Stellung“, wobei sie dort mindestens zwei, eher mehr Vorgängerinnen hatte. Das paßt für mein Empfinden alles nicht recht zusammen.

    Die Zeiteinordnung fand ich auch sehr schwierig. Ich habe mir das so zusammengereimt, dass von der Regierungsbildung/ Umsturz zur Umerziehung eine nicht genannte Zeitspanne vergangen ist (in der, wie im zweiten Band erwähnt, wohl die Tanten ausgebildet werden mussten). Ab der Umerziehung würde ich es mir so erklären: Ein halbes bis ein Jahr Umerziehung/ Red Center, und dann ein bis drei Jahre bei Commander 1 und 2. Es wird soweit ich weiß angedeutet, dass nicht jede Magd, die keine Kinder bekommt, die gesamten drei Jahre bei einem Commander bleibt. Somit wäre Offred bei Beginn der Handlung ca. fünf bis 8 Jahre Magd und davor vielleicht ein halbes bis zwei Jahre "in Ausbildung" gewesen und davor mag es ein halbes bis ein Jahr eine Zeit vor der Ausbildung gegeben haben. Also zwischen 7 und 10 Jahre nach Gründung von Gilead und Offred müsste dann vielleicht Mitte bis Ende 30 sein?


    Ich kann mir schon vorstellen, dass man (viel) Wissen verliert, wenn man komplett indoktriniert wird und einem sämtliche Möglichkeiten zum Austausch sowie Texte jeder Art fehlen und man also auch keine Erinnerungen aufschreiben kann. Das Leben, das sie lebt, wird für sie zunehmend "normal", weil die äußeren Umstände sie da rein pressen.

    Dass eine durchschnittliche Frau nicht versucht zu fliehen, nachdem sie gesehen hat, wie anderen die Füße aufgeschnitten wurden oder Schlimmeres und nachdem man regelmäßig an der Exekution von "Verbrechern" teilnehmen muss und jeder, mit dem man heimlich spricht, ein Spion sein kann sowie genau festgelegt ist, was man sagen und dass man meist schweigen muss (und viele vorher übliche Wörter und Floskeln ersetzt wurden, so dass Erinnerungn vielleicht auch zunehmend schwieriger wird), erschließt sich mir schon.

    Selbst wenn man flieht - womit und wohin? Irgendwann erwähnt sie, dass sie gar keine Straßenkarte oder Vorstellung von der Umgebung hat. Und alles wird überwacht, wie soll man unentdeckt entkommen?

    Immer wieder wird im Buch ja erwähnt, dass sie keinem traut, weil jeder ein Spitzel sein könnte. Und selbst ihr Alltag außerhalb der "Zeremonien" wird akribisch überwacht.

    An Moiras Fluchtversuch wird mMn sehr gut dargestellt, wie sehr so eine Indoktrination einen beeinflussen kann - Moira fällt es schwer, ihre erlernten Verhaltensweisen wie auf den Boden schauen, unterwürfig zu sein zu unterdrücken, obwohl sie sich selbst für eher forsch und mutig hält.

    Aus meiner Sicht stellt das Buch sehr schön dar, dass alle in dem System gefangen sind, selbst die, die es erdacht haben - keiner kann jetzt mehr offen sprechen und erklären, dass es schlecht gelaufen ist. Die Ehefrauen und Kommandanten leiden unter Langeweile, die Ehefrauen unter Eifersucht, jeder hat Angst vor Veränderungen (Marthas: Was passiert, wenn sie zu alt für die Hausarbeit werden? Was passiert dann mit den Mägden? Die Sorge wird im Buch ja angesprochen, aber nie geklärt).


    LG von

    Keshia

    Ich sammele Kochbücher, Foodfotos und Zitate.


    <3 Aktuelle Lieblingsbücher: "The good people" von Hannah Kent, "Plate to pixel" von Hélène Dujardin und "The elegance of the hedgehog" von Muriel Barbery.

