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Siobhan Dowd - Anfang und Ende allen Kummers ist dieser Ort Originaltitel: Bog Child aus dem Englischen von Salah Naoura Carlsen Verlag, 2009 365 Seiten |
Inhalt: Fergus lebt in Drumleash, einem Kaff an der nordirischen Grenze. Er steckt gerade mitten in den Abschlussprüfungen, die darüber entscheiden, ob er den Ort verlassen und Medizin studieren, oder mit ungewisser Zukunft bleiben wird. Doch seine Gedanken werden von ganz anderen Dingen abgelenkt: da ist zum einen die Moorleiche eines Mädchens der Eisenzeit, die er beim Torfstechen findet und als Entdecker benennen darf: Mel. Die Leiche wird von Felicity, einer Archäologin aus Dublin, untersucht und parallel zu ihren Erkenntnissen entfaltet sich Mels Geschichte in Fergus' Träumen. Außerdem lernt er Cora, Felicitys Tochter, kennen und auch sie übt eine besondere Anziehung auf ihn aus.
Darüber hinaus beschäftigt ihn das Schicksal seines Bruders Joe. Dieser sitzt im Gefängnis Maze und schließt sich den Hungerstreiks einiger Gefangener an, um ihren Status als politische Gefangene zurückzuerlangen. Joe ist ein Provo, ein Mitglied der provisorischen IRA, einer paramilitärischen Organisation, deren Ziel ein gesamtirischer Staat ist. Von Tag zu Tag verschlechtert sich sein Zustand, während innnerhalb der Familie die Stimmung zwischen Unterstützung und Angst schwankt. Zu allem Überfluss wird Fergus selbst in die Angelegenheiten der örtlichen Provos hineingezogen, obwohl er sich aus diesen Dingen stets heraushalten wollte und sogar Freundschaft mit einem Grenzsoldaten schließt.
Meine Meinung: Die Handlung basiert auf den Ereignissen von 1981, als tatsächlich mehrere Mitglieder der provisorischen IRA sowie der Irischen Nationalen Befreiungsarmee im Long Kesh Gefängnis in den Hungerstreik traten. Ziel war es, bei den britischen Behörden den Sonderstatus als politische Häftlinge zurück zu erlangen. Dabei kamen zehn Männer zu Tode, der erste von ihnen war Bobby Sands. Die Anteilnahme im ganzen Land war enorm und es entstand eine Welle aus Protesten, Sands wurde sogar ins Parlament gewählt.
Dowd schafft es, die Stimmung, wie sie in einer kleinen Stadt an der Grenze und speziell in einer involvierten Familie geherrscht haben muss, gekonnt einzufangen. Die Zerrissenheit zwischen politisch motiviertem Handeln und Familie wird mehrfach deutlich, mal in die eine, mal die andere Richtung stärker ausgeprägt. Dazu schafft sie durch die Geschichte um Mel, das Mädchen aus dem Moor, ein Gegengewicht und lässt auch die ganz normalen Alltagssorgen von Fergus nicht zu kurz kommen. Diese Mischung pendelt ständig zwischen Leichtigkeit und Ernsthaftigkeit, einer stillen Landschaftsbeschreibung können genauso sorgenvolle Gedanken folgen wie Blödeleien zwischen den Jugendlichen. Dowds Stil gefiel mir durchgehend gut und ließ sich locker lesen. Die Protagonisten beschränken sich auf einige wenige, die allerdings keine Stereotypen sind. Angesichts der kurzen Zeitspanne machen sie keine herausragende Entwicklung durch, auch wenn man am Ende dennoch den Eindruck hat, dass Fergus ein anderer ist als noch zu Beginn des Buches.
Zwar merkt man dem Buch an, dass es für Jugendliche geschrieben wurde, alleine weil Schulprüfungen und erste Liebe entsprechend behandelt werden, aber auch als Erwachsener verfällt man der Geschichte. Dowd hat eine angenehme Art zu erzählen, außerdem gefällt mir die Idee, den Blick auf die Hungerstreiks mit den Ereignissen rund um die Moorleiche zu verknüpfen, wirklich gut.
Insgesamt reicht es mit etwas Wohlwollen zu 4ratten.
Viele Grüße
Breña