  • Margaret Atwood


    Der Report der Magd



    The Handmaid´s Tale




    Gilead 1



    Inhalt


    Nach einem Putsch entsteht auf dem Gebiet der USA der Staat Gilead, der seine Gesetze stark am Alten Testament anlehnt. Andersdenkende und -gläubige werden zunehmend verfolgt und ausgeschaltet. Es entsteht eine Art Klassengesellschaft, die Frauen sind wieder so machtlos wie in alter Vergangenheit. Durch verschiedene Umstände ist die Bevölkerung größtenteils steril, gesunde, lebensfähige Babys sind eine Seltenheit. Somit werden fruchtbare, gebärfähige Frauen zu einer begehrten Art Ware. Man nennt sie „Mägde“. Die Ich-Erzählerin gehört zu den Mägden, gibt Einblick in ihr stark eingeschränktes, leeres, bedrohtes Leben.



    Meinung


    Da ich im Herbst die Serie im TV gesehen hatte (und begeistert war), wusste ich inhaltlich schon im Wesentlichen, worum es ging. Das hat meinem Lesevergnügen aber keinen Abbruch getan. Ich habe mich lange nicht mehr so gegruselt wie bei dieser Geschichte. Auch die Zwiespältigkeit der Gefühle, die Ängste, die Entwürdigungen wurden sehr anschaulich geschildert.




    Die einzige Kritik ist, dass die kurze Zeitschiene ab dem Putsch bis zur aktuellen Situation der Magd Desfred nicht ausreicht, um die Veränderungen der Gesellschaft glaubhaft zu machen. Nach den paar genannten Punkten kann es sich wohl um höchstens 10 Jahre seit dem Fluchtversuch handeln, und das ist wohl zu wenig für die Etablierung der Klassengesellschaft.



    Das ist aber schon alles, was ich zu bemängeln habe. Die volle Punktzahl vergebe ich trotzdem. Ein großartiges Buch!


    Zitat

    Wir glaubten, wir hätten furchtbare Probleme. Wie sollten wir wissen, dass wir glücklich waren?





    5ratten




    Bechdel-Test: ?

    Bücher sind Magie zum Mitnehmen.

    Einmal editiert, zuletzt von Kiba ()

  • Das ist so ein Buch, was ich so sehr mag, dass ich keine der cineastischen Umsetzungen mögen kann. Besonders nicht den so schlechten Film aus den 80ern. "Geschichte der Dienerin" oder so ähnlich hiess der, den hatte ich damals sogar im Kino gesehen und war total entsetzt wie da die Sexszenen in den Vordergrund gesetzt wurden. Ekelhaft.

    Viele Grüsse,

    Weratundrina :verlegen:


    Help me, help me ~ Won't someone set me free? ~ There's no right side of the bed ~ With a body like mine and a mind like mine

    ~ IDLES ~


  • Das Buch liegt eigentlich schon ein weilchen auf meinem SUB, aber ich wusste schon als es dort frisch landete, das mein Bauchgefühl dann entscheiden würde, wann ich es dann wirklich lese. Länger als ein Halbes Jahr ist für mich inzwischen schon lang auf dem SUB :lachen:

    Aber heute hatte ich so eine komische Laune und plötzlich habe ich angefangen zu lesen. Keine Ahnung warum.

    Ich habe ein Ebook und bin dort schon bei etwa knapp einem Drittel angelangt. Ich finde es hat so einen gewissen altmodischen Touch. Man merkt, das eine bestimmte Art Feminismus zu sehen und über Themen zu schreiben, die Frauenrechte betreffen dahinter steht. Aber ich finde es auch interessant zu sehen, das Atwoods Roman auf jedenfall Einfluss auf weitere feministische Belletristik hatte.

    An manchen Stellen fällt zum Beispiel sehr auf, das etwa der Roman VOX von Chrisina Dalcher glasklar stark daran angelehnt wurde. Ich glaube ich hätte diesen dann sicher noch schlechter bewertet, hätte ich das beim Lesen damals gewusst. (Ich fand VOX allgemein nicht sonderlich gut, das so am Rande bemerkt...)


    An anderen Stellen finde ich es beängstigend, das sich aus heutiger Sicht betrachtet doch bestimmte Dinge immer noch nicht verändert haben. Etwa wie Frauen und Körper betrachtet werden, das viele Kulturen nach wie vor Frauen vor allem als Mütter oder mögliche Mütter betrachten. Nach wie vor ist für viele unverständlich wenn jemand einfach keine Mutter sein möchte. Aber auch, wie Frauenrechte eigentlich im allgemeinen gesehen werden. Welche Mechanismen eine Rolle spielen um dafür zu sorgen, das man die eigene Rolle, den eigenen Platz in der Gesellschaft eben nicht hinterfragt. Selbst dann nicht, wenn man eigentlich einen Vergleich zum vorherigen Status hatte.

    Und natürlich, das gerade auch Frauen dabei helfen, das diese Rollenbilder sich festigen um ihren eigenen Status nicht zu gefährden. Damit wiederum ihre eigene Rolle in dieser Ordnung nicht hinterfragt werden kann.


    Auf jedenfall liest es sich richtig gut, ich bin total in der Geschichte, obwohl ich den Schreibstil etwas eigenwillig finde. Aber gerade das gefällt mir daran so gut. Ich kann aber verstehen, wenn man diese Erzählweise nicht unbedingt mag. Ich mag es tatsächlich normalerweise nicht, wenn eine Geschichte im Präsenz erzählt wird. Aber hier passt es, weil es ja eine Art Echtzeitbericht ist, es wirkt ja alles so, als ob die Hauptfigur ihre Gedanken preisgibt (auch wenn ich selbst aus meinem allgemeinen Wissen über den Roman schon mehr weiß^^)

  • Was ich tatsächlich in gewisser Weise faszinierend finde, ist die Beschreibung von Sexualität. Vor allem von einer Figur, die offensichtlich einmal eine andere Art von Sexualität kannte und nun nur noch gehemmte, verschleierte Worte dafür findet. Die aber Gleichzeitig auch verdeutlichen, das es hier um die reine "Produktion" von Kindern geht. Nicht mehr und nicht weniger.

    Gleichzeitig finde ich auch gruselig, was hier geschieht. Denn auch wenn es nicht Vergewaltigung genannt wird, ist es eben doch eine.


    Perfide finde ich vor allem auch, mit welchen Methoden den Frauen im Roman suggeriert wird, sie hätten eine gewisse Macht,obwohl sie nur als Gefäße gesehen werden, sobald sie die Chance haben Schwanger werden zu können. Nicht sie entscheiden über ihren Körper, sondern der Staat, Männer und Frauen, die selbst einen höheren Status genießen, obwohl sie keine Kinder bekommen können.

    Ohne eigene Identität, nur mit den Namen ihres jeweiligen Kommandanten verknüpft, Besitz. Ehrlich gesagt könnte ich die Serie wohl nicht schauen, ich rege mich ja jetzt schon die ganze Zeit ständig auf beim Lesen. Das würde ich als Serie oder Film kaum ertragen. Auch gerade weil der Roman eine Zeit beschreibt, in der die Frauen noch die Erinnerung an das Vorher haben. Sie wissen genau, das sie vorher ganz andre Rechte hatten. Trotzdem beschreibt die Ich-Erzählerin diesen Teil nur in Erinnerungen, die weniger mit ihrer Freiheit, als mit ihrem Mann und ihrer Tochter zu tun haben. Sie erscheint resigniert. Und auch das empfinde ich dadurch als beängstigend. Sie wirkt dadurch seltsam passiv, wie auch alle anderen Figuren sich im Grunde eingefügt haben in die neue Ordnung.


    Es hat gleichzeitig ja auch Gründe, warum Atwoods Roman gerade in den letzten Jahren wieder an Aktualität gewonnen hat - weil "Der Report der Magd" erschreckender weise eigentlich nie wirklich von Dingen spricht, die heuten niemand mehr verstehen würde... Und das auch, wenn man sieht, wie gerade in Polen Frauenrechte mit Füßen getreten werden- denn darum geht es, wenn ein Land überlegt, eine ratifizierte Vereinbarung gegen die Gewalt von Frauen auf zu kündigen.

    Wenn ein sexistischer US-Präsident öffentlich darüber sprechen darf, was er mit Frauen macht, die nicht seiner Meinung sind und er dafür auch noch gefeiert wird. Wenn Feministinnen in Deutschland darauf hingewiesen werden, das es jetzt aber mal quatsch sei mit der Gendergerechten Sprache und das dies ja die deutsche Sprache verunglimpfe. Wenn Frauen immer noch beigebracht wird, das sie überall und jederzeit Angst haben müssen vergewaltigt zu werden. Statt Männern bei zu bringen, einfach mal keine sexistischen Kackschweine zu werden und stattdessen den Körper und die Wünsche ihres Gegenübers zu respektieren, egal welches Geschlecht auch immer diese Person hat

  • Zum Schluss:


    Das war mal ein Buch das ich in einem Rutsch gelesen habe. :lachen: Sicher auch schneller, weil es ein Ebook ist und daher weniger Seiten hat, als die physische Ausgabe, da kommt man irgendwie schnell voran.


    Alles in allem habe ich das Buch ehrlich gesagt vor allem in seinem historischen Kontext als feministische Literatur des 20ten Jahrhunderts gelesen.

    Die Geschichte wird ja sehr sehr ruhig erzählt, ohne hast, auch wenn ich so gut voran gekommen bin.

    Interessant fand ich dabei vor allem die Erklärungsmuster für die neue gesellschaftliche Ordnung, aber auch, wie Figuren wie der Kommandant sich verhalten. Ein Hinweis darauf das auch er spürt, das diese Form der Unterdrückung letztendlich allen schadet, auch ihm als Mann, obwohl er die politische Macht hat und niemand ihm vorschreibt, wie er zu leben hat.

    Wie schon erwähnt, merkt man an manchen Stellen trotzdem, das der Roman schon älter ist. Vor allem in dem, was er unterschwellig als Feminismus transportiert. Oder auch wie z.B. über Lesbisch-sein gesprochen wird (als ob es eine Wahl sei).


    Das Ende kannte ich ja schon, weil der Roman ja immer mal diskutiert wird. Ich fand aber durchaus auch interessant, dass das Ganze als ein historisches Dokument eingeordnet wird. Das lässt vieles, was Desfred erzählt, anders betachten. Auch wenn nach und nach ja schon deutlich wird, das sie aus der Erinnerung heraus erzählt. (Was zu Beginn erstmal unklar ist).


    Über eine Bewertung muss ich tatsächlich noch ein bisschen grübeln. Ein Jahreshighlight war es für mich nicht, aber ich denke es wird irgendwo bei 3-4 Ratten landen.



    Vielen Dank an Netgalley und den Piper Verlag für das Leseexermplar!

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    Der Report der Magd - Margaret Atwood


    "Der Report der Magd" spielt im fiktiven Staat Gilead, der sich auf dem Gebiet der ehemaligen Vereinigten Staaten befindet. Gilead ist eine religiöse Diktatur, die Frauen ihrer gänzlichen Rechte beraubt hat: Sie dürfen nicht arbeiten, kein Eigentum besitzen, nicht einmal über ihren Körper entscheiden - im Endeffekt sind die Frauen selbst Eigentum des Staates, sie werden allein auf das Kinderkriegen reduziert und entmenschlicht.


    Durch Umweltgifte, Strahlung etc. ist ein Großteil der Menschen unfruchtbar geworden. Die Frauen, die noch fruchtbar sind, werden als sogenannte Mägde Haushalten zugeteilt, die keine Kinder bekommen können - im Regelfall sind dies Haushalte aus der Elite des Staats. Dort müssen sie sich dann rituellen Vergewaltigungen unterziehen, bis sie schwanger werden. Die Kinder, die sie kriegen, werden ihnen weggenommen und im Haushalt aufgezogen, während sie selbst dem nächsten Haushalt zugeteilt werden, um sich dort schwängern zu lassen.


    Desfred, was nicht ihr richtiger Name ist, ist eine dieser Mägde und erzählt ihre Geschichte. Sie hat den Umsturz miterlebt, hatte früher ein normales Leben und ist sich daher allem bewusst, was sie verloren hat. Sie erzählt von ihrem Alltag - wie sie unter ständiger Beobachtung einkauft, dabei an Gehängten vorbeilaufen muss, in ihrem Zimmer die Zeit absitzen muss, die Vergewaltigungen ertragen muss. Dazwischen eingeworfen sind immer wieder Sequenzen aus ihrer Zeit im "roten Zentrum" - einer Art Umerziehungszentrum, in dem ihr ihre "Aufgabe" eingetrichtert wurde und es drakonische Strafen für Abweichlerinnen oder Flüchtige gab.

    Auch erzählt sie von ihrem früheren Leben - als sie eine Beziehung und ein Kind hatte, was ihren Alltag umso schmerzhafter wirken lässt.


    Einfach gesagt: Dieses Buch ist gut. Es ist so verdammt gut. Desfreds Geschichte zieht einen förmlich in den Bann. man will wissen, wie sie lebt, wie diese schreckliche Gesellschaft aufgebaut ist und was mit ihr passiert. Desfred wirkt äußerst passiv - in Anbetracht der Umstände bleiben ihr aber auch keine anderen Möglichkeiten. Sie schottet sich von ihren Gefühlen ab, wird zur Beobachterin von sich selbst, weil es sonst nicht zu ertragen ist - mehrfach berichtet sie davon, wie andere Mägde sich umgebracht haben und welche Sicherheitsmaßnahmen deswegen ergriffen wurden, mehrfach überlegt sie auch selbst, wie sie es bewerkstelligen könnte. Ich konnte das Buch kaum weglegen und habe mir schon bei der Hälfte des Buches (war nur geliehen - Onleihe sei Dank) ein Exemplar für das eigene Bücherregal sowie den Nachfolger "Die Zeuginnen" zugelegt.


    Margaret Atwood hat für mich mit diesem Buch gezeigt, dass sie eine der ganz großen Dystopieautorinnen ist und sich hinter einem Aldous Huxley (Brave New World) oder George Orwell (1984) nicht zu verstecken braucht.

    Absolute Leseempfehlung, 5/5.

    5ratten

    Aragorn: "Ihr habt schon gefrühstückt."

    Pippin: "Wir hatten das erste, ja. Aber was ist mit dem zweiten Frühstück?"

    Merry: "Ich glaube nicht, dass er weiß, dass es sowas gibt."

    Pippin: "Und der Elf-Uhr-Imbiss? Mittagessen? Vier-Uhr-Tee? Abendessen, Nachtmahl? Das kennt er doch wohl, oder?"

    Merry: "Ich würde mich nicht darauf verlassen."

    Aus: "Der Herr der Ringe: Die Gefährten"

  • Siehst du das heute noch genau so?


    Ich hatte während der gesamten Pandemie immer reichlich Kritik an der politischen Kommunikation, habe aber natürlich immer brav mitgemacht.

    Am Anfang fragte ich mal in einem Gespräch: „Was würden wir machen, wenn die Grundrechtseinschränkungen einfach bestehen bleiben?“ Die Antwort war: Nichts. Wir müssten das einfach hinnehmen. Wir hätten nicht die Haltung von Widerständlern.

    Und jetzt kürzlich fragte mich jemand, ob wir mal wieder Essen gehen wollten. Essen? Ja, ich wäre doch geimpft. Das schon, aber Essen? In einem Raum voller Menschen ohne Maske? Ich sagte zu, aber meinte, ich bräuchte erst mal eine Woche oder länger, um mich an den Gedanken zu gewöhnen. Weil ich jetzt in einem Raum voller Fremder ohne Maske das Gefühl hätte, etwas Falsches zu tun, angestarrt zu werden.


    Von daher würde ich heute urteilen: 10 Jahre sind eine LANGE Zeit, um eine neue Gesellschaftsordnung zu verinnerlichen.

    Überlegt mal, wie euch nach 10 Jahren mit Coronaregeln ein Schwimmbadbesuch oder eine Party vorkäme.


    LG von

    Keshia

    Ich sammele Kochbücher, Foodfotos und Zitate.


    <3 Aktuelle Lieblingsbücher: "The good people" von Hannah Kent, "Plate to pixel" von Hélène Dujardin und "The elegance of the hedgehog" von Muriel Barbery.

  • Ich finde nach wie vor, dass 10 Jahre zu wenig sind, eine Gesellschaft wirklich zu verändern.

    Wenn du auf die Einschränkungen und Vorschriften wegen Corona verweist: Man konnte zwischen dem 1. und dem 2 Lockdown riesige Akzeptanz- und Einhaltungsunterschiede beobachten.


    Wenn man von der Pandemie absieht und schaut allgemeiner, ist m. E. eine ganze Generationsspanne das Minimum für tiefliegende Veränderungen. Wobei natürlich ein Terrorregime wie im Buch wieder andere Voraussetzungen und Durchlaufzeiten schafft.

    Bücher sind Magie zum Mitnehmen.

  • Ich war "damals", vor fünfzehn Jahren, begeistert und bin es immer noch. Zwischenzeitlich habe ich auch die Serie dazu gesehen, die vor allem in den ersten Staffel sehr buchnah ist, sowohl vom Text als auch von der langsamen Erzählart. Ich habe so richtig gemerkt, wie gut die Serie umgesetzt ist.


    Das Buch regt mich damals wie heute zum Nachdenken an. Der Schreibstil fällt mir mittlerweile leichter, auch wenn klar ist, dass das kein locker leichtes Wohlfühlbuch ist. Das Buch hat eine Wucht, die gruselig ist und auch trotz seiner Jahre immer noch funktioniert. Das Buch ist für mich fast ein Klassiker.

  • Das hast du schön geschrieben - mir geht es mit dem Buch und der Serie ähnlich (wenn man die Autorin beteiligt, kann so eine Buchverfilmung ausnahmsweise doch ganz gut werden!).

    Erschreckend finde ich momentan, dass das Buch eher wieder an Aktualität gewinnt, gerade wenn man an die Debatte um Schwangerschaftsabbrüche nach der Aufhebung der Roe vs. Wade-Entscheidung in den USA denkt.

    Aragorn: "Ihr habt schon gefrühstückt."

    Pippin: "Wir hatten das erste, ja. Aber was ist mit dem zweiten Frühstück?"

    Merry: "Ich glaube nicht, dass er weiß, dass es sowas gibt."

    Pippin: "Und der Elf-Uhr-Imbiss? Mittagessen? Vier-Uhr-Tee? Abendessen, Nachtmahl? Das kennt er doch wohl, oder?"

    Merry: "Ich würde mich nicht darauf verlassen."

    Aus: "Der Herr der Ringe: Die Gefährten"

  • Ja. Ich frag mich wirklich, ob es mal eine Zeit geben wird, in der - ganz egal wo - keine Frauen unterdrückt werden. Unterdrückung ist immer sch*, aber Frauen sind die Hälfte der Gesellschaft, aller Menschen...

  • Irgendwo im Gebiet dessen, was einmal die USA waren, hat sich ein Gottesstaat namens Gilead etabliert, in dem das Leben nach strikten Regeln verläuft. Die Menschen sind in fixe Kategorien eingeteilt, Frauen sind dabei alleine zum Dienen und zum Kinderkriegen da und dürfen nur unter bestimmten Umständen heiraten. Fruchtbarkeit ist das höchste Gut, und wer als Ehefrau keine Kinder bekommen kann, holt sich eine Magd ins Haus, die den Nachwuchs vom Herrn im Haus empfängt und austrägt. Wer als Magd zu lange nicht liefert, wird aufs Abstellgleis geschoben und ausgetauscht.


    Individualität, Freude, Kultur, all das spielt in Gilead keine Rolle und gilt gar als sündig. Frauen ist sogar das Lesen untersagt und die Mägde haben nicht einmal mehr einen Namen, sondern werden nach ihren Gebietern benannt. So auch Desfred, die im Haus des Kommandanten ihren traurigen Pflichten nachkommt und sich zwischendurch in ihrem tristen Zimmer schier zu Tode langweilt, weil es nichts gibt, womit sie ihre Zeit sinnvoll füllen könnte. Kein Wunder, dass sie immer wieder Gedanken an die Vergangenheit nachhängt, als sie noch berufstätig war, einen Partner und eine Tochter hatte sowie eine Mutter, die gelegentlich als Alt-68erin etwas nerven konnte, und Freundinnen wie Moira, die sie später noch einmal unter den neuen Umständen wiedergetroffen hat.


    Manchmal scheint der einzige Ausweg der zu sein, den ihre Vorgängerin gewählt hat, die sich in dem Zimmer, das Desfred nun bewohnt, an einem Deckenhaken erhängt hat, doch so weit geht sie dann doch nie und versucht, sich an kleinste Lichtblicke zu klammern wie einen kurzen Kontakt zu einer anderen Magd oder ein freundliches Lächeln des Chauffeurs.


    "Der Report der Magd" dürfte mittlerweile zu den bekanntesten Dystopien gehören und hat auch fast 40 Jahre nach Erscheinen kaum an Aktualität und Eindrücklichkeit eingebüßt. Im Gegenteil, manche der aktuellen politischen Entwicklungen in den USA wie das gekippte Abtreibungsgesetz lassen Margaret Atwoods düstere Zukunftsvision fast schon prophetisch wirken. Das Bild von einer Theokratie, die in alle noch so kleinen Lebensbereiche eingreift, alles zu Tode reguliert und den Bewohnern (und besonders den Bewohnerinnen) schier die Luft zum Atmen nimmt, liest sich sehr beklemmend, aber auch fesselnd, dank der kurzen Kapitel und Desfreds passenderweise etwas atemlos wirkender Erzählweise.


    Die deutsche Übersetzung wirkt allerdings manchmal etwas altbacken und ich vermute, dass es vorwiegend daran liegt, wenn der Text manchmal etwas sehr bedeutungsschwanger rüberkommt und etwas überdeutlich die Moral des Romans hervortritt. Da würde mich der Vergleich mit dem Original interessieren.


    Das schmälert jedoch nicht die Wucht und Aussagekraft des Buches, das man gerne allen in die Hand drücken möchte, die mit bestimmten politischen Strömungen liebäugeln.


    4ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Auch dass Offred nicht aktiv an irgendeiner Rebellion teilnimmt oder das System stürzen will, finde ich extrem ehrlich. Wäre es so einfach und würde das jeder von uns sofort machen, wieso gibt es dann im Laufe der Geschichte und auch heute noch so viele Diktaturen, faschistische und menschenunwürdige Systeme und Regime?
    Ich traue mich jedenfalls nicht zu behaupten, ich würde mein eigenes Leben für den Kampf der Freiheit opfern. Die Welt in der Offred lebt, ist so weit von der meinigen entfernt, dass ich nicht mal in Ansätzen eine Vorstellung davon habe, wie ich reagieren würde.

    Volle Zustimmung. Aus unserer bequemen Warte heraus sagt es sich immer so leicht, dass man garantiert Widerstand leisten würde. Ich würde dafür aber ganz und gar nicht die Hand ins Feuer legen, wie ich mich in einem solchen Überwachungsstaat, der permanent einschüchtert und mit schrecklichen Strafen droht, verhalten würde.

    Ich finde es hat so einen gewissen altmodischen Touch. Man merkt, das eine bestimmte Art Feminismus zu sehen und über Themen zu schreiben, die Frauenrechte betreffen dahinter steht.

    Das habe ich genauso empfunden und mich gefragt, ob die Autorin selbst das heute noch so schreiben würde.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